Entscheidungsdatum
29.10.2024Norm
AsylG 2005 §10Spruch
W275 2274209-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Stella VAN AKEN als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Somalia, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.05.2023, Zahl 1294061804/220196310, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht: Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Stella VAN AKEN als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 , geboren am römisch 40 , StA. Somalia, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.05.2023, Zahl 1294061804/220196310, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.römisch eins. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides wird gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia zuerkannt.römisch II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und römisch 40 gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer eines Jahres erteilt.römisch III. Gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 wird römisch 40 eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer eines Jahres erteilt.
IV. In Erledigung der Beschwerde werden die Spruchpunkte III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.römisch IV. In Erledigung der Beschwerde werden die Spruchpunkte römisch III., römisch IV., römisch fünf. und römisch VI. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stellte nach illegaler Einreise am 01.02.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Am selben Tag wurde der Beschwerdeführer vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und gab dabei im Wesentlichen an, in Saudi-Arabien geboren und aufgewachsen zu sein. Danach sei er mit seinen Eltern und Geschwistern nach Somalia abgeschoben worden und sei mit dem Leben dort nicht zurechtgekommen. Die Situation habe ihn überfordert, weshalb er beschlossen habe, Somalia zu verlassen.
Am 30.11.2022 fand die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt. Zu seinem Fluchtgrund befragt führte er im Wesentlichen aus, dass sein Vater vor seiner Ausreise aus Somalia und vor der Geburt des Beschwerdeführers einen Unfall verursacht habe, bei welchem eine Person verstorben sei, und die Familie des Beschwerdeführers daher nach der Abschiebung aus Saudi-Arabien Probleme bekommen habe. Der Beschwerdeführer sei als ältester Sohn der Familie gefährdet.
Mit oben genanntem Bescheid vom 03.05.2023 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt V.). Für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VI.).Mit oben genanntem Bescheid vom 03.05.2023 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 (Spruchpunkt römisch eins.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 ab (Spruchpunkt römisch II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 wurde nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.) und gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen (Spruchpunkt römisch IV.) sowie gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß Paragraph 46, FPG nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt römisch fünf.). Für die freiwillige Ausreise wurde gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt römisch VI.).
Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.
Am 24.04.2024 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher der Beschwerdeführer insbesondere zu seinen persönlichen Lebensumständen sowie zu seinen Fluchtgründen befragt wurde.
Ergänzend brachte der Beschwerdeführer Unterlagen in Vorlage.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er ist Staatsangehöriger von Somalia. Seine Identität steht nicht fest. Der Beschwerdeführer gehört dem Clan der Darod, Sub-Clan XXXX , Sub-Sub-Clan XXXX , an und bekennt sich zur Religionsgemeinschaft des Islam. Seine Erstsprache ist Somali, er beherrscht diese ebenso wie Arabisch in Wort und Schrift. Der Beschwerdeführer führt den Namen römisch 40 und das Geburtsdatum römisch 40 . Er ist Staatsangehöriger von Somalia. Seine Identität steht nicht fest. Der Beschwerdeführer gehört dem Clan der Darod, Sub-Clan römisch 40 , Sub-Sub-Clan römisch 40 , an und bekennt sich zur Religionsgemeinschaft des Islam. Seine Erstsprache ist Somali, er beherrscht diese ebenso wie Arabisch in Wort und Schrift.
Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Er ist in Dschidda (Saudi-Arabien) geboren und aufgewachsen. Er wurde zuhause unterrichtet und hat in Saudi-Arabien bei mehreren Firmen, unter anderem als Autowäscher, gearbeitet. Der Beschwerdeführer ist im Jahr 2021 erstmals nach Somalia in die Heimatstadt XXXX , Laascaanood (auch Lasanod, Las Anood bzw. Las Anod), Somaliland (Somalia), gelangt und hat dort mit seinen Eltern und seinen XXXX Schwestern in einem Blechhaus von Bekannten gelebt. Der Vater des Beschwerdeführers ist mittlerweile verstorben; sein Tod steht nicht im Zusammenhang mit den Fluchtgründen des Beschwerdeführers. Die Mutter des Beschwerdeführers und seine Schwestern leben mittlerweile XXXX ; der Beschwerdeführer hat Kontakt zu seiner Familie. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Er ist in Dschidda (Saudi-Arabien) geboren und aufgewachsen. Er wurde zuhause unterrichtet und hat in Saudi-Arabien bei mehreren Firmen, unter anderem als Autowäscher, gearbeitet. Der Beschwerdeführer ist im Jahr 2021 erstmals nach Somalia in die Heimatstadt römisch 40 , Laascaanood (auch Lasanod, Las Anood bzw. Las Anod), Somaliland (Somalia), gelangt und hat dort mit seinen Eltern und seinen römisch 40 Schwestern in einem Blechhaus von Bekannten gelebt. Der Vater des Beschwerdeführers ist mittlerweile verstorben; sein Tod steht nicht im Zusammenhang mit den Fluchtgründen des Beschwerdeführers. Die Mutter des Beschwerdeführers und seine Schwestern leben mittlerweile römisch 40 ; der Beschwerdeführer hat Kontakt zu seiner Familie.
Der Beschwerdeführer stellte am 01.02.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer war bzw. ist in Somalia weder einer drohenden Blutrache noch sonst einer individuellen (asylrelevanten) Bedrohung bzw. Verfolgung ausgesetzt.
Das Vorliegen anderer Verfolgungsgründe aufgrund von Religion, Nationalität, politischer Einstellung, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder ethnischer Zugehörigkeit wurde nicht konkret vorgebracht; Hinweise für eine solche Verfolgung sind auch amtswegig nicht hervorgekommen.
1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Dem Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr in die Stadt Laascaanood aufgrund der dort aktuell herrschenden schlechten Sicherheitslage, der schwierigen Versorgungslage und der individuellen Umstände mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.
Dem Beschwerdeführer ist eine Neuansiedelung in einer anderen Region Somalias aufgrund seiner individuellen Umstände in Verbindung mit der – auf ihn bezogen angespannten – Sicherheits- und Versorgungslage aktuell nicht zumutbar.
1.4. Zur maßgeblichen Situation in Somalia:
Auszug aus der Länderinformation der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zu Somalia (Version 6, Stand 08.01.2024):
Politische Lage
Hinsichtlich der meisten Tatsachen ist das Gebiet von Somalia faktisch zweigeteilt, nämlich in: a) die somalischen Bundesstaaten; und b) Somaliland, einen 1991 selbst ausgerufenen unabhängigen Staat, der international nicht anerkannt wird (AA 15.5.2023). Während Süd-/Zentralsomalia seit dem Zusammenbruch des Staates 1991 immer wieder von gewaltsamen Konflikten betroffen war und ist, hat sich der Norden des Landes unterschiedlich entwickelt (BS 2022a).
Somaliland
Im Mai 1991 hat Somaliland die 1960 freiwillig mit Somalia eingegangene Union verlassen und sich als Republik Somaliland wieder für unabhängig erklärt (Schwartz/FPRI 8.11.2021). Somaliland war also schon 1960 ein eigenständiger Staat und möchte diesen Status in den Grenzen der vormaligen Kolonie von Britisch-Somaliland wiedererlangen (Meservey/THF 19.10.2021). Trotzdem wurde das Land bis dato international nicht bzw. nur von Taiwan anerkannt (BS 2022a; vgl. AA 15.5.2023). Die Nachbarn in der Region sowie zunehmend weitere Staaten bemühen sich in Anerkennung der bisherigen Stabilisierungs- und Entwicklungsfortschritte um pragmatische Zusammenarbeit (AA 15.5.2023). Die somalische Bundesregierung erachtet Somaliland als einen somalischen Bundesstaat (PGN 10.2020). Somaliland definiert seine Grenzen gemäß der kolonialen Grenzziehung; Puntland hingegen definiert seine Grenzen genealogisch entlang der Siedlungsgebiete des Clans der Darod. Insgesamt ist die Ostgrenze Somalilands zu Puntland nicht demarkiert, und die Grenze bleibt umstritten (EASO 2.2016).Im Mai 1991 hat Somaliland die 1960 freiwillig mit Somalia eingegangene Union verlassen und sich als Republik Somaliland wieder für unabhängig erklärt (Schwartz/FPRI 8.11.2021). Somaliland war also schon 1960 ein eigenständiger Staat und möchte diesen Status in den Grenzen der vormaligen Kolonie von Britisch-Somaliland wiedererlangen (Meservey/THF 19.10.2021). Trotzdem wurde das Land bis dato international nicht bzw. nur von Taiwan anerkannt (BS 2022a; vergleiche AA 15.5.2023). Die Nachbarn in der Region sowie zunehmend weitere Staaten bemühen sich in Anerkennung der bisherigen Stabilisierungs- und Entwicklungsfortschritte um pragmatische Zusammenarbeit (AA 15.5.2023). Die somalische Bundesregierung erachtet Somaliland als einen somalischen Bundesstaat (PGN 10.2020). Somaliland definiert seine Grenzen gemäß der kolonialen Grenzziehung; Puntland hingegen definiert seine Grenzen genealogisch entlang der Siedlungsgebiete des Clans der Darod. Insgesamt ist die Ostgrenze Somalilands zu Puntland nicht demarkiert, und die Grenze bleibt umstritten (EASO 2.2016).
Somaliland regelt Politik, Wirtschaft und Sicherheitsfragen aber seit drei Jahrzehnten vom Rest des Landes getrennt (HIPS 8.2.2022). Das Land verfügt über zahlreiche Zeichen der Eigenständigkeit: Es gibt eine eigene Zivilverwaltung, eigene Streitkräfte, eine eigene Währung (ICG 12.8.2021; vgl. Meservey/THF 19.10.2021), eigene Polizei, ein eigenes – mehr oder weniger funktionierendes – Steuersystem (Spiegel 1.3.2021), eigene Reisepässe und eine eigene Außenpolitik (Meservey/THF 19.10.2021). Somaliland ist eine friedliche und stabile Demokratie (ABC News 5.6.2022). Von Freedom House erhält Somaliland 2023 am Global Freedom Status Index 44 Punkte - fast oder mehr als doppelt soviele wie die Nachbarn Äthiopien (21) und Dschibuti (24); fünfeinhalbmal mehr als Somalia (8); und einen Punkt mehr als Nigeria (FH 13.10.2023).Somaliland regelt Politik, Wirtschaft und Sicherheitsfragen aber seit drei Jahrzehnten vom Rest des Landes getrennt (HIPS 8.2.2022). Das Land verfügt über zahlreiche Zeichen der Eigenständigkeit: Es gibt eine eigene Zivilverwaltung, eigene Streitkräfte, eine eigene Währung (ICG 12.8.2021; vergleiche Meservey/THF 19.10.2021), eigene Polizei, ein eigenes – mehr oder weniger funktionierendes – Steuersystem (Spiegel 1.3.2021), eigene Reisepässe und eine eigene Außenpolitik (Meservey/THF 19.10.2021). Somaliland ist eine friedliche und stabile Demokratie (ABC News 5.6.2022). Von Freedom House erhält Somaliland 2023 am Global Freedom Status Index 44 Punkte - fast oder mehr als doppelt soviele wie die Nachbarn Äthiopien (21) und Dschibuti (24); fünfeinhalbmal mehr als Somalia (8); und einen Punkt mehr als Nigeria (FH 13.10.2023).
Somaliland hat schrittweise staatliche Strukturen wieder aufgebaut und hat einen Weg zur Demokratisierung eingeschlagen (BS 2022a). Das Land verfügt über eine funktionierende Regierung (HIPS 8.2.2022) und über eine weitgehend stabile und funktionierende Verwaltung (ICG 10.11.2022). Mit internationaler Hilfe konnten Bezirksverwaltungen und Bezirksräte etabliert werden (STDOK 8.2017). Auf dem gesamten Gebiet wurden Behördenstrukturen geschaffen, auch wenn diese nicht überall voll funktionieren (BS 2022a). Politische Entscheidungen können i.d.R. nahezu auf dem ganzen beanspruchten Gebiet umgesetzt werden (FH 2023b; vgl. BS 2022a), allerdings muss diesbezüglich zuvor die Zustimmung einflussreicher Clanältester eingeholt werden (BS 2022a). Mehrere UN-Agenturen führen gemeinsam eine Ausbildung lokaler Führungskräfte durch. So wurden im Juni 2022 97 gewählte Bürgermeister und Vizebürgermeister einer Ausbildung unterzogen. Hierbei ging es um die Entwicklung von Plänen, Finanzverwaltung, Konfliktlösung und Kapazitätsbildung (UN-Habitat 27.6.2022).Somaliland hat schrittweise staatliche Strukturen wieder aufgebaut und hat einen Weg zur Demokratisierung eingeschlagen (BS 2022a). Das Land verfügt über eine funktionierende Regierung (HIPS 8.2.2022) und über eine weitgehend stabile und funktionierende Verwaltung (ICG 10.11.2022). Mit internationaler Hilfe konnten Bezirksverwaltungen und Bezirksräte etabliert werden (STDOK 8.2017). Auf dem gesamten Gebiet wurden Behördenstrukturen geschaffen, auch wenn diese nicht überall voll funktionieren (BS 2022a). Politische Entscheidungen können i.d.R. nahezu auf dem ganzen beanspruchten Gebiet umgesetzt werden (FH 2023b; vergleiche BS 2022a), allerdings muss diesbezüglich zuvor die Zustimmung einflussreicher Clanältester eingeholt werden (BS 2022a). Mehrere UN-Agenturen führen gemeinsam eine Ausbildung lokaler Führungskräfte durch. So wurden im Juni 2022 97 gewählte Bürgermeister und Vizebürgermeister einer Ausbildung unterzogen. Hierbei ging es um die Entwicklung von Plänen, Finanzverwaltung, Konfliktlösung und Kapazitätsbildung (UN-Habitat 27.6.2022).
Somaliland hat sich über drei Jahrzehnte die Reputation einer Insel des Friedens, der Demokratie und der Stabilität erworben (Norman/AFRA 3.3.2023). Das Land galt als politisch stabil und friedlich (ABC News 5.6.2022). Die Regierung bekennt sich zu Demokratie und Marktwirtschaft und hat dazu schon einiges beigetragen (BS 2022a). Regierungsausgaben erfolgen relativ klar und transparent (Spiegel 1.3.2021). Mit dem Konflikt um Laascaanood drohen all diese Beschreibungen zu zerfallen (Norman/AFRA 3.3.2023). Allerdings haben die staatlichen Institutionen und die Zivilgesellschaft immer wieder bewiesen, dass sie in der Lage sind, Streitigkeiten mit Verhandlungen und Kompromissen beizulegen (Terlinden/Ibrahim/Böll 27.6.2022). Eine etablierte Tradition politischer Anpassung hat das Land immer wieder vor dem Abgrund eines Konflikts gerettet (Sahan/SWT 31.7.2023).
Politischen Auseinandersetzungen um die Festlegung der Wahlmodalitäten haben das Vertrauen in Präsident Bihi massiv erschüttert (BMLV 1.12.2023). Seine Legitimität hat stetig abgenommen, es gibt eine interne Opposition, eine zornige politische Elite (SNM) und ökonomische Spannungen (AQ21 11.2023). Das Land kämpft mit massiven strukturellen Restriktionen. Der Staatsapparat bleibt schwach und unterfinanziert und das Land ist von einem hohen Maß an Armut geprägt. Der Staat ist von Wirtschaftstreibenden abhängig. Auf allen Ebenen der Verwaltung kommt es zu Korruption und Clanpatronage. Zudem sind staatliche Institutionen – wie erwähnt – hinsichtlich der Umsetzung ihrer Entscheidungen an das Einverständnis einflussreicher Clanältester gebunden. Dabei hat Somaliland aber im Wesentlichen mit Verhandlungen zwischen und mit unterschiedlichen Akteuren gute Erfahrungen gemacht (BS 2022a). So sind Clanälteste bei der Erhaltung des Friedens wichtig; unzählige Male wurden sie eingebunden, um bei meist Ressourcen betreffenden Konflikten zu verhandeln und eine Versöhnung herbeizuführen (Sahan/SWT 1.10.2021).
Demokratie: Einer der größten Erfolge Somalilands ist das regelmäßige Abhalten direkter (NLM/Barnett 7.8.2023), friedlicher und allgemeiner Wahlen (Schwartz/FPRI 8.11.2021; vgl. AA 15.5.2023; ICG 12.8.2021). Diese wurden durch internationale Beobachter regelmäßig als frei und fair beurteilt (BS 2022a). Außerdem ist es schon mehrfach nach Wahlen zu einer friedlichen, demokratischen Machtübergabe gekommen (ABC News 5.6.2022; vgl. Schwartz/FPRI 8.11.2021; Spiegel 1.3.2021). Somaliland verfügt über die relevanten Institutionen, um die Demokratie auch zu verteidigen (Meservey/THF 19.10.2021).Demokratie: Einer der größten Erfolge Somalilands ist das regelmäßige Abhalten direkter (NLM/Barnett 7.8.2023), friedlicher und allgemeiner Wahlen (Schwartz/FPRI 8.11.2021; vergleiche AA 15.5.2023; ICG 12.8.2021). Diese wurden durch internationale Beobachter regelmäßig als frei und fair beurteilt (BS 2022a). Außerdem ist es schon mehrfach nach Wahlen zu einer friedlichen, demokratischen Machtübergabe gekommen (ABC News 5.6.2022; vergleiche Schwartz/FPRI 8.11.2021; Spiegel 1.3.2021). Somaliland verfügt über die relevanten Institutionen, um die Demokratie auch zu verteidigen (Meservey/THF 19.10.2021).
Es gibt ein Zwei-Kammern-Parlament. Das Ober- bzw. Ältestenhaus (Guurti) besteht aus 82 ernannten bzw. indirekt gewählten, das Unter- bzw. Repräsentantenhaus aus 82 gewählten Mitgliedern. Parlamentswahlen waren seit Jahren überfällig und haben am 31.5.2022 schlussendlich stattgefunden (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023b). 1,3 Millionen Wähler waren registriert (Shukri/TEL 3.5.2021). Nur in manchen östlichen Landesteilen konnte die Wahl nicht durchgeführt werden – namentlich in Badhaan und in der Umgebung von Laasqooray, also dort, wo die Verwaltung von Puntland eine stärkere Präsenz zeigt (ICG 12.8.2021).Es gibt ein Zwei-Kammern-Parlament. Das Ober- bzw. Ältestenhaus (Guurti) besteht aus 82 ernannten bzw. indirekt gewählten, das Unter- bzw. Repräsentantenhaus aus 82 gewählten Mitgliedern. Parlamentswahlen waren seit Jahren überfällig und haben am 31.5.2022 schlussendlich stattgefunden (USDOS 20.3.2023; vergleiche FH 2023b). 1,3 Millionen Wähler waren registriert (Shukri/TEL 3.5.2021). Nur in manchen östlichen Landesteilen konnte die Wahl nicht durchgeführt werden – namentlich in Badhaan und in der Umgebung von Laasqooray, also dort, wo die Verwaltung von Puntland eine stärkere Präsenz zeigt (ICG 12.8.2021).
Diese Wahlen waren ein Meilenstein auf dem Weg der Demokratisierung Somalilands (ICG 12.8.2021). Mehrere europäische Staaten haben die erfolgreichen Wahlen gelobt (EEAS 8.6.2021). Es gab zwar einige Unregelmäßigkeiten (FH 2023b), und die Wahlen verliefen zwar nicht perfekt, doch waren sie frei und fair (USDOS 20.3.2023; vgl. AA 15.5.2023), glaubwürdig (FH 2023b) sowie friedlich und transparent. Die Oppositionsparteien UCID und Waddani gewannen die Wahl gegen die Kulmiye-Partei des Präsidenten (USDOS 20.3.2023). Im Unterhaus konnte Waddani 31 Sitze gewinnen, die regierende Kulmiye 30 und UCID die übrigen 21. Die beiden Oppositionsparteien sind unmittelbar ein Bündnis eingegangen, und damit hat die Opposition nun die Kontrolle im Unterhaus (ICG 12.8.2021; vgl. HIPS 8.2.2022, FH 2023b). Außerdem stellt die Opposition nun in fünf der sieben größten Städte - darunter Hargeysa - den Bürgermeister (UNSC 10.8.2021). Die meisten Stimmen hat ein relativ unbekannter, junger Angehöriger einer Minderheit errungen. Er hatte seinen Wahlkampf ohne Clanunterstützung und größtenteils mit Werbung auf sozialen Medien geführt (AA 28.6.2022).Diese Wahlen waren ein Meilenstein auf dem Weg der Demokratisierung Somalilands (ICG 12.8.2021). Mehrere europäische Staaten haben die erfolgreichen Wahlen gelobt (EEAS 8.6.2021). Es gab zwar einige Unregelmäßigkeiten (FH 2023b), und die Wahlen verliefen zwar nicht perfekt, doch waren sie frei und fair (USDOS 20.3.2023; vergleiche AA 15.5.2023), glaubwürdig (FH 2023b) sowie friedlich und transparent. Die Oppositionsparteien UCID und Waddani gewannen die Wahl gegen die Kulmiye-Partei des Präsidenten (USDOS 20.3.2023). Im Unterhaus konnte Waddani 31 Sitze gewinnen, die regierende Kulmiye 30 und UCID die übrigen 21. Die beiden Oppositionsparteien sind unmittelbar ein Bündnis eingegangen, und damit hat die Opposition nun die Kontrolle im Unterhaus (ICG 12.8.2021; vergleiche HIPS 8.2.2022, FH 2023b). Außerdem stellt die Opposition nun in fünf der sieben größten Städte - darunter Hargeysa - den Bürgermeister (UNSC 10.8.2021). Die meisten Stimmen hat ein relativ unbekannter, junger Angehöriger einer Minderheit errungen. Er hatte seinen Wahlkampf ohne Clanunterstützung und größtenteils mit Werbung auf sozialen Medien geführt (AA 28.6.2022).
Das Oberhaus setzt sich ausschließlich aus Ältesten zusammen. Das Guurti wurde 1993 gebildet und seither - aufgrund unklarer Rechtslage - nicht mehr neu besetzt (ICG 12.8.2021). Verstorbene Älteste wurden durch nahe Angehörige ersetzt – unabhängig von deren Verdiensten (Shukri/TEL 3.5.2021). Im Oktober 2022 hat das Guurti sein eigenes Mandat um fünf Jahre verlängert (FH 2023b). Im Grund ist das Guurti eine mächtige Institution (Shukri/TEL 3.5.2021). Durch diese Institution - aber auch generell - verfügen Clanälteste über eine einflussreiche Rolle in der Politik (FH 2023b). Zudem sind beim Innenministerium 2.700 Sultane [traditionelle Älteste bzw. Clanführer] registriert. Diese erhalten für ihre Beteiligung an den Lokalverwaltungen auch ein Gehalt (UNHRC 6.9.2017).
Auch die Präsidentschaftswahl hatte sich um zwei Jahre verzögert, bevor sie Mitte November 2017 stattfand (FH 2023b). Zum Präsidenten gewählt wurde der Kandidat der regierenden Kulmiye-Partei, Muse Bihi Abdi (USDOS 20.3.2023). Die Wahl wurde von unabhängigen Beobachtern als weitgehend frei und fair bzw. glaubwürdig bezeichnet (BS 2022a; vgl. FH 2023b). Auch die Präsidentschaftswahl hatte sich um zwei Jahre verzögert, bevor sie Mitte November 2017 stattfand (FH 2023b). Zum Präsidenten gewählt wurde der Kandidat der regierenden Kulmiye-Partei, Muse Bihi Abdi (USDOS 20.3.2023). Die Wahl wurde von unabhängigen Beobachtern als weitgehend frei und fair bzw. glaubwürdig bezeichnet (BS 2022a; vergleiche FH 2023b).
Mit der Beschränkung auf drei politische Parteien soll eine Zersplitterung der Parteienlandschaft entlang von Clans verhindert werden. Lokalwahlen entscheiden darüber, welche drei politischen Parteien für die nächsten Wahlen auf nationaler Ebene zugelassen werden (BS 2022a; vgl. AA 15.5.2023). Die Dauer der Zulassung beträgt zehn Jahre. Nach den Wahlen 2010 wurden die Parteien Kulmiye, Waddani und UCID zugelassen. Politisches Engagement im Rahmen anderer Gruppen wird staatlicherseits beobachtet. Gegebenenfalls werden strafrechtliche Maßnahmen ergriffen (AA 15.5.2023). Die politische Basis von Waddani sind historisch die Habr Yunis, die regierende Kulmiye ist in erster Linie eine Allianz der Isaaq-Clans Habr Awal und Habr Jeclo (Sahan/SWT 31.7.2023).Mit der Beschränkung auf drei politische Parteien soll eine Zersplitterung der Parteienlandschaft entlang von Clans verhindert werden. Lokalwahlen entscheiden darüber, welche drei politischen Parteien für die nächsten Wahlen auf nationaler Ebene zugelassen werden (BS 2022a; vergleiche AA 15.5.2023). Die Dauer der Zulassung beträgt zehn Jahre. Nach den Wahlen 2010 wurden die Parteien Kulmiye, Waddani und UCID zugelassen. Politisches Engagement im Rahmen anderer Gruppen wird staatlicherseits beobachtet. Gegebenenfalls werden strafrechtliche Maßnahmen ergriffen (AA 15.5.2023). Die politische Basis von Waddani sind historisch die Habr Yunis, die regierende Kulmiye ist in erster Linie eine Allianz der Isaaq-Clans Habr Awal und Habr Jeclo (Sahan/SWT 31.7.2023).
Verzögerungen im Wahlkalender haben dazu geführt, dass die für die Wahl der Parteien entscheidenden Lokal- und Parlamentswahlen immer wieder verschoben worden sind. Als sie schließlich im Mai 2021 abgehalten wurden, durften keine neuen politischen Vereinigungen um die Wählergunst werben. Die Regierung hat daher schon 2021 eine Ergänzung zum Wahlgesetz eingebracht, unabhängig von sonstigen Wahlen eine landesweite Wahl abzuhalten, um die drei politischen Parteien zu bestimmen, die bei den folgenden Präsid