TE Vwgh Erkenntnis 1995/4/5 94/01/0387

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Veröffentlicht am 05.04.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §16 Abs1;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Händschke, Dr. Bernegger und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des D, vertreten durch Dr. I, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 26. April 1993, Zl. 4.288.145/2-III/13/90, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 26. April 1993 wurde die Berufung der beschwerdeführenden Partei - eines rumänischen Staatsangehörigen, der am 23. November 1989 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 27. November 1989 den Asylantrag gestellt hat - gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 23. Februar 1990, betreffend die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde hat der beschwerdeführenden Partei, ohne sich mit deren Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 auseinanderzusetzen, deshalb kein Asyl gemäß § 3 leg. cit. gewährt, weil sie der Ansicht war, daß bei der beschwerdeführenden Partei der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. gegeben sei, wonach einem Flüchtling kein Asyl gewährt wird, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war. Sie ging von den Angaben der beschwerdeführenden Partei bei ihrer niederschriftlichen Vernehmung am 7. Dezember 1989 aus, daß sich die beschwerdeführende Partei vor ihrer Einreise nach Österreich in der Zeit vom 16. Oktober 1989 bis 23. November 1989 in Ungarn aufgehalten habe und dort auch einer Beschäftigung nachgegangen sei, und befaßte sich in rechtlicher Hinsicht näher mit dem Begriff der "Verfolgungssicherheit" im Sinne der genannten Gesetzesstelle, wobei sie im wesentlichen - im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. unter anderem die Erkenntnisse vom 27. Mai 1993, Zl. 93/01/0256, und vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0357), auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird - die Rechtslage richtig erkannt hat. Die belangte Behörde stellte fest, daß der Aufenthalt der beschwerdeführenden Partei den ungarischen Behörden bekannt gewesen, von diesen geduldet und gebilligt worden und die beschwerdeführende Partei daher nicht Gefahr gelaufen sei, in ihr Heimatland abgeschoben zu werden.

Die beschwerdeführende Partei bringt in tatsächlicher Hinsicht vor, daß mit ihr gemeinsam (in Ungarn) verhörte rumänische Staatsangehörige abgeschoben worden seien. Sie selbst habe keine Zusicherung erhalten, daß ihr keine Abschiebung drohe, sodaß sie daher nach Österreich weitergereist sei. Auch habe die beschwerdeführende Partei im Verwaltungsverfahren vor der Asylbehörde erster Instanz mehrmals darauf hingewiesen, daß ihr die Abschiebung aus Ungarn gedroht habe. Die belangte Behörde habe es unter Verletzung von Verfahrensvorschriften unterlassen, Nachforschungen (insbesondere hinsichtlich der drohenden Abschiebung aus Ungarn nach Rumänien) anzustellen, und wäre bei rechtlich richtiger Würdigung "zur Überzeugung gelangt, daß eine Zusicherung des Schutzes im Staate Ungarn nicht gegeben war."

Damit macht die beschwerdeführende Partei zutreffend geltend, daß keine ausreichenden Ermittlungen gepflogen wurden, die die Annahme der belangten Behörde rechtfertigen könnten, die beschwerdeführende Partei habe in Ungarn Verfolgungssicherheit erlangt, da ihr Aufenthalt den ungarischen Behörden bekannt gewesen und von diesen geduldet worden, und die beschwerdeführende Partei nicht Gefahr gelaufen sei, in ihr Heimatland abgeschoben zu werden (siehe bezüglich der Mitgliedschaft Ungarns zur Genfer Flüchtlingskonvention BGBl. Nr. 260/1992). Die beschwerdeführende Partei hat auf diese Weise nach Maßgabe der sie im Verwaltungsverfahren treffenden Mitwirkungspflicht, ohne daß es demnach noch einer weiteren Konkretisierung ihres Vorbringens bedurft hätte, auch die Wesentlichkeit der der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensmängel aufgezeigt (vgl. dazu des näheren das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/19/0413). Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die belangte Behörde - gestützt auf die Angaben der beschwerdeführenden Partei bei deren Ersteinvernahme - für den Zeitraum vom 16. Oktober bis 23. November 1989 von einer Aufenthaltsberechtigung der beschwerdeführenden Partei in Ungarn ausgegangen ist, da die beschwerdeführende Partei unmißverständlich die erstmals im angefochtenen Bescheid - ohne vorangehendes Ermittlungsverfahren - von der belangten Behörde herangezogene Annahme der Verfolgungssicherheit in Ungarn durch behauptete Beispiele von Abschiebungen rumänischer Staatsbürger durch Ungarn in Abrede stellte und auch die drohende Abschiebung ihrer Person einwendete. In diesem Punkt unterscheidet sich der Beschwerdefall von ähnlich gelagerten Fällen, in denen der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat, daß die Annahme der belangten Behörde betreffend das Vorliegen von Verfolgungssicherheit für die beschwerdeführende Partei im Hinblick auf die aufgezeigte Aufenthaltsberechtigung und mangels sonstiger hinreichender Gründe, weshalb es der beschwerdeführenden Partei nicht möglich oder zumutbar gewesen wäre, weiterhin mit Billigung der staatlichen Behörden in Ungarn zu bleiben, nicht als unschlüssig angesehen werden kann (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 20. Mai 1994, Zl. 93/01/1290). Im Hinblick darauf, daß der beschwerdeführenden Partei im Berufungsverfahren kein Parteiengehör gewährt wurde, obwohl die belangte Behörde, anders als die Erstbehörde, nunmehr aufgrund des von ihr gemäß dessen § 25 Abs. 2 anzuwendenden AsylG 1991 von diesem Ausschließungsgrund Gebrauch gemacht hat, verstößt ihr (erstmals in der Beschwerde erstattetes) Vorbringen diesbezüglich auch nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG.

Da sohin Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil in dem pauschalierten Schriftsatzaufwand die Umsatzsteuer bereits enthalten ist.

Schlagworte

Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren Parteiengehör Verletzung des Parteiengehörs Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994010387.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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