Entscheidungsdatum
28.08.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W283 2286064-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Stefanie KUSCHNIG als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX 2004, StA. SYRIEN, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.11.2023, Zl. 1323465408/ XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Stefanie KUSCHNIG als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 , geboren am römisch 40 2004, StA. SYRIEN, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.11.2023, Zl. 1323465408/ römisch 40 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
Die beschwerdeführende Partei (bP), eine männliche Staatsangehörige von Syrien, stellte am 08.09.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz, den sie bei ihrer polizeilichen Erstbefragung im Wesentlichen damit begründete, dass ihre Familie in Armut lebe und sie im Herkunftsstaat keine Zukunft hätte. Auf konkrete Nachfrage verneinte die bP den Militärdienst antreten zu müssen.
Am 26.04.2023 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme der bP vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt). Befragt zu ihren Fluchtgründen gab die bP im Wesentlichen an, dass sie aufgrund des abzuleistenden Militärdienstes bei den syrischen Streitkräften sowie für die kurdischen Milizen den Herkunftsstaat verlassen habe.
Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid wies das Bundesamt den Antrag der bP hinsichtlich des Status der Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihr jedoch den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihr eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkte II. und III.). Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid wies das Bundesamt den Antrag der bP hinsichtlich des Status der Asylberechtigten ab (Spruchpunkt römisch eins.), erkannte ihr jedoch den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihr eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkte römisch II. und römisch III.).
Mit fristgerecht erhobener Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides, wiederholte die bP im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen. Ergänzend führte sie aus, dass sie vom syrischen Regime aufgrund der Herkunft aus einem Oppositionsgebiet und der illegalen Ausreise aus Syrien Verfolgung ausgesetzt wäre. Zudem bestehe die Gefahr, dass das syrische Regime die Herkunftsregion der bP zurückerobern könnte, womit die bP dem Risiko einer Zwangsrekrutierung bzw. den Konsequenzen der Wehrdienstverweigerung unterläge. Mit fristgerecht erhobener Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides, wiederholte die bP im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen. Ergänzend führte sie aus, dass sie vom syrischen Regime aufgrund der Herkunft aus einem Oppositionsgebiet und der illegalen Ausreise aus Syrien Verfolgung ausgesetzt wäre. Zudem bestehe die Gefahr, dass das syrische Regime die Herkunftsregion der bP zurückerobern könnte, womit die bP dem Risiko einer Zwangsrekrutierung bzw. den Konsequenzen der Wehrdienstverweigerung unterläge.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am 09.04.2024 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die arabische Sprache und im Beisein der Vertretung der bP eine öffentliche Verhandlung durch.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person der bP:
Die bP führt den im Spruch angeführten Namen das dort angegebene Geburtsdatum. Sie ist zum Entscheidungszeitpunkt 19 Jahre alt. Die bP ist eine männliche Staatsangehörige von Syrien, gehört der Volksgruppe der AraberInnen an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Ihre Erstsprache ist Arabisch.
Die bP ist im Dorf XXXX , im Gebiet Manbij, im Gouvernement Aleppo, geboren. Die bP ist dort auch aufgewachsen. Im Jahr 2021 siedelte sie mit ihrer Familie nach XXXX , einem Nachbarort von XXXX etwa 1,5 Kilometer von XXXX entfernt. Die bP besuchte in Syrien keine Schule und arbeitete in der familieneigenen Landwirtschaft. Die bP ist im Dorf römisch 40 , im Gebiet Manbij, im Gouvernement Aleppo, geboren. Die bP ist dort auch aufgewachsen. Im Jahr 2021 siedelte sie mit ihrer Familie nach römisch 40 , einem Nachbarort von römisch 40 etwa 1,5 Kilometer von römisch 40 entfernt. Die bP besuchte in Syrien keine Schule und arbeitete in der familieneigenen Landwirtschaft.
Die bP ist ledig und kinderlos.
Der Vater der bP lebt in Jordanien. Der Vater der bP hat 3 Ehefrauen. Die 1. Ehefrau des Vaters der bP hat 6 Kinder und lebt mit diesen in XXXX . Die Mutter der bP ist die 2. Ehefrau des Vaters der bP namens XXXX , sie lebt in XXXX . Die Mutter der bP hat weitere 5 Söhne und 2 Töchter. Die Familie der bP hat ein neues Haus gebaut, in welchem die Familienmitglieder der bP leben. Die 3. Ehefrau des Vaters der bP hat keine Kinder.Der Vater der bP lebt in Jordanien. Der Vater der bP hat 3 Ehefrauen. Die 1. Ehefrau des Vaters der bP hat 6 Kinder und lebt mit diesen in römisch 40 . Die Mutter der bP ist die 2. Ehefrau des Vaters der bP namens römisch 40 , sie lebt in römisch 40 . Die Mutter der bP hat weitere 5 Söhne und 2 Töchter. Die Familie der bP hat ein neues Haus gebaut, in welchem die Familienmitglieder der bP leben. Die 3. Ehefrau des Vaters der bP hat keine Kinder.
Vor ihrer Ausreise lebte die bP mit 3 ihrer Brüder XXXX , den 2 Schwestern XXXX , den 5 Halbschwestern XXXX sowie deren Mutter in einem gemeinsamen Haus in XXXX . 1 Halbbruder XXXX der bP hat seinen Wohnsitz im Libanon, 2 Brüder XXXX leben mit dem Vater und seiner 3. Ehefrau in Jordanien. Vor ihrer Ausreise lebte die bP mit 3 ihrer Brüder römisch 40 , den 2 Schwestern römisch 40 , den 5 Halbschwestern römisch 40 sowie deren Mutter in einem gemeinsamen Haus in römisch 40 . 1 Halbbruder römisch 40 der bP hat seinen Wohnsitz im Libanon, 2 Brüder römisch 40 leben mit dem Vater und seiner 3. Ehefrau in Jordanien.
Die bP steht in regelmäßigem Kontakt mit ihren Familienangehörigen. Die Familie besitzt Ländereien im Ausmaß von etwa 1 Hektar, die nach wie vor von der Mutter und den Geschwistern der bP bewirtschaftet werden.
Die bP ist gesund. Ihr kommt in Österreich der Status einer subsidiär Schutzberechtigen zu.
1.2. Zu den Fluchtgründen der bP:
1.2.1. Die bP ist im Entscheidungszeitpunkt 19 Jahre alt. Sie hat Syrien im Alter von 17 Jahren im Juni 2022 Richtung Türkei verlassen, um in weiterer Folge nach Österreich zu reisen.
1.2.2. Die Herkunftsregion der bP ist die Umgebung von XXXX im Distrikt Manbij, im Gouvernement Aleppo. Die Herkunftsregion der bP steht im Einfluss- oder Kontrollgebiet der Kurden. 1.2.2. Die Herkunftsregion der bP ist die Umgebung von römisch 40 im Distrikt Manbij, im Gouvernement Aleppo. Die Herkunftsregion der bP steht im Einfluss- oder Kontrollgebiet der Kurden.
1.2.3. Im Juni 2019 verabschiedete die „Autonomous Administration of North and East Syria“ (AANES), die „Demokratische Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien“, ein Gesetz zur „Selbstverteidigungspflicht“, das den verpflichtenden Militärdienst, den Männer über 18 Jahren im Gebiet der AANES ableisten müssen, regelt. Am 04.09.2021 wurde das Dekret Nr. 3 erlassen, welches die Wehrpflicht auf Männer im Alter zwischen 18 und 24 Jahren (geboren 1998 oder später) beschränkt. Diese Wehrpflicht gilt auch für Personen, die nicht ursprünglich aus Gebieten der AANES stammen, aber seit mehr als 5 Jahren in der Region wohnen. Überdies sind alle ethnischen Gruppen und auch staatenlose Kurden zum Wehrdienst verpflichtet, somit auch Araber. Artikel 2 des Gesetzes über die „Selbstverteidigungspflicht“ vom Juni 2019 sieht eine Dauer von 12 Monaten vor. Aktuell beträgt die Dauer 1 Jahr und im Allgemeinen werden die Männer nach einem Jahr aus dem Dienst entlassen. In Situationen höherer Gewalt kann die Dauer des Wehrdiensts verlängert werden. Wehrdienstverweigerer können zudem mit der Ableistung eines zusätzlichen Wehrdienstmonats bestraft werden.
Die Aufrufe für die „Selbstverteidigungspflicht“ erfolgen jährlich durch die Medien, wo verkündet wird, welche Altersgruppe von Männer von eingezogen wird. Es gibt keine individuellen Verständigungen an die Wehrpflichtigen an ihrem Wohnsitz. Die Wehrpflichtigen erhalten dann beim „Büro für Selbstverteidigungspflicht“ ein Buch, in welchem ihr Status bezüglich der Ableistung des Wehrdiensts dokumentiert wird, bspw. die erfolgte Ableistung oder etwaige Ausnahmen vom Militärdienst.
Es kommt zu Überprüfungen von möglichen Wehrpflichtigen an Checkpoints und auch zu Ausforschungen. Die Selbstverwaltung informiert einen sich dem Wehrdienst Entziehenden zwei Mal bezüglich der Einberufungspflicht durch ein Schreiben an seinen Wohnsitz. Wenn er sich nicht zur Ableistung einfindet, sucht ihn die „Militärpolizei“ unter seiner Adresse. Die meisten sich der Wehrdienstenziehenden werden jedoch an Checkpoints ausfindig gemacht. Die Länderinformationen berichtet, dass es zur Verlängerung der Selbstverteidigungspflicht um einen Monat oder zu einer vorübergehenden Haft „für eine Zeitspanne“ im Ausmaß von etwa ein bis zwei Wochen kommt, um einen Einsatzort für die Betreffenden zu finden. Möglich sind aber auch Haftstrafen zusätzlich zur Verlängerung des Wehrdienstes. Hingegen dürften die Autonomiebehörden eine Verweigerung nicht als Ausdruck einer bestimmten politischen Gesinnung sehen.
Rekruten werden hauptsächlich für Aufgaben der inneren Sicherheit in den Städten, für den Objektschutz und den Schutz von Versorgungswegen eingesetzt. Eine Versetzung an die Front erfolgt fallweise auf eigenen Wunsch, ansonsten werden die Rekruten im Konfliktbedarf an die Front verlegt.
1.2.3.1. Die bP hat die „Selbstverteidigungspflicht“ bisher noch nicht erfüllt und unterlag auch keinen Zwangsrekrutierungsversuchen der Kurden bzw. von kurdischen Milizen.
1.2.3.2. Im Falle der Rückkehr unterliegt die bP aufgrund ihres aktuellen Alters von 19 Jahren bzw. ihres Geburtsjahrganges im Jahr 2004 der „Selbstverteidigungspflicht“ im kurdischen Selbstverwaltungsgebiet. Die Möglichkeit zur Verweigerung des Militärdienstes aus Gewissensgründen besteht nicht. Im Falle der Wehrdienstentziehung könnte sie mit der Ableistung eines zusätzlichen Wehrdienstmonats bestraft werden. Der Versuch dem Wehrdienst zu entgehen könnte auch mit einer vorhergehenden Haft im Ausmaß von bis zu zwei Wochen verbunden sein, wobei es während der Haft nicht zu Misshandlungen kommen würde. Die bP wäre im Falle der Zwangsrekrutierung im Rahmen der „Selbstverteidigungspflicht“ in Bereichen wie Nachschub oder Objektschutz eingesetzt und wird als Rekrut normalerweise nicht an der Front eingesetzt. Die bP ist deshalb nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zur Beteiligung an Kampfhandlungen an der Front verpflichtet, die mit Menschenrechtsverletzungen einhergehen.
1.2.3.3. Im Falle der Rückkehr in ihre Herkunftsregion ist die bP auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr der Verfolgung durch die kurdischen Machthaber aus einem anderen der in der GFK genannten Gründe ausgesetzt. Im Falle einer Verweigerung der „Selbstverteidigungspflicht“ wird der bP insbesondere keine oppositionelle Gesinnung unterstellt.
1.2.4. Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes verpflichtend. Laut Gesetzesdekret Nr. 30 von 2007 Art. 4 lit b gilt dies vom 1. Januar des Jahres, in dem das Alter von 18 Jahren erreicht wird, bis zum Überschreiten des Alters von 42 Jahren. Die Dauer des Wehrdienstes beträgt 18 Monate bzw. 21 Monate für jene, die die fünfte Klasse der Grundschule nicht abgeschlossen haben.1.2.4. Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes verpflichtend. Laut Gesetzesdekret Nr. 30 von 2007 Artikel 4, Litera b, gilt dies vom 1. Januar des Jahres, in dem das Alter von 18 Jahren erreicht wird, bis zum Überschreiten des Alters von 42 Jahren. Die Dauer des Wehrdienstes beträgt 18 Monate bzw. 21 Monate für jene, die die fünfte Klasse der Grundschule nicht abgeschlossen haben.
Bei der Einberufung neuer Rekruten sendet die Regierung Wehrdienstbescheide mit der Aufforderung, sich zum Militärdienst anzumelden, an Männer, die das wehrfähige Alter erreicht haben. Die Namen der einberufenen Männer werden in einer zentralen Datenbank erfasst. Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Wehrbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man zur Wehrdienstableistung einberufen. Wenn bei der medizinischen Untersuchung ein gesundheitliches Problem festgestellt wird, wird man entweder vom Wehrdienst befreit oder muss diesen durch Tätigkeiten, die nicht mit einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. -einsätzen verbunden sind, ableisten. Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt.
Wehrpflichtige Männer, die nicht auf den Einberufungsbescheid reagieren, werden von Mitarbeitern der Geheimdienste abgeholt und zwangsrekrutiert. Junge Männer werden an Kontrollstellen (Checkpoints) sowie unmittelbar an Grenzübergängen festgenommen und zwangsrekrutiert.
1.2.4.1. Die bP hat den Wehrdienst bei den syrischen Streitkräften noch nicht abgeleistet. Die bP ist wehrpflichtig. Befreiungsgründe oder Ausschlussgründe hinsichtlich des Militärdienstes sind bei der bP nicht gegeben.
1.2.4.2. Im Falle der Rückkehr in ihre Herkunftsregion ist die bP nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr der Verfolgung durch das syrische Regime ausgesetzt. Die Herkunftsregion der bP steht nicht im Einfluss- oder Kontrollgebiet des syrischen Regimes, sondern maßgeblich unter der Kontrolle der kurdischen Machthaber. Die syrische Regierung verfügt lediglich über mehrere kleine Enklaven im Selbstverwaltungsgebiet.
Die syrische Regierung ist nur in kleinen Teilen der Stadt al-Qamischli und in zahlreichen Dörfern südlich der Stadt sowie in kleinen Teilen der Stadt Al-Hasaka stark vertreten. So können wehrpflichtige Personen, die bspw. einen Checkpoint unter der Kontrolle der Regierungskräfte in der Nähe von Manbij, Ain Al-Arab, oder in den Vierteln der Stadt al-Hasaka, passieren, zum Wehrdienst eingezogen werden. Außerhalb dieser Zonen ist die Kontrolle der Regierung jedoch locker und umstritten. Das syrische Regime ist nicht in der Lage, dort die Wehrpflicht durchzusetzen. Die Gebiete in und um Manbij, Ain Al-Arab, Tal Rifaat und an der türkischen Grenze würden sich zwar durch Präsenz einiger Regierungstruppen auszeichnen, die „Syrian Democratic Forces (SDF)“ sind jedoch nach wie vor der Hauptakteur in der Region. Die Rekrutierung von Wehrpflichtigen ist daher im Allgemeinen an die Zugriffsmöglichkeiten der syrischen Behörden gebunden.
1.2.4.3. Die bP hat niemals ein Wehrbuch oder einen Einberufungsbefehl zum regulären Militärdienst erhalten. Das syrische Regime unterstellt der bP wegen der mit ihrer Flucht verbundenen Entziehung vom Wehrdienst oder einer künftigen Verweigerung der Ableistung eines Wehrdienstes keine oppositionelle Gesinnung. Im Übrigen vertritt die bP auch keine politische oder religiöse Überzeugung, die einer Ableistung der Wehrpflicht bei der syrischen Armee entgegensteht. Die bP hat keine als oppositionell anzusehenden Handlungen gesetzt, die sie mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit glaubhaft ins Blickfeld des syrischen Regimes gebracht haben.
1.2.4.4. Die Herkunftsregion der bP ist ohne Kontakt zum syrischen Regime erreichbar. Die Einreise in die nordöstlichen Gebiete Syriens unter kurdischer Kontrolle ist für die bP beispielsweise über den Grenzübergang Semalka – Faysh Khabur, ohne Kontakt zum syrischen Regime zu haben, möglich. Aufgrund der faktischen Hoheitsgewalt der kurdischen Machthaber über das Gebiet vom Grenzübergang Semalka – Faysh Khabur bis zum Herkunftsort der bP im Distrikt Manbij ist ihr auch eine Weiterreise in ihren Herkunftsort ohne Kontakt zum syrischen Regime möglich.
1.2.5. Auch aufgrund der illegalen Ausreise aus Syrien und der Asylantragstellung in Österreich droht der bP im Herkunftsstaat nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aufgrund der Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung. Nicht alle Rückkehrenden, die unrechtmäßig ausgereist sind und die im Ausland einen Asylantrag gestellt haben, wird eine oppositionelle Gesinnung unterstellt.
1.2.6. Auch hatte und hat die bP in Syrien keine Probleme wegen ihrer Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit oder anderer relevanter Auseinandersetzungen mit Privatpersonen. Überdies war und ist die bP nicht der Gefahr ausgesetzt, aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in Syrien mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.
1.2.7. Die bP ist in Syrien nie Mitglied einer bewaffneten Gruppierung gewesen, hat niemals an Kampfhandlungen teilgenommen und hat keine Strafrechtsdelikte begangen. Sie war auch kein Mitglied von politischen Parteien und war auch sonst auf keine Art und Weise politisch aktiv. Die bP genießt nicht den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Institution der Vereinten Nationen. Die bP hat zum Entscheidungszeitpunkt keinen Aufenthaltstitel und kein Aufenthaltsrecht in einem anderen Staat oder Land. Die bP hat kein Verbrechen gegen den Frieden, kein Kriegsverbrechen und kein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen. Die bP hat kein schweres nichtpolitisches Verbrechen außerhalb von Österreich begangen und sich keine Handlungen zuschulden kommen lassen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen. Die bP ist in Österreich unbescholten und wurde weder von einem inländischen, noch einem ausländischen Gericht verurteilt.
1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:
In das Verfahren wurden die nachstehend angeführten Berichte über die Lage im Herkunftsstaat samt den darin genannten Quellen, sowie die aktuellen UNHCR-Richtlinien sowie die aktuellen EUAA Country Guidance und EUAA Reports eingeführt:
Beilage ./II
Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Syrien, Version 1, samt den darin genannten Quellen, vom 27.03.2024, abrufbar unter: https://www.ecoi.net
Beilage ./III
Aktuelle Karte betreffend die Kontroll- und Einflussgebiete unterschiedlicher Akteure in Syrien, abrufbar unter: https://syria.liveuamap.com/, Screenshots von Google-Maps zur Orientierung sowie die aktuelle Karte betreffend die historische Kontrolle von Akteuren in Syrien, abrufbar unter: https://www.cartercenter.org/news/multimedia/map/exploring-historical-control-in-syria.html
Beilage ./IV
Danish Immigration Service, Syria, treatment upon return, Mai 2022, abrufbar unter: https://www.ecoi.net/de/dokument/2072754.html
Beilage ./V
OCHA zum Status der Grenzübergänge Türkei Syrien: Türkiye/Syria: Border Crossing Status vom 18.04.2023, abrufbar unter: https://reliefweb.int/report/syrian-arab-republic/turkiye-syria-border-crossings-status-18-april-2023-enartr
Beilage ./VI
Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien: Einreise türkisch-syrische Grenze, Weiterreise in AANES-Gebiete, besonders Tal Rifaat, vom 05.04.2023, abrufbar unter: https://www.ecoi.net/de/dokument/2092031.html
Beilage ./VII
ACCORD Anfragebeantwortung zu Syrien: Voraussetzungen für Einreise syrischer Staatsangehöriger in Gebiete unter Kontrolle der in Nordostsyrien; Legale Einreise aus dem Irak bzw. der Türkei; Informationen zum Grenzübergang Semalka - Faysh Khabur; Kontrolle der Grenzübergänge zwischen Nordostsyrien und der Türkei/dem Irak, vom 06.05.2022, abrufbar unter: https://www.ecoi.net/de/dokument/2073007.html
Beilage ./VIII
ACCORD Anfragebeantwortung zu Syrien: Sicherheitslage in Nordostsyrien, insbesondere in der Grenzregion um Semalka; Bewegungsfreiheit in den Gebieten unter kurdischer Selbstverwaltung, vom 23.05.2022, abrufbar unter: https://www.ecoi.net/de/dokument/2073438.html
Beilage ./IX
ACCORD Anfragebeantwortung zu Syrien: Möglichkeit, zwischen den kurdischen Gebieten im Nordosten Syriens und dem Irak hin- und herzureisen, offener Grenzübergang, vom 02.09.2021, abrufbar unter: https://www.ecoi.net/de/dokument/2059922.html
Beilage ./X
Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Syrien, Einreise in das Kurdengebiet, speziell Provinz al-Hassakah, vom 23.06.2021, abrufbar unter: https://www.ecoi.net/de/dokument/2055560.html
Beilage ./XI
Themenbericht zu Syrien: Grenzlage zwischen Syrien und der Türkei bzw. dem Irak, vom 25.10.2023, abrufbar unter: https://www.ecoi.net/en/file/local/2100231/2023-10-25_COI_CMS_Themenberichte_Syrien_-_Grenz%C3%BCberg%C3%A4nge%2C_Version_1-00c9.pdf
Beilage ./XII
ACCORD Anfragebeantwortung zu Syrien: Aktualität von Dekret Nr. 3 vom 4. September 2021 bezüglich Selbstverteidigungsdienst in der Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien (AANES); Anwendung des Dekrets in der Stadt Manbidsch; Einberufung älterer Männer zum Selbstverteidigungsdienst; Höchstalter, bis zu dem Wehrdienstverweigerer eingezogen werden können, vom 07.09.2023, abrufbar unter: https://www.ecoi.net/de/dokument/2097228.html
Beilage ./XIII
ACCORD Anfragebeantwortung zu Syrien: Konsequenzen bei Verweigerung des Dienstes in den Selbstverteidigungskräften; Konsequenzen für Angehörige; Wahrnehmung von Personen, die den Dienst in den Selbstverteidigungskräften verweigern; Situation von Arabern; Einsatz von Rekruten im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht an der Front, vom 06.09.2023, abrufbar unter: https://www.ecoi.net/de/dokument/2096372.html
Beilage ./XIV
ACCORD Anfragebeantwortung zu Syrien: Möglichkeit der syrischen Behörden, in den kurdisch kontrollierten Gebieten, in denen die Regierung Präsenz hat (Manbidsch, Ain Al-Arab, Tal Rifaat, türkische Grenze) Personen für den Reservedienst einzuziehen; Personenkontrollen in diesen Gebieten, die einen Aufgriff von RegierungskritikerInnen ermöglichen, vom 24.08.2023, abrufbar unter: https://www.ecoi.net/de/dokument/2096377.html
Beilage ./XV
ACCORD Anfragebeantwortung zu Syrien: Rekrutierung Wehrpflichtiger durch die syrische Regierung in Manbidsch, Provinz Aleppo, vom 07.09.2023, abrufbar unter: https://www.ecoi.net/de/dokument/2097226.html
1.3.1. Auszug aus den aktuellen Länderinformationen der Staatendokumentation zu Syrien vom 27.03.2024, Version 11 (Beilage ./II):
Politische Lage
Letzte Änderung 2024-03-08 10:59
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba’ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).
Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 Prozent des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023). Solange das militärische Engagement von Iran, Russland, Türkei und USA auf bisherigem Niveau weiterläuft, sind keine größeren Veränderungen bei der Gebietskontrolle zu erwarten (AA 2.2.2024).
Der Machtanspruch des syrischen Regimes wird in einigen Gebieten unter seiner Kontrolle angefochten. Dem Regime gelingt es dort nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Im Gouvernement Suweida kommt es beispielsweise seit dem 20.8.2023 zu täglichen regimekritischen Protesten, darunter Straßenblockaden und die zeitweise Besetzung von Liegenschaften der Regime-Institutionen (AA 2.2.2024). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hizbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus (FH 9.3.2023). In den übrigen Landesteilen üben unverändert de facto Behörden Gebietsherrschaft aus. Im Nordwesten kontrolliert die von der islamistischen Terrororganisation Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) gestellte Syrische Errettungsregierung (SSG) weiterhin Gebiete in den Gouvernements Idlib, Lattakia, Hama und Aleppo. In Teilen des Gouvernements Aleppo sowie in den von der Türkei besetzten Gebieten im Norden beansprucht weiterhin die von der syrischen Oppositionskoalition (SOC/Etilaf) bestellte Syrische Interimsregierung (SIG) den Regelungsanspruch. Die von kurdisch kontrollierten Kräften abgesicherten sogenannten Selbstverwaltungsbehörden im Nordosten (AANES) üben unverändert Kontrolle über Gebiete östlich des Euphrats in den Gouvernements ar-Raqqah, Deir ez-Zor und al-Hassakah sowie in einzelnen Ortschaften im Gouvernement Aleppo aus (AA 2.2.2024). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).
Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023).
Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).
Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte „Normalisierungsnarrativ“ verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (AA 2.2.2024).Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte „Normalisierungsnarrativ“ verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vergleiche SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vergleiche Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (AA 2.2.2024).
Regional positionierte sich das Regime seit Ausbruch der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und der Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023 öffentlich an der Seite der Palästinenser und kritisierte Israel, mit dem sich Syrien formell weiterhin im Kriegszustand befindet, scharf (AA 2.2.2024).
Syrische Arabische Republik
Letzte Änderung 2024-03-08 11:06
Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit 1970, als Hafez al-Assad sich durch einen Staatsstreich zum Herrscher Syriens machte (SHRC 24.1.2019). Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad, diese Position (BBC 2.5.2023). Die beiden Assad-Regime hielten die Macht durch ein komplexes Gefüge aus ba’athistischer Ideologie, Repression, Anreize für wirtschaftliche Eliten und der Kultivierung eines Gefühls des Schutzes für religiöse Minderheiten (USCIRF 4.2021). Das überwiegend von Alawiten geführte Regime präsentiert sich als Beschützer der Alawiten und anderer religiöser Minderheiten (FH 9.3.2023) und die alawitische Minderheit hat weiterhin einen im Verhältnis zu ihrer Zahl überproportional großen politischen Status, insbesondere in den Führungspositionen des Militärs, der Sicherheitskräfte und der Nachrichtendienste, obwohl das hochrangige Offizierskorps des Militärs weiterhin auch Angehörige anderer religiöser Minderheitengruppen in seine Reihen aufnimmt (USDOS 15.5.2023). In der Praxis hängt der politische Zugang jedoch nicht von der Religionszugehörigkeit ab, sondern von der Nähe und Loyalität zu Assad und seinen Verbündeten. Alawiten, Christen, Drusen und Angehörige anderer kleinerer Religionsgemeinschaften, die nicht zu Assads innerem Kreis gehören, sind politisch entrechtet. Zur politischen Elite gehören auch Angehörige der sunnitischen Religionsgemeinschaft, doch die sunnitische Mehrheit des Landes stellt den größten Teil der Rebellenbewegung und hat daher die Hauptlast der staatlichen Repressionen zu tragen (FH 9.3.2023).
Die Verfassung schreibt die Vormachtstellung der Vertreter der Ba’ath-Partei in den staatlichen Institutionen und in der Gesellschaft vor, und Assad und die Anführer der Ba’ath-Partei beherrschen als autoritäres Regime alle drei Regierungszweige (USDOS 20.3.2023). Mit dem Dekret von 2011 und den Verfassungsreformen von 2012 wurden die Regeln für die Beteiligung anderer Parteien formell gelockert. In der Praxis unterhält die Regierung einen mächtigen Geheimdienstund Sicherheitsapparat, um Oppositionsbewegungen zu überwachen und zu bestrafen, die Assads Herrschaft ernsthaft infrage stellen könnten (FH 9.3.2023). Der Präsident stützt seine Herrschaft insbesondere auf die Loyalität der Streitkräfte sowie der militärischen und zivilen Nachrichtendienste. Die Befugnisse dieser Dienste, die von engen Vertrauten des Präsidenten geleitet werden und sich auch gegenseitig kontrollieren, unterliegen keinen definierten Beschränkungen. So hat sich in Syrien ein politisches System etabliert, in dem viele Institutionen und Personen miteinander um Macht konkurrieren und dabei kaum durch die Verfassung und den bestehenden Rechtsrahmen kontrolliert werden, sondern v. a. durch den Präsidenten und seinen engsten Kreis. Trotz gelegentlicher interner Machtkämpfe stehen Assad dabei keine ernst zu nehmenden Kontrahenten gegenüber. Die Geheimdienste haben ihre traditionell starke Rolle seither verteidigt oder sogar weiter ausgebaut und profitieren durch Schmuggel und Korruption wirtschaftlich erheblich (AA 29.3.2023).
Dem ehemaligen Berater des US-Außenministeriums Hazem al-Ghabra zufolge unterstützt Syrien beinahe vollständig die Herstellung und Logistik von Drogen, weil es eine Einnahmemöglichkeit für den Staat und für Vertreter des Regimes und dessen Profiteure darstellt (Enab 23.1.2023). Baschar al-Assad mag der unumschränkte Herrscher sein, aber die Loyalität mächtiger Warlords, Geschäftsleute oder auch seiner Verwandten hat ihren Preis. Beispielhaft wird von einer vormals kleinkriminellen Bande berichtet, die Präsident Assad in der Stadt Sednaya gewähren ließ, um die dort ansässigen Christen zu kooptieren, und die inzwischen auf eigene Rechnung in den Drogenhandel involviert ist. Der Machtapparat hat nur bedingt die Kontrolle über die eigenen Drogennetzwerke. Assads Cousins, die Hisbollah und Anführer der lokalen Organisierten Kriminalität haben kleine Imperien errichtet und geraten gelegentlich aneinander, wobei Maher al-Assad, der jüngere Bruder des Präsidenten und Befehlshaber der Vierten Division, eine zentrale Rolle bei der Logistik innehat. Die Vierte Division mutierte in den vergangenen Jahren ’zu einer Art Mafia-Konglomerat mit militärischem Flügel’. Sie bewacht die Transporte und Fabriken, kontrolliert die Häfen und nimmt Geld ein. Maher al-Assads Vertreter, General Ghassan Bilal, gilt als der operative Kopf und Verbindungsmann zur Hisbollah (Spiegel 17.6.2022).
Es gibt keine Rechtssicherheit oder Schutz vor politischer Verfolgung, willkürlicher Verhaftung und Folter. Die Gefahr, Opfer staatlicher Repression und Willkür zu werden, bleibt für Einzelne unvorhersehbar (AA 2.2.2024).
Institutionen und Wahlen
Syrien ist nach der geltenden Verfassung von 2012 eine semipräsidentielle Volksrepublik. Das politische System Syriens wird de facto jedoch vom autoritär regierenden Präsidenten dominiert. Der Präsident verfügt als oberstes Exekutivorgan, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Generalsekretär der Ba’ath-Partei über umfassende Vollmachten. Darüber hinaus darf der Präsident nach Art. 113 der Verfassung auch legislativ tätig werden, wenn das Parlament nicht tagt, aufgelöst ist oder wenn „absolute Notwendigkeit“ dies erfordert. De facto ist die Legislativbefugnis des Parlaments derzeit außer Kraft gesetzt. Gesetze werden weitgehend als Präsidialdekrete verabschiedet (AA 29.3.2023).Syrien ist nach der geltenden Verfassung von 2012 eine semipräsidentielle Volksrepublik. Das politische System Syriens wird de facto jedoch vom autoritär regierenden Präsidenten dominiert. Der Präsident verfügt als oberstes Exekutivorgan, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Generalsekretär der Ba’ath-Partei über umfassende Vollmachten. Darüber hinaus darf der Präsident nach Artikel 113, der Verfassung auch legislativ tätig werden, wenn das Parlament nicht tagt, aufgelöst ist oder wenn „absolute Notwendigkeit“ dies erfordert. De facto ist die Legislativbefugnis des Parlaments derzeit außer Kraft gesetzt. Gesetze werden weitgehend als Präsidialdekrete verabschiedet (AA 29.3.2023).
Der Präsident wird nach der Verfassung direkt vom Volk gewählt. Seine Amtszeit beträgt sieben Jahre. Seit der letzten Verfassungsänderung 2012 ist maximal eine einmalige Wiederwahl möglich. Da diese Verfassungsbestimmung jedoch erstmals bei den Präsidentschaftswahlen 2014 zur Anwendung kam, war es dem aktuellen Präsidenten Baschar al-Assad erlaubt, bei der Präsidentschaftswahl im Mai 2021 erneut zu kandidieren. Kandidatinnen und Kandidaten für das Präsidentenamt werden nach Art. 85 vom Obersten Verfassungsgericht überprüft und müssen Voraussetzungen erfüllen, die Angehörige der Opposition faktisch weitgehend ausschließen. So muss ein Kandidat u. a. im Besitz seiner bürgerlichen und politischen Rechte sein (diese werden bei Verurteilungen für politische Delikte in der Regel entzogen), darf nicht für ein „ehrenrühriges“ Vergehen vorbestraft sein und muss bis zum Zeitpunkt der Kandidatur ununterbrochen zehn Jahre in Syrien gelebt haben. Damit sind im Exil lebende Politikerinnen und Politiker von einer Kandidatur de facto ausgeschlossen (AA 29.3.2023). Bei den Präsidentschaftswahlen, die im Mai 2021 in den von der Regierung kontrollierten Gebieten sowie einigen syrischen Botschaften abgehalten wurden, erhielt Bashar al-Assad 95,1 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von rund 77 Prozent und wurde damit für eine weitere Amtsperiode von sieben Jahren wiedergewählt. Zwei kaum bekannte Personen waren als Gegenkandidaten angetreten und erhielten 1,5 Prozent und 3,3 Prozent der Stimmen (Standard 28.5.2021; vgl. Reuters 28.5.2021). Politiker der Exilopposition waren von der Wahl ausgeschlossen. Die Europäische Union erkennt die Wahl nicht an, westliche Regierungen bezeichnen sie als ’weder frei noch fair’ und als ’betrügerisch’, und die Opposition nannte sie eine ’Farce’ (Standard 28.5.2021).Der Präsident wird nach der Verfassung direkt vom Volk gewählt. Seine Amtszeit beträgt sieben Jahre. Seit der letzten Verfassungsänderung 2012 ist maximal eine einmalige Wiederwahl möglich. Da diese Verfassungsbestimmung jedoch erstmals bei den Präsidentschaftswahlen 2014 zur Anwendung kam, war es dem aktuellen Präsidenten Baschar al-Assad erlaubt, bei der Präsidentschaftswahl im Mai 2021 erneut zu kandidieren. Kandidatinnen und Kandidaten für das Präsidentenamt werden nach Artikel 85, vom Obersten Verfassungsgericht überprüft und müssen Voraussetzungen erfüllen, die Angehörige der Opposition faktisch weitgehend ausschließen. So muss ein Kandidat u. a. im Besitz seiner bürgerlichen und politischen Rechte sein (diese werden bei Verurteilungen für politische Delikte in der Regel entzogen), darf nicht für ein „ehrenrühriges“ Vergehen vorbestraft sein und muss bis zum Zeitpunkt der Kandidatur ununterbrochen zehn Jahre in Syrien gelebt haben. Damit sind im Exil lebende Politikerinnen und Politiker von einer Kandidatur de facto ausgeschlossen (AA 29.3.2023). Bei den Präsidentschaftswahlen, die im Mai 2021 in den von der Regierung kontrollierten Gebieten sowie einigen syrischen Botschaften abgehalten wurden, erhielt Bashar al-Assad 95,1 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von rund 77 Prozent und wurde damit für eine weitere Amtsperiode von sieben Jahren wiedergewählt. Zwei kaum bekannte Personen waren als Gegenkandidaten angetreten und erhielten 1,5 Prozent und 3,3 Prozent der Stimmen (Standard 28.5.2021; vergleiche Reuters 28.5.2021). Politiker der Exilopposition waren von der Wahl ausgeschlossen. Die Europäische Union erkennt die Wahl nicht an, westliche Regierungen bezeichnen sie als ’weder frei noch fair’ und als ’betrügerisch’, und die Opposition nannte sie eine ’Farce’ (Standard 28.5.2021).
Das Parlament hat nicht viel Macht. Dekrete werden meist von Ministern und Ministerinnen vorgelegt, um ohne Änderungen vom Parlament genehmigt zu werden. Sitze im Parlament oder im Kabinett dienen nicht dazu, einzelne Machtgruppen in die Entscheidungsfindung einzubinden, sondern dazu, sie durch die Vorteile, die ihnen ihre Positionen verschaffen, zu kooptieren (BS 23.2.2022). Im Juli 2020 fanden die Wahlen für das „Volksrat“ genannte syrische Parlament mit 250 Sitzen statt, allerdings nur in Gebieten, in denen das Regime präsent ist. Auch diese Wahlen wurden durch die weitverbreitete Vertreibung der Bevölkerung beeinträchtigt. Bei den Wahlen gab es keinen nennenswerten Wettbewerb, da die im Exil lebenden Oppositionsgruppen nicht teilnahmen und die Behörden keine unabhängigen politischen Aktivitäten in dem von ihnen kontrollierten Gebiet dulden. Die regierende Ba’ath-Partei und ihre Koalition der Nationalen Progressiven Front erhielten 183 Sitze. Die restlichen 67 Sitze gingen an unabhängige Kandidaten, die jedoch alle als regierungstreu galten (FH 9.3.2023). Die Wahlbeteiligung lag bei 33,7 Prozent (BS 23.2.2022). Es gab Vorwürfe des Betrugs, der Wahlfälschung und der politischen Einflussnahme. Kandidaten wurden in letzter Minute von den Wahllisten gestrichen und durch vom Regime bevorzugte Kandidaten ersetzt, darunter Kriegsprofiteure, Warlords und Schmuggler, welche das Regime im Zuge des Konflikts unterstützten (WP 22.7.2020).
Der Wahlprozess soll