TE Vwgh Erkenntnis 1995/4/25 95/05/0057

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Veröffentlicht am 25.04.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §63 Abs3;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
VStG §24;
VStG §51 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des H in Wien, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 5. Jänner 1995, Zl. UVS-09/15/00070/94, betreffend eine Baustrafe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 13./14. Bezirk,

Zahl MBA 13/14-S/14/8072/94, vom 2. November 1994 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit zur Vertretung nach außen Berufener der H Gesellschaft m.b.H., der Eigentümerin des Hauses und der Liegenschaft Wien XIV, H-Straße 172, EZ 40 der KG X, zu verantworten, daß in der Zeit vom 11. bis 25. Juli 1994 auf dieser Liegenschaft mit der Bauherstellung eines Kellers an der linken Grundstücksgrenze im Ausmaß von ca. 8 m x 7 m begonnen wurde, wobei die Umfassungsmauern des Kellerraumes bereits errichtet waren und an der Verlegung der Kellerdecke gearbeitet wurde, ohne daß vor Beginn der Bauführung die erforderliche Baubewilligung erwirkt worden wäre. Dadurch habe der Beschwerdeführer § 60 Abs. 1 lit. a der Bauordnung für Wien verletzt, weshalb über ihn gemäß § 135 Abs. 1 leg. cit. eine Geldstrafe in Höhe von S 13.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 7 Tage) verhängt wurde.

Die dagegen erhobene Berufung richtete der Beschwerdeführer unmittelbar an die belangte Behörde. Die Berufung enthält zwar keine ausdrückliche Bezeichnung jener Behörde, von welcher der erstinstanzliche Bescheid stammt; aus der Berufung ergibt sich aber, daß der Beschwerdeführer zu einer ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung Stellung nehmen will und daß es sich um eine Bauangelegenheit, betreffend ein Grundstück H-Straße 172, EZ 40, KG X, handle. Die Berufung wird folgendermaßen eingeleitet:

"Betrifft: MBA 13/14-S/14/8072/94"

Die Berufung enthält weiters den Hinweis auf drei Beilagen, wobei dem vorgelegten Akt nicht entnommen werden kann, ob tatsächlich Beilagen mitgeschickt wurden und welchen Inhalt diese Beilagen gehabt haben. Im Berufungstext wird auf eine "beiliegende Dokumentation" verwiesen.

Die belangte Behörde wies mit dem angefochtenen Bescheid diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unzulässig zurück. Gemäß § 63 Abs. 3 AVG müsse die Berufung den Bescheid bezeichnen, gegen den sie sich richtet; um eine eindeutige Zuordnung eines Bescheides zu einer bestimmten Strafsache vornehmen zu können, habe die Bezeichnung des Bescheides in der Weise zu erfolgen, daß Behörde, Datum und Zahl angeführt seien. Dem gegenständlichen Rechtsmittel sei zwar Zahl und Datum (?) eines Strafbescheides zu entnehmen, es fehlte aber die dezidierte Angabe darüber, welche Behörde diesen Strafbescheid erlassen habe. Unter Hinweis auf Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes wurde ausgeführt, daß dann, wenn die Berufung nicht bei der erstinstanzlichen Behörde sondern bei der Berufungsbehörde eingebracht werde, zu einer den Anforderungen des § 63 Abs. 3 AVG entsprechenden Bezeichnung des angefochtenen Bescheides die Benennung der Erstbehörde zwingend erforderlich sei. Ein diesbezüglicher Mangel bilde kein verbesserungsfähiges Formgebrechen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und äußerte sich zwar zum Beschwerdevorbringen, erklärte aber, auf die Erstattung einer Gegenschrift zu verzichten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 24 VStG finden die Bestimmungen des § 63 Abs. 2 bis 5 AVG auch im Verwaltungsstrafverfahren Anwendung. Gemäß § 63 Abs. 5 AVG (in der bis 30.Juni 1995 anzuwendenden Fassung, vgl. BGBl. Nr. 686/1994) ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat, oder bei der Behörde, die über die Berufung zu entscheiden hat. Gemäß Art. 129a Abs. 1 B-VG entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges, sofern ein solcher in Betracht kommt, 1. in Verfahren wegen Verwaltungsübertretungen, ausgenommen Finanzstrafsachen des Bundes. Gemäß § 51 Abs. 1 VStG steht dem Beschuldigten das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat zu, in dessen Sprengel nach dem Ausspruch der Behörde erster Instanz die Tat begangen wurde. Der Beschwerdeführer hat daher zu Recht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, seine Berufung unmittelbar beim unabhängigen Verwaltungssenat einzubringen.

Die belangte Behörde hat richtig Beispiele aus der hg. Rechtsprechung angeführt, wonach dann, wenn die Berufung bei der Berufungsbehörde eingebracht wird, die Benennung der Erstbehörde, von der der bekämpfte Bescheid stammt, in der Berufung zwingend erforderlich ist. Allerdings entspricht es auch der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß ein Mangel der Bezeichnung des bekämpften Bescheides nur dann zur Zurückweisung der Berufung führt, wenn infolge dieses Mangels die Behörde nicht erkennen kann, gegen welche Entscheidung sich die Berufung wendet (hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1994, Zl. 94/09/0055 mwN.).

Im vorliegenden Fall ist aber dem Berufungsschriftsatz sehr wohl zu entnehmen, welche Behörde in erster Instanz entschieden hat. Das Grundstück, auf welches sich nach den Angaben in der Berufung die baubehördliche Tätigkeit bezog, wird durch die Angabe der Katastralgemeinde (X) präzisiert. Wenn der Beschwerdeführer nun die Geschäftszahl anführte, die eine üblicherweise verwendete Kurzbezeichnung der Behörde enthielt, konnte die belangte Behörde unschwer erkennen, daß sich die Berufung gegen einen Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 13. und 14. Bezirk, richtete. Jede andere Vermutung, wie nunmehr in der Gegenschrift aufgeworfen, erscheint demgegenüber zu weit hergeholt.

Unter den gegebenen Umständen stellt die Zurückweisung der Berufung das Ergebnis eines dem Verwaltungsstrafverfahren fremden und übertriebenen Formalismus dar (siehe das hg. Erkenntnis vom 15. September 1994, Zl. 94/09/0160). Auch im vorliegenden Fall fehlt der Berufung somit kein vom Gesetz als unverzichtbar vorgeschriebener Hinweis, sondern nur die Angabe eines (weiteren) Merkmales des bekämpften erstinstanzlichen Bescheides, das ohne weiteres von der belangten Behörde allein aufgrund der angegebenen Geschäftszahl hätte ausfindig gemacht werden können. Daher hat die belangte Behörde mit ihrer Formalerledigung die Rechtslage verkannt, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995050057.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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