TE Vwgh Erkenntnis 1995/4/28 94/18/0463

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Veröffentlicht am 28.04.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §6 Abs1;
AsylG 1991 §6 Abs2;
AsylG 1991 §6;
AsylG 1991 §7 Abs1;
AsylG 1991 §9 Abs1;
AVG §37;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs2 Z6;
FrG 1993 §17;
FrG 1993 §36 Abs1;
FrG 1993 §36 Abs2;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Robl und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 29. April 1994, Zl. Fr-96/94, betreffend Ausweisung und Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 FrG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, gemäß § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG ausgewiesen. Ferner wurde gemäß § 54 Abs. 1 FrG festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe (für die Annahme) bestünden, daß der Beschwerdeführer in Bangladesch gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FrG bedroht sei. In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer am 19. November 1993 von Ungarn kommend unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist und am selben Tag von Angehörigen des Bundesheeres aufgegriffen worden sei. Den Antrag auf Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 FrG habe er - neben einem Verweis auf sein Vorbringen im Asylverfahren - damit begründet, daß er befürchte, aufgrund fälschlicherweise seitens von Mitgliedern der BNP erhobenen Beschuldigungen, er habe eines ihrer Mitglieder ermordet, in Bangladesch ein unfaires Verfahren zu erhalten und unschuldigerweise zu einer langen Haftstrafe verurteilt zu werden. Dies wäre aufgrund des Einflusses, den höher gestellte BNP-Mitglieder in der Öffentlichkeit hätten, denkbar. Auch werde grundsätzlich für möglich gehalten, daß Mitglieder der BNP, denen seine politischen Aktivitäten bei der oppositionellen Jatiya-Partei ein "Dorn" im Auge gewesen seien, versuchen könnten, ihn umzubringen. Die erstinstanzliche Behörde habe stichhaltige Gründe im Sinne des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG verneint und dies unter anderem damit begründet, daß im Feber 1991 in Bangladesch freie Parlamentswahlen stattgefunden hätten. Bei diesen hätte die Jatiya-Partei kandidiert und bei einer Wahlbeteiligung von 60 % 35 Mandate erreicht. Damit sei sie drittstärkste Kraft im neuen Parlament geworden. Eine Verfolgung durch Behörden in Bangladesch wegen der Mitgliedschaft zu dieser Partei erscheine relativ unwahrscheinlich. Übergriffe von Einzelpersonen würden jedoch nicht unter die im § 37 FrG umschriebene Gefahr fallen. Diese müsse vielmehr vom Staat ausgehen. Der Gebrauch von Waffen gegen Menschen stelle ein kriminelles Delikt dar und werde in jedem rechtsstaatlichen Land strafrechtlich verfolgt. Wenn der Beschwerdeführer keine kriminellen Handlungen gesetzt habe, sei ihm zuzumuten, sich dem Gericht zu stellen und seine Unschuld glaubhaft darzulegen. In der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung habe der Beschwerdeführer unter anderem vorgebracht, daß der von ihm bezeichnete Staat nicht notwendigerweise der Verursacher der geltend gemachten Gefahr sein müsse; für ein Feststellungsverfahren gemäß § 54 FrG müsse es ebenso von Relevanz sein, wenn der bezeichnete Staat nicht willens oder in der Lage sei, ihm den ihm zustehenden Schutz vor dieser Gefährdung zu bieten. Der erstinstanzlichen Behörde sei anzulasten, daß sie sich offenbar nicht genügend mit der politischen und menschenrechtlichen Situation in seiner Heimat auseinandergesetzt habe. Dort seien der Regierung und der Exekutive weitreichende Ermächtigungen eingeräumt worden, deren Vollzug oftmals in behördliche Willkür ausarte und zur Verfolgung parteipolitischer Interessen meist zum Nachteil der Opposition mißbraucht werde. In diesem Licht sei auch die Feststellung der erstinstanzlichen Behörde zu sehen, er - der Beschwerdeführer - solle seine Unschuld vor einem Gericht glaubhaft machen. Zahlreiche ehemalige Regierungsmitglieder seien wegen krimineller Delikte, wie Korruption und Machtmißbrauch, vor Gericht gestellt und in zum Teil grob unfairen Gerichtsverhandlungen verurteilt worden. Die belangte Behörde schließe sich - so heißt es in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiter - im wesentlichen der Argumentation im erstinstanzlichen Bescheid an und vertrete ebenfalls die Auffassung, daß im Antrag, aber auch in der Berufung des Beschwerdeführers überwiegend die allgemeine Situation im Heimatland dargestellt bzw. bewertet worden sei. Stichhaltige Gründe für die Annahme, dem Beschwerdeführer drohe konkret besondere Gefahr, seien dabei kaum genannt worden, allerdings sei auf die vor dem Bundesasylamt abgelegten Aussagen hingewiesen worden. Betrachte man diese Aussagen, so falle auf, daß der Beschwerdeführer lediglich von Schwierigkeiten, und dies mit Mitgliedern der BNP-Partei, spreche, die immer größer geworden seien und ihm kein geordnetes Leben ermöglicht hätten. Verfolgungen seitens, ja sogar Schwierigkeiten mit den Behörden und der Polizei habe der Beschwerdeführer ausdrücklich verneint. Erst anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der erstinstanzlichen Behörde am 17. Jänner 1994, also zwei Monate später, habe er vorgebracht, er habe sogar einige Zeit im Untergrund gelebt und die Polizei habe nach ihm in seinem Haus gesucht. Es widerspreche den Erfahrungen des täglichen Lebens, daß jemand bei einer Einvernahme derartige gravierende Umstände zu schildern vergesse oder für unerheblich halte, wie dies beim Beschwerdeführer anläßlich der Einvernahme im Asylverfahren der Fall gewesen sei. Jedenfalls sehe sich die belangte Behörde allein schon aufgrund der Erfahrung, daß in späteren Aussagen zum Teil bewußt, zum Teil unbewußt, die Situation in einem anderen, günstigeren Licht dargestellt werde, veranlaßt, bei der Beurteilung des gegenständlichen Antrages sich in erster Linie auf die Angaben vor dem Bundesasylamt zu stützen. Auf Grund dieser Annahmen, denen gegenüber späteren Äußerungen der Vorzug zu geben sei, gehe die belangte Behörde davon aus, daß die Angaben hinsichtlich der drohenden unfairen Gerichtsverhandlungen nicht plausibel seien. Dafür spreche auch schon die vom Beschwerdeführer in der genannten Niederschrift bezeichnete untergeordnete Rolle im Parteiapparat, wonach der Beschwerdeführer geschildet habe, er habe an Sitzungen teilgenommen und Plakate verteilt. In diese Richtung weise auch, daß er unter dem Wort "Asyl" Arbeit, Unterkunft und Verpflegung verstehe und nicht, wie man erwarten sollte, Schutz und Verfolgungssicherheit, und daß er, obwohl er bereits im Mai 1993 den Streit und die Beschuldigungen erlebt habe, erst Mitte November 1993 sein Heimatland verlassen habe "und dies darüber hinaus, wie jeder Tourist, mit dem Flugzeug".

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer räumt ein, am 19. November 1993 von Ungarn kommend unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist zu sein; er verweist jedoch darauf, daß er am 23. November 1993 einen Antrag auf Gewährung von Asyl gestellt habe, und macht geltend, gemäß § 6 Abs. 1 Asylgesetz 1991 "direkt" eingereist zu sein. Der "Strafausschließungsgrund des § 6 Abs. 1 Asylgesetz" mache es unzulässig, "die Tatsache der Einreise unter Umgehung der Grenzkontrolle, welche (er) zum Zweck der Antragstellung auf Gewährung von Asyl erfolgte, als Grundlage dafür heranzuziehen, über den Beschwerdeführer die Sanktion der Ausweisung zu verhängen". Damit verkennt er jedoch die Rechtslage: Abgesehen davon, daß eine auf § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG gestützte Ausweisung keine Strafe, sondern eine im Interesse der öffentlichen Ordnung (auf dem Gebiet des Fremdenwesens) gelegene Administrativmaßnahme darstellt, die nicht unter das Verbot nach § 6 Abs. 1 Asylgesetz 1991 fällt, kann sich der Beschwerdeführer zufolge seiner Einreise aus Ungarn nicht mit Erfolg darauf berufen, "direkt" aus dem Staat, in dem er behauptete, Verfolgung befürchten zu müssen, nämlich Bangladesch, gekommen zu sein; § 6 Abs. 2 leg. cit. kommt für ihn nicht in Betracht, weil ihm die Einreise nicht formlos gestattet wurde. Ist er aber nicht "gemäß § 6 eingereist", kommt ihm gemäß § 7 Abs. 1 leg. cit. eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nicht zu und sind gemäß § 9 Abs. 1 leg. cit. die Bestimmungen des § 17 FrG auf ihn anwendbar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. Februar 1995, Zl. 94/18/1033).

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers liegt die Ausweisung von Personen, die unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist sind und - was nach dem Vorbringen in der Beschwerde gleichfalls auf ihn zutrifft - über keinen Reisepaß verfügen, im Interesse der öffentlichen Ordnung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. September 1994, Zl. 94/18/0288). Daß dem Beschwerdeführer durch die Ausweisung die Möglichkeit genommen werde, "zur Überprüfung der Richtigkeit der seinen Antrag auf Gewährung auf Asyl abweisenden Entscheidung die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes anzurufen", vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen.

Ob die belangte Behörde - wie der Beschwerdeführer meint - gemäß § 36 Abs. 2 FrG von Amts wegen verpflichtet gewesen wäre, die Abschiebung des Beschwerdeführers auf bestimmte Zeit aufzuschieben, ist für die Rechtmäßigkeit der Ausweisung ohne Bedeutung (vgl. das schon erwähnte hg. Erkenntnis vom 1. Februar 1995, Zl. 94/18/1033).

Was die Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 FrG anlangt, so bemängelt der Beschwerdeführer, daß der angefochtene Bescheid den Anforderungen, die das AVG an die Begründung von Bescheiden stelle, nicht entspreche. Dem vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen, zumal der Beschwerdeführer selbst nicht konkret dartut, in welchen Punkten er über die von der Behörde getroffenen Erwägungen nicht ausreichend unterrichtet und dadurch an der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides behindert worden sei. Der Verwaltungsgerichtshof kann auch nicht finden, daß die vom Beschwerdeführer pauschaliter als unschlüssig bezeichnete Beweiswürdigung der belangten Behörde mit im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle wahrzunehmenden Mängeln behaftet wäre. Der Beschwerdeführer empfindet es insbesondere nicht als nachvollziehbar, "warum die Tatsache, daß der Beschwerdeführer sein(em) Heimatland mit dem Flugzeug verlassen hat, gegen die Annahme sprechen sollte, daß er in Bangladesch gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht war, besteht doch von Bangladesch aus neben der Ausreise mit dem Flugzeug überhaupt keine andere Möglichkeit, in ein sicheres Drittland zu gelangen. Dem ist zu erwidern, daß es keineswegs unschlüssig erscheint, wenn die belangte Behörde offensichtlich als Indiz für eine mangelnde Gefährdung des Beschwerdeführers gewertet hat, daß sich dieser nicht scheute, sich den auf Flugplätzen üblichen intensiveren Personenkontrollen zu unterziehen. Den weitwendigen Ausführungen in der Beschwerde, mit denen geltend gemacht wird, daß es die belangte Behörde unterlassen habe, sich mit der politischen und menschenrechtlichen Situation in Bangladesch auseinanderzusetzen und dazu von Amts wegen Erkundigungen einzuziehen, ist entgegenzuhalten, daß es für die Feststellung nach § 54 Abs. 1 FrG nicht auf die allgemeinen, in einem bestimmten Staat herrschenden Verhältnisse, sondern auf eine konkrete, von staatlichen Stellen zumindest gebilligte individuell gegen den Beschwerdeführer gerichtete aktuelle Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder 2 FrG ankommt, die vom Beschwerdeführer glaubhaft zu machen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1994, Zl. 94/18/0794). Bloße Vermutungen, die aus Vorfällen abgeleitet werden, an denen der Beschwerdeführer nicht beteiligt war, reichen für eine derartige Glaubhaftmachung nicht aus.

Wenn der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde hätte ihm die Möglichkeit geben müssen, Urkunden zur Bekräftigung seines Vorbringens aus seiner Heimat beizuschaffen, ist darauf zu verweisen, daß ihm zur Beibringung solcher Urkunden schon im Hinblick auf die mehrmonatige Verfahrensdauer genügend Zeit zur Verfügung gestanden ist. Die erstmals im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten Urkunden können aufgrund des gemäß § 41 Abs. 1 VwGG geltenden Neuerungsverbotes keine Berücksichtigung finden.

Die Beschwerde erweist sich somit zur Gänze als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994180463.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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