Entscheidungsdatum
02.09.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W198 2281233-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Karl SATTLER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Syrien, vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.10.2023, ZI. XXXX , nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 09.08.2024, zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Karl SATTLER als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , geboren am römisch 40 , Staatsangehörigkeit Syrien, vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.10.2023, ZI. römisch 40 , nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 09.08.2024, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsbürger, hat sein Heimatland verlassen, ist illegal in das Bundesgebiet eingereist und hat am 14.11.2022 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
2. Am gleichen Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Zu seinem Fluchtgrund befragt, brachte der Beschwerdeführer vor, dass in Syrien Krieg herrsche und es weder Sicherheit noch Arbeit gebe. Er könne sich daher nicht um seine Kinder kümmern. Der Beschwerdeführer sei in Syrien beim Militär gewesen und im Jahr 2018 geflüchtet. Danach habe er sich im kurdischen Gebiet versteckt. Bei einer Rückkehr in seine Heimat habe er Angst vor der Regierung.
3. Am 23.03.2023 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden BFA) niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, in XXXX in der Stadt XXXX am XXXX geboren worden zu sein. Er sei verheiratet und habe vier Söhne und eine Tochter, die gemeinsam mit der Ehefrau bei seinen Eltern im Geburtsort des Beschwerdeführers leben würden. Er wohne in Österreich bei seiner Schwester. Zu seinen Fluchtgründen befragt, führte der Beschwerdeführer aus, dass ein Teil seiner Familie ermordet worden sei und das Leben unsicher sei. Obwohl er für das Regime gearbeitet habe, habe er Angst gehabt, dass er einen Auftrag bekommen würde, der sein Leben beenden würde. Das Regime würde Sunniten nicht brauchen und hoffen, dass diese von anderen getötet werden. Der Heimatort des Beschwerdeführers sei von allen Seiten vom IS belagert worden, er habe vier Jahre lang durchhalten müssen. Er habe erfahren, dass das Regime Straßen durchkämmt und alle Männer rekrutiert habe, viele seien verstorben. Seine Familie habe die Leiche eines Bruders bekommen, vom anderen fehle jede Spur. Nach der Befreiung vom IS habe der Beschwerdeführer zu seiner Tante in das Kurdengebiet fliehen können. Das Regime habe sich mit den dortigen Bewohnern im Jahr 2020 versöhnt, weshalb der Beschwerdeführer verfolgt worden sei. Er sei dann nach XXXX übersiedelt, doch als die Opposition begonnen habe, die Desertierten zu befragen und festzunehmen, sei der Beschwerdeführer in die Türkei ausgereist.3. Am 23.03.2023 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden BFA) niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, in römisch 40 in der Stadt römisch 40 am römisch 40 geboren worden zu sein. Er sei verheiratet und habe vier Söhne und eine Tochter, die gemeinsam mit der Ehefrau bei seinen Eltern im Geburtsort des Beschwerdeführers leben würden. Er wohne in Österreich bei seiner Schwester. Zu seinen Fluchtgründen befragt, führte der Beschwerdeführer aus, dass ein Teil seiner Familie ermordet worden sei und das Leben unsicher sei. Obwohl er für das Regime gearbeitet habe, habe er Angst gehabt, dass er einen Auftrag bekommen würde, der sein Leben beenden würde. Das Regime würde Sunniten nicht brauchen und hoffen, dass diese von anderen getötet werden. Der Heimatort des Beschwerdeführers sei von allen Seiten vom IS belagert worden, er habe vier Jahre lang durchhalten müssen. Er habe erfahren, dass das Regime Straßen durchkämmt und alle Männer rekrutiert habe, viele seien verstorben. Seine Familie habe die Leiche eines Bruders bekommen, vom anderen fehle jede Spur. Nach der Befreiung vom IS habe der Beschwerdeführer zu seiner Tante in das Kurdengebiet fliehen können. Das Regime habe sich mit den dortigen Bewohnern im Jahr 2020 versöhnt, weshalb der Beschwerdeführer verfolgt worden sei. Er sei dann nach römisch 40 übersiedelt, doch als die Opposition begonnen habe, die Desertierten zu befragen und festzunehmen, sei der Beschwerdeführer in die Türkei ausgereist.
Im Rahmen der Einvernahme legte der Beschwerdeführer einen syrischen Führerschein, zwei Zivilregisterauszüge, einen Familienregisterauszug, Zivilregisterauszüge seiner Gattin und Kinder und eine Heiratsurkunde, jeweils im Original, vor. Außerdem brachte er die Kopie eines Dienstausweises des Staatsschutzes und des Familienbuchs ein.
4. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid des BFA vom 13.10.2023 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 14.11.2022 gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und wurde ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.). Begründend führte die Behörde im Wesentlichen aus, dass nicht festgestellt werden könne, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Syrien einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre. Aufgrund der instabilen Lage in Syrien sei dem Beschwerdeführer jedoch subsidiärer Schutz zu gewähren.4. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid des BFA vom 13.10.2023 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 14.11.2022 gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und wurde ihm gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Begründend führte die Behörde im Wesentlichen aus, dass nicht festgestellt werden könne, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Syrien einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre. Aufgrund der instabilen Lage in Syrien sei dem Beschwerdeführer jedoch subsidiärer Schutz zu gewähren.
5. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides wurde mit Schreiben der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers vom 10.11.2023 fristgerecht Beschwerde erhoben. Darin wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der Beschwerdeführer Syrien aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung durch das syrische Regime aufgrund einer oppositionellen Gesinnung, die sich in seiner Desertation und seiner Weigerung vor einer möglichen Zwangsrekrutierung manifestiere, verlassen habe. Zudem befürchte der Beschwerdeführer eine Verfolgung seitens des Regimes aufgrund seiner illegalen Ausreise und seiner Asylantragstellung im Ausland.5. Gegen Spruchpunkt römisch eins. dieses Bescheides wurde mit Schreiben der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers vom 10.11.2023 fristgerecht Beschwerde erhoben. Darin wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der Beschwerdeführer Syrien aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung durch das syrische Regime aufgrund einer oppositionellen Gesinnung, die sich in seiner Desertation und seiner Weigerung vor einer möglichen Zwangsrekrutierung manifestiere, verlassen habe. Zudem befürchte der Beschwerdeführer eine Verfolgung seitens des Regimes aufgrund seiner illegalen Ausreise und seiner Asylantragstellung im Ausland.
6. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 15.11.2023 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
7. Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde in der gegenständlichen Rechtssache am 09.08.2024 eine öffentliche, mündliche Verhandlung durchgeführt, an der der Beschwerdeführer im Beisein seiner Rechtsvertretung, eine Dolmetscherin für die Sprache Arabisch sowie ein Vertreter der belangten Behörde teilnahmen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt den im Spruch genannten Namen, ist syrischer Staatsbürger und wurde am XXXX in XXXX , einem Teil (Bezirk/ Viertel) der Stadt XXXX im gleichnamigen Gouvernement, geboren, ist dort aufgewachsen und lebte dort bis zu seinem Eintritt in die syrische Armee im Jahr 2006. Von 2013 bis 2018 war er wieder an seinem Geburtsort aufhältig. Mitte 2022 verließ der Beschwerdeführer Syrien und reiste in weiterer Folge nach Österreich, wo er am 14.11.2022 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Der Beschwerdeführer führt den im Spruch genannten Namen, ist syrischer Staatsbürger und wurde am römisch 40 in römisch 40 , einem Teil (Bezirk/ Viertel) der Stadt römisch 40 im gleichnamigen Gouvernement, geboren, ist dort aufgewachsen und lebte dort bis zu seinem Eintritt in die syrische Armee im Jahr 2006. Von 2013 bis 2018 war er wieder an seinem Geburtsort aufhältig. Mitte 2022 verließ der Beschwerdeführer Syrien und reiste in weiterer Folge nach Österreich, wo er am 14.11.2022 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Der Beschwerdeführer ist Angehöriger der Volksgruppe der Araber und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Muttersprache ist Arabisch.
Er hat in Syrien insgesamt zwölf Jahre lang die Schule besucht und bei der syrischen Armee sowie teilweise gleichzeitig als Fliesenleger gearbeitet.
Der Beschwerdeführer ist verheiratet und hat vier Söhne und eine Tochter, welche gemeinsam mit der Ehefrau und wie die Eltern und ein Bruder des Beschwerdeführers in Syrien leben. Ein weiterer Bruder lebt in Deutschland, eine Schwester hat in Österreich Asylstatus. Zwei Brüder des Beschwerdeführers sind während des Krieges in Syrien gestorben.
Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
Zum Fluchtgrund:
Die Herkunftsregion des Beschwerdeführers, die Stadt XXXX im Gouvernement XXXX , wird von der syrischen Regierung kontrolliert. Die Herkunftsregion des Beschwerdeführers, die Stadt römisch 40 im Gouvernement römisch 40 , wird von der syrischen Regierung kontrolliert.
In Syrien besteht ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren. Der Beschwerdeführer schloss sich nach seinem Schulbesuch im Jahr XXXX der syrischen Armee an und diente dieser bis XXXX . Er kümmerte sich dabei um die Besetzung von Beobachtungsposten und um die Kleiderausgabe, war aber nicht im Kampfeinsatz oder in einem höheren militärischen Rang. Dementsprechend hat der Beschwerdeführer keine militärische Sonderausbildung.In Syrien besteht ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren. Der Beschwerdeführer schloss sich nach seinem Schulbesuch im Jahr römisch 40 der syrischen Armee an und diente dieser bis römisch 40 . Er kümmerte sich dabei um die Besetzung von Beobachtungsposten und um die Kleiderausgabe, war aber nicht im Kampfeinsatz oder in einem höheren militärischen Rang. Dementsprechend hat der Beschwerdeführer keine militärische Sonderausbildung.
Er ist nicht vom Militärdienst desertiert, wird in diesem Zusammenhang auch nicht vom syrischen Regime gesucht und ist auch nicht von einer Einberufung zum Reservedienst gefährdet.
Dem Beschwerdeführer wird somit auch keine oppositionelle politische Gesinnung unterstellt und haben sich auch keine diesbezüglichen Anhaltspunkte ergeben. Insbesondere weist der Beschwerdeführer keine glaubhaft verinnerlichte politische Überzeugung gegen die syrische Zentralregierung oder gegen den Dienst an der Waffe an sich auf.
Der Beschwerdeführer ist wegen seines Aufenthalts in Österreich, wegen seiner Asylantragstellung, seiner Ausreise und/oder wegen seiner allgemeinen Wertehaltung in Syrien keinen psychischen oder physischen Eingriffen in seine körperliche Integrität ausgesetzt. Er ist auch nicht aus sonstigen Gründen bedroht, von der syrischen Regierung oder einer sonstigen Konfliktpartei als oppositioneller Gegner angesehen zu werden.
Eine Verfolgung durch die Kurden, den IS oder sonstige oppositionelle Kräfte in Syrien ist schon aufgrund der Kontrollsituation in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers nicht gegeben.
Dem Beschwerdeführer droht in Syrien aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung keine Verfolgung.
Zur Lage im Herkunftsstaat/maßgebliche Situation in Syrien:
Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus den vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformationen der Staatendokumentation, Version 11 vom 27.03.2024, wiedergegeben:
Sicherheitslage
Letzte Änderung 2024-03-08 11:17
[...]
Gouvernement Deir ez-Zor / Syrisch-Irakisches Grenzgebiet
Letzte Änderung 2024-03-08 19:44
Dem sogenannten Islamischen Staat (IS) war es nach Kämpfen mit der Nusra-Front und gegnerischen arabischen Stämmen im Juli 2014 gelungen, die Provinz Deir ez-Zor fast vollständig einzunehmen. 2017 führte die syrische Armee mit Unterstützung Russlands und Irans größere Militäroperationen durch, die zur Rückeroberung der Stadt Deir ez-Zor führten. Bis Ende 2017 verlor der IS den größten Teil seines Territoriums auf der Westseite des Euphrat. Auf der östlichen Seite des Flusses waren die Syrian Democratic Forces (SDF) bis Anfang 2019 in heftige Kämpfe mit dem IS verwickelt. Der IS kontrollierte damals noch ein kleines Stück Land nahe der syrisch-irakischen Grenze (EASO 5.2020). Im März 2019 wurde das letzte vom IS gehaltene Gebiet, das Dorf Baghouz, von den SDF eingenommen (EASO 5.2020; vgl. DZ 24.3.2019) [Anm.: zum Lager al-Hol siehe Unterkapitel Kinder sowie zu den Sicherheitsaspekten siehe auch Unterkapitel Nordost-Syrien im Kapitel Sicherheitslage].Dem sogenannten Islamischen Staat (IS) war es nach Kämpfen mit der Nusra-Front und gegnerischen arabischen Stämmen im Juli 2014 gelungen, die Provinz Deir ez-Zor fast vollständig einzunehmen. 2017 führte die syrische Armee mit Unterstützung Russlands und Irans größere Militäroperationen durch, die zur Rückeroberung der Stadt Deir ez-Zor führten. Bis Ende 2017 verlor der IS den größten Teil seines Territoriums auf der Westseite des Euphrat. Auf der östlichen Seite des Flusses waren die Syrian Democratic Forces (SDF) bis Anfang 2019 in heftige Kämpfe mit dem IS verwickelt. Der IS kontrollierte damals noch ein kleines Stück Land nahe der syrisch-irakischen Grenze (EASO 5.2020). Im März 2019 wurde das letzte vom IS gehaltene Gebiet, das Dorf Baghouz, von den SDF eingenommen (EASO 5.2020; vergleiche DZ 24.3.2019) [Anm.: zum Lager al-Hol siehe Unterkapitel Kinder sowie zu den Sicherheitsaspekten siehe auch Unterkapitel Nordost-Syrien im Kapitel Sicherheitslage].
Das Gouvernement Deir ez-Zor ist grob in zwei Kontrollbereiche unterteilt. Der westliche Teil des Gouvernements - d.h. vor allem die Gebiete westlich des Euphrat - wird von der syrischen Regierung und ihren iranischen und russischen Verbündeten kontrolliert. Dieses Gebiet umfasst die wichtigsten Städte (Deir Ez-Zor, Mayadin und Al-Bukamal) und die logistische Route, die die von der Regierung kontrollierten Gebiete mit der syrisch-irakischen Grenze verbindet. Der östliche Teil des Gouvernements - die meisten Gebiete östlich des Euphrat - wird von den kurdisch dominierten SDF und ihren Verbündeten in der US-geführten Koalition kontrolliert (EUAA 9.2022; vgl. JfS 12.1.2021). Da die SDF ihre Einflusssphären in der Region von der östlichen Seite her bis zum Euphrat ausdehnten, ist das al-Omar-Feld nun als die größte US-Militärbasis in Syrien bekannt. Das Feld im Osten von Deir ez-Zor ist das größte Ölfeld in Syrien (Enab 23.9.2022; vgl. EUAA 9.2022).Das Gouvernement Deir ez-Zor ist grob in zwei Kontrollbereiche unterteilt. Der westliche Teil des Gouvernements - d.h. vor allem die Gebiete westlich des Euphrat - wird von der syrischen Regierung und ihren iranischen und russischen Verbündeten kontrolliert. Dieses Gebiet umfasst die wichtigsten Städte (Deir Ez-Zor, Mayadin und Al-Bukamal) und die logistische Route, die die von der Regierung kontrollierten Gebiete mit der syrisch-irakischen Grenze verbindet. Der östliche Teil des Gouvernements - die meisten Gebiete östlich des Euphrat - wird von den kurdisch dominierten SDF und ihren Verbündeten in der US-geführten Koalition kontrolliert (EUAA 9.2022; vergleiche JfS 12.1.2021). Da die SDF ihre Einflusssphären in der Region von der östlichen Seite her bis zum Euphrat ausdehnten, ist das al-Omar-Feld nun als die größte US-Militärbasis in Syrien bekannt. Das Feld im Osten von Deir ez-Zor ist das größte Ölfeld in Syrien (Enab 23.9.2022; vergleiche EUAA 9.2022).
Der Euphrat markierte bisher die Grenze zwischen dem russischen und dem US-Einflussgebiet im Bürgerkriegsland Syrien. Westlich des Flusses besitzt Russland die Lufthoheit und unterstützt mit seinen Kampfjets die eigenen Truppen in Syrien und die Armee von Machthaber Bashar al-Assad. Östlich des Stroms herrschten bisher die USA und ihre kurdischen Partner. Doch diese Abmachung bröckelt, weil Russland den militärischen Druck auf die USA in Syrien erhöht, um die Amerikaner aus dem Land zu drängen. Washington schickte aus diesem Grund Mitte 2023 zusätzliche Kampfflugzeuge (Die Presse 22.6.2023).
Die Bemühungen der Regierung Syriens in den 2017 vom IS zurückeroberten Gebieten die Kontrolle zu übernehmen, sind begrenzt, was der lokalen regierungsfreundlichen Miliz, den Nationalen Verteidigungskräften (NDF - National Defence Forces), freie Hand ließ und zu Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen führte, darunter Plünderungen und die gewaltsame Aneignung von zivilem Eigentum (WI 4.9.2020). Das vom Regime kontrollierte Deir ez-Zor wird von einem komplizierten Geflecht lokaler und anderer Sicherheitskräfte überwacht, von denen viele auch wichtige soziale und wirtschaftliche Funktionen in ihren Städten erfüllen. Stammesmilizen, die mit den NDF verbündet sind, Geheimdienstoffiziere und ihre Milizen, Freiwillige und Wehrpflichtige der Republikanischen Garde sowie der syrischen Armee (Syrische Arabische Armee - SAA) sowie eine Vielzahl ausländischer und syrischer Milizen, die unter anderem mit Iran verbündet sind, bemannen Außenposten und verwalten Städte im gesamten Gouvernement. Die Spannungen zwischen den lokalen Sicherheitskräften und der von Damaskus aus kommandierten SAA haben in den Jahren nach der Befreiung der Provinz vom IS stetig zugenommen (MEI 19.4.2021).
Im August 2023 brachen gewaltsame Konflikte zwischen den kurdisch geführten SDF und arabischen Stämmen in Deir ez-Zor aus (AJ 30.8.2023). Auslöser war die Verhaftung eines arabischen Stammesführers durch die SDF und sind Ausdruck von jahrelangem Unmut gegenüber dem System der SDF (MEI 1.9.2023). Nicht alle Stämme beteiligten sich an den Kampfhandlungen, einige stellten sich auf die Seite der SDF (MEI 30.8.2023). Berichte über willkürliche Gewalt der SDF und steigende zivile Opferzahlen führten zur erhöhten Mobilisierung von Stammeskämpfern (MEI 1.9.2023). Zeitweise war es den Aufständischen gelungen, die Kontrolle über Ortschaften entlang des Euphrats zu erlangen (AA 2.2.2024). Mitte September 2023 wurden die Todesopfer mit 96 Toten und 106 Verletzten sowie ca. 6.500 vertriebenen Familien beziffert (OCHA 14.9.2023). Ende September erreichten die gewaltsamen Zusammenstöße erneut einen Höhepunkt durch mehrere Angriffe durch die arabischen Stämme (Etana 9.2023). Den SDF gelang es, alle Räume zurückzuerobern, die von den arabischen Stämmen erobert worden waren. Letztere führten im Oktober weiterhin Angriffe auf Stellungen der SDF aus (Etana 10.2023). Diese Angriffe dauerten auch im November 2023 weiter an (Etana 11.2023). Mit Dezember 2023 flauten die Auseinandersetzungen zunehmend ab, die Stämme führten aber weiterhin kleinere Angriffe durch (Etana 12.2023). Im Jänner 2024 führten die Stammeskämpfer weiterhin Angriffe gegen die SDF durch, es kam zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, Ausgangssperren und Verhaftungswellen (SO 4.1.2024). Die Kampfhandlungen in Deir ez-Zor veranlassten auch Stämme, die der von der Türkei unterstützten Syrian National Army (SNA) nahe stehen, in Manbij in der Provinz Aleppo gegen die SDF zu kämpfen und es gelang ihnen mehrere militärische Stellungen unter ihre Kontrolle zu bringen. Durch russische Luftangriffe und Artilleriebeschuss durch die syrische Armee und die SDF zwangen diese Stammeskämpfer allerdings wieder zum Rückzug (CC 13.12.2023).
Das Gebiet von Deir ez-Zor galt im Jahr 2019 als Kerngebiet der IS-Aktivität in Syrien, vor allem die Gebiete im Süden von Bosaira in Richtung Diban (BBC 27.10.2019). Der IS konnte im Jahr 2020 seinen Aufstand und seine klandestinen Operationen geringer Intensität in Zentralsyrien ausweiten und hat im ganzen Land Hochburgen und Zufluchtsorte errichtet, auch in der ostsyrischen Wüste und im von den SDF kontrollierten Teil von Deir ez-Zor (ICCT 28.6.2022). Die IS-Bewegung hat vor allem in der Wüstenregion Badia entlang der syrischen-irakischen Grenze im Jahr 2022 wieder zugenommen, was Experten zu Folge zu weiteren IS-Angriffen im Nordosten Syriens führen könnte. Der IS bedroht nach wie vor fast alle Parteien in Syrien. Die Spannungen zwischen den verschiedenen Fraktionen im syrischen Konflikt und das fragile Sicherheitsumfeld haben es dem IS ermöglicht, zu wachsen und sich durch die verschiedenen Kontrollgebiete zu bewegen (CC 3.11.2022; vgl. NI 8.8.2022). Die Wüste ist gebirgig und dünn besiedelt, und es hat keine systematische, anhaltende Militär- und Sicherheitskampagne gegeben, um die Kämpfer aufzuspüren und aus diesen unmöglich zu kontrollierenden Gebieten zu vertreiben (NI 8.8.2022). Das Tal des mittleren Euphrat und die Wüstengebiete im Gouvernement Deir ez-Zor werden als IS-Unterstützungsgebiet beschrieben, das seine Mitglieder nutzen können, um Sicherheitsoperationen zu umgehen und Waffen, Ausrüstung und Personal über die syrisch-irakische Grenze zu bringen (USDOD 3.11.2020). Für den Zeitraum Juli bis September 2022 sind z. B. eine Reihe von sicherheitsrelevanten Vorfällen mit dem IS im Gouvernement Deir ez-Zor verzeichnet:Das Gebiet von Deir ez-Zor galt im Jahr 2019 als Kerngebiet der IS-Aktivität in Syrien, vor allem die Gebiete im Süden von Bosaira in Richtung Diban (BBC 27.10.2019). Der IS konnte im Jahr 2020 seinen Aufstand und seine klandestinen Operationen geringer Intensität in Zentralsyrien ausweiten und hat im ganzen Land Hochburgen und Zufluchtsorte errichtet, auch in der ostsyrischen Wüste und im von den SDF kontrollierten Teil von Deir ez-Zor (ICCT 28.6.2022). Die IS-Bewegung hat vor allem in der Wüstenregion Badia entlang der syrischen-irakischen Grenze im Jahr 2022 wieder zugenommen, was Experten zu Folge zu weiteren IS-Angriffen im Nordosten Syriens führen könnte. Der IS bedroht nach wie vor fast alle Parteien in Syrien. Die Spannungen zwischen den verschiedenen Fraktionen im syrischen Konflikt und das fragile Sicherheitsumfeld haben es dem IS ermöglicht, zu wachsen und sich durch die verschiedenen Kontrollgebiete zu bewegen (CC 3.11.2022; vergleiche NI 8.8.2022). Die Wüste ist gebirgig und dünn besiedelt, und es hat keine systematische, anhaltende Militär- und Sicherheitskampagne gegeben, um die Kämpfer aufzuspüren und aus diesen unmöglich zu kontrollierenden Gebieten zu vertreiben (NI 8.8.2022). Das Tal des mittleren Euphrat und die Wüstengebiete im Gouvernement Deir ez-Zor werden als IS-Unterstützungsgebiet beschrieben, das seine Mitglieder nutzen können, um Sicherheitsoperationen zu umgehen und Waffen, Ausrüstung und Personal über die syrisch-irakische Grenze zu bringen (USDOD 3.11.2020). Für den Zeitraum Juli bis September 2022 sind z. B. eine Reihe von sicherheitsrelevanten Vorfällen mit dem IS im Gouvernement Deir ez-Zor verzeichnet:
[...]
Der IS nutzt die Gebiete in der syrischen Wüste im Gouvernement Deir ez-Zor als sicheren Zufluchtsort und als Basis für Angriffe auf die Streitkräfte der Regierung und die SDF (UNSC 3.2.2021) sowie auf iranische Milizen und russische Streitkräfte. Auch wurde von Angriffen auf Arbeiter der Ölfelder in Deir ez-Zor berichtet (AM 29.12.2021). Die Sicherheitslage in Deir ez-Zor wird demnach durch Angriffe des IS gegen Regierungstruppen (NPA 13.11.2021; vgl. Asharq 30.8.2021) beeinträchtigt, sowie auch durch Angriffe des IS auf die SDF bzw. durch Operationen der SDF gegen den IS, z.T. unter Beteiligung von US-Streitkräften (MEMO 29.12.2021; vgl. K24 23.9.2021, BAMF 20.12.2021, USDOD 3.11.2021). Im April und Mai 2021 kam es in Deir ez-Zor zu zahlreichen Tötungen, die häufig auf IS-Aktivitäten zurückgeführt wurden (EUAA 9.2022; vgl. UNSC 17.6.2021). Auch 2023 wurde von Angriffen auf Zivilisten, Trüffelsuchende und Schafhirten in der syrischen Wüste, insbesondere in den Provinzen Deir ez-Zor und Homs berichtet (NPA 15.5.2023). Die SDF führten mehrere Razzien gegen den IS durch, die sich sowohl auf das nördliche und nordöstliche als auch auf das östliche und nordwestliche Umland von Deir ez-Zor konzentrierten (EUAA 9.2022; vgl. ANHA 11.5.2021). Der Osten des Gouvernements gilt als das Gebiet, in dem die Autorität der SDF am schwächsten ist (EUAA 9.2022). Trotz der laufenden Bemühungen zur Terrorismusbekämpfung hat der IS im Nordosten Syriens an Stärke gewonnen und seine Aktivitäten im Gebiet der SDF intensiviert (TWI 12.10.2022). Im Jahr 2023 haben die Aktivitäten von Schläferzellen des IS vor allem in der östlichen Wüste zugenommen (CFR 13.2.2024). Insgesamt nahmen die Aktivitäten des IS im Jahr 2023 im Vergleich zu den Vorjahren aber ab (BBC 26.12.2023).Der IS nutzt die Gebiete in der syrischen Wüste im Gouvernement Deir ez-Zor als sicheren Zufluchtsort und als Basis für Angriffe auf die Streitkräfte der Regierung und die SDF (UNSC 3.2.2021) sowie auf iranische Milizen und russische Streitkräfte. Auch wurde von Angriffen auf Arbeiter der Ölfelder in Deir ez-Zor berichtet (AM 29.12.2021). Die Sicherheitslage in Deir ez-Zor wird demnach durch Angriffe des IS gegen Regierungstruppen (NPA 13.11.2021; vergleiche Asharq 30.8.2021) beeinträchtigt, sowie auch durch Angriffe des IS auf die SDF bzw. durch Operationen der SDF gegen den IS, z.T. unter Beteiligung von US-Streitkräften (MEMO 29.12.2021; vergleiche K24 23.9.2021, BAMF 20.12.2021, USDOD 3.11.2021). Im April und Mai 2021 kam es in Deir ez-Zor zu zahlreichen Tötungen, die häufig auf IS-Aktivitäten zurückgeführt wurden (EUAA 9.2022; vergleiche UNSC 17.6.2021). Auch 2023 wurde von Angriffen auf Zivilisten, Trüffelsuchende und Schafhirten in der syrischen Wüste, insbesondere in den Provinzen Deir ez-Zor und Homs berichtet (NPA 15.5.2023). Die SDF führten mehrere Razzien gegen den IS durch, die sich sowohl auf das nördliche und nordöstliche als auch auf das östliche und nordwestliche Umland von Deir ez-Zor konzentrierten (EUAA 9.2022; vergleiche ANHA 11.5.2021). Der Osten des Gouvernements gilt als das Gebiet, in dem die Autorität der SDF am schwächsten ist (EUAA 9.2022). Trotz der laufenden Bemühungen zur Terrorismusbekämpfung hat der IS im Nordosten Syriens an Stärke gewonnen und seine Aktivitäten im Gebiet der SDF intensiviert (TWI 12.10.2022). Im Jahr 2023 haben die Aktivitäten von Schläferzellen des IS vor allem in der östlichen Wüste zugenommen (CFR 13.2.2024). Insgesamt nahmen die Aktivitäten des IS im Jahr 2023 im Vergleich zu den Vorjahren aber ab (BBC 26.12.2023).
Der IS hat großteils darauf verzichtet, die Verantwortung für seine Angriffe zu übernehmen, und widersprüchliche Berichte erschweren die Verifizierung von IS-Aktivitäten (CC 5.8.2022). Dass der IS nach wie vor eine Bedrohung darstellt, und darüber hinaus auch die Gefahr besteht, dass er nun besser in der Lage sein könnte, größere Operationen durchzuführen oder die Dynamik seiner Angriffe zu erhöhen, zeigt sich auch in Zusammenhang mit dem Sina'a-Anschlag vom Januar 2022 (ICCT 28.6.2022).
Als Reaktion auf einen Angriff durch eine Drohne iranischer Machart mit einem Toten auf einen US-Stützpunkt in Hassakah führten US-Streitkräfte im März 2023 mehrere Gegenschläge auf Stellungen pro-iranischer Gruppen in den Städten Deir ez-Zor, Abu Kamal und Majadin in der Provinz Deir ez-Zor durch. Ein weiterer (pro-)iranischer Angriff zielte auf eine US-Stellung beim Ölfeld al-Omar (TAZ 24.3.2023). Laut US-Angaben starben bei den US-Luftschlägen insgesamt 19 Personen (Ha'aretz 4.4.2023): […]
[...]
Sicherheitsbehörden und regierungstreue Milizen
Letzte Änderung 2024-03-08 19:55
Der Präsident stützt seine Herrschaft auf die Loyalität der Streitkräfte sowie die militärischen und zivilen Geheimdienste. Die Befugnisse dieser Dienste, die von engen Vertrauten des Präsidenten geleitet werden und sich auch gegenseitig kontrollieren, unterliegen keinen definierten Beschränkungen (AA 29.3.2023). Die Regierung hat die effektive Kontrolle über die uniformierten Polizei-, Militär- und Staatssicherheitskräfte, und setzt diese zur Ausübung von Menschenrechtsverletzungen ein. Sie hat jedoch nur beschränkten Einfluss auf ausländische militärische oder paramilitärische Einheiten, z. B. russische Streitkräfte, die mit dem Iran verbündete Hizbollah und die iranischen Islamischen Revolutionsgarden, deren Mitglieder ebenfalls zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begingen (USDOS 20.3.2023).
Straflosigkeit unter den Sicherheitsbehörden bleibt ein weitverbreitetes Problem bei Sicherheitskräften, NachrichtendienstmitarbeiterInnen und auch sonst innerhalb des Regimes. In der Praxis sind keine Fälle von Strafverfolgung oder Verurteilung von Polizei- und Sicherheitskräften hinsichtlich Misshandlungen bekannt. Es gibt auch keine Berichte von Maßnahmen der Regierung, um die Einhaltung der Menschenrechte durch die Sicherheitskräfte zu verbessern (USDOS 20.3.2023), wenngleich im März 2022 ein neues Gesetz gegen Folter verabschiedet wurde (HRW 11.1.2024). Verschiedene Teile des Sicherheitsapparats wie die Streitkräfte sind de facto weiterhin von Strafverfolgung ausgenommen - ebenso wie Gefängnisse, wo Zehntausende gefoltert wurden und werden (OSS 18.1.2023), was durch Dekrete gedeckt ist, (OSS 1.10.2017), während die Berichterstattung über Menschenrechtsverletzungen kriminalisiert wird (USDOS 20.3.2023). Die Nachrichtendienste haben ihre traditionell starke Rolle verteidigt oder sogar weiter ausgebaut (AA 29.3.2023) und greifen in die Unabhängigkeit des Justizwesens ein, indem sie RichterInnen und AnwältInnen einschüchtern (USDOS 20.3.2023). Durch die Entwicklungen der letzten Jahre sind die Schutzmöglichkeiten des Individuums vor staatlicher Gewalt und Willkür – welche immer schon begrenzt waren – weiterhin deutlich verringert worden (AA 29.3.2023).
Es ist schwierig, Informationen über die Aktivitäten von spezifischen Regierungs- oder regierungstreuen Einheiten zu spezifischen Zeiten oder an spezifischen Orten zu finden, weil die Einheiten seit dem Beginn des Bürgerkrieges oft zu Einsätzen organisiert („task-organized“), bzw. aufgeteilt oder für spezielle Einsätze mit anderen Einheiten zusammengelegt werden. Berichte sprechen oft von einer speziellen Militäreinheit an einem bestimmten Einsatzort (z. B. einer Brigade), wobei die genannte Einheit aus Teilen mehrerer verschiedener Einheiten nur für diesen speziellen Einsatz oder eine gewisse Zeit zusammengestellt wurde (Kozak 28.12.2017).
Trotz grob abgesteckter Einflussgebiete überschneiden sich die Gebiete der Sicherheitsorgane und ihrer Milizen, und es herrscht Konkurrenz um Checkpoints und Handelsrouten, wo sie von passierenden ZivilistInnen und Geschäftsleuten Geld einnehmen, sowie um Gebiete, welche Rekrutierungspools von ehemaligen Oppositionskämpfern darstellen. Die Spannungen zwischen Offizieren, Soldaten, Milizionären und lokaler Polizei eskalieren in Verhaftungen niederrangiger Personen, Angriffen und Zusammenstößen sowie Anschuldigungen zufolge in Ermordungen der von der Konkurrenz angeworbenen "versöhnten" ehemaligen Oppositionskämpfer (TWP 30.7.2019). So ist z. B. Aleppo Stadt Schauplatz fallweiser Zusammenstöße zwischen Regierungsmilizen untereinander und mit Regierungssoldaten (ICG 9.5.2022). […]
Streitkräfte
Letzte Änderung 2023-07-17 16:14
Die syrischen Streitkräfte bestehen aus dem Heer, der Marine, der Luftwaffe, den Luftabwehrkräften und den National Defense Forces (NDF, regierungstreue Milizen und Hilfstruppen). Aktuelle Daten zur Anzahl der Soldaten in der syrischen Armee existieren nicht. Vor dem Konflikt soll die aktive Truppenstärke geschätzt 300.000 Personen umfasst haben (CIA 7.2.2023). Zu Jahresbeginn 2013 war etwa ein Viertel bis ein Drittel aller Soldaten, Reservisten und Wehrpflichtigen desertiert, bzw. zur Opposition übergelaufen (zwischen 60.000-100.000 Mann). Weitere rund 50.000 Soldaten fielen durch Verwundung, Invalidität, Haft oder Tod aus. Letztlich konnte das Regime 2014 nur mehr auf rd. 70.000 bis 100.000 loyale und mittlerweile auch kampferprobte Soldaten zurückgreifen (BMLV 12.10.2022). 2014 begann die syrische Armee mit Reorganisationsmaßnahmen (MEI 18.7.2019), und seit 2016 werden irreguläre Milizen in die regulären Streitkräfte integriert, in einem Ausmaß, das je nach Quelle unterschiedlich eingeschätzt wird (CMEC 12.12.2018; Üngör 15.12.2021; Voller 9.5.2022). Mit Stand Dezember 2022 werden die regulären syrischen Streitkräfte immer noch von regierungsfreundlichen, proiranischen Milizen unterstützt, deren Truppenstärke in die Zehntausende gehen dürfte (CIA 7.2.2023). Das Offizierskorps gilt in den Worten von Kheder Khaddour als kleptokratisch, die die Armee als Institution ausgehöhlt. Den Offizieren bleibt nichts übrig, als sich an den Regimenetzwerken zu beteiligen und mit Korruption ihre niedrigen Gehälter aufzubessern. Die Praxis der Bestechung der Offiziere durch Rekruten gegen ein Decken ihrer Abwesenheit vom Dienst durch Offiziere ist so verbreitet, dass sie im Sprachgebrauch als tafyeesh oder feesh (Bezeichnung für den Personalakt, der bei einem Offizier aufliegt) bezeichnet wird. Auch der Einsatz von Rekruten für private Arbeiten für die Offiziere und deren Familien kommt vor - ebenso wie die Annahme von Geschenken oder lokalen Lebensmittelspezialitäten (CMEC 14.3.2016). Die Höhe der Geldsummen für Tafyeesh [Anm.: im Artikel auf eingezogene Reservisten und Soldaten bezogen] variieren zwar nach Einheit und Offizier, aber aufgrund der Verschlechterung der Lebensbedingungen und der zunehmenden geheimdienstlichen Kontrolle über die Militäreinheiten stiegen die verlangten Preise für Tafyeesh seit Anfang 2023, was diejenigen, welche sich dies nicht mehr leisten konnte, dazu veranlasste, zu ihren Einheiten zurückzukehren. Der Hintergrund für die monetäre Abgeltung für das Decken der abwesenden Soldaten durch ihre Offiziere ist, dass die Militärs mindestens zweimal so viel Geld benötigen, als die Löhne im öffentlichen Dienst ausmachen, um den Lebensunterhalt für sich und ihre Familien abzudecken. Das führt dazu, dass Männer im Reserve- oder Militärdienst (retention service) mit unbestimmter Dauer auf Tafyeesh zurückgreifen. Einem Präsidialdekret von Ende Dezember 2022 zufolge verdient z.B. ein Oberleutnant regulär umgerechnet 17 US-Dollar monatlich und ein Brigadegeneral 43,5 US-Dollar pro Monat, während SoldatInnen entsprechend weniger verdienen als die Offiziersränge (Enab 7.2.2023, zu weiteren Formen der Korruption durch Mitglieder des Sicherheitsapparats siehe auch Kapitel Folter, Haftbedingungen und unmenschliche Behandlung). Aufgrund der Stationierung (Hauptquartier u.a.) von Divisionen in bestimmten Gebieten im Rahmen des Quta'a-Systems [arab. Sektor, Landstück] verfügen die Divisionskommandanten über viel Freiraum in ihrer Befehlsgewalt wie auch für persönliche Vorteile. Diese Strukturierung kann von Bashar als-Assad auch genutzt werden, den Einfluss einzelner Divisionskommandeure einzuschränken, indem er sie gegeneinander ausspielt, um so das System auch zur Prävention von Militärputschen zu nutzen (CMEC 14.3.2016).
Die syrische Armee war der zentrale Faktor für das Überleben des Regimes während des Bürgerkriegs. Im Laufe des Krieges hat ihre Kampffähigkeit jedoch deutlich abgenommen (CMEC 26.3.2020a) und mit Stand September 2022 war die syrische Armee in jeglicher Hinsicht grundsätzlich auf die Unterstützung Russlands, Irans bzw. sympathisierender, vornehmlich schiitischer Milizen angewiesen – d. h. ein eigenständiges Handeln, Durchführung von Militäroperationen usw. durch Syrien sind nicht oder nur in äußerst eingeschränktem Rahmen möglich (BMLV 12.10.2022).
Das syrische Regime und damit auch die militärische Führung unterscheiden nicht zwischen Zivilbevölkerung und 'rein militärischen Zielen' (BMLV 12.10.2022). Nach Experteneinschätzung trägt jeder, der in der syrischen Armee oder Luftwaffe dient, per defintionem zu Kriegsverbrechen bei, denn das Regime hat in keiner Weise gezeigt, dass es das Kriegsrecht oder das humanitäre Recht achtet. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass eine Person in eine Einheit eingezogen wird, auch wenn sie das nicht will, und somit in einen Krieg, in dem die Unterscheidung zwischen Zivilisten und Kämpfern nicht wirklich ernst genommen wird (Üngör 15.12.2021). Soldaten können in Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen verwickelt sein, weil das Militär in Syrien auf persönlichen Vertrauensbeziehungen, manchmal auch auf familiären Netzwerken innerhalb des Militärs beruht. Diejenigen, die Verbrechen begehen, handeln innerhalb eines vertrauten Netzwerks von Soldaten, Offizieren, Personen mit Verträgen mit der Armee und Zivilisten, die mit ihnen als nationale Verteidigungskräfte oder lokale Gruppen zusammenarbeiten (Khaddour, Kheder 24.12.2021). [...]
[...]
Wehr- und Reservedienst und Rekrutierungen
Letzte Änderung 2023-07-14 13:52
[…] Die syrischen Streitkräfte - Wehr- und Reservedienst
Letzte Änderung 2024-03-11 06:50
Rechtliche Bestimmungen
Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes verpflichtend (ÖB Damaskus 12.2022). Laut Gesetzesdekret Nr. 30 von 2007 Art. 4 lit b gilt dies vom 1. Januar des Jahres, in dem das Alter von 18 Jahren erreicht wird, bis zum Überschreiten des Alters von 42 Jahren (PAR 12.5.2007). Die Dauer des Wehrdienstes beträgt 18 Monate bzw. 21 Monate für jene, die die fünfte Klasse der Grundschule nicht abgeschlossen haben (PAR 1.6.2011). Polizeidienst wird im Rahmen des Militärdienstes organisiert. Eingezogene Männer werden entweder dem Militär oder der Polizei zugeteilt (AA 2.2.2024). In der Vergangenheit wurde es auch akzeptiert, sich, statt den Militärdienst in der syrischen Armee zu leisten, einer der bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppierung anzuschließen. Diese werden inzwischen teilweise in die Armee eingegliedert, jedoch ohne weitere organisatorische Integrationsmaßnahmen zu setzen oder die Kämpfer auszubilden (ÖB Damaskus 12.2022). Wehrpflichtige und Reservisten können im Zuge ihres Wehrdienstes bei der Syrischen Arabischen Armee (SAA) auch den Spezialeinheiten (Special Forces), der Republikanischen Garde oder der Vierten Division zugeteilt werden, wobei die Rekruten den Dienst in diesen Einheiten bei Zuteilung nicht verweigern können (DIS 4.2023). Um dem verpflichtenden Wehrdienst zu entgehen, melden sich manche Wehrpflichtige allerdings aufgrund der höheren Bezahlung auch freiwillig zur Vierten Division, die durch die von ihr kontrollierten Checkpoints Einnahmen generiert (EB 17.1.2023). Die 25. (Special Tasks) Division (bis 2019: Tiger Forces) rekrutiert sich dagegen ausschließlich aus Freiwilligen (DIS 4.2023).Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes verpflichtend (ÖB Damaskus 12.2022). Laut Gesetzesdekret Nr. 30 von 2007 Artikel 4, Litera b, gilt dies vom 1. Januar des Jahres, in dem das Alter von 18 Jahren erreicht wird, bis zum Überschreiten des Alters von 42 Jahren (PAR 12.5.2007). Die Dauer des Wehrdienstes beträgt 18 Monate bzw. 21 Monate für jene, die die fünfte Klasse der Grundschule nicht abgeschlossen haben (PAR 1.6.2011). Polizeidienst wird im Rahmen des Militärdienstes organisiert. Eingezogene Männer werden entweder dem Militär oder der Polizei zugeteilt (AA 2.2.2024). In der Vergangenheit wurde es auch akzeptiert, sich, statt den Militärdienst in der syrischen Armee zu leisten, einer der bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppierung anzuschließen. Diese werden inzwischen teilweise in die Armee eingegliedert, jedoch ohne weitere organisatorische Integrationsmaßnahmen zu setzen oder die Kämpfer auszubilden (ÖB Damaskus 12.2022). Wehrpflichtige und Reservisten können im Zuge ihres Wehrdienstes bei der Syrischen Arabischen Armee (SAA) auch den Spezialeinheiten (Special Forces), der Republikanischen Garde oder der Vierten Division zugeteilt werden, wobei die Rekruten den Dienst in diesen Einheiten bei Zuteilung nicht verweigern können (DIS 4.2023). Um dem verpflichtenden Wehrdienst zu entgehen, melden sich manche Wehrpflichtige allerdings aufgrund der höheren Bezahlung auch freiwillig zur Vierten Division, die durch die von ihr kontrollierten Checkpoints Einnahmen generiert (EB 17.1.2023). Die 25. (Special Tasks) Division (bis 2019: Tiger Forces) rekrutiert sich dagegen ausschließlich aus Freiwilligen (DIS 4.2023).
Ausnahmen von der Wehrpflicht bestehen für Studenten, Staatsangestellte, aus medizinischen Gründen und für Männer, die die einzigen Söhne einer Familie sind. Insbesondere die Ausnahmen für Studenten können immer schwieriger in Anspruch genommen werden. Fallweise wurden auch Studenten eingezogen. In letzter Zeit mehren sich auch Berichte über die Einziehung von Männern, die die einzigen Söhne einer Familie sind (ÖB Damaskus 12.2022). Einer vertraulichen Quelle des niederländischen Außenministeriums zufolge sollen Männer auch unabhängig ihres Gesundheitszustandes eingezogen und in der Verwaltung eingesetzt worden sein (NMFA 8.2023).
Die im März 2020, Mai 2021 und Jänner 2022 vom Präsidenten erlassenen Generalamnestien umfassten auch einen Straferlass für Vergehen gegen das Militärstrafgesetz, darunter Fahnenflucht. Die Verpflichtung zum Wehrdienst bleibt davon unberührt (ÖB Damaskus 12.2022).
Binnenvertriebene sind wie andere Syrer zur Ableistung des Wehrdienstes verpflichtet und werden rekrutiert (FIS 14.12.2018). Auch geflüchtete Syrer, die nach Syrien zurückkehren, müssen mit Zwangsrekrutierung rechnen (AA 2.2.2024). Laut Berichten und Studien verschiedener Menschenrechtsorganisationen ist für zahlreiche Geflüchtete die Gefahr der Zwangsrekrutierung neben anderen Faktoren eines der wesentlichen Rückkehrhindernisse (AA 2.2.2024; vgl. ICWA 24.5.2022).Binnenvertriebene sind wie andere Syrer zur Ableistung des Wehrdienstes verpflichtet und werden rekrutiert (FIS 14.12.2018). Auch geflüchtete Syrer, die nach Syrien zurückkehren, müssen mit Zwangsrekrutierung rechnen (AA 2.2.2024). Laut Berichten und Studien verschiedener Menschenrechtsorganisationen ist für zahlreiche Geflüchtete die Gefahr der Zwangsrekrutierung neben anderen Faktoren eines der wesentlichen Rückkehrhindernisse (AA 2.2.2024; vergleiche ICWA 24.5.2022).
Männliche Nachkommen palästinensischer Flüchtlinge, die zwischen 1948 und 1956 nach Syrien kamen und als solche bei der General Administration for Palestinian Arab Refugees (GAPAR) registriert sind (NMFA 5.2022), bzw. palästinensische Flüchtlinge mit dauerhaftem Aufenthalt in Syrien unterliegen ebenfalls der Wehrpflicht (AA 13.11.2018; vgl. Action PAL 3.1.2023, ACCORD 21.9.2022). Ihren Wehrdienst leisten sie für gewöhnlich in einer Unterabteilung der syrischen Armee, die den Namen Palästinensische Befreiungsarmee trägt: Palestinian Liberation Army (PLA) (BAMF 2.2023, (AA 13.11.2018; vgl. ACCORD 21.9.2022). Es konnten keine Quellen gefunden werden, die angeben, dass Palästinenser vom Reservedienst ausgeschlossen seien (ACCORD 21.9.2022; vgl. BAMF 2.2023).Männliche Nachkommen palästinensischer Flüchtlinge, die zwischen 1948 und 1956 nach Syrien kamen und als solche bei der General Administration for Palestinian Arab Refugees (GAPAR) registriert sind (NMFA 5.2022), bzw. palästinensische Flüchtlinge mit dauerhaftem Aufenthalt in Syrien unterliegen ebenfalls der Wehrpflicht (AA 13.11.2018; vergleiche Action PAL 3.1.2023, ACCORD 21.9.2022). Ihren Wehrdienst leisten sie für gewöhnlich in einer Unterabteilung der syrischen Armee, die den Namen Palästinensische Befreiungsarmee trägt: Palestinian Liberation Army (PLA) (BAMF 2.2023, (AA 13.11.2018; vergleiche ACCORD 21.9.2022). Es konnten keine Quellen gefunden werden, die angeben, dass Palästinenser vom Reservedienst ausgeschlossen seien (ACCORD 21.9.2022; vergleiche BAMF 2.2023).
Frauen können als Berufssoldatinnen dem syrischen Militär beitreten. Dies kommt in der Praxis tatsächlich vor, doch stoßen die Familien oft auf kulturelle Hindernisse, wenn sie ihren weiblichen Verwandten erlauben, in einem so männlichen Umfeld zu arbeiten. Dem Vernehmen nach ist es in der Praxis häufiger, dass Frauen in niedrigeren Büropositionen arbeiten als in bewaffneten oder leitenden Funktionen. Eine Quelle erklärt dies damit, dass Syrien eine männlich geprägte Gesellschaft ist, in der Männer nicht gerne Befehle von Frauen befolgen (NMFA 5.2022).
Mit Stand Mai 2023 werden die regulären syrischen Streitkräfte immer noch von zahlreichen regierungsfreundlichen Milizen unterstützt (CIA 9.5.2023). Frauen sind auch regierungsfreundlichen Milizen beigetreten. In den Reihen der National Defence Forces (NDF) dienen ca. 1.000 bis 1.500 Frauen, eine vergleichsweise geringe Anzahl. Die Frauen sind an bestimmten Kontrollpunkten der Regierung präsent, insbesondere in konservativen Gebieten, um Durchsuchungen von Frauen durchzuführen (FIS 14.12.2018).
Die Ums