TE Vwgh Erkenntnis 1995/5/17 95/21/0126

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Veröffentlicht am 17.05.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §37;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des A in L, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 1. März 1995, Zl. St 38-2/95, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 FrG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 1. März 1995 wurde aufgrund des Antrages des Beschwerdeführers gemäß § 54 Abs. 1 FrG festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß er in Afghanistan gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FrG bedroht sei.

Der Beschwerdeführer sei am 2. Juli 1994 mit Hilfe von Schleppern ins Bundesgebiet gelangt. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. September 1994 sei sein Asylantrag abgewiesen worden. Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden sei der Beschwerdeführer gemäß § 17 Abs. 2 Z. 4 FrG ausgewiesen worden.

Der Beschwerdeführer habe bei seiner Vernehmung (vor der Erstbehörde) am 15. Dezember 1994 zu seinem Antrag vom 11. Juli 1994 zu Protokoll gegeben, daß in Afghanistan sein Leben bedroht wäre. Er habe in Afghanistan bei der Kriminalpolizei gearbeitet und sei seit zehn Jahren Mitglied der afghanischen Volksdemokratic-Partei gewesen, die unter der kommunistischen Regierung die Regierungspartei gestellt habe. Er sei Chef der Parteigenossen des Polizeigebäudes gewesen, in dem er Dienst versehen habe. Als Kriminalbeamter habe er unter anderem auch die Waffennachschubtransporte der Mudjaheddin gestoppt und ihnen Waffen weggenommen. Im Jahre 1992 sei die kommunistische Regierung zurückgetreten; die Regierung sei von da an durch die Mudjaheddin gebildet worden. Er sei am 19. März 1992 als Kriminalbeamter entlassen und anschließend ca. sechs Monate durch keine Behörde belästigt worden. Dann seien die Mudjaheddin zu ihm nach Hause gekommen und hätten ihn festnehmen wollen. Er habe vorher flüchten können und habe sich in einem anderen Stadtteil von Kabul versteckt. Auch dort hätten ihn die Mudjaheddin aufgespürt, sodaß er gezwungen gewesen wäre, seinen Wohnsitz ständig zu wechseln. Anfang Juni 1994 sei er nach Pakistan geflüchtet, wo er sich 24 Tage aufgehalten hätte. Mittels eines Schleppers sei er dann nach Wien geflogen.

In der Berufung (gegen den erstinstanzlichen Bescheid) habe der Beschwerdeführer vorgebracht, er sei als hoher Kriminalbeamter und Parteisekretär mit verschiedenen politischen Aufgaben betraut gewesen. Er habe zahlreiche Waffenschmuggler ausforschen können. In Ausübung dieser Tätigkeit sei er auch im TV zu sehen gewesen. Er sei auch in den Bereichen Terrorismus, Urkundenfälschung und Suchtgiftschmuggel zuständig gewesen. Nach der Machtübernahme durch die Mudjaheddin-Gruppen seien die Mitglieder der kommunistischen Partei Anfangs unbehelligt geblieben. Erst nach sieben Monaten hätten die Verfolgungen begonnen. Die Mudjaheddin hätten zweimal sein Haus durchsucht. Danach sei er untergetaucht. Die Repräsentanten des ehemaligen kommunistischen Systems seien zu Staatsfeinden erklärt worden und auf eine Liste Verdächtiger gekommen, die verhaftet und beseitigt werden sollten. Der Beschwerdeführer habe aber nicht behauptet, daß er selbst auf dieser Liste stehe.

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers sei zu entnehmen, daß er wegen seiner früheren Tätigkeit für die Regierung und seiner politischen Gesinnung befürchte, Nachstellungen von den nunmehr an der Macht befindlichen Mudjaheddins ausgesetzt zu sein. Objektive Anhaltspunkte dafür lägen nicht vor. Gegen die Stichhaltigkeit spreche auch, daß er nach dem Machtwechsel immerhin durch sechs Monate unbehelligt geblieben sei. In seiner im Asylverfahren am 11. Juli 1994 aufgenommene Niederschrift habe der Beschwerdeführer angegeben, er sei im Jahre 1992 zweimal zu Hause gesucht worden, wobei die Männer keine besondere Uniformen getragen hätten, sodaß man nicht habe sagen können, von welcher Gruppe er gesucht worden sei. Der Beschwerdeführer habe lediglich die Bezeichnungen einiger, miteinander offenbar konkurrierender Mudjaheddin-Gruppen angeführt, und erklärt, daß er von diesen, wäre er von ihnen aufgegriffen worden, sicher an Ort und Stelle umgebracht worden wäre. Verfolgungen der dargestellten Art müßten aber, um als relevant im Sinne des § 37 FrG angesehen zu werden, vom Staat ausgehen. Der Beschwerdeführer habe nicht behauptet, daß ihm wegen seiner früheren Tätigkeit als Regierungsbeamter ein Strafverfahren drohe. Die Befürchtungen des Beschwerdeführers, die Mudjaheddins könnten sich an ihm rächen, könnten sich lediglich auf eine zweimalige Durchsuchung seines Hauses stützen; der Beschwerdeführer sei aber noch während seines Dienstes von den Mudjaheddins aufgesucht, entwaffnet und nach Hause geschickt worden. Die Befürchtungen des Beschwerdeführers könnten mit den tatsächlichen Geschehnissen nicht in Einklang gebracht werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen "unrichtiger rechtlicher Beurteilung" und "Vorliegens von Verfahrensmängeln" aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Soweit der Beschwerdeführer auf das ihm am 22. März 1995 zugekommene Schreiben des Kommandateurs der Exekutive Kabul vom 25. Oktober 1994 bezug nimmt, ist er darauf zu verweisen, daß der Verwaltungsgerichtshof verpflichtet ist, den angefochtenen Bescheid auf der Grundlage der zum Zeitpunkt seiner Erlassung bestehenden Sach- und Rechtslage zu überprüfen. Die Ausführungen zu dem, dem Beschwerdeführer selbst erst nach Erlassung des angefochtenen Bescheides zugekommenen Schreiben stellen daher eine im Grunde des § 41 VwGG unzulässige Neuerung dar.

Die Beschwerde vertritt die Ansicht, die belangte Behörde hätte von Amts wegen Ermittlungen zur Erhebung des maßgeblichen Sachverhaltes anstellen müssen.

Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Der Beschwerdeführer verkennt, daß im Verfahren nach § 54 FrG der Fremde mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen, also im Falle seiner Abschiebung in dem von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen hat (vgl. etwa das

hg. Erkenntnis vom 3. November 1994, Zl. 94/18/0723, mit weiteren Nachweisen). Wenn die belangte Behörde unter Zugrundelegung der Angaben des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren und auch in seinem Asylverfahren zu dem Ergebnis gelangte, daß ihn die Glaubhaftmachung von im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan angeblich drohenden Gefahren im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG nicht gelungen sei, so basiert diese Annahme auf einer nicht als unschlüssig zu erkennenden Beweiswürdigung. Der Beschwerdeführer tut nicht dar, aus welchen Tatsachen die belangte Behörde den Schluß auf eine konkrete und aktuelle Bedrohung des Beschwerdeführers hätte ziehen können. In der Beschwerde bleibt unbestritten, daß der Beschwerdeführer 1992 zweimal zu Hause gesucht worden ist und daß man nicht sagen könne, von welcher Gruppe er gesucht worden sei. Die Auffassung der belangten Behörde, eine Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG sei damit nicht glaubhaft gemacht, ist nicht unschlüssig. Auch die ganz allgemein gehaltene Behauptung, dem Beschwerdeführer drohe zufolge seiner hochrangigen Position mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verhaftung und möglicherweise Folter oder gar Ermordung, ist nicht geeignet, eine aktuelle Gefahr und/oder Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG darzutun.

Abgesehen davon, daß diese Behauptung mit der in der Beschwerde zugegebenen Amnestie in Widerspruch steht, handelt es sich dabei lediglich wiederum um ein in keiner Weise substantiiertes Vorbringen.

Da nach dem Gesagten der im Instanzenzug getroffenen Feststellung der belangten Behörde, es bestünden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Bedrohung des Beschwerdeführers in Afghanistan im Sinne des § 37 Abs. 1 und 2 FrG, Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde mangels Vorliegens der behaupteten Rechtsverletzung - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt - gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995210126.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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