TE Vwgh Erkenntnis 1995/5/17 94/01/0544

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Veröffentlicht am 17.05.1995
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §16 Abs1;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
AsylG 1991 §8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des Z in O, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. November 1993, Zl. 4.342.976/1-III/13/93, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. November 1993 wurde die Berufung des Beschwerdeführers - eines Staatsangehörigen der "jugosl. Föderation", der am 5. Februar 1993 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 14. Mai 1993 den Asylantrag gestellt hat - gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 4. Juni 1993, mit dem dem Asylantrag im Hinblick auf das Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 keine Folge gegeben wurde, abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer allein deshalb kein Asyl gewährt, weil sie der Ansicht war, daß der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 gegeben sei. Nach dieser Gesetzesstelle wird einem Flüchtling kein Asyl gewährt, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war.

Die belangte Behörde ging von den Angaben des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung am 4. Juni 1993 aus, daß er sich vor seiner Einreise in das Bundesgebiet in Ungarn aufgehalten habe. Dort sei der Beschwerdeführer insbesondere im Hinblick auf die Mitgliedschaft Ungarns bei der Genfer Flüchtlingskonvention ("seit dem 14. März 1989") im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 vor Verfolgung sicher gewesen und es spreche nichts dafür, daß dieser Staat seine aus dieser Konvention erfließenden Verpflichtungen, vor allem Art. 33 der Konvention, etwa vernachlässige.

Im Hinblick auf die ständige hg. Rechtsprechung (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 27. Mai 1993, Zl. 93/01/0256, und vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0357) zum Begriff der "Verfolgungssicherheit", auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, kommt den Rügen des Beschwerdeführers, sein Aufenthalt sei den ungarischen Behörden nicht bekannt gewesen und von diesen somit nicht geduldet worden und er habe sich nur ganz kurz zwecks Durchreise in Ungarn aufgehalten, keine Berechtigung zu.

Der Beschwerdeführer macht aber auch geltend, daß wegen der immer noch bestehenden unsicheren politischen Verhältnisse in Ungarn und der damit verbundenen Gefahr der Abschiebung in seinen Heimatstaat auch kein Grund erkennbar sei, aus dem er gehalten gewesen wäre, in Ungarn einen Asylantrag zu stellen. Eine diesbezüglich generalisierende Betrachtungsweise, wie im angefochtenen Bescheid vom Bundesministerium für Inneres vorgenommen, reiche keinesfalls aus. Es sei bei jeder einzelnen Entscheidung auf den konkreten Einzelfall abzustellen. Weiters meint der Beschwerdeführer, es könne für die Frage des "Sicherseins in einem anderen Staat vor Verfolgung" im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 nicht darauf ankommen, aus welchen Motiven ein Flüchtling das betreffende Drittland (hier: Ungarn) wieder verlassen habe und welche Angaben er in diesem Zusammenhang bei seiner Ersteinvernahme durch die österreichischen Behörden gemacht habe. Es wäre daher eine nähere Befassung der belangten Behörde mit der Frage der konkreten Situation von Asylwerbern aus Serbien in Ungarn unerläßlich gewesen und es sei nicht, wie im Bescheid der belangten Behörde, auf eine generalisierende Betrachtungsweise abzustellen.

Damit macht der Beschwerdeführer zutreffend geltend, daß keine ausreichenden Ermittlungen gepflogen wurden, die die Annahme der belangten Behörde rechtfertigen könnten, Ungarn habe von seiner effektiv geltenden Rechtsordnung her einen dem Standard der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechenden Schutz geboten. Der Beschwerdeführer hat auf diese Weise nach Maßgabe der ihn im Verwaltungsverfahren treffenden Mitwirkungspflicht, ohne daß es demnach noch einer weiteren Konkretisierung seines Vorbringens bedurft hätte, auch die Wesentlichkeit der der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensmängel aufgezeigt (vgl. dazu des näheren das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/19/0413). Im Hinblick darauf, daß dem Beschwerdeführer im Berufungsverfahren kein Parteiengehör gewährt wurde, obwohl die belangte Behörde, anders als die Erstbehörde, nunmehr von dem Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 Gebrauch gemacht hat, verstößt sein (erstmals in der Beschwerde erstattetes) Vorbringen diesbezüglich auch nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG.

Auf das Vorbringen des Beschwerdeführers, er befinde sich aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 außerhalb seines Heimatstaates, war schon deshalb nicht einzugehen, weil die belangte Behörde ihre Abweisung allein auf den Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 gestützt hat.

Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides abschließend zum Ausdruck gebracht, daß der "Anregung" des Beschwerdeführers "auf Bewilligung des befristeten Aufenthalts" gemäß § 8 Asylgesetz 1991 nicht entsprochen worden sei, da die gesetzlichen Voraussetzungen hiefür nicht vorlägen. Wenn der Beschwerdeführer auch darin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides erblickt, daß ihm eine derartige Bewilligung nicht erteilt worden sei, so befindet er sich auch damit im Rechtsirrtum, weil - wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 29. Oktober 1993, Zl. 93/01/0545, näher dargelegt hat - das Fehlen eines solchen Abspruches im angefochtenen Bescheid diesen nicht mit Rechtswidrigkeit belastet und daher auch keinen Eingriff in Rechte des Beschwerdeführers darstellt.

Da somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994010544.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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