TE Vfgh Erkenntnis 1993/3/15 V94/92

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Veröffentlicht am 15.03.1993
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Index

32 Steuerrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
Erlaß des Bundesministers für Finanzen vom 22.10.80 über gesellschaftliche und gesellige Veranstaltungen von Körperschaften des öffentlichen Rechts als Betriebe gewerblicher Art. AÖF 266/1980
KStG 1966 §2

Leitsatz

Aufhebung eines als Rechtsverordnung zu qualifizierenden Erlasses des Bundesministers für Finanzen über gesellschaftliche und gesellige Veranstaltungen von Körperschaften des öffentlichen Rechts als Betriebe gewerblicher Art mangels Kundmachung im Bundesgesetzblatt; Gesetzwidrigkeit des alleinigen Abstellens auf die Dauer der Betätigung zur Beurteilung des Charakters solcher Veranstaltungen

Spruch

Der Erlaß des Bundesministers für Finanzen vom 22. Oktober 1980 über gesellschaftliche und gesellige Veranstaltungen von Körperschaften des öffentlichen Rechts als Betriebe gewerblicher Art, Amtsblatt der Österreichischen Finanzverwaltung Nr. 266, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Der Bundesminister für Finanzen ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aufhebung im Bundesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Im Amtsblatt der Österreichischen Finanzverwaltung 1980 ist unter Nr. 266 folgender Erlaß des Bundesministers für Finanzen vom 22. Oktober 1988 über gesellschaftliche und gesellige Veranstaltungen durch Körperschaften des öffentlichen Rechts als Betriebe gewerblicher Art, veröffentlicht:

"Aus gegebenem Anlaß wird eröffnet, daß nach Ansicht des Bundesministeriums für Finanzen die Durchführung gesellschaftlicher oder geselliger entgeltlicher Veranstaltungen aller Art durch Körperschaften des öffentlichen Rechts erst dann einen Betrieb gewerblicher Art im Sinne des §2 des Körperschaftsteuergesetzes 1966, BGBl. Nr. 156, begründet, wenn solche Veranstaltungen innerhalb eines Kalenderjahres an mehr als vier Tagen stattfinden oder mit solchen Veranstaltungen an mehr als an drei Tagen gastgewerbliche Aktivitäten (Abgabe von Speisen oder Getränken) der Körperschaft verbunden sind. Als Veranstaltung im Sinne des ersten Satzes gilt jede ausschließlich oder überwiegend der Geselligkeit und Unterhaltung dienende Unternehmung (wie Feste aller Art, Bälle, Kränzchen, Feiern, Juxveranstaltungen, Heurigenausschank, Wandertage, Vergnügungs-Sportveranstaltungen usw.). Bei Veranstaltungen, die sich über mehrere Tage erstrecken, ist ein Tag mit 24 Stunden zu rechnen. Angefangene Tage sind sowohl bei einals auch bei mehrtägigen Veranstaltungen als volle Tage zu zählen.

Beispiel: Ein Sommerfest, bei dem durch die Körperschaft Speisen und Getränke abgegeben werden, wird von Freitag, 19 Uhr, bis Sonntag, 24 Uhr, veranstaltet. Es liegt eine dreitägige Veranstaltung vor. Wird überdies ein Ball veranstaltet, liegt noch kein Betrieb gewerblicher Art vor, wenn die Körperschaft bei diesem Ball keine Speisen und Getränke abgibt.

Die vorstehenden Ausführungen gelten für alle offenen Veranlagungen."

Der Beschwerdeführer zu B1291/91 betreibt einen Getränkehandel (Handelsagentur-Bierdepot). Im Zuge der Betriebsprüfung stellte das Finanzamt fest, daß er alkoholische Getränke "an Feuerwehren und Vereine zum Ausschank bei Feuerwehr- und Vereinsfesten" geliefert hat, und zwar 1986 um 180.368,79 S, 1987 um 176.084,47 S und 1988 um 33.120 S, ohne dafür Alkoholabgabe zu entrichten. Mit dem angefochtenen Berufungsbescheid wird ein Bescheid des Finanzamtes bestätigt, der Alkoholabgabe von einer um diese Beträge erhöhten Bemessungsgrundlage vorschreibt. Zweck der Feuerwehr sei nicht die Veranstaltung von Festen, sondern der Einsatz bei Elementarereignissen. Getränke würden zumeist nicht bei Feuerwehrfesten, sondern "zum Großteil innerhalb der Mitglieder nach Einsätzen und Übungen" konsumiert. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes liege bei Körperschaften des öffentlichen Rechts ein Betrieb gewerblicher Art erst dann vor, wenn dessen Tätigkeit von wirtschaftlichem Gewicht ist. Es sei davon auszugehen, daß gemeinnützige Vereine trachten, die Kosten ihres gemeinnützigen Anliegens zu decken, und wirtschaftliche Aktivitäten nur in kleinem Rahmen ausüben, der erfahrungsgemäß auf Dauer keine Gewinne erwarten lasse. Die belieferten Feuerwehren seien steuerlich nicht erfaßt. Man müßte also eine Abgabenhinterziehung unterstellen, was rechtsstaatlich bedenklich wäre. Nach jahrzehntelanger Verwaltungsübung gälten gesellschaftliche und gesellige Veranstaltungen von Feuerwehren nicht als Betriebe gewerblicher Art, wenn solche Veranstaltungen nicht länger als drei Tage im Jahr dauern; bei Vereinen werde ein Umsatz bis zu 100.000 S als Orientierungshilfe dafür anzunehmen sein, daß ein wirtschaftlicher Geschäfts- bzw. Gewerbebetrieb nicht vorliege. In Ermangelung anderer Ermittlungsergebnisse sei

"... entsprechend der amtswegigen Beweislast davon auszugehen, daß sich die Feuerwehren und Vereine an diese drei-Tage-Regelung bzw. an diese S 100.000,-- Grenze halten."

Es sei dem Steuerpflichtigen oblegen, entsprechende Informationen und Dokumentationen hinsichtlich einer allfälligen gewerblichen Weiterveräußerung vorzulegen.

Die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde rügt unter anderem die Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, nämlich des nicht gehörig kundgemachten und auch inhaltlich mit dem Gesetz in Widerspruch stehenden Erlasses AÖF 266/1980.

II. Aus Anlaß dieses Beschwerdeverfahrens hat der Verfassungsgerichtshof von Amts wegen die Prüfung der Gesetzmäßigkeit des genannten Erlasses beschlossen und ausgeführt:

"Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, daß es sich bei dem eben wiedergegebenen Erlaß in der Tat um eine verbindliche Norm handelt, in der Rechte und Pflichten der Abgabepflichtigen gestaltet werden. Dafür spricht vor allem der abschließende, anscheinend nur als Klarstellung des normativen Anwendungsbereiches deutbare Satz ("... gelten für alle offenen Veranlagungen"), dem sich allerdings die gesamte Diktion einordnen läßt. Er scheint auch in der Verwaltungspraxis so verstanden zu werden, wenn er - wie im angefochtenen Bescheid - als "drei-Tage-Regelung" bezeichnet und angewendet wird. Unabhängig von der Frage, ob die belangte Behörde den Erlaß anwenden wollte oder nicht, scheint er jedenfalls für den Verfassungsgerichtshof präjudiziell zu sein.

Als Rechtsverordnung hätte der Erlaß aber im Bundesgesetzblatt kundgemacht werden müssen. Es besteht daher das Bedenken, daß er nicht gehörig kundgemacht ist.

Darüber hinaus besteht das Bedenken, daß er den Beurteilungsspielraum der Behörde in einer dem Gesetz widersprechenden Weise einengt. Es scheint nämlich, daß bei Beantwortung der Frage, ob die Betätigung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts eine nachhaltige wirtschaftliche Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen oder anderen wirtschaftlichen Vorteilen und daher einen Betrieb gewerblicher Art darstellt, nicht allein auf die Dauer der Betätigung abgestellt werden kann."

Der Bundesminister für Finanzen hat von einer Stellungnahme abgesehen.

III. Das Verordnungsprüfungsverfahren ist zulässig und die Bedenken des Gerichtshofs sind begründet. Der in Prüfung gezogene Erlaß ist eine Rechtsverordnung, die im Bundesgesetzblatt hätte kundgemacht werden müssen und dem Gesetz widerspricht:

Da Zweifel an der Zulässigkeit der Anlaßbeschwerde nicht hervorgekommen sind und der in Prüfung gezogene Erlaß dem Bundesminister für Finanzen zuzurechnen und im Bundesgesetzblatt nicht kundgemacht ist, hängt sowohl die Zulässigkeit des Verordnungsprüfungsverfahrens wie die Lösung der Sachfrage in bezug auf die Kundmachung allein davon ab, ob der Erlaß eine Rechtsverordnung darstellt. Das Verfahren hat nichts ergeben, was die vorläufige Annahme des Gerichtshofs widerlegt und die einschlägigen Bedenken zerstreut hätte. Es ist ihnen auch nichts hinzuzufügen.

Es ist aber auch keine gesetzliche Bestimmung zu finden, die es erlauben würde, bei der Beantwortung der Frage, ob die Betätigung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts eine nachhaltige wirtschaftliche Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen oder anderen wirtschaftlichen Vorteilen und daher einen Betrieb gewerblicher Art darstellt, allein auf die Dauer der Betätigung abzustellen. Die Verordnung ist daher auch inhaltlich gesetzwidrig.

Der Erlaß ist daher aufzuheben.

Die Kundmachungsverpflichtung stützt sich auf Art139 Abs5 B-VG.

Da eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung der Rechtslage erwarten ließ, hat der Verfassungsgerichtshof von einer mündlichen Verhandlung abgesehen (§19 Abs4 VerfGG).

Schlagworte

Körperschaftsteuer, Körperschaften öffentlichen Rechts, Verordnung, RechtsV, VerwaltungsV, Verordnungsbegriff, Verordnung Kundmachung, VfGH / Prüfungsgegenstand, Kundmachung Verordnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1993:V94.1992

Dokumentnummer

JFT_10069685_92V00094_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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