Entscheidungsdatum
17.07.2024Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W189 2289745-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Irene RIEPL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU-GmbH), gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.02.2024, Zl. 1366774203-231688447, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.06.2024, zu Recht: Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Irene RIEPL als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Somalia, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU-GmbH), gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.02.2024, Zl. 1366774203-231688447, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.06.2024, zu Recht:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.A) Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 3, AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: der BF), ein somalischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 29.08.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz, zu welchem er am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt wurde. Zu seinem Ausreisegrund gab er zu Protokoll, dass die Al Shabaab ihn als Soldaten rekrutieren habe wollen und er das nicht wollen habe. Sie hätten ihn dann bedroht und ihn umbringen wollen.
2. In seiner niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA vom 19.12.2023 gab der BF in freier Erzählung als Fluchtgrund im Wesentlichen an, dass die Al Shabaab von seinem Vater Abgaben verlangt habe, die er nicht bezahlen habe können. Die Al Shabaab habe seinem Vater die alternative Möglichkeit gegeben, den BF der Gruppierung zu übergeben. Eine Woche später habe die Al Shabaab eine Entscheidung vom Vater des BF verlangt, doch habe dieser gesagt, dass er nicht bereit sei, den BF zu übergeben, und er auch kein Geld zur Abfuhr von Abgaben habe. Die Al Shabaab habe seinem Vater gesagt, dass sie den BF mitnehmen würden, woraufhin der BF versucht habe wegzulaufen. Er sei jedoch eingeholt und geschlagen worden. Als sein Vater ihm zur Hilfe kommen habe wollen, sei dieser von der Al Shabaab erschossen worden. Der BF sei in ein Lager der Gruppierung entführt worden, wo er ca. ein Monat lang gewesen sei. Es seien auch andere Jugendliche dort gewesen und sie seien bewacht worden. Eines Abends hätten der BF und ein anderer Jugendlicher bemerkt, dass die Bewacher nicht anwesend seien, und sie hätten die Möglichkeit genutzt, um zu flüchten. Nach einem Tag und zwei Nächten sei der BF zuhause angekommen und seine Mutter habe ihn zu einer Freundin nach Mogadischu geschickt. Von dort habe er seine Mutter angerufen, die ihm gesagt habe, dass Männer der Al Shabaab nach ihm gesucht hätten und mitgeteilt hätten, dass sie ihn töten würden. Daraufhin habe der BF das Land verlassen.
3. Mit Bescheid des BFA vom 23.02.2024 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Dem BF wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkte II. und III.).3. Mit Bescheid des BFA vom 23.02.2024 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Dem BF wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkte römisch II. und römisch III.).
4. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der BF durch seine Rechtsvertretung binnen offener Frist Beschwerde, über welche das Bundesverwaltungsgericht am 11.06.2024 in beider Anwesenheit eine öffentliche, mündliche Verhandlung durchführte.4. Gegen Spruchpunkt römisch eins. dieses Bescheides erhob der BF durch seine Rechtsvertretung binnen offener Frist Beschwerde, über welche das Bundesverwaltungsgericht am 11.06.2024 in beider Anwesenheit eine öffentliche, mündliche Verhandlung durchführte.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des BF
Die Identität des BF steht nicht fest. Er ist ein Staatsangehöriger von Somalia und gehört der Religionsgemeinschaft der sunnitischen Muslime sowie dem Clan der Ashraf an.
Entgegen dem Fluchtvorbringen des BF wurde sein Vater nicht von der Al Shabaab getötet und der BF nicht von der Gruppierung entführt und inhaftiert.
1.2. Zur maßgeblichen Situation in Somalia
1.2.1. Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten
(PGN 23.1.2023)
1.2.2. Verwaltung der Al Shabaab
Im eigenen Gebiet hat die Gruppe umfassende Verwaltungsstrukturen geschaffen (AQ21 11.2023; vgl. BS 2022a). Dort übt al Shabaab alle Grundfunktionen einer normalen Regierung aus: Sie hebt Steuern ein, bietet Sicherheit und sorgt mitunter für Sozialhilfe für bedürftige Bevölkerungsgruppen (Rollins/HIR 27.3.2023). Al Shabaab ist es gelungen, dort ein vorhersagbares Maß an Besteuerung, Sicherheit, Rechtssicherheit und sozialer Ordnung zu etablieren und gleichzeitig weniger korrupt als andere somalische Akteure zu sein sowie gleichzeitig mit lokalen Clans zusammenzuarbeiten (Schwartz/HO 12.9.2021). Die Gruppe investiert daher in lokale Regierungssysteme. Al Shabaab setzt Zwang und Überredung ein, um die Treue zum Clan zu erzwingen. Im Gegenzug bietet die Gruppe ihre eigene Art von „Recht und Ordnung“ sowie bescheidene Grunddienstleistungen (Sahan/SWT 30.6.2023). Durch das Anbieten öffentlicher Dienste - v.a. hinsichtlich Sicherheit und Justiz - genießt al Shabaab in einigen Gebieten ein gewisses Maß an Legitimität. Mit der Hisba verfügt die Gruppe über eine eigene Polizei (GITOC/Bahadur 8.12.2022). Im eigenen Gebiet hat die Gruppe umfassende Verwaltungsstrukturen geschaffen (AQ21 11.2023; vergleiche BS 2022a). Dort übt al Shabaab alle Grundfunktionen einer normalen Regierung aus: Sie hebt Steuern ein, bietet Sicherheit und sorgt mitunter für Sozialhilfe für bedürftige Bevölkerungsgruppen (Rollins/HIR 27.3.2023). Al Shabaab ist es gelungen, dort ein vorhersagbares Maß an Besteuerung, Sicherheit, Rechtssicherheit und sozialer Ordnung zu etablieren und gleichzeitig weniger korrupt als andere somalische Akteure zu sein sowie gleichzeitig mit lokalen Clans zusammenzuarbeiten (Schwartz/HO 12.9.2021). Die Gruppe investiert daher in lokale Regierungssysteme. Al Shabaab setzt Zwang und Überredung ein, um die Treue zum Clan zu erzwingen. Im Gegenzug bietet die Gruppe ihre eigene Art von „Recht und Ordnung“ sowie bescheidene Grunddienstleistungen (Sahan/SWT 30.6.2023). Durch das Anbieten öffentlicher Dienste - v.a. hinsichtlich Sicherheit und Justiz - genießt al Shabaab in einigen Gebieten ein gewisses Maß an Legitimität. Mit der Hisba verfügt die Gruppe über eine eigene Polizei (GITOC/Bahadur 8.12.2022).
Die Gebiete von al Shabaab werden als relativ sicher und stabil beschrieben, bei einer Absenz von Clankonflikten und geringer Kriminalität (BMLV 9.2.2023; vgl. JF 18.6.2021). Al Shabaab duldet nicht, dass irgendeine andere Institution außer ihr selbst auf ihren Gebieten Gewalt anwendet, sie beansprucht das Gewaltmonopol für sich. Jene, die dieses Gesetz brechen, werden bestraft. Al Shabaab unterhält ein rigoroses Justizsystem, welches Fehlverhalten – etwa nicht sanktionierte Gewalt gegen Zivilisten – bestraft. Daher kommt es kaum zu Vergehen durch Kämpfer der al Shabaab. Die Verwaltung von al Shabaab wurzelt auf zwei Grundsätzen: Angst und Berechenbarkeit (BMLV 9.2.2023). Hinsichtlich Korruption ist die Gruppe sehr aufmerksam (AQ21 11.2023).Die Gebiete von al Shabaab werden als relativ sicher und stabil beschrieben, bei einer Absenz von Clankonflikten und geringer Kriminalität (BMLV 9.2.2023; vergleiche JF 18.6.2021). Al Shabaab duldet nicht, dass irgendeine andere Institution außer ihr selbst auf ihren Gebieten Gewalt anwendet, sie beansprucht das Gewaltmonopol für sich. Jene, die dieses Gesetz brechen, werden bestraft. Al Shabaab unterhält ein rigoroses Justizsystem, welches Fehlverhalten – etwa nicht sanktionierte Gewalt gegen Zivilisten – bestraft. Daher kommt es kaum zu Vergehen durch Kämpfer der al Shabaab. Die Verwaltung von al Shabaab wurzelt auf zwei Grundsätzen: Angst und Berechenbarkeit (BMLV 9.2.2023). Hinsichtlich Korruption ist die Gruppe sehr aufmerksam (AQ21 11.2023).
Insgesamt nimmt die Gruppe im Vergleich zur Regierung effizienter Steuern ein, lukriert mehr Geld, bietet ein höheres Maß an Sicherheit, eine höhere Qualität an Rechtsprechung (Bryden/TEL 8.11.2021).
Steuern bzw. Schutzgeld: In den Gebieten der al Shabaab gibt es ein zentralisiertes Steuersystem. Die Besteuerung scheint systematisch, organisiert und kontrolliert zu erfolgen (BS 2022a). Al Shabaab führt ein Register über den Besitz „ihrer“ Bürger, um darauf jährlich 2,5 % Zakat zu beanspruchen (Williams/ACSS 17.4.2023). Das Steuersystem der Gruppe hat sich immer mehr entwickelt – bis hin zu Eigentumssteuern (Researcher/STDOK/SEM 4.2023).
Schätzungen von Experten zufolge nimmt al Shabaab alleine an Checkpoints pro Jahr mehr als 100 Millionen US-Dollar ein (GITOC/Bahadur 8.12.2022; vgl. Williams/ACSS 17.4.2023). Laut einer anderen Schätzung kann al Shabaab jährlich bis zu 120 Millionen US-Dollar generieren (VOA 17.5.2022). Nach anderen Angaben geht die US-amerikanische Regierung davon aus, dass al Shabaab alleine in Mogadischu bis zu 100 Millionen US-Dollar im Jahr einbringt (Detsch/FP 23.8.2023). Gemäß Angaben einer Quelle der FFM Somalia 2023 lukriert die Gruppe sogar rund 180 Millionen US-Dollar pro Jahr - bei Ausgaben von nur etwa 100 Millionen (Researcher/STDOK/SEM 4.2023). Eine weitere Quelle bestätigt diese Angaben (Rollins/HIR 27.3.2023). Al Shabaab investiert einen Teil ihres Budgets in Immobilien und Klein- und Mittelbetriebe (Williams/ACSS 17.4.2023).Schätzungen von Experten zufolge nimmt al Shabaab alleine an Checkpoints pro Jahr mehr als 100 Millionen US-Dollar ein (GITOC/Bahadur 8.12.2022; vergleiche Williams/ACSS 17.4.2023). Laut einer anderen Schätzung kann al Shabaab jährlich bis zu 120 Millionen US-Dollar generieren (VOA 17.5.2022). Nach anderen Angaben geht die US-amerikanische Regierung davon aus, dass al Shabaab alleine in Mogadischu bis zu 100 Millionen US-Dollar im Jahr einbringt (Detsch/FP 23.8.2023). Gemäß Angaben einer Quelle der FFM Somalia 2023 lukriert die Gruppe sogar rund 180 Millionen US-Dollar pro Jahr - bei Ausgaben von nur etwa 100 Millionen (Researcher/STDOK/SEM 4.2023). Eine weitere Quelle bestätigt diese Angaben (Rollins/HIR 27.3.2023). Al Shabaab investiert einen Teil ihres Budgets in Immobilien und Klein- und Mittelbetriebe (Williams/ACSS 17.4.2023).
Ein Teil der Einkünfte wird an einem Netzwerk an Straßensperren eingehoben. Insgesamt ist al Shabaab in der Lage, in ganz Süd-/Zentralsomalia erpresserisch Zahlungen zu erzwingen - auch in Gebieten, die nicht unter ihrer direkten Kontrolle stehen (UNSC 6.10.2021). Die Gruppe hebt in 10 von 18 somalischen Regionen Steuern ein (Williams/ACSS 17.4.2023). Eingehoben werden Steuern und Gebühren etwa auf die Landwirtschaft, auf Fahrzeuge, Transport und den Verkauf von Vieh (BS 2022a; vgl. UNSC 6.10.2021); sowie auf manche Dienstleistungen (HIPS 2020). Al Shabaab erhebt Steuern auf Importe (Williams/ACSS 17.4.2023). Für jeden Container, der in Mogadischu anlandet, müssen Abgaben an al Shabaab entrichtet werden. Die Gruppe erpresst Schutzgeld auf alles, was „segelt, rollt oder sich bewegt“ (Detsch/FP 23.8.2023) sowie vom Bauwesen bzw. von Baufirmen (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023) und am Immobiliensektor generell (Williams/ACSS 17.4.2023). Auch Beamte und kleine Unternehmen müssen Geld abführen (Detsch/FP 23.8.2023). Dieser Faktor belegt aber auch den Pragmatismus von al Shabaab als mafiöser Organisation, wo Geld vor Ideologie gereiht wird (HI 1.10.2020).Ein Teil der Einkünfte wird an einem Netzwerk an Straßensperren eingehoben. Insgesamt ist al Shabaab in der Lage, in ganz Süd-/Zentralsomalia erpresserisch Zahlungen zu erzwingen - auch in Gebieten, die nicht unter ihrer direkten Kontrolle stehen (UNSC 6.10.2021). Die Gruppe hebt in 10 von 18 somalischen Regionen Steuern ein (Williams/ACSS 17.4.2023). Eingehoben werden Steuern und Gebühren etwa auf die Landwirtschaft, auf Fahrzeuge, Transport und den Verkauf von Vieh (BS 2022a; vergleiche UNSC 6.10.2021); sowie auf manche Dienstleistungen (HIPS 2020). Al Shabaab erhebt Steuern auf Importe (Williams/ACSS 17.4.2023). Für jeden Container, der in Mogadischu anlandet, müssen Abgaben an al Shabaab entrichtet werden. Die Gruppe erpresst Schutzgeld auf alles, was „segelt, rollt oder sich bewegt“ (Detsch/FP 23.8.2023) sowie vom Bauwesen bzw. von Baufirmen (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023) und am Immobiliensektor generell (Williams/ACSS 17.4.2023). Auch Beamte und kleine Unternehmen müssen Geld abführen (Detsch/FP 23.8.2023). Dieser Faktor belegt aber auch den Pragmatismus von al Shabaab als mafiöser Organisation, wo Geld vor Ideologie gereiht wird (HI 1.10.2020).
Die Höhe der Steuer ist oft verhandelbar. Jedenfalls haben die Menschen de facto keine Wahl, sie müssen al Shabaab bezahlen (WP 31.8.2019). Wirtschaftstreibende nehmen die Macht von al Shabaab zur Kenntnis und zahlen Steuern an die Gruppe – auch weil die Regierung sie nicht vor den Folgen beschützen kann, die bei einer Zahlungsverweigerung drohen (Bryden/TEL 8.11.2021). Denn al Shabaab agiert wie ein verbrecherisches Syndikat (Weiss/FDD 11.8.2021). Die Gruppe baut auf ihre Reputation der Omnipräsenz und Einschüchterung - typisch für eine mafiöse Organisation. Der Zakat wird vom Amniyat durchgesetzt – und zwar durch Einschüchterung und Gewalt. Bei Zahlungsverweigerung droht die Ermordung (Williams/ACSS 17.4.2023). Eine Quelle der FFM Somalia 2023 erklärt, dass es al Shabaab in der Vergangenheit diesbezüglich zu weit getrieben hat. In manchen Landesteilen war die Gruppe zu gierig und brachte die Bevölkerung gegen sich auf. Al Shabaab schreckt nicht davor zurück, Menschen durch Gewalt gefügig zu machen. Menschen werden entführt, Vieh weggenommen (IO-D/STDOK/SEM 4.2023). Teilweise flieht die Bevölkerung vor der Besteuerung (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Eine Quelle gibt an, dass al Shabaab in Folge des Aufstands der Macawiisley nun einen weniger autoritären Umgang mit den Clans pflegt und sich die Gruppe demnach den Umständen angepasst hat (Researcher/STDOK/SEM 4.2023).
1.2.3. (Zwangs-)Rekrutierungen durch die Al Shabaab
Hauptrekrutierungsbereich von al Shabaab ist Süd-/Zentralsomalia (ÖB 11.2022, S. 6). Die meisten Rekruten stammen aus ländlichen Gebieten – v. a. in Bay und Bakool. Bei den meisten neuen Rekruten handelt es sich um Kinder, die das Bildungssystem der al Shabaab durchlaufen haben, was wiederum ihre Loyalität zur Gruppe fördert (HI 12.2018, S. 1). Etwa 40 % der Fußsoldaten von al Shabaab stammen aus den Regionen Bay und Bakool (Marchal 2018, S. 107). Die Mirifle (Rahanweyn) konstituieren hierbei eine Hauptquelle an Fußsoldaten (EASO 9.2021c, S. 18). Bei den meisten Fußsoldaten, die aus Middle Shabelle stammen, handelt es sich hingegen um Angehörige von Gruppen mit niedrigem Status, z. B. Bantu (Ingiriis 2020). Ein überproportionaler Teil von al Shabaab setzt sich aus Angehörigen der am meisten marginalisierten Gruppen Somalias zusammen (Sahan 30.9.2022).Hauptrekrutierungsbereich von al Shabaab ist Süd-/Zentralsomalia (ÖB 11.2022, Sitzung 6). Die meisten Rekruten stammen aus ländlichen Gebieten – v. a. in Bay und Bakool. Bei den meisten neuen Rekruten handelt es sich um Kinder, die das Bildungssystem der al Shabaab durchlaufen haben, was wiederum ihre Loyalität zur Gruppe fördert (HI 12.2018, Sitzung 1). Etwa 40 % der Fußsoldaten von al Shabaab stammen aus den Regionen Bay und Bakool (Marchal 2018, Sitzung 107). Die Mirifle (Rahanweyn) konstituieren hierbei eine Hauptquelle an Fußsoldaten (EASO 9.2021c, Sitzung 18). Bei den meisten Fußsoldaten, die aus Middle Shabelle stammen, handelt es sich hingegen um Angehörige von Gruppen mit niedrigem Status, z. B. Bantu (Ingiriis 2020). Ein überproportionaler Teil von al Shabaab setzt sich aus Angehörigen der am meisten marginalisierten Gruppen Somalias zusammen (Sahan 30.9.2022).
Direkter Zwang wird bei einer Rekrutierung in der Praxis nur selten angewendet (Ingiriis 2020), jedenfalls nicht strategisch und nur eingeschränkt oder unter spezifischen Umständen (Marchal 2018, S. 92). Alle Wehrfähigen bzw. militärisch Ausgebildeten innerhalb eines Bereichs auf dem von al Shabaab kontrollierten Gebiet sind als territoriale „Dorfmiliz“ verfügbar und werden als solche auch eingesetzt, z.B. bei militärischen Operationen im Bereich oder zur Aufklärung (BMLV 9.2.2023). Wenn al Shabaab ein Gebiet besetzt, dann verlangt es von lokalen Clanältesten die Zurverfügungstellung von bis zu mehreren Dutzend – oder sogar hundert – jungen Menschen oder Waffen (Marchal 2018, S. 105). Insgesamt handelt es sich bei Rekrutierungsversuchen aber oft um eine Mischung aus Druck oder Drohungen und Anreizen (FIS 7.8.2020, S. 18; vgl. ICG 27.6.2019, S. 2). Knapp ein Drittel der in einer Studie befragten al Shabaab-Deserteure gab an, dass bei ihrer Rekrutierung Drohungen eine Rolle gespielt haben. Dies kann freilich insofern übertrieben sein, als Deserteure dazu neigen, die eigene Verantwortung für begangene Taten dadurch zu minimieren (Khalil 1.2019, S. 14). Al Shabaab agiert sehr situativ. So kommt Zwang etwa zur Anwendung, wenn die Gruppe in einem Gebiet nach einem verlustreichen Gefecht schnell die Reihen auffüllen muss (ACCORD 31.5.2021, S. 36/40). Generell kommen Zwangsrekrutierungen ausschließlich in Gebieten unter Kontrolle von al Shabaab vor. So gibt es etwa in Mogadischu keine Zwangsrekrutierungen durch al Shabaab (BMLV 9.2.2023; vgl. FIS 7.8.2020, S. 17f). Aus einigen Gegenden flüchten junge Männer sogar nach Mogadischu, um sich einer möglichen (Zwangs-)rekrutierung zu entziehen (BMLV 9.2.2023). Laut dem Experten Marchal rekrutiert al Shabaab zwar in Mogadischu; dort werden aber Menschen angesprochen, die z. B. ihre Unzufriedenheit oder ihre Wut über AMISOM bzw. ATMIS oder die Regierung äußern (EASO 9.2021c, S. 21).Direkter Zwang wird bei einer Rekrutierung in der Praxis nur selten angewendet (Ingiriis 2020), jedenfalls nicht strategisch und nur eingeschränkt oder unter spezifischen Umständen (Marchal 2018, Sitzung 92). Alle Wehrfähigen bzw. militärisch Ausgebildeten innerhalb eines Bereichs auf dem von al Shabaab kontrollierten Gebiet sind als territoriale „Dorfmiliz“ verfügbar und werden als solche auch eingesetzt, z.B. bei militärischen Operationen im Bereich oder zur Aufklärung (BMLV 9.2.2023). Wenn al Shabaab ein Gebiet besetzt, dann verlangt es von lokalen Clanältesten die Zurverfügungstellung von bis zu mehreren Dutzend – oder sogar hundert – jungen Menschen oder Waffen (Marchal 2018, Sitzung 105). Insgesamt handelt es sich bei Rekrutierungsversuchen aber oft um eine Mischung aus Druck oder Drohungen und Anreizen (FIS 7.8.2020, Sitzung 18; vergleiche ICG 27.6.2019, Sitzung 2). Knapp ein Drittel der in einer Studie befragten al Shabaab-Deserteure gab an, dass bei ihrer Rekrutierung Drohungen eine Rolle gespielt haben. Dies kann freilich insofern übertrieben sein, als Deserteure dazu neigen, die eigene Verantwortung für begangene Taten dadurch zu minimieren (Khalil 1.2019, Sitzung 14). Al Shabaab agiert sehr situativ. So kommt Zwang etwa zur Anwendung, wenn die Gruppe in einem Gebiet nach einem verlustreichen Gefecht schnell die Reihen auffüllen muss (ACCORD 31.5.2021, Sitzung 36/40). Generell kommen Zwangsrekrutierungen ausschließlich in Gebieten unter Kontrolle von al Shabaab vor. So gibt es etwa in Mogadischu keine Zwangsrekrutierungen durch al Shabaab (BMLV 9.2.2023; vergleiche FIS 7.8.2020, Sitzung 17f). Aus einigen Gegenden flüchten junge Männer sogar nach Mogadischu, um sich einer möglichen (Zwangs-)rekrutierung zu entziehen (BMLV 9.2.2023). Laut dem Experten Marchal rekrutiert al Shabaab zwar in Mogadischu; dort werden aber Menschen angesprochen, die z. B. ihre Unzufriedenheit oder ihre Wut über AMISOM bzw. ATMIS oder die Regierung äußern (EASO 9.2021c, Sitzung 21).
Manche Mitglieder von al Shabaab rekrutieren auch in ihrem eigenen Clan (Ingiriis 2020). Von al Shabaab rekrutiert zu werden bedeutet nicht unbedingt einen Einsatz als Kämpfer. Die Gruppe braucht natürlich z. B. auch Mechaniker, Logistiker, Fahrer, Träger, Reinigungskräfte, Köche, Richter, Verwaltungs- und Gesundheitspersonal sowie Lehrer (EASO 9.2021c, S. 18).Manche Mitglieder von al Shabaab rekrutieren auch in ihrem eigenen Clan (Ingiriis 2020). Von al Shabaab rekrutiert zu werden bedeutet nicht unbedingt einen Einsatz als Kämpfer. Die Gruppe braucht natürlich z. B. auch Mechaniker, Logistiker, Fahrer, Träger, Reinigungskräfte, Köche, Richter, Verwaltungs- und Gesundheitspersonal sowie Lehrer (EASO 9.2021c, Sitzung 18).
Eine Rekrutierung kann viele unterschiedliche Aspekte umfassen: Geld, Clan, Ideologie, Interessen – und natürlich auch Drohungen und Gewalt (EASO 9.2021c, S. 21). Al Shabaab versucht, junge Männer durch Überzeugungsarbeit, ideologische und religiöse Beeinflussung und finanzielle Versprechen anzulocken. Jene, die arbeitslos, arm und ohne Aussicht sind, können, trotz fehlendem religiösem Verständnis, auch schon durch kleine Summen motiviert werden. Für manche Kandidaten spielen auch Rachegefühle gegen Gegner von al Shabaab eine Rolle (FIS 7.8.2020, S. 17; vgl. Khalil 1.2019, S. 33). Bei manchen spielt auch Abenteuerlust eine Rolle (Khalil 1.2019, S. 33). Etwa zwei Drittel der Angehörigen von al Shabaab sind der Gruppe entweder aus finanziellen Gründen beigetreten, oder aber aufgrund von Kränkungen in Zusammenhang mit Clan-Diskriminierung oder in Zusammenhang mit Misshandlungen und Korruption seitens lokaler Behörden (Felbab 2020, S. 120f). Feldforschung unter ehemaligen Mitgliedern von al Shabaab hat ergeben, dass 52 % der höheren Ränge der Gruppe aus religiösen Gründen beigetreten waren, bei den Fußsoldaten waren dies nur 15 % (Botha 2019). Ökonomische Anreize locken insbesondere Jugendliche, die oft über kein (regelmäßiges) Einkommen verfügen (SIDRA 6.2019a, S. 4). Von Deserteuren wurde der monatliche Sold für verheiratete Angehörige der Polizei und Armee von al Shabaab mit 50 US-Dollar angegeben; Unverheiratete erhielten nur Gutscheine oder wurden in Naturalien bezahlt. Jene Angehörigen von al Shabaab, welche höherbewertete Aufgaben versehen (Kommandanten, Agenten, Sprengfallenhersteller, Logistiker und Journalisten) verdienen 200-300 US-Dollar pro Monat; allerdings erfolgen Auszahlungen nur inkonsequent (Khalil 1.2019, S. 16). Nach neueren Angaben verdienen Fußsoldaten und niedrige Ränge 60-100 US-Dollar, Finanzbedienstete z. B. 250 US-Dollar im Monat (UNSC 10.10.2022, Abs. 52). Gemäß somalischen Regierungsangaben erhalten neue Rekruten 30 US-Dollar im Monat, ein ausgebildeter Fußsoldat oder ein Fahrer 70 US-Dollar; den höchsten Sold erhält demnach mit 25.000 US-Dollar der Emir selbst (FGS 2022, S. 99). Feldforschung unter ehemaligen Mitgliedern von al Shabaab hat ergeben, dass 84 % der Fußsoldaten und 31 % der höheren Ränge überhaupt nicht bezahlt worden sind (Botha 2019). Eine Rekrutierung kann viele unterschiedliche Aspekte umfassen: Geld, Clan, Ideologie, Interessen – und natürlich auch Drohungen und Gewalt (EASO 9.2021c, Sitzung 21). Al Shabaab versucht, junge Männer durch Überzeugungsarbeit, ideologische und religiöse Beeinflussung und finanzielle Versprechen anzulocken. Jene, die arbeitslos, arm und ohne Aussicht sind, können, trotz fehlendem religiösem Verständnis, auch schon durch kleine Summen motiviert werden. Für manche Kandidaten spielen auch Rachegefühle gegen Gegner von al Shabaab eine Rolle (FIS 7.8.2020, Sitzung 17; vergleiche Khalil 1.2019, Sitzung 33). Bei manchen spielt auch Abenteuerlust eine Rolle (Khalil 1.2019, Sitzung 33). Etwa zwei Drittel der Angehörigen von al Shabaab sind der Gruppe entweder aus finanziellen Gründen beigetreten, oder aber aufgrund von Kränkungen in Zusammenhang mit Clan-Diskriminierung oder in Zusammenhang mit Misshandlungen und Korruption seitens lokaler Behörden (Felbab 2020, Sitzung 120f). Feldforschung unter ehemaligen Mitgliedern von al Shabaab hat ergeben, dass 52 % der höheren Ränge der Gruppe aus religiösen Gründen beigetreten waren, bei den Fußsoldaten waren dies nur 15 % (Botha 2019). Ökonomische Anreize locken insbesondere Jugendliche, die oft über kein (regelmäßiges) Einkommen verfügen (SIDRA 6.2019a, Sitzung 4). Von Deserteuren wurde der monatliche Sold für verheiratete Angehörige der Polizei und Armee von al Shabaab mit 50 US-Dollar angegeben; Unverheiratete erhielten nur Gutscheine oder wurden in Naturalien bezahlt. Jene Angehörigen von al Shabaab, welche höherbewertete Aufgaben versehen (Kommandanten, Agenten, Sprengfallenhersteller, Logistiker und Journalisten) verdienen 200-300 US-Dollar pro Monat; allerdings erfolgen Auszahlungen nur inkonsequent (Khalil 1.2019, Sitzung 16). Nach neueren Angaben verdienen Fußsoldaten und niedrige Ränge 60-100 US-Dollar, Finanzbedienstete z. B. 250 US-Dollar im Monat (UNSC 10.10.2022, Absatz 52,). Gemäß somalischen Regierungsangaben erhalten neue Rekruten 30 US-Dollar im Monat, ein ausgebildeter Fußsoldat oder ein Fahrer 70 US-Dollar; den höchsten Sold erhält demnach mit 25.000 US-Dollar der Emir selbst (FGS 2022, Sitzung 99). Feldforschung unter ehemaligen Mitgliedern von al Shabaab hat ergeben, dass 84 % der Fußsoldaten und 31 % der höheren Ränge überhaupt nicht bezahlt worden sind (Botha 2019).
Im Übrigen ist auch die Loyalität von al Shabaab ein Anreiz. Während die Regierung kriegsversehrten Soldaten keinerlei Unterstützung zukommen lässt, sorgt al Shabaab für die Hinterbliebenen gefallener Kämpfer (FIS 7.8.2020, S. 17). Manche versprechen sich durch ihre Mitgliedschaft bei al Shabaab auch die Möglichkeit einer Rache an Angehörigen anderer Clans (Khalil 1.2019, S. 14f; vgl. EASO 9.2021c, S. 20). Für Angehörige marginalisierter Gruppen bietet der Beitritt zu al Shabaab zudem die Möglichkeit, sich selbst und die eigene Familie gegen Übergriffe anderer abzusichern (FIS 5.10.2018, S. 34). Auch die Aussicht auf eine Ehefrau wird als Rekrutierungswerkzeug verwendet (USDOS 12.4.2022, S. 42f). So z. B. bei somalischen Bantu, wo Mischehen mit somalischen Clans oft Tabu sind. Al Shabaab hat aber eben diese Mitglieder dazu ermutigt, Frauen und Mädchen von starken somalischen Clans – etwa den Hawiye oder Darod – zu heiraten (Ingiriis 2020).Im Übrigen ist auch die Loyalität von al Shabaab ein Anreiz. Während die Regierung kriegsversehrten Soldaten keinerlei Unterstützung zukommen lässt, sorgt al Shabaab für die Hinterbliebenen gefallener Kämpfer (FIS 7.8.2020, Sitzung 17). Manche versprechen sich durch ihre Mitgliedschaft bei al Shabaab auch die Möglichkeit einer Rache an Angehörigen anderer Clans (Khalil 1.2019, Sitzung 14f; vergleiche EASO 9.2021c, Sitzung 20). Für Angehörige marginalisierter Gruppen bietet der Beitritt zu al Shabaab zudem die Möglichkeit, sich selbst und die eigene Familie gegen Übergriffe anderer abzusichern (FIS 5.10.2018, Sitzung 34). Auch die Aussicht auf eine Ehefrau wird als Rekrutierungswerkzeug verwendet (USDOS 12.4.2022, Sitzung 42f). So z. B. bei somalischen Bantu, wo Mischehen mit somalischen Clans oft Tabu sind. Al Shabaab hat aber eben diese Mitglieder dazu ermutigt, Frauen und Mädchen von starken somalischen Clans – etwa den Hawiye oder Darod – zu heiraten (Ingiriis 2020).
Verweigerung: Üblicherweise richtet al Shabaab ein Rekrutierungsgesuch an einen Clan oder an ganze Gemeinden und nicht an Einzelpersonen. Diese "Vorschreibung" - also wieviele Rekruten ein Dorf, ein Gebiet oder ein Clan stellen muss - erfolgt üblicherweise jährlich, und zwar im Zuge der Vorschreibung anderer jährlicher Abgaben. Die meisten Rekruten werden über Clans rekrutiert. Es wird also mit den Ältesten über neue Rekruten verhandelt. Dabei wird mitunter auch Druck ausgeübt. Kommt es bei diesem Prozess zu Problemen, dann bedeutet das nicht notwendigerweise ein Problem für den einzelnen Verweigerer, denn die Konsequenzen einer Rekrutierungsverweigerung trägt üblicherweise der Clan. Damit al Shabaab die Verweigerung akzeptiert, muss eine Form der Kompensation getätigt werden. Entweder der Clan oder das Individuum zahlt, oder aber die Nicht-Zahlung wird durch Rekruten kompensiert. So gibt es also für Betroffene manchmal die Möglichkeit des Freikaufens (BMLV 9.2.2023). Eltern versuchen, durch Geldzahlungen die Rekrutierung ihrer Kinder zu verhindern (UNSC 10.10.2022, Abs. 127). Diese Wahlmöglichkeit ist freilich nicht immer gegeben. In den Städten liegt der Fokus von al Shabaab eher auf dem Eintreiben von Steuern, in ländlichen Gebieten auf der Aushebung von Rekruten (BMLV 9.2.2023). Verweigerung: Üblicherweise richtet al Shabaab ein Rekrutierungsgesuch an einen Clan oder an ganze Gemeinden und nicht an Einzelpersonen. Diese "Vorschreibung" - also wieviele Rekruten ein Dorf, ein Gebiet oder ein Clan stellen muss - erfolgt üblicherweise jährlich, und zwar im Zuge der Vorschreibung anderer jährlicher Abgaben. Die meisten Rekruten werden über Clans rekrutiert. Es wird also mit den Ältesten über neue Rekruten verhandelt. Dabei wird mitunter auch Druck ausgeübt. Kommt es bei diesem Prozess zu Problemen, dann bedeutet das nicht notwendigerweise ein Problem für den einzelnen Verweigerer, denn die Konsequenzen einer Rekrutierungsverweigerung trägt üblicherweise der Clan. Damit al Shabaab die Verweigerung akzeptiert, muss eine Form der Kompensation getätigt werden. Entweder der Clan oder das Individuum zahlt, oder aber die Nicht-Zahlung wird durch Rekruten kompensiert. So gibt es also für Betroffene manchmal die Möglichkeit des Freikaufens (BMLV 9.2.2023). Eltern versuchen, durch Geldzahlungen die Rekrutierung ihrer Kinder zu verhindern (UNSC 10.10.2022, Absatz 127,). Diese Wahlmöglichkeit ist freilich nicht immer gegeben. In den Städten liegt der Fokus von al Shabaab eher auf dem Eintreiben von Steuern, in ländlichen Gebieten auf der Aushebung von Rekruten (BMLV 9.2.2023).
Sich einer Rekrutierung zu entziehen ist möglich, aber nicht einfach. Die Flucht aus von al Shabaab kontrolliertem Gebiet gestaltet sich mit Gepäck schwierig, eine Person würde dahingehend befragt werden (NLMBZ 1.12.2021, S. 18). Trotzdem schicken Eltern ihre Kinder mitunter in von der Regierung kontrollierte Gebiete – meist zu Verwandten (UNSC 10.10.2022, Abs. 127).Sich einer Rekrutierung zu entziehen ist möglich, aber nicht einfach. Die Flucht aus von al Shabaab kontrolliertem Gebiet gestaltet sich mit Gepäck schwierig, eine Person würde dahingehend befragt werden (NLMBZ 1.12.2021, Sitzung 18). Trotzdem schicken Eltern ihre Kinder mitunter in von der Regierung kontrollierte Gebiete – meist zu Verwandten (UNSC 10.10.2022, Absatz 127,).
Es besteht die Möglichkeit, dass einem Verweigerer bei fehlender Kompensationszahlung die Exekution droht. Insgesamt finden sich allerdings keine Beispiele dafür, wo al Shabaab einen Rekrutierungsverweigerer exekutiert hat (BMLV 9.2.2023). Ein Experte erklärt, dass eine einfache Person, die sich erfolgreich der Rekrutierung durch al Shabaab entzogen hat, nicht dauerhaft und über weite Strecken hin verfolgt wird (ACCORD 31.5.2021, S. 40). Stellt allerdings eine ganze Gemeinde den Rekrutierungsambitionen von al Shabaab Widerstand entgegen, kommt es mitunter zu Gewalt (BMLV 9.2.2023; vgl. UNSC 28.9.2020, Annex 7.2).Es besteht die Möglichkeit, dass einem Verweigerer bei fehlender Kompensationszahlung die Exekution droht. Insgesamt finden sich allerdings keine Beispiele dafür, wo al Shabaab einen Rekrutierungsverweigerer exekutiert hat (BMLV 9.2.2023). Ein Experte erklärt, dass eine einfache Person, die sich erfolgreich der Rekrutierung durch al Shabaab entzogen hat, nicht dauerhaft und über weite Strecken hin verfolgt wird (ACCORD 31.5.2021, Sitzung 40). Stellt allerdings eine ganze Gemeinde den Rekrutierungsambitionen von al Shabaab Widerstand entgegen, kommt es mitunter zu Gewalt (BMLV 9.2.2023; vergleiche UNSC 28.9.2020, Annex 7.2).
1.2.4. Straßensperren der Al Shabaab
Das Netzwerk an Straßensperren bzw. Checkpoints bleibt stabil, es ist auch für einen großen Teil der Einnahmen von al Shabaab verantwortlich. Die Gruppe betreibt über 100 Checkpoints in Süd-/Zentralsomalia (UNSC 10.10.2022, Abs. 41f). In ländlichen Gebieten der gesamten Südhälfte Somalias ist jederzeit mit spontan errichteten Checkpoints der al Shabaab zu rechnen (AA 17.5.2022). Al Shabaab kontrolliert die Versorgungsrouten zwischen den meisten Städten (BS 2022, S. 6). Außerhalb der tatsächlich von der Regierung und ihren Alliierten kontrollierten Gebieten besteht eine große Wahrscheinlichkeit, auf eine Straßensperre von al Shabaab zu stoßen (LI 28.6.2019, S. 4/10). Straßensperren zielen in erster Linie auf die Einhebung von Steuern und Abgaben (BS 2022, S. 6; vgl. LI 28.6.2019, S. 9f) ab, und in zweiter Linie darauf, Spione zu identifizieren. Generell ist es weder Ziel von al Shabaab, Menschen am Reisen zu hindern, noch sind Reisende selbst ein Ziel. Menschen können z. B. aus den Gebieten von al Shabaab in Städte reisen, um sich dort medizinisch behandeln zu lassen (LI 28.6.2019, S. 9f). Ein Bericht über die „Besteuerung“ von Straßenverkehr und Gütern an Checkpoints der al Shabaab zeigt, dass der Verkehr in Süd-/Zentralsomalia aus, in und durch das Territorium der al Shabaab möglich ist. Die Studie dokumentiert mehr als 800 Fahrzeuge, die im Zeitraum Dezember 2020 bis Oktober 2021 in Lower und Middle Juba, Lower Shabelle, Bay, Bakool und Gedo unterwegs waren. Passagierfahrzeuge müssen an Straßensperren der al Shabaab nur einen vergleichsweise geringen Betrag abführen (GITOC 8.12.2022).Das Netzwerk an Straßensperren bzw. Checkpoints bleibt stabil, es ist auch für einen großen Teil der Einnahmen von al Shabaab verantwortlich. Die Gruppe betreibt über 100 Checkpoints in Süd-/Zentralsomalia (UNSC 10.10.2022, Absatz 41 f,). In ländlichen Gebieten der gesamten Südhälfte Somalias ist jederzeit mit spontan errichteten Checkpoints der al Shabaab zu rechnen (AA 17.5.2022). Al Shabaab kontrolliert die Versorgungsrouten zwischen den meisten Städten (BS 2022, Sitzung 6). Außerhalb der tatsächlich von der Regierung und ihren Alliierten kontrollierten Gebieten besteht eine große Wahrscheinlichkeit, auf eine Straßensperre von al Shabaab zu stoßen (LI 28.6.2019, Sitzung 4/10). Straßensperren zielen in erster Linie auf die Einhebung von Steuern und Abgaben (BS 2022, Sitzung 6; vergleiche LI 28.6.2019, Sitzung 9f) ab, und in zweiter Linie darauf, Spione zu identifizieren. Generell ist es weder Ziel von al Shabaab, Menschen am Reisen zu hindern, noch sind Reisende selbst ein Ziel. Menschen können z. B. aus den Gebieten von al Shabaab in Städte reisen, um sich dort medizinisch behandeln zu lassen (LI 28.6.2019, Sitzung 9f). Ein Bericht über die „Besteuerung“ von Straßenverkehr und Gütern an Checkpoints der al Shabaab zeigt, dass der Verkehr in Süd-/Zentralsomalia aus, in und durch das Territorium der al Shabaab möglich ist. Die Studie dokumentiert mehr als 800 Fahrzeuge, die im Zeitraum Dezember 2020 bis Oktober 2021 in Lower und Middle Juba, Lower Shabelle, Bay, Bakool und Gedo unterwegs waren. Passagierfahrzeuge müssen an Straßensperren der al Shabaab nur einen vergleichsweise geringen Betrag abführen (GITOC 8.12.2022).
Allerdings verhält sich al Shabaab an Straßensperren unberechenbar. Menschen können nie voraussehen, wie sie dort behandelt werden. Gebühren werden eingehoben, die Identität aller Reisenden wird verifiziert. Al Shabaab kennt den Hintergrund vieler Menschen, ihr Nachrichtendienst ist effizient (FIS 7.8.2020, S. 28). Wenn also eine Person in eine solche Kontrolle gerät, und über diese Person im Rahmen der ausführlichen Netzwerke der al Shabaab eine Meldung vorliegt, dass diese Person z. B. vor ein paar Monaten negativ aufgefallen ist, dann kann dies zu Repressalien führen (ACCORD 31.5.2021, S. 40).Allerdings verhält sich al Shabaab an Straßensperren unberechenbar. Menschen können nie voraussehen, wie sie dort behandelt werden. Gebühren werden eingehoben, die Identität aller Reisenden wird verifiziert. Al Shabaab kennt den Hintergrund vieler Menschen, ihr Nachrichtendienst ist effizient (FIS 7.8.2020, Sitzung 28). Wenn also eine Person in eine solche Kontrolle gerät, und über diese Person im Rahmen der ausführlichen Netzwerke der al Shabaab eine Meldung vorliegt, dass diese Person z. B. vor ein paar Monaten negativ aufgefallen ist, dann kann dies zu Repressalien führen (ACCORD 31.5.2021, Sitzung 40).
Angst vor al Shabaab müssen in erster Linie jene Reisenden haben, die öffentlich Bedienstete sind oder die Verbindungen zur Regierung haben. Außerhalb größerer Städte können sie jederzeit auf eine Straßensperre von al Shabaab treffen (NLMBZ 1.12.2021, S. 38). Sie befinden sich in Lebensgefahr. Dies gilt insbesondere an Straßensperren in jenen Gebieten, die nicht vollständig unter Kontrolle von al Shabaab stehen. Dort dürfen Spione standrechtlich – ohne Verfahren – exekutiert werden. In den Gebieten unter Kontrolle von al Shabaab werden Verdächtige i.d.R. verhaftet und vor Gericht gestellt. Auch dies hat - bei einem Schuldspruch - den Tod zur Folge. Außerdem kann es Personen treffen, die von al Shabaab – etwa wegen des Mitführens von bestimmten Objekten (Smartphones, Regierungsdokumente, Symbole, die mit der Regierung assoziiert werden etc.) – als mit der Regierung in Zusammenhang stehend oder als Spione verdächtigt werden (LI 28.6.2019, S. 9f). Auch Reisende, die im Gebiet der Reisebewegung weder über Familien- noch Clanverbindungen verfügen, können von al Shabaab unter Umständen als Spione verdächtigt werden (außer sie haben einen Bürgen). Dies gilt insbesondere dann, wenn das Reiseziel der Person im von der al Shabaab kontrollierten Gebiet liegt (LI 28.6.2019, S. 4/11).Angst vor al Shabaab müssen in erster Linie jene Reisenden haben, die öffentlich Bedienstete sind oder die Verbindungen zur Regierung haben. Außerhalb größerer Städte können sie jederzeit auf eine Straßensperre von al Shabaab treffen (NLMBZ 1.12.2021, Sitzung 38). Sie befinden sich in Lebensgefahr. Dies gilt insbesondere an Straßensperren in jenen Gebieten, die nicht vollständig unter Kontrolle von al Shabaab stehen. Dort dürfen Spione standrechtlich – ohne Verfahren – exekutiert werden. In den Gebieten unter Kontrolle von al Shabaab werden Verdächtige i.d.R. verhaftet und vor Gericht gestellt. Auch dies hat - bei einem Schuldspruch - den Tod zur Folge. Außerdem kann es Personen treffen, die von al Shabaab – etwa wegen des Mitführens von bestimmten Objekten (Smartphones, Regierungsdokumente, Symbole, die mit der Regierung assoziiert werden etc.) – als mit der Regierung in Zusammenhang stehend oder als Spione verdächtigt werden (LI 28.6.2019, Sitzung 9f). Auch Reisende, die im Gebiet der Reisebewegung weder über Familien- noch Clanverbindungen verfügen, können von al Shabaab unter Umständen als Spione verdächtigt werden (außer sie haben einen Bürgen). Dies gilt insbesondere dann, wenn das Reiseziel der Person im von der al Shabaab kontrollierten Gebiet liegt (LI 28.6.2019, Sitzung 4/11).
Alleine die Tatsache, dass jemand in einem westlichen Land gewesen ist, stellt im Kontext mit al Shabaab an solchen Straßensperren kein Problem dar. Allerdings ruft westliches Verhalten oder westliche Kleidungsart Sanktionen hervor – etwa Auspeitschen (LI 28.6.2019, S. 11). Reisende passen sich daher üblicherweise den Kleidungs- und Verhaltensvorschriften von al Shabaab an, um nicht herauszustechen (LI 28.6.2019, S. 4). Alleine die Tatsache, dass jemand in einem westlichen Land gewesen ist, stellt im Kontext mit al Shabaab an solchen Straßensperren kein Problem dar. Allerdings ruft westliches Verhalten oder westliche Kleidungsart Sanktionen hervor – etwa Auspeitschen (LI 28.6.2019, Sitzung 11). Reisende passen sich daher üblicherweise den Kleidungs- und Verhaltensvorschriften von al Shabaab an, um nicht herauszustechen (LI 28.6.2019, Sitzung 4).
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zur Person des BF
Mangels Vorlage von unbedenklichen Dokumenten konnte die Identität des BF nicht bewiesen werden. Zumal er aber zweifellos aus dem somalischen Kulturraum stammt, kann ihm in seinen gleichbleibenden und grundsätzlich plausiblen Angaben zu seiner Staats-, Religions- und Clanzugehörigkeit gefolgt werden.
Zu seinem Ausreisegrund gab der BF im Wesentlichen an, dass die Al Shabaab seinen Vater, da er die geforderten Abgaben für seine Landwirtschaft nicht zahlen habe können und auch nicht alternativ den BF der Gruppierung übergeben habe wollen, getötet und den BF entführt und inhaftiert habe, wobei dem BF letztlich die Flucht aus der Gefangenschaft gelungen sei. Dieses Vorbringen ist jedoch nicht glaubhaft.
Zunächst ist darauf einzugehen, dass der BF im Zuge des Verfahrens schon dem Grunde nach divergierende Angaben zum Grund seiner Ausreise machte. In der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab er noch zu Protokoll, dass die Al Shabaab ihn als Soldaten rekrutieren habe wollen, was er aber nicht gewollt habe, woraufhin sie ihn bedroht hätten und ihn umbringen hätten wollen (AS 18). Eine Inhaftierung bzw. eine tatsächliche Rekrutierung sowie eine Abgabenforderung erwähnte der BF hier noch nicht. In der Einvernahme durch das BFA – aufgefordert, seine Fluchtgründe detailliert zu schildern – gab er dann zunächst an, dass die Al Shabaab seinen Vater getötet habe und auch ihn mitnehmen habe wollen und der BF daraufhin die erste Gelegenheit zur Flucht genutzt habe und aus seinem Heimatort Sablale geflohen sei (AS 53). Erneut berichtete er von keiner Inhaftierung, Rekrutierung oder Abgabenforderung, sondern nur davon, dass Männer der Al Shabaab ihn mitnehmen „wollten“, er aber geflohen sei. Erst auf nochmalige Aufforderung, im Detail zu schildern, erzählte er von diesen Ereignissen (AS 53 f). Weshalb er aber weder in der Erstbefragung noch insbesondere im Zuge der ersten Aufforderung in der Einvernahme, alle seine Fluchtgründe im Detail darzulegen, dies erwähnte, lässt sich nicht logisch nachvollziehen.
Der BF war aber auch zu seinen letztlich dargelegten Schilderungen nicht glaubhaft. So konnte er bereits keine überzeugenden Angaben zum Besitz einer Landwirtschaft machen. Obwohl er in der Feldarbeit mitgeholfen habe, konnte der BF in der Einvernahme durch das BFA und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht weder dartun, wie groß das Feld gewesen sei, noch wann die Feldfrüchte angebaut worden seien (AS 56; Verhandlungsprotokoll S. 5 f). Zwar rechtfertigte der BF sich damit, dass sein Vater die Landwirtschaft erst drei bis vier Monate vor seiner Ausreise erworben habe und der BF da noch „ein kleines Kind“ gewesen sei (Verhandlungsprotokoll S. 5 f und 8), doch war der BF zu diesem Zeitpunkt bereits 17 Jahre alt und wäre vom ältesten Sohn der Familie (vgl. AS 15), der nicht mehr in die Schule gegangen sei und auch sonst keiner Arbeit nachgegangen sei (Verhandlungsprotokoll S. 5) zu erwarten gewesen, dass er so weit in die Feldarbeit eingebunden gewesen wäre, um hierzu nähere Angaben machen zu können, zumal er schließlich selbst angab, dass er seinem Vater „geholfen“ habe (AS 56; Verhandlungsprotokoll S. 5).Der BF war aber auch zu seinen letztlich dargelegten Schilderungen nicht glaubhaft. So konnte er bereits keine überzeugenden Angaben zum Besitz einer Landwirtschaft machen. Obwohl er in der Feldarbeit mitgeholfen habe, konnte der BF in der Einvernahme durch das BFA und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht weder dartun, wie groß das Feld gewesen sei, noch wann die Feldfrüchte angebaut worden seien (AS 56; Verhandlungsprotokoll Sitzung 5 f). Zwar rechtfertigte der BF sich damit, dass sein Vater die Landwirtschaft erst drei bis vier Monate vor seiner Ausreise erworben habe und der BF da noch „ein kleines Kind“ gewesen sei (Verhandlungsprotokoll Sitzung 5 f und 8), doch war der BF zu diesem Zeitpunkt bereits 17 Jahre alt und wäre vom ältesten Sohn der Familie vergleiche AS 15), der nicht mehr in die Schule gegangen sei und auch sonst keiner Arbeit nachgegangen sei (Verhandlungsprotokoll Sitzung 5) zu erwarten gewesen, dass er so weit in die Feldarbeit eingebunden gewesen wäre, um hierzu nähere Angaben machen zu können, zumal er schließlich selbst angab, dass er seinem Vater „geholfen“ habe (AS 56; Verhandlungsprotokoll Sitzung 5).
Ebenso wenig überzeugend gestalteten sich die Angaben des BF zu den von der Al Shabaab verlangten Abgaben für die Landwirtschaft. Während der BF durch sein Vorbringen in der Einvernahme implizierte, dass die Al Shabaab bereits zuvor mehrmals Abgaben von seinem Vater verlangt habe (AS 56: „Er hat gesagt, dass er keine Abgaben hat und sie damit aufhören sollten, ihn nach Abgaben zu fragen.“), verneinte er dies in der mündlichen Verhandlung (Verhandlungsprotokoll S. 7). Dass sein Vater zudem Mitgliedern der Al Shabaab im von der Al Shabaab kontrollierten Gebiet direkt gesagt hätte, dass sie aufhören sollten, Abgabenforderungen an ihn zu stellen, kann angesichts des Machtanspruchs und der flächendeckenden Besteuerung durch diese Gruppierung nicht als lebensnaher Sachverhalt angesehen werden. Während der BF weiters noch in der Einvernahme angab, nicht zu wissen, wie hoch die Vorschreibung gewesen sei (AS 56), konnte er in der mündlichen Verhandlung doch berichten, dass jedenfalls mehr als 100,- US-Dollar verlangt worden seien. Gleichzeitig konnte der BF aber nicht plausibel erklären, weshalb er zwar wisse, dass es mehr als 100,- US-Dollar gewesen seien, er aber den genauen Betrag nicht nennen könne, zumal er selbst anwesend gewesen sei, als die Al Shabaab ihn gefordert habe (Verhandlungsprotokoll S. 7 f). Ebenso unplausibel ist, aus welchem Grund die Al Shabaab eine unleistbare Abgabenforderung gestellt hätte, zumal sich diese nach den Länderberichten nach dem Vermögen richtet. Der BF meinte hierzu zwar, dass es die eigentliche Absicht der Gruppierung gewesen sei, seinen Vater zur Rekrutierung des BF als Alternative zu zwingen (AS 53). Es bestünde für die Gruppierung jedoch keine Notwendigkeit, im eigenen Machtbereich diesen Umweg über eine überhöhte Abgabenforderung zu gehen, wenn sie den BF zufolge ihres uneingeschränkten Machtanspruchs bei Bedarf doch auch direkt zwangsrekrutieren bzw. sie jederzeit mittels allgemeiner Rekrutierungsvorschreibungen vorgehen hätten können. Gleichzeitig kann dem BF aber auch nicht darin gefolgt werden, dass seine Familie die Forderung nicht begleichen hätte können, gab er doch an, kurze Zeit später per Schlepper mit dem Flugzeug aus Somalia in die Türkei geflohen zu sein, was notorisch mehrere hundert US-Dollar kostet, sodass offenkundig doch Geld für die Begleichung der Abgabenforderung vorhanden gewesen wäre. Der BF gab insoweit in der Erstbefragung sogar zu Protokoll, dass seine eigene Mutter die Schleppungskosten bezahlt habe (AS 18). Dies änderte er zwar in der mündlichen Verhandlung darauf ab, dass (offenbar) eine Freundin seiner Mutter in Mogadischu die Schleppung in die Türkei bezahlt habe, da seine Mutter nicht über das Geld verfügt habe, doch konnte er nicht plausibel erklären, weshalb er in der Erstbefragung noch das genaue Gegenteil ausgesagt hat (Verhandlungsprotokoll S. 4), sodass hier von einer Schutzbehauptung auszugehen ist.Ebenso wenig überzeugend gestalteten sich die Angaben des BF zu den von der Al Shabaab verlangten Abgaben für die Landwirtschaft. Während der BF durch sein Vorbringen in der Einvernahme implizierte, dass die Al Shabaab bereits zuvor mehrmals Abgaben von seinem Vater verlangt habe (AS 56: „Er hat gesagt, dass er keine Abgaben hat und sie damit aufhören sollten, ihn nach Abgaben zu fragen.“), verneinte er dies in der mündlichen Verhandlung (Verhandlungsprotokoll Sitzung 7). Dass sein Vater zudem Mitgliedern der Al Shabaab im von der Al Shabaab kontrollierten Gebiet direkt gesagt hätte, dass sie aufhören sollten, Abgabenforderungen an ihn zu stellen, kann angesichts des Machtanspruchs und der flächendeckenden Besteuerung durch diese Gruppierung nicht als lebensnaher Sachverhalt angesehen werden. Während der BF weiters noch in der Einvernahme angab, nicht zu wissen, wie hoch die Vorschreibung gewesen sei (AS 56), konnte er in der mündlichen Verhandlung doch berichten, dass jedenfalls mehr als 100,- US-Dollar verlangt worden seien. Gleichzeitig konnte der BF aber nicht plausibel erklären, weshalb er zwar wisse, dass es mehr als 100,- US-Dollar gewesen seien, er aber den genauen Betrag nicht nennen könne, zumal er selbst anwesend gewesen sei, als die Al Shabaab ihn gefordert habe (Verhandlungsprotokoll Sitzung 7 f). Ebenso unplausibel ist, aus welchem Grund die Al Shabaab eine unleistbare Abgabenforderung gestellt hätte, zumal sich diese nach den Länderberichten nach dem Vermögen richtet. Der BF meinte hierzu zwar, dass es die eigentliche Absicht der Gruppierung gewesen sei, seinen Vater zur Rekrutierung des BF als Alternative zu zwingen (AS 53). Es bestünde für die Gruppierung jedoch keine Notwendigkeit, im eigenen Machtbereich diesen Umweg über eine überhöhte Abgabenforderung zu gehen, wenn sie den BF zufolge ihres uneingeschränkten Machtanspruchs bei Bedarf doch auch direkt zwangsrekrutieren bzw. sie jederzeit mittels allgemeiner Rekrutierungsvorschreibungen vorgehen hätten können. Gleichzeitig kann dem BF aber auch nicht darin gefolgt werden, dass seine Familie die Forderung nicht begleichen hätte können, gab er doch an, kurze Zeit später per Schlepper mit dem Flugzeug aus Somalia in die Türkei geflohen zu sein, was notorisch mehrere hundert US-Dollar kostet, sodass offenkundig doch Geld für die Begleichung der Abgabenforderung vorhanden gewesen wäre. Der BF gab insoweit in der Erstbefragung sogar zu Protokoll, dass seine eigene Mutter die Schleppungskosten bezahlt habe (AS 18). Dies änderte er zwar in der mündlichen Verhandlung darauf ab, dass (offenbar) eine Freundin seiner Mutter in Mogadischu die Schleppung in die Türkei bezahlt habe, da seine Mutter nicht über das Geld verfügt habe, doch konnte er nicht plausibel erklären, weshalb er in der Erstbefragung noch das genaue Gegenteil ausgesagt hat (Verhandlungsprotokoll Sitzung 4), sodass hier von einer Schutzbehauptung auszugehen ist.
Der BF erzählte, dass die Al Shabaab seinem Vater eine Frist gegeben habe, um entweder die Abgaben zu zahlen oder den BF an die Gruppierung zu übergeben. Obwohl sein Vater aber weder zahlen habe können, noch den BF übergeben habe wollen, hätte die Familie dennoch ihren Alltag fortgesetzt, bis die Männer der Al Shabaab schließlich nach einer Woche zurückgekehrt seien (AS 53 f). In der mündlichen Verhandlung dazu befragt, meinte der BF, dass sein Vater nicht geglaubt habe, dass die Al Shabaab ihre Forderung durchsetzen würde (Verhandlungsprotokoll S. 9). Auch dies ist aber gänzlich lebensfremd, würde ein vernunftbegabter Einwohner von Somalia, der zudem im Gebiet der Al Shabaab lebt, Forderungen dieser Gruppierung doch nicht beiseite wischen und glauben, dass die Al Shabaab sie nicht durchsetzen würde. Auch die geschilderte Reaktion seiner Familie auf die Abgabenforderung der Al Shabaab ist somit nicht überzeugend.Der BF erzählte, dass die Al Shabaab seinem Vater eine Frist gegeben habe, um entweder die Abgaben zu zahlen oder den BF an die Gruppierung zu übergeben. Obwohl sein Vater aber weder zahlen habe können, noch den BF übergeben habe wollen, hätte die Familie dennoch ihren Alltag fortgesetzt, bis die Männer der Al Shabaab schließlich nach einer Woche zurückgekehrt seien (AS 53 f). In der mündlichen Verhandlung dazu befragt, meinte der BF, dass sein Vater nicht geglaubt habe, dass die Al Shabaab ihre Forderung durchsetzen würde (Verhandlungsprotokoll Sitzung 9). Auch dies ist aber gänzlich lebensfremd, würde ein vernunftbegabter Einwohner von Somalia, der zudem im Gebiet der Al Shabaab lebt, Forderungen dieser Gruppierung doch nicht beiseite wischen und glauben, dass die Al Shabaab sie nicht durchsetzen würde. Auch die geschilderte Reaktion seiner Familie auf die Abgabenforderung der Al Shabaab ist somit nicht überzeugend.
In weiterer Folge habe die Al Shabaab den Vater des BF umgebracht sowie den BF selbst entführt und für einen Monat in einem Lager inhaftiert, bis er entkommen habe können. Dem BF gelang es aber weder in der Einvernahme noch in der mündlichen Verhandlung, diese Umstände detailliert und plausibel zu schildern. Vielmehr blieb der BF trotz der Aufforderung, konkrete Angaben zu machen, nur vage und oberflächlich (AS 58 f; Verhandlungsprotokoll S. 10 f). In der Schilderung des BF in der Einvernahme ist beispielsweise logisch nicht nachvollziehbar, dass er sich damit rechtfertigte, nicht wiedergeben zu können, was während der zweistündigen Fahrt ins Lager der Al Shabaab gesprochen worden sei, weil seine „Augen verbunden“ gewesen seien. Weiters gab der BF in der Einvernahme zwar an, dass er im Lager mit einem Mitgefangenen darüber geredet habe, weshalb dieser mitgenommen worden sei und welche Probleme er gehabt habe, auf Nachfrage dann aber nichts zum Inhalt dieses Gesprächs angeben konnte. Gänzlich unglaubhaft waren die Äußerungen des BF zu seiner Flucht aus dem Lager. So gab er in der mündlichen Verhandlung zunächst an, dass er in einem Zimmer „eingesperrt“ gewesen sei, um dann befragt, wie er fliehen habe können, plötzlich anzugeben, dass die Tür zwar ein Schloss gehabt habe, dieses aber nicht versperrt gewesen sei, und das Zimmer auch nicht bewacht worden sei, sodass sie alleine das Zimmer verlassen und fliehen hätten können. Diese Angaben erscheinen neben dieser Widersprüchlichkeit auch wenig plau