TE Vwgh Erkenntnis 1995/5/30 93/05/0023

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Veröffentlicht am 30.05.1995
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Index

L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Oberösterreich;
L70704 Theater Veranstaltung Oberösterreich;
L81704 Baulärm Umgebungslärm Oberösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82004 Bauordnung Oberösterreich;
L82304 Abwasser Kanalisation Oberösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §68 Abs1;
BauO OÖ 1976 §23 Abs1;
BauO OÖ 1976 §61 Abs5;
BauRallg;
BauV OÖ 1985 §18 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der H in Linz, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 21. Dezember 1992, Zl. BauR - 010735/3 - 1992 Pe/Lan, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag (mitbeteiligte Partei: Landeshauptstadt Linz, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.980 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Grundstück Nr. nnnn/114 (Linz, S 33) gehört zu einem Viertel der Beschwerdeführerin. Auf diesem Grundstück wurden acht Garagen errichtet; die diesbezügliche Baubewilligung vom 17. Februar 1986 wurde der Beschwerdeführerin zugestellt und erwuchs in Rechtskraft. Die Benützungsbewilligung stammt vom 10. Dezember 1986, nachdem auch vom Vermessungsamt festgestellt worden war, daß die Garagen höhenmäßig (nach Adriakoten) entsprechend den genehmigten Einreichplan gebaut worden waren und daß zwischen dem Fußweg, der zum Garagenplatz führt, und dem Garagenplatz eine Höhendifferenz von 70 cm bestehe. Dieser 1 m breite Fußweg befindet sich auf dem angrenzenden Grundstück Nr. nnnn/1 der Beschwerdeführerin an der Grundstücksgrenze. Einzelne Garagenmiteigentümer haben auf diesem Weg das "Geh- und Fahrrecht wie auf einem öffentlichen Gut". Vor Errichtung der Garagen waren beide Parzellen niveaugleich.

Am 13. Februar 1987 teilte die Beschwerdeführerin der Baubehörde telefonisch mit, daß ein Teil der Böschung von ihrem Grundstück auf den Garagenvorplatz abgerutscht sei und sie deshalb eine ca. 75 cm hohe Begrenzungsmauer errichten wolle; ihr wurde die Auskunft erteilt, daß gemäß § 41 Abs. 4 lit. i Oö Bauordnung 1976 (im folgenden: BO) für eine derartige Mauer keine Bewilligungspflicht bestehe. Am 3. April 1987 stellte die Baubehörde fest, daß die Beschwerdeführerin die Stützmauer an der Grundgrenze nicht nur entlang des Servitutsweges, sondern auch im Bereich des Zuganges zum Garagenvorplatz ohne Abschrankung oder Abstufung errichtet habe, sodaß eine Gefährdung der Benützer bestehe, weil ein Höhenunterschied von 70 cm überwunden werden müsse. Ein zunächst mit Bescheid vom 4. Oktober 1991 an die Beschwerdeführerin als Eigentümerin der Parzelle nnnn/1 erteilter Bauauftrag, die Begrenzungsmauer zu beseitigen, damit eine Absenkung des Servitutsweges ermöglicht werde, wurde von der Berufungsbehörde mit Bescheid vom 3. Dezember 1991 dahingehend geändert, daß nur die Beseitigung der Mauer aufgetragen wurde. Die Vorstellungsbehörde hob aber diesen Bescheid mit Bescheid vom 27. Jänner 1992 auf, weshalb die Berufungsbehörde mit Bescheid vom 19. März 1992 den erstinstanzlichen Auftrag behob.

Mit Bescheid vom 14. September 1992 trug die Baubehörde erster Instanz den Eigentümern der Grundstücke nnnn/114 und nnnn/1 unter Bezugnahme auf eine Planskizze des Amtssachverständigen auf, eine Stufe auf dem Garagenvorplatz (nnnn/114), sowie zwei weitere Stufen, ein Podest und in gleicher Höhe je eine vierte Stufe auf dem Servitutsweg herzustellen. Der dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung gab die belangte Behörde keine Folge. Die im Eigentum der Beschwerdeführerin stehende Böschungsmauer sei eine bauliche Anlage i.S.d. § 61 Abs. 5 BO, welche im Bereich des über sie führenden Servitutsweges (Zugang zum Garagenvorplatz) von Menschen betreten werde, sodaß der Höhenunterschied von 70 cm eine Absturzgefahr bedeute. Die Mauer sei daher im Widerspruch zu § 23 Abs. 1 BO und zu § 18 Abs. 1 der Oö Bauverordnung (im folgenden: BauV) errichtet worden. Der rechtmäßige Zustand i.S.d. § 61 Abs. 5 BO könne nur durch einen "Umbau" des gegenständlichen Mauerteilstückes dahingehend erreicht werden, daß einerseits der Niveauunterschied möglichst gefahrlos überwunden werden könne und andererseits nicht wieder mit Erdreichrutschungen vom Grundstück nnnn/1 auf das Grundstück Nr. nnnn/114 gerechnet werden müsse.

Mit dem angefochtenen Bescheid hob die Vorstellungsbehörde diesen Bescheid nur insoferne auf, als auch den Eigentümern der Parzelle nnnn/114 aufgetragen wurde, die zweite bis vierte Stufe (also auf der Parzelle nnnn/1) herzustellen. Im übrigen wurde der Vorstellung keine Folge gegeben. Die Teilaufhebung wurde damit begründet, daß § 61 Abs. 5 BO keine Grundlage dafür biete, jemand anderem als dem Grundeigentümer Maßnahmen auf fremdem Grund aufzutragen; daher dürfe sich der Auftrag hinsichtlich der zweiten bis vierten Stufe nur an die Beschwerdeführerin richten. Im übrigen bestätigte die Vorstellungsbehörde die Auffassung der Berufungsbehörde. Ursprünglich habe zwar der abgesenkte Garagenvorplatz das hier festgestellte Gefährdungselement gebildet; durch die Errichtung der Mauer müsse aber das Gefahrenmoment der Mauer zugerechnet werden. Vor der Errichtung der Mauer hätte mangels Vorhandenseins einer baulichen Anlage der Beschwerdeführerin kein Auftrag gemäß § 61 Abs. 5 BO erteilt werden können.

In ihrer dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht darauf verletzt, daß über eine bereits entschiedene Sache ohne Änderung der Sach- und Rechtslage nicht neuerlich entschieden werden dürfe und daß hinsichtlich der von ihr errichteten, den baurechtlichen Bestimmungen entsprechenden Mauer keine Maßnahmen gesetzt werden dürften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Stadtgemeinde eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, daß dem bekämpften Bescheid die Rechtskraft eines früheren Bescheides nämlich des Bescheides des Stadtsenates vom 19. März 1992 entgegenstehe.

Mit Bescheid vom 19. März 1992 war der Bescheid vom 3. Dezember 1991 behoben worden, mit welchem der Beschwerdeführerin aufgetragen worden war, die Mauer im Bereich des Zuganges zum Garagenplatz in einer Breite von einem Meter zu entfernen. Es trifft zwar zu, daß ein Bescheid, der in einer schon entschiedenen Sache nochmals eine Sachentscheidung trifft, inhaltlich rechtswidrig ist (siehe die Nachweise aus der hg. Judikatur bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, E 41a zu § 68 Abs. 1 AVG). Vergleicht man aber den durch den Bescheid vom 19. März 1992 beseitigten Bauauftrag mit dem hier bestätigten Auftrag, so liegt keine Sachidentität vor. Während damals allein der Auftrag zur Entfernung der Mauer erteilt worden war, wurde nunmehr die Errichtung von Stufen bzw. eines Podestes angeordnet. Da § 61 Abs. 5 BO der Behörde gebietet, die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes aufzutragen, kann bei zwei Bescheiden, die verschiedene Maßnahmen als Herstellung des rechtmäßigen Zustandes ansehen, nicht von derselben Sache die Rede sein.

Die belangte Behörde billigte die Rechtsauffassung der Verwaltungsbehörden, daß § 61 Abs. 5 BO eine taugliche Grundlage für das baupolizeiliche Einschreiten darstelle. Diese Bestimmung lautet:

"Stellt die Baubehörde fest, daß eine baubehördlich nicht bewilligungspflichtige bauliche Anlage nicht entsprechend den für sie geltenden baurechtlichen Bestimmungen oder nicht entsprechend den Bestimmungen des Flächenwidmungsplanes oder Bebauungsplanes ausgeführt wird oder bereits ausgeführt wurde, so hat sie dem Eigentümer mit Bescheid die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes innerhalb einer angemessen festzusetzenden Frist aufzutragen. § 60 Abs. 6 gilt sinngemäß."

Als "bauliche Anlage" erkannten die Verwaltungsbehörden die von der Beschwerdeführerin errichtete, 70 cm hohe Böschungsmauer. Diese Anlage war nicht bewilligungspflichtig; es stellt sich daher die Frage, ob durch die Errichtung dieser Mauer ein zwar nicht konsenswidriger, aber gesetzwidriger Zustand geschaffen wurde, der das Einschreiten der Behörde rechtfertigte.

Die Gesetzwidrigkeit der Errichtung dieser Mauer wird zunächst auf § 23 Abs. 1 BO gestützt. Danach müssen bauliche Anlagen in allen ihren Teilen nach den Erfahrungen der technischen Wissenschaften so geplant und errichtet werden, daß sie den normalerweise an bauliche Anlagen der betreffenden Art zu stellenden Anforderungen u.a. der Sicherheit entsprechen. Die Errichtung der Mauer wäre also gesetzwidrig, wenn die Mauer "unsicher" wäre.

Der Verwaltungsgerichtshof kann sich der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht verschließen, daß durch die Errichtung der Mauer keine Gefahrenlage geschaffen wurde und die Mauer für die allein aus der Absenkung des Grundstückes nnnn/114 hervorgerufene Absturzgefahr nicht kausal war. Die Mauer soll der Abstützung des unveränderten Weges dienen; auch wenn sie nicht errichtet worden wäre, müßte der schon vorher entstandene Höhenunterschied überwunden werden.

Die belangte Behörde hat selbst erkannt, daß die Gefahrenlage schon vorher geschaffen wurde und daß nur durch die Errichtung der Mauer ein Einschreiten der Baubehörde ermöglicht wurde. Damit ist aber klargelegt, daß die Mauer selbst zur Gefährlichkeit des Niveauunterschiedes nichts beiträgt und daher gerade dieser baulichen Anlage ein Mangel i. S.d. § 61 Abs. 5 BO nicht anhaftet.

Der Hinweis in der Gegenschrift der mitbeteiligten Landeshauptstadt, wonach allein der Eigentümer der baurechtlichen Bestimmungen widersprechenden Anlage für die Beseitigung haftet und nicht der Verursacher, beantwortet diese Frage nicht, weil es nicht darum geht, wer die Mauer errichtet hat, sondern nur darum, ob durch die Mauer eine Gefahrenlage geschaffen wurde. Selbstverständlich erlaubt § 61 Abs. 5 BO umfassende Maßnahmen, wie die belangte Behörde in der Gegenschrift betont; dies ändert aber nichts an der hier fehlenden Voraussetzung, daß ein GESETZWIDRIGER Zustand bei Errichtung der baulichen Anlage herbeigeführt worden sein mußte.

Die von den Behörden zur Begründung der Gesetzwidrigkeit dieser Anlage weiters herangezogene Bestimmung des § 18 Abs. 1 BauV lautet:

"An allen Stellen einer baulichen Anlage, an denen Absturzgefahr besteht und zu denen der Zutritt möglich ist, ausgenommen Laderampen und ähnliche Einrichtungen, deren Verwendungszweck die Anbringung von Geländern oder Brüstungen ausschließt, sind standsichere Geländer oder Brüstungen anzubringen und so auszuführen, daß auch Kinder ausreichend geschützt sind. Die Geländer dürfen keine freien Zwischenräume von mehr als 13 cm erhalten und keine Leiterwirkung aufweisen. Mit Geländern oder Brüstungen sind auch Löschwasserteiche, Hauslacken, Düngersammelanlagen und ähnliche Einrichtungen im Bereich von baulichen Anlagen zu sichern, soweit sie allgemein zugänglich sind."

Damit wurde die grundsätzliche Verpflichtung geschaffen, gegen Absturzgefahr mit Geländern oder Brüstungen vorzusorgen; die in dieser Bestimmung genannten Maßnahmen können aber nicht durch Verknüpfung mit § 61 Abs. 5 BO dahingehend erweitert werden, daß nicht nur Geländer oder Brüstungen, sondern irgendwelche andere Maßnahmen, wie z.B. Stufen, angeordnet werden. Auch die Einschränkung, daß keine Verpflichtung zur Anbringung von Geländern bei Einrichtungen besteht, deren Verwendungszweck die Anbringung von Geländern ausschließt, läßt die Heranziehung dieser Bestimmung bei einem Verbindungsweg nicht zu.

Der Verwaltungsgerichtshof verkennt nicht die Sinnhaftigkeit und Zweckmäßigkeit der hier gesetzten baupolizeilichen Maßnahmen. Da die Beschwerdeführerin aber keine den Bestimmungen der Bauordnung widersprechende bauliche Anlage errichtet hat, kann sie nicht zur Herstellung eines rechtmäßigen Zustandes verhalten werden. Dadurch, daß die belangte Behörde den baupolizeilichen Auftrag als gesetzmäßig angesehen hat, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Der angefochte Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

Schlagworte

Zurückweisung wegen entschiedener Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1993050023.X00

Im RIS seit

03.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

07.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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