TE Vwgh Erkenntnis 1995/5/31 93/16/0134

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Veröffentlicht am 31.05.1995
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Index

21/01 Handelsrecht;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
35/02 Zollgesetz;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §9;
FinStrG §114;
FinStrG §17;
FinStrG §35 Abs2;
FinStrG §89 Abs1;
HGB §17 Abs1;
ZollG 1988 §93 Abs2 lita Z1;
ZollG 1988 §93 Abs4 idF 1992/463;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde des HW in B, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid (Beschwerdeentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom 7. Juli 1993, Zl. 6/0-310/17/1993/Ha, betreffend Beschlagnahme eines Personenkraftwagens, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach einer mit dem Beschwerdeführer aufgenommenen Niederschrift sprach dieser am 8. März 1993 unaufgefordert beim Zollamt Braunau vor und gab dabei an, er wohne in B, Bundesrepublik Deutschland, im Haus seiner Eltern in einer 70 m2 großen Wohnung. Weiters sei er Mieter einer Wohnung in Braunau (Größe 90 m2), die je zur Hälfte gewerblich und privat genutzt werde. Bis 31. Dezember 1992 sei der Beschwerdeführer Inhaber der Tanzbar K. in Braunau gewesen. Er sei derzeit Inhaber von sechs Gastgewerbekonzessionen in Österreich. Mit 31. März 1993 habe er in B das Gewerbe eines Immobilienmaklers angemeldet.

Weiters gab der Beschwerdeführer an, er führe eine Lebensgemeinschaft mit Christina R. Diese sei in der Discothek C. in S am Inn beschäftigt. Weiters sei sie nach Bedarf als Aushilfe im Büro des Beschwerdeführers in B beschäftigt. Christina R. und der Beschwerdeführer bewohnten gemeinsam die Wohnung in B. Für diese Wohnung, die im Eigentum seiner Eltern stehe, werde anteilig ein entsprechender Betrag für Strom, Heizkosten usw. geleistet. Miete werde keine gezahlt. Die Haushaltsführung erfolge in B, wo unter anderem auch die Wäsche der Lebensgefährten gewaschen werde. Die Möglichkeit dazu bestehe in Braunau nicht. Christina R. und der Beschwerdeführer verfügten über ein gemeinsames Konto bei der Volkskreditbank in Braunau. Zusätzlich verfüge jeder über ein eigenes Konto in Deutschland. Das Verhältnis der in Deutschland verbrachten Zeit zu der in Österreich verbrachten Zeit betrage 3 : 1. Christina R. nächtige fallweise bei ihren Eltern in G.

Auf Grund dieser Angaben wurde dem Beschwerdeführer die Auskunft erteilt, es bestehe nach Auffassung des Zollamtes der gewöhnliche Wohnsitz des Beschwerdeführers und seiner Lebensgefährtin in B.

Ebenfalls unaufgefordert erschienen die miteinander in Lebensgemeinschaft lebenden Johann G. und Manuela O. am 14. April 1993 beim Zollamt Braunau und gaben an, der Beschwerdeführer wohne in Braunau, S.-Straße 20, in einer von Erich P. - dem Vater der Manuela O. - gemieteten Wohnung im Ausmaß von ca. 110 m2. Von der Nutzfläche entfielen ca. 20 m2 auf ein Büro. Die Wohnung sei vollständig möbliert und bestehe aus Küche, Wohnzimmer, Schlafzimmer, Bad, WC und Vorraum. Der Beschwerdeführer bewohne diese Wohnung ständig. Weiters wohne seine Lebensgefährtin in der Wohnung. Regelmäßig (fast jeden Tag) werde die Waschmaschine in Betrieb gehalten. Die Geräusche der Waschmaschine seien deutlich zu hören. Einmal wöchentlich komme eine Reinigungsfrau in die Wohnung des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer besitze einen roten Personenkraftwagen der Marke BMW, den er Anfangs 1993 gekauft habe. Das Auto stehe jeden Tag vor dem Haus in Braunau.

Nach einer in den Akten erliegenden Meldeauskunft vom 15. April 1993 war der Beschwerdeführer in der Gemeinde Braunau am Inn mit ordentlichem Wohnsitz gemeldet.

Vom Zollamt Braunau wurden in der Folge für die Zeit vom 11. April 1993 bis 24. Mai 1993 die Reisebewegungen des Beschwerdeführers und seiner Lebensgefährtin insbesondere mit dem in Rede stehenden Personenkraftwagen über das Zollamt festgehalten.

Bei einer Vernehmung durch die Finanzstrafbehörde erster Instanz (Hauptzollamt Linz) gab der Beschwerdeführer am 25. Mai 1993 an, er sei im Jahre 1981 aus Deutschland nach Österreich übersiedelt. Die Wohnung in Deutschland habe er danach nicht mehr benützt. In Österreich habe er verschiedene Tätigkeiten ausgeübt; er sei als Immobilienmakler und Gastwirt tätig gewesen und habe einen Handel mit Waren aller Art betrieben. Sämtliche Tätigkeiten seien im Bereich des Finanzamtes Braunau betrieben worden. Mit 31. Dezember 1992 habe er sämtliche Geschäftstätigkeiten in Österreich beendet; ausgenommen davon sei, daß er in sechs Gaststätten in Österreich seine Gewerbeberechtigung zur Verfügung stellte. Anfang Jänner 1993 habe er seinen Wohnsitz in Österreich abgemeldet. Mit dem Zeitpunkt der Abmeldung habe er seinen Interessensschwerpunkt nach Deutschland verlegt. Richtig sei, daß sich der Beschwerdeführer einige Tage später auf Anraten seines Rechtsfreundes wiederum in Österreich angemeldet habe, weil er als gewerbeberechtigter Geschäftsführer der sechs Gastronomiebetriebe und als Gesellschafter und Geschäftsführer der S. GmbH einen Wohnsitz in Österreich benötigt habe.

Manuela O. gab am 25. Mai 1995 als Zeugin an, sie könne in ihrer Wohnung feststellen, wann sich in der angrenzenden Wohnung des Beschwerdeführers jemand aufhält bzw. wann dort irgendwelche Tätigkeiten vorgenommen werden. Sie könne auch wahrnehmen, wann die vom Beschwerdeführer benutzten Fahrzeuge vor dem Haus abgestellt sind. Der Beschwerdeführer sei am 1. Oktober 1988 in die Wohnung eingezogen. Der Beschwerdeführer halte sich seither ständig im Hause des Vaters der Zeugin auf. Im Sommer oder Herbst 1992 sei Christina R. eingezogen. Sie sei auch im November 1992 hier polizeilich angemeldet worden. Christina R. und der Beschwerdeführer kehren seit Sommer oder Herbst 1992 täglich in die Wohnung zurück. Meistens seien sie abends zwischen 17 und 19 Uhr angekommen. Sie hätten dann das Haus gemeinsam verlassen und seien erst in den Morgenstunden wieder gemeinsam in die Wohnung zurückgekehrt. Fallweise fahre Christina R. alleine abends weg und kehre in den Morgenstunden zurück. Es sei allgemein bekannt, daß Christina R. im C. in S arbeitet. Seit Jänner 1993 benutze der Beschwerdeführer einen Personenkraftwagen der Marke BMW 320 i mit Altöttinger Kennzeichen.

Die Zeugin gab weiters an, der Beschwerdeführer habe sie vor zwei Monaten aufgefordert, die durch eine Bautätigkeit in der Wohnung entstandenen Risse zu besichtigen. Dabei habe sie festgestellt, daß die Wohnung aus einer eingerichteten Küche, einem eingerichteten Wohn- und Schlafzimmer, einem Bad, einem WC und einem Vorraum bestehe. Er besitze ein Fernsehgerät, eine Waschmaschine und die üblichen Haushaltsgeräte. die Waschmaschine befinde sich im Bad, der Fernseher im Wohnzimmer. Dieser Wohnung seien zwei Büroräume sowie ein weiterer Vorraum angeschlossen. In den Büroräumen befänden sich eine Schreibmaschine, ein Faxgerät sowie ein Personalcomputer mit Drucker. Der Zeugin sei nicht bekannt, daß der Beschwerdeführer noch eine weitere Wohnung zur Verfügung habe.

Johann G. bestätigte die Angaben der Zeugin Manuela O. in einer Niederschrift vom 25. Mai 1993.

Nach einer Erhebung bei der Braunauer Betriebsstätte der Oberösterreichischen Kraftwerke AG wurden vom Beschwerdeführer 1991/1992 1932 KWH Tagstrom und 1896 KWH Nachtstrom, 1992/1993 2195 KWH Tagstrom und 2161 KWH Nachtstrom verbraucht. Vom 25. Februar 1993 bis 25. Mai 1993 habe der Stromverbrauch 836 KWH Tagstrom und 535 KWH Nachtstrom betragen.

Nach einer Auskunft des Gemeindeamtes G vom 26. Mai 1993 war Christina R. (zum Zeitpunkt der Auskunftserteilung) mit einem Hauptwohnsitz in G und einem Nebenwohnsitz in Braunau gemeldet.

Am 2. Juni 1993 wurde in der Wohnung des Beschwerdeführers in Braunau eine Hausdurchsuchung vorgenommen. Die Wohnungstür wurde nach der darüber aufgenommenen Niederschrift um 8.35 Uhr von der Reinigungsfrau geöffnet, welche daraufhin Christina R. und den Beschwerdeführer weckte. Dabei wurden folgende Einrichtungsgegenstände festgestellt:

"Schlafzimmer:  1 Doppelbett mit Bettzeug, 1 Schlafzimmerkasten

                5-türig, voll mit Herren- und Damenbekleidung,

                2 Nachkästchen,

Wohnzimmer:    1 Wohnzimmerschrank mit aufgefüllter Bar,

                Bücher, Zeitschriften, Medikamente,

                Gläser etc., 1 Fernseher, 2 Videorecorder,

                1 Stereoanlage, ca. 255 Videokassetten,

                2 Landwaffen, 1 M 1 und 1 Pump Gun laut

                Rechnungskopien.

Küche:         1 Küchenblock mit Lebensmittel und Geschirr,

                1 mit Lebensmittel aufgefüllte

                Gefrierkombination, 1 E-Herd, Dunstabzug,

                Toaster, Mikrowellenherd und Eßecke.

Bad:           1 Duschkabine, 1 Badewanne, 2 Waschbecken mit

                Spiegel, 1 Miele Waschautomat und

                1 Wäscheschleuder, beide Geräte nach Angabe des

                Herrn W. (=Beschwerdeführer) defekt, 1

                Schmutzwäschekästchen mit Schutzwäsche.

1 WC-Raum mit WC

Vorraum:       1 Garderobe belegt mit Herren- und

                Damenbekleidung, 1 Kleiderständer, belegt mit

                58 Stück Damenkleider, 1 Schuhkasten mit 6 Paar

                Schuhe, 2 Schuhkästen mit 26 Paar Herren- und

                Damenschuhen, 20 Paar Herrn- und Damenschuhe

                freistehend, 1 Staubsauger.

Abstellkammer: mit Vorräten, 7 Flaschen Sekt, 12 Flaschen Wein

                und 5 Flaschen Spirituosen (aus dem Lokal),

                Reinigungsmittel und WC-Papier.

Speicher:      Wäschetrockner, Schischuhe, Ski, etc.

Speicher 2:    Handwerkzeuge, Bohrmaschine und Reste aus dem

                Lokal wie Gläser, Überwachungskamera, Geschirr

                etc.

Büro 2:        1 Kasten mit Winterbekleidung, 1 Bügeltisch,

                40 Stück gebügelte Bekleidungsstücke, diverse

                Decken, 2 Koffer leer, 14 Stück leere Ordner,

                Kopierpapier.

Büro 1:        ca. 112 Ordner betreffend die Fa. X aus dem

                Jahre 1983 bis 31.12.1992.

                1 Ordner der Fa. X vom 1.1.1993, 1 Ordner über

                den Kauf eines Grundstückes in Haselbach durch

                die Fa. X, EW-AZ 040-2-05 44/9 Referat 81, 1

                Ordner mit Fotos über Gasthaus und 1 Ordner

                Privatfotos, 1 Schrank mit diversen Vordrucken

                der Fa. X, 1 Schreibtisch mit

                Schreibmaterialien, 2 elektrische

                Schreibmaschinen, 1 Kopiergerät, 1 PC mit

                Eingabegerät und Drucker, 1 Telefon mit

                Anrufbeantworter, 3 Regale mit Schreibmaterial,

                Bücher etc.

2 Kellerräume: ca. 5 Heizölfässer, teilweise gefüllt, 3

                Fahrräder, Stellage mit diversen Kanistern

                etc."

Gleichzeitig mit der Hausdurchsuchung wurde dem Beschwerdeführer eine Beschlagnahmeanordnung vom 28. Mai 1993 zugestellt, worin unter anderem die Beschlagnahme des Personenkraftwagens der Marke BMW 320 i, Kennzeichen AÖ-H 980, angeordnet wurde.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde dessen Aufhebung beantragt. Der Beschwerdeführer habe seinen Wohnsitz am 28. Jänner 1993 nach B verlegt. Zur selben Zeit sei das gegenständliche Fahrzeug von der Firma "W. Immobilien" angekauft und beim zuständigen Landratsamt Altötting angemeldet worden. Der Beschwerdeführer sei seit Ende Jänner 1993 damit beschäftigt, seine höchstpersönlichen Sachen des täglichen Bedarfs von Braunau nach B zu transferieren. Auch seine Lebensgefährtin Christina R. sei Ende Jänner 1993 nach B übersiedelt. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen sowohl des Beschwerdeführers als auch der Christina R. läge daher in Deutschland.

Martin P., wohnhaft in Braunau, S.-Straße 20, gab am 21. Juli 1993 als Zeuge an, der Beschwerdeführer und Christina R. hielten sich täglich in ihrer Wohnung in Braunau, S.-Straße 20, auf. Sie kehrten zwar häufig spätabends in die Wohnung zurück, sie schliefen aber jede Nacht hier. Der Zeuge höre, wann die beiden zur Nachtzeit zurückkehren. Insbesondere höre er das Zufallen der Autotüren, den Weg über den Gang und die Holztreppe sowie das Aufschließen der Wohnungstüre. Der Beschwerdeführer habe seit Ende Jänner 1993 den Personenkraftwagen Marke BMW benützt. Der Zeuge erinnere sich deswegen daran, weil ihm der Beschwerdeführer damals einen Meldezettel zur Anmeldung übergeben habe, damit dieser vom Vater des Zeugen (Vermieter der Wohnung) unterfertigt werde. Warum der Beschwerdeführer eine Abmeldung und darauffolgend eine Anmeldung vorgenommen habe, wisse er nicht. Auch Christina R. habe das Fahrzeug in Abwesenheit des Beschwerdeführers benutzt.

In der Niederschrift mit dem Zeugen Martin P. wurde auch ersichtlich gemacht, daß die vernehmenden Organe des Hauptzollamtes Linz aus eigener Wahrnehmung die Anwesenheit des Beschwerdeführers und der Christina R. sowie die Benützung der Waschmaschine festgestellt haben. Veronika P., Ehegattin des Martin P., bestätigte dessen Angaben.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Administrativbeschwerde als unbegründet abgewiesen. Auf Grund des Erhebungsergebnisses gelangte die Finanzstrafbehörde zweiter Instanz zu der Auffassung, daß der gewöhnliche Wohnsitz des Beschwerdeführers im Inland gelegen sei. Es bestehe daher der Verdacht des Finanzvergehens nach § 35 Abs. 2 FinStrG, begangen durch die ungerechtfertigte Inanspruchnahme des formlosen, sicherstellungsfreien Eingangsvormerkverkehrs mit Beförderungsmitteln. Der Beschwerdeführer komme als Täter eines mit des Sanktion des Verfalls bedrohten Finanzvergehens in Frage. Es bestehe die Gefahr, daß der beschlagnahmte Gegenstand dem Zugriff der Behörde entzogen wird. Auch die Rechtshilfeabkommen (mit der Bundesrepublik Deutschland) böten keine Möglichkeit, eines im Ausland befindlichen Fahrzeuges wieder habhaft zu werden.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Bundesminister legte die von der belangten Behörde verfaßte Gegenschrift und die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 35 Abs. 2 FinStrG macht sich der Hinterziehung von Eingangsabgaben schuldig, wer, ohne den Tatbestand des Abs. 1 (Schmuggel) zu erfüllen, vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht bewirkt, daß eine entstandene Eingangsabgabenschuld nicht oder zu niedrig festgesetzt wird.

Die Finanzstrafbehörde hat gemäß § 89 Abs. 1 FinStrG mit Bescheid die Beschlagnahme von verfallsbedrohten Gegenständen und von Gegenständen, die als Beweismittel in Betracht kommen, anzuordnen, wenn dies zur Sicherung des Verfalls oder zur Beweissicherung geboten ist.

Bei dem Rechtsinstitut der Beschlagnahme im Sinne des § 89 Abs. 1 FinStrG handelt es sich um eine Art vorläufiges Verfahren, das der zwangsweisen Entziehung der Gewahrsame an einer Sache zum Zwecke ihrer Verwahrung dient und in dem Entscheidungen im Verdachtsbereich und keine abschließenden Lösungen zu treffen sind (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 7. Oktober 1993, 93/16/0050). Daß der Beschuldigte das mit Verfall bedrohte Finanzvergehen begangen hat, braucht dabei im Zeitpunkt des Ausspruchs der Beschlagnahme noch nicht nachgewiesen zu sein, weil diese Aufgabe erst dem Untersuchungsverfahren nach §§ 114 ff FinStrG und dem Straferkenntnis zukommt. Es genügt, wenn gegen den Beschuldigten ein Verdacht besteht. Dabei müssen hinreichende Gründe vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, daß er als Täter eines mit der Sanktion eines Vermögensverlustes - in der Gestalt des Verfalls bedrohten Finanzvergehens in Frage kommt (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 25. Februar 1993, 92/16/0141).

Beide Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen davon aus, daß für den Streitfall die Beantwortung der Frage entscheidend ist, ob der gewöhnliche Wohnsitz des Beschwerdeführers - allenfalls seiner Lebensgefährtin Christina R. - im Inland oder im Zollausland im maßgeblichen Zeitpunkt der Verbringung des in Rede stehenden Beförderungsmittels - allenfalls der Benützung des Beförderungsmittels im Inland - gelegen war. Nahm nämlich der Benützer eines ausländischen unverzollten Beförderungsmittels die Abgabenbegünstigung des formlosen, sicherstellungsfreien Vormerkverkehrs beim Grenzübertritt in Anspruch, so hatte dies nach dem im Beschwerdefall noch anzuwendenden § 93 Abs. 2 lit. a Z. 1 ZollG zur Voraussetzung, daß der Halter und Benützer des Beförderungsmittels seinen gewöhnlichen Wohnsitz oder seinen Sitz im Zollausland hat.

Unter mehreren Wohnsitzen einer Person ist dabei als gewöhnlicher Wohnsitz im Sinne der angeführten Gesetzesstelle derjenige anzusehen, zu dem sie die stärksten persönlichen Beziehungen hat (vgl. § 93 Abs. 4 ZollG) und der den Mittelpunkt der Lebensinteressen darstellt. Nach Satz 2 des § 93 Abs. 4 ZollG idF BGBl. Nr. 463/1992 gilt bei Personen, deren berufliche Bindungen an einem anderen Ort als dem ihrer familiären Bindungen liegen, der Wohnsitz am Ort ihrer familiären Bindungen (Familienwohnsitz) als gewöhnlicher Wohnsitz, sofern sie regelmäßig und in kurzen Zeitabständen, im allgemeinen wenigstens einmal im Monat, dorthin zurückkehren. Im Regelfall bestehen nach den Erfahrungen des Lebens die stärksten persönlichen Beziehungen zu dem Ort, an dem man regelmäßig und Tag für Tag mit seiner Familie lebt (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 17. September 1992, 91/16/0138). Bei Beurteilung der engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen ist im Zweifel ein Vergleich zwischen den Beziehungen zu den jeweils in Betracht kommenden Staaten zu ziehen (vgl. das Erkenntnis vom 26. März 1976, 1824/75).

Der Beschwerdeführer verkennt mit seinen Einwendungen gegen den angefochtenen Bescheid zunächst, daß die belangte Behörde darin die Frage, wo sich der gewöhnliche Wohnsitz des Beschwerdeführers - und zwar im Zeitpunkt der erstmaligen Verbringung des Beförderungsmittels ins Inland - tatsächlich befunden hat, gar nicht endgültig zu lösen hatte. Diese Beurteilung bleibt der das Finanzstrafverfahren abschließenden Erledigung vorbehalten.

Die Finanzstrafbehörden haben im Streitfall aufwendige Erhebungen vorgenommen. Auf Grund der aufgenommenen Beweismittel, insbesondere der Aussagen der im gleichen Gebäude wie der Beschwerdeführer wohnhaften Zeugen über die tägliche Rückkehr des Beschwerdeführers und seiner Lebensgefährtin, des Ergebnisses der unmittelbaren Beobachtung durch Organwalter des Zollamtes Braunau, die mit diesen Zeugenaussagen über die tägliche Rückkehr übereinstimmten, den Ermittlungen über den Stromverbrauch in der Wohnung des Beschwerdeführers und der Angaben gegenüber den Meldebehörden sowie den Feststellungen anläßlich der beim Beschwerdeführer vorgenommenen Hausdurchsuchung konnten die Finanzstrafbehörden in unbedenklicher Weise und in Übereinstimmung mit den Denkgesetzen den Schluß ziehen, es bestehe der Verdacht, vom Beschwerdeführer sei im Hinblick auf das Vorhandensein seines gewöhnlichen Wohnsitzes im Inland der formlose, sicherstellungsfreie Vormerkverkehr zu Unrecht in Anspruch genommen und damit das Finanzvergehen im Sinne des § 35 Abs. 2 FinStrG begangen worden (vgl. VwSlg. 5760/F).

Einer solchen Beurteilung durch die belangte Behörde steht weder der Umstand entgegen, daß der Beschwerdeführer in B gleichfalls über eine Wohnung im Hause seiner Eltern verfügt, noch daß er seit Ende März 1993 - neben seinen unternehmerischen Tätigkeiten in Österreich - auch in B einen Gewerbebetrieb unterhält. Gerade erst wegen der Verfügungsgewalt über mehrere Wohnungen und damit des Vorhandenseins mehrerer Wohnsitze hat ja die Behörde zu beurteilen, welcher von diesen mehreren Wohnsitzen der gewöhnliche ist.

Das - im übrigen durch das Erhebungsergebnis nicht gedeckte - Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe den Mittelpunkt der privaten Lebensinteressen "seit Jänner 1993 sukzessive" nach B verlagert, spricht nicht für seinen Standpunkt: Entscheidend für die Erfüllung des strafbaren Tatbestandes ist nämlich, wo im Zeitpunkt der erstmaligen Verbringung des ausländischen unverzollten Beförderungsmittels im Jänner 1993 tatsächlich der gewöhnliche Wohnsitz des Beschwerdeführers gewesen ist. Damit kann auch das weitere Vorbringen, die Verhältnisse hätten sich nach dem 8. März 1993 sukzessive so verändert, "daß der Beschwerdeführer noch mehr Zeit in der BRD verbringt und insbesondere seine Wohnung in B nunmehr praktisch fertiggestellt hat" das Begehren des Beschwerdeführers nicht stützen. Wenn der Beschwerdeführer dabei die Meinung vertritt, der Verdacht eines Finanzvergehens gemäß § 35 Abs. 2 FinStrG habe weder am 8. März 1993 und "schon gar nicht Ende Mai 1993" bestanden, so verkennt er, daß es sich beim Finanzvergehen nach § 35 Abs. 2 FinStrG keineswegs um ein Dauerdelikt handelt. Für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ist dabei entscheidend, daß der Beschwerdeführer (im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides) verdächtig war, im Zeitpunkt der erstmaligen Verbringung des Beförderungsmittels in das Inland das Finanzvergehen nach § 35 Abs. 2 FinStrG begangen zu haben.

Die Rechtsauffassung des Beschwerdeführers, es käme auf die familiären Beziehungen zu seinen in B lebenden Eltern an, ist im Hinblick auf den Umstand, daß der Beschwerdeführer in einer Lebensgemeinschaft lebt, unrichtig. Die stärkeren persönlichen Bindungen sind dabei zu jenem Ort anzusehen, an dem sich eine Person mit ihrem Lebensgefährten aufhält - das ist im Beschwerdefall nach dem Erhebungsergebnis die Wohnung in Braunau gewesen -; demgegenüber werden die Bindungen zu den Eltern regelmäßig in den Hintergrund treten.

Wenn der Beschwerdeführer weiters - unter offenbarer Bezugnahme auf § 93 Abs. 2 lit. a Z. 2 ZollG - meint, es wäre kein Grund für eine Beschlagnahme vorhanden gewesen, sondern es hätte ausgereicht, wenn der Beschwerdeführer aufmerksam gemacht worden wäre, daß ein Vormerkverfahren erforderlich wäre, so verkennt er gleichfalls, daß die Tathandlung in dem Zeitpunkt, als der Sachverhalt dem Zollamt Braunau zur Kenntnis gelangte, bereits vollendet war. Eine allfällige nachträgliche Abfertigung des Beförderungsmittels im förmlichen Eingangsvormerkverkehr hätte an der Vollendung des Delikts nichts mehr ändern können. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers kommt es dabei auf die Staatsbürgerschaft des Halters und Benützers des Beförderungsmittels nicht an.

Mit seiner Rüge, die Finanzstrafbehörden seien zu Unrecht davon ausgegangen, daß das Beförderungsmittel im formlosen sicherstellungsfreien Vormerkverfahren eingeführt wurde, verkennt der Beschwerdeführer offenkundig die Bestimmungen über den Eingangsvormerkverkehr von Beförderungsmitteln gemäß § 93 ZollG, welche Vorschrift eben ein solches formloses, schon durch das Verbringen des Fahrzeuges in das Inland vollzogenes Verfahren - also ohne Abgabe einer entsprechenden Anmeldung - ermöglicht.

Unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften wird vom Beschwerdeführer weiters gerügt, daß einem Beweisantrag bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides (Vernehmung der Zeugin I., die dem Beschwerdeführer am 8. März 1993 Auskünfte erteilt hat) nicht nachgekommen worden ist. Hiezu ist neuerlich darauf hinzuweisen, daß im Hinblick auf den Zeitpunkt des Finanzvergehens solchen nachträglichen Umständen keine Relevanz zukommt. Soweit der Beschwerdeführer auf seine erst nach der Erlassung (Aushändigung) des angefochtenen Bescheides erfolgte Einvernahme am 16. Juli 1993 verweist, so gehen diese Ausführungen schon deswegen ins Leere, weil die Richtigkeit des angefochtenen Bescheides an der im Zeitpunkt seiner Erlassung bestehenden Sachlage zu messen ist. Da, wie ausgeführt, der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides festgestellte Sachverhalt den Verdacht des Finanzvergehens rechtfertigte, war die belangte Behörde auch nicht gehalten, die Einvernahme des Beschwerdeführers abzuwarten. Überdies hat sich der Beschwerdeführer nach den von seinen Rechtsfreunden verfaßten Eingabe vom 22. Juni 1993 ausdrücklich geweigert, zu einer Einvernahme vor der Finanzstrafbehörde zu erscheinen, da alle wesentlichen Umstände bereits in der Administrativbeschwerde enthalten gewesen seien.

Weitere Voraussetzung der Beschlagnahme ist nach § 89 FinStrG, daß die Beschlagnahme zur Sicherung des Verfalls oder zur Beweissicherung geboten ist. Die durch diese Norm indizierte Gefahrenrelevanz ist insbesondere gegeben, wenn die Gefahr besteht, daß der Eigentümer bzw. Rechtsbesitzer den beschlagnahmten Gegenstand den Zielsetzungen des Verfalls zuwider dem jederzeitigen Zugriff der Behörde entziehen werde (vgl. dazu z.B. das Erkenntnis vom 7. Oktober 1993, 93/16/0050). Wenn die belangte Behörde die erfolgte Beschlagnahme insbesondere mit den "Auslandsbeziehungen" des Beschwerdeführers rechtfertigte, so ist sie im Ergebnis im Recht. Dadurch, daß der Beschwerdeführer selbst wiederholt vorbrachte, seine Interessen in Hinkunft nach Deutschland zu verlagern, bestand eine konkrete Gefahr, daß das in Deutschland zum Verkehr zugelassene Fahrzeug dem Zugriff der Finanzstrafbehörde entzogen würde. Darauf, ob der Beschwerdeführer - wie er in Beschwerde behauptet - über ausreichendes Vermögen in Österreich verfügt, kommt es demgegenüber nicht an, weil die Beschlagnahme im Streitfall der Sicherung des konkreten, vom Verfall bedrohten Gegenstandes dient und nicht etwa der Sicherung einer Abgabe, einer Geldstrafe oder einer Wertersatzstrafe. Die Behauptung, der Beschwerdeführer habe die Freigabe des Beförderungsmittels gegen Erlag eines Geldbetrages fernmündlich beantragt, stellt ein im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliches neues Vorbringen dar.

Mit dem Hinweis, "Eigentümer" des beschlagnahmten Fahrzeuges sei seine Einzelfirma "W. Immobilien" in B, übersieht der Beschwerdeführer, daß einer Firma, das heißt dem Namen, unter dem ein Kaufmann seine Rechtsgeschäfte betreibt (§ 17 Abs. 1 HGB), Rechtspersönlichkeit nicht zukommt. Die Firma ist kein selbständiges Rechtssubjekt, sondern nur Kennzeichen des Unternehmens, dessen Rechtsträger der Kaufmann als physische Person ist (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 24. Mai 1991, 91/16/0014). Wie auch immer dieses Vorbringen des Beschwerdeführers zu verstehen ist, folgt daraus, daß Eigentümer des Beförderungsmittels der Beschwerdeführer als der des Finanzvergehens nach § 35 Abs. 2 FinStrG Verdächtige und keineswegs eine andere Person (vgl. § 17 Abs. 3 zweiter Satz FinStrG) ist.

Die Beschwerde erweist sich somit zur Gänze als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Rechtsfähigkeit Parteifähigkeit Gebilde ohne Rechtsfähigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1993160134.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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