TE Vwgh Erkenntnis 1995/5/31 94/01/0778

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Veröffentlicht am 31.05.1995
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1968 §16 Abs1;
AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §16 Abs1;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Händschke, Dr. Bernegger und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des H, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. November 1994, Zl. 4.345.148/1-III/13/94, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. November 1994 wurde der am 10. Oktober 1994 gestellte Asylantrag des Beschwerdeführers - eines Staatsangehörigen "der

Jugosl. Föderation" aus dem Kosovo mit albanischer Nationalität - in Erledigung seiner Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 13. Oktober 1994 abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

In der vorliegenden Beschwerde wird der für die Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers maßgebliche Sachverhalt - im wesentlichen in Übereinstimmung mit seinen Angaben bei seiner niederschriftlichen Erstvernehmung am 12. Oktober 1994 und seinem Berufungsvorbringen - so dargestellt, daß vor etwa fünf Monaten ca. 30 Polizisten in sein Haus eingedrungen und dieses nach Waffen durchsucht, solche jedoch nicht gefunden hätten. Die Polizisten hätten daraufhin den Reisepaß des Beschwerdeführers eingezogen und ihn auf die Polizeistation nach P mitgenommen. Dort sei der Beschwerdeführer nach dem Besitz einer Pistole befragt worden. Er habe verneint, eine solche zu besitzen, worauf die Polizisten begonnen hätten, ihn mit Holzstöcken zu verprügeln und auf ihn einzuschlagen. An Mißhandlungsfolgen habe der Beschwerdeführer blaue Flecken, Prellungen und Schwellungen davongetragen. Ein Polizist habe daraufhin den Beschwerdeführer vor die Alternative gestellt, entweder die Pistole herauszugeben oder DM 1.000,-- zu bringen. Aus Furcht vor weiteren Übergriffen sei der Beschwerdeführer sodann am darauffolgenden Tag mit geborgten DM 1.000,-- zur Polizeistation gegangen. Einer der Polizisten habe das überbrachte Geld kassiert, dem Beschwerdeführer sei die Waffe des Polizisten übergeben und praktisch im gleichen Atemzug diese Waffe wieder abverlangt worden. Den Reisepaß habe jedoch der Beschwerdeführer nicht ausgehändigt bekommen. Am 12. September 1994 sei ihm durch einen Gemeindeboten eine Ladung für den 16. September 1994 überbracht worden. An diesem Tag hätte sich der Beschwerdeführer wegen unerlaubten Waffenbesitzes zu einem Verhör melden sollen. Ein befreundeter Albaner, den der Beschwerdeführer deswegen kontaktiert habe, habe ihm geraten, zu "verschwinden". Diesem Rat folgend sei der Beschwerdeführer am 14. September 1994 nach Belgrad gefahren, von wo er dann weitergereist sei.

Der Beschwerdeführer rügt, daß es dem angefochtenen Bescheid "vollkommen an Ausführungen mangelt, warum dem Beschwerdeführer kein Flüchtlingsstatus zukommen soll", und daß zu diesem Punkt "keinerlei Feststellungen getroffen" worden seien. Der Beschwerdeführer übersieht hiebei, daß die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides (S. 5) deutlich zu erkennen gegeben hat, daß sie sich der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides vollinhaltlich anschließe, und sie ausdrücklich auf die im erstinstanzlichen Bescheid enthaltenen Ausführungen zur mangelnden Glaubwürdigkeit seines Vorbringens, denen sie noch eigene Überlegungen hinzugefügt hat, verwiesen hat. Auf Grund dieser Beweiswürdigung legte sie ihrer Entscheidung nicht die vom Beschwerdeführer gegebene Sachverhaltsdarstellung zugrunde, was bedeutet, daß ihrer Auffassung nach nicht gemäß § 3 Asylgesetz 1991 glaubhaft ist, daß der Beschwerdeführer Flüchtling ist, und damit diese für die Stattgebung eines Asylantrages wesentliche Voraussetzung fehlt. Die bei der Beweiswürdigung der belangten Behörde vorgenommenen Erwägungen erscheinen allerdings dem Verwaltungsgerichtshof im Rahmen seiner Prüfungsbefugnis (vgl. u. a. das insoweit in Slg. Nr. 11.894/A, nicht veröffentlichte Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) nicht schlüssig.

Was die vom Beschwerdeführer behauptete Durchsuchung seines Hauses durch ca. 30 Polizisten anlangt, meinte die Erstbehörde - und demnach in gleicher Weise auch die belangte Behörde - "unter Berücksichtigung der für den Kosovo amtsbekannten Polizeigewohnheiten", daß seine Angaben "nur zum Teil zutreffend sein können". Eine routinemäßige Hausdurchsuchung, um welche es sich nach Lage der Dinge unter der Voraussetzung gehandelt habe, daß seine Angaben richtig seien, mit einem derartigen Großaufgebot von Polizisten sei auch für seine Heimat "nicht nachvollziehbar". Es unterliege auch die Arbeit der Polizei im Kosovo "den Geboten der Verhältnismäßigkeit". Dieser Begründung ist der Beschwerdeführer schon in seiner Berufung entgegengetreten, indem er auf "internationale Berichte" und einen "Bericht der Menschenrechtskonvention", denen zu entnehmen sei, daß ein derartiges polizeiliches Vorgehen im Kosovo "jedenfalls ständig an der Tagesordnung" sei, hingewiesen und zum Ausdruck gebracht hat, daß im Kosovo "die Tätigkeit der Polizei ausschließlich der politischen Willkür der Machthaber unterliegt" und "ein Prinzip der Verhältnismäßigkeit keinesfalls eingehalten wird". Schon die Erstbehörde hat nicht näher dargelegt, auf welchen Erkenntnisquellen ihre Kenntnis über die (den Behauptungen des Beschwerdeführers widersprechenden) "Polizeigewohnheiten" im Kosovo beruht, und sie wurden dem Beschwerdeführer auch nicht zur Stellungnahme vorgehalten. Der Beschwerdeführer wurde auch nicht befragt, um welche Berichte, die er für die Glaubwürdigkeit seines Vorbringens ins Treffen führt, es sich im einzelnen gehandelt hat. Die Auffassung der belangten Behörde über die ihr bekannten "Polizeigewohnheiten" im Kosovo sind jedenfalls ohne weitere Begründung auch nicht mit den von ihr ebenfalls übernommenen Feststellungen der Erstbehörde über die vorherrschende Situation im Kosovo, die sie "auf die eigenen Dokumentationsunterlagen und auf die allgemeinen Nachrichten in den Weltmedien" gestützt hat, in Einklang zu bringen. Diesbezüglich wurde nämlich u.a. ausgeführt, daß die albanische Mehrheit im Kosovo das Recht auf Selbstbestimmung verlange, Serbien dem einen beträchtlichen Teil der Staatsmacht entgegenstelle, serbische Institutionen nicht vor Terror und Repressalien zurückscheuten, die Verhältnisse in den Gefängnissen katastrophal seien und durch Brutalität noch verschlimmert würden, die Polizei gegen politische Aktivisten mit schwerer Repression vorgehe, schwerste Verprügelungen zum Alltag im Kosovo zählten und die Menschenrechtssituation dort als sehr bedenklich beurteilt werde. Vor dem Hintergrund dieser außergewöhnlichen Verhältnisse kann daher auch nicht von vornherein ausgeschlossen werden, daß im Zusammenhang mit der Suche nach verbotenen Waffen bei Angehörigen der albanischen Nationalität eine Razzia auf die vom Beschwerdeführer geschilderte Weise durchgeführt worden ist.

Als "völlig unglaubwürdig" wurden auch von der belangten Behörde die Angaben des Beschwerdeführers "zur Manipulation im Zusammenhang mit der Pistolenübergabe" erachtet. Daß sich der Beschwerdeführer gegen Bezahlung von DM 1.000,-- "quasi" habe freikaufen können, sei noch denkmöglich. Daß ihm der betreffende Polizist aber seine eigene Waffe "symbolisch übergeben haben soll, um diese im selben Moment wieder abzuverlangen", könne "nur als eine Konstruktion" gewertet werden. Einem solchen Vorgang fehle jede Sinnhaftigkeit. Auch hiebei wurden die bereits angezogenen außergewöhnlichen Verhältnisse im Kosovo unberücksichtigt gelassen, auf Grund derer eine solche einander nicht ausschließende "Manipulation" ihre Erklärung finden könnte, bei der einerseits der Beschwerdeführer in der Erwartung, sich auf diese Weise vom Verdacht des verbotenen Waffenbesitzes "freizukaufen", veranlaßt wurde, einem Polizisten einen Geldbetrag auszuhändigen, und dieser auch entgegengenommen wurde, andererseits aber schikanös dem Beschwerdeführer eine Waffe in die Hand gedrückt und ihm diese wieder abgenommen wurde, um offenbar eine Handhabe zu haben, den Beschwerdeführer leichter der Begehung einer derartigen strafbaren Handlung beschuldigen und überführen zu können.

Der weiteren Begründung (auch) der belangten Behörde, es sei ferner nicht nachvollziehbar, daß der Beschwerdeführer "nach erfolgtem Freikauf trotzdem" in der Folge zu einer Befragung wegen Waffenbesitzes geladen worden sein sollte, fehlt daher die für eine derartige Schlußfolgerung erforderliche Prämisse. Es wurde zwar diesbezüglich überdies damit argumentiert, daß "das vorliegende Papier in Anbetracht der amtsbekannten Tatsache, daß in Ihrem Land - für sämtliche Anlässe - Bestätigungen zu erhalten sind und in Anbetracht der Tatsache, daß der Stempel auf diesem Papier keine Rückschlüsse auf die Ausstellungsbehörde zuläßt", nicht geeignet sei, als Beweismittel anerkannt zu werden, und auch die Textierung dieser "Ladung" gegen deren Echtheit spreche, zumal "keine Behörde den Ladungsanlaß mit: "man sucht nach Waffen" umschreiben würde". Wieso die Asylbehörden zu ihren Annahmen in Ansehung des auf dem vom Beschwerdeführer bei seiner Erstvernehmung vorgelegten "Papiers" befindlichen Stempels und des darin aufscheinenden "Ladungsanlasses" gekommen sind, ist für den Verwaltungsgerichtshof im Hinblick darauf, daß die betreffende "Ladung" und auch deren Übersetzung nicht in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten erliegen, nicht erkennbar. Der Beschwerdeführer hat bei der Erstvernehmung davon gesprochen, daß er sich "wegen unerlaubten Waffenbesitzes zu einem Verhör melden sollte", was ihm gegenüber auch von einem Bekannten bestätigt worden sei, und es findet sich in den Verwaltungsakten in diesem Sinne auch ein vom Leiter der Amtshandlung unterfertigter Aktenvermerk vom 12. Oktober 1994, wonach der Beschwerdeführer im Zuge seiner Vernehmung eine Ladung der "Gjykata komunale per Kunderyajtje Opstinski sud za Prekrasaje" vom 12. September 1994 vorgelegt habe, sowie daß laut Angaben der Dolmetscherin der Beschwerdeführer darin für den 16. September 1994, 09.30 Uhr, zum Bezirksgericht Gjakov geladen und ihm außerdem mitgeteilt werde, daß er wegen Waffenbesitzes angeklagt werde. Es kann daher derzeit nicht davon ausgegangen werden, daß es sich hiebei um kein taugliches Beweismittel gehandelt hat.

Wenn die Erstbehörde - und ihr folgend die belangte Behörde - die Ansicht vertreten hat, es trage überdies die Angabe des Beschwerdeführers, bei einem früheren Aufenthalt in Österreich (im Jahre 1991) keine strafbaren Handlungen begangen zu haben, nicht zu seiner Glaubwürdigkeit bei, sei er doch "vom Landesgericht Wien" zu einer bestimmten Aktenzahl zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben worden, so ist dies deshalb nicht schlüssig, weil nicht feststeht, daß dem Beschwerdeführer überhaupt bekannt war, daß er zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben worden ist, und er im übrigen dessen ungeachtet seinen Standpunkt, in Österreich keine strafbaren Handlungen begangen zu haben, wiedergeben konnte.

Die belangte Behörde hat ergänzend "festgestellt", daß der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Einvernahme, welcher ein Dolmetsch für die serbokroatische Sprache beigezogen gewesen sei, auf die klare Frage, ob er schon zuvor in Österreich gewesen sei, bloß seinen Aufenthalt im Jahre 1993 angeführt habe. Auf Vorhalt habe er jedoch bestätigt, sich bereits im Jahre 1991 im Bundesgebiet aufgehalten zu haben. Sein diesbezüglich ursprüngliches Vorbringen habe er "mit einer Schutzbehauptung entschuldigt". Da er seit seinem Aufenthalt im Jahre 1991 im Verdacht stehe, ein strafrechtliches Delikt begangen zu haben, liege der begründete Verdacht nahe, daß er durch seine unvollständige Beantwortung der Frage nach früheren Aufenthalten im Bundesgebiet beabsichtigt habe, die Behörden irrezuführen. Abgesehen davon, daß eine bewußt unvollständige Angabe des Beschwerdeführers in diesem Zusammenhang noch nicht den Schluß zuließe, daß auch seine Behauptungen hinsichtlich seiner Fluchtgründe nicht den Tatsachen entsprächen, hat der Beschwerdeführer bei seiner Erstvernehmung auf die Frage, wieso er zunächst gesagt habe, daß er "nur 1993" in Österreich gewesen sei, geantwortet, daß er gedacht habe, man wolle von ihm wissen, wann er das letzte Mal in Österreich gewesen sei. Der ihm damals gemachte Vorhalt war auch unrichtig, lautete doch die vorerst gestellte Frage dahin, ob der Beschwerdeführer "schon jemals zuvor" in Österreich gewesen sei, welche Frage er unter Hinweis darauf, daß er im Jahre 1993 seinen Vater besucht habe und nach drei Monaten wieder in seine Heimat zurückgekehrt sei, bejahte.

Die belangte Behörde hat lediglich auf Grund ihrer - wie ausgeführt, einer Schlüssigkeitsprüfung nicht standhaltenden - Auffassung, die "Zusammenschau der Bewertung" der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers habe "zu dem Ergebnis führen müssen", daß sein Vorbringen "insgesamt als wenig glaubwürdig einzustufen war", die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 verneint. Sie hat sich hingegen in rechtlicher Hinsicht nicht damit auseinandergesetzt, ob sie diesbezüglich zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, wenn sie den Angaben des Beschwerdeführers über seine Fluchtgründe Glauben geschenkt hätte. Diesen konkreten Angaben des Beschwerdeführers kann aber in Verbindung mit der festgestellten allgemeinen Lage der im Kosovo lebenden Angehörigen der albanischen Nationalität grundsätzlich die Eignung nicht abgesprochen werden, glaubhaft zu machen, daß der Beschwerdeführer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Nationalität, allenfalls auch der politischen Gesinnung, verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen. Der aufgezeigte, sich auf die Beweiswürdigung der belangten Behörde beziehende Verfahrensmangel ist daher als wesentlich anzusehen, zumal sich die Beschwerde auch in bezug auf den von der belangten Behörde zusätzlich herangezogenen Ausschließungsgrund der Verfolgungssicherheit gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 nicht als unbegründet erweist.

Von diesem Ausschließungsgrund hat auch bereits die Erstbehörde auf Grund der Angabe des Beschwerdeführers, er habe sich vor seiner Einreise in das Bundesgebiet vom 17. September bis 9. Oktober 1994 in Ungarn aufgehalten, Gebrauch gemacht. Er sei in diesem Staat keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen und habe auch nicht mit einer Abschiebung in sein Heimatland zu rechnen gehabt. Ungarn sei Mitgliedstaat der Genfer Flüchtlingskonvention und des Europarates. Dem entgegnete der Beschwerdeführer in seiner Berufung zwar nur mit der Behauptung, die Erstbehörde "irrt, wenn sie vermeint", daß er "bereits in einem sicheren Drittland aufhältig gewesen wäre". Da daraus eine nähere Begründung für diese Bestreitung nicht hervorging, ob sie nämlich nur auf einer allenfalls nicht dem Gesetz entsprechenden Auslegung des Begriffes der "Verfolgungssicherheit" beruhte oder zumindest darüber hinaus auch auf Umstände tatsächlicher Natur, auf die auf dem Boden der bestehenden Rechtslage Bedacht zu nehmen gewesen wäre, zurückzuführen war, wäre aber die belangte Behörde verpflichtet gewesen, den Beschwerdeführer zu einer Klarstellung zu veranlassen. Die vom Beschwerdeführer nunmehr in der Beschwerde insoweit zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung steht nicht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dies sowohl hinsichtlich des von ihm geltend gemachten Umstandes, daß es sich für ihn bei Ungarn bloß um ein "Transitland" gehandelt habe (vgl. insbesondere die grundlegenden Erkenntnisse vom 27. Mai 1993, Zl. 93/01/0256, und vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0357, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird), als auch hinsichtlich des von ihm als maßgeblich erachteten Zeitpunktes der Erlassung des angefochtenen Bescheides für die Beurteilung der Frage der "Verfolgungssicherheit" (vgl. auch dazu u.a. das zuletzt zitierte Erkenntnis). Wenn der Beschwerdeführer im übrigen von der Annahme der belangten Behörde, er sei auch in Kroatien vor Verfolgung sicher gewesen, ausgeht, so widerspricht dies der Begründung des angefochtenen Bescheides. Der Beschwerdeführer hält aber der belangten Behörde in tatsächlicher Hinsicht entgegen, daß ihre Ausführungen, es sei durchaus legitim, davon auszugehen, daß bei einem Staat, dessen Rechts- und Verfassungsordnung im großen und ganzen effektiv sei, wie das für Ungarn ja gelte, größere Teilbereiche dieses Rechtsbestandes, wie eben das Nonrefoulementrecht ebenfalls effektiv in Geltung stehe, durch nichts belegt und auch nicht nachvollziehbar seien. Die belangte Behörde habe keine wie immer gearteten Nachforschungen angestellt, wieweit die Rechts- und Verfassungsordnung Ungarns tatsächlich effektiv sei. Allein der Umstand, daß ein Staat die Flüchtlingskonvention unterzeichnet habe, garantiere nämlich noch lange nicht die effektive Durchsetzung dieser Konvention.

Damit macht der Beschwerdeführer zutreffend geltend, daß keine ausreichenden Ermittlungen gepflogen wurden, die die Annahme der belangten Behörde rechtfertigen könnten, Ungarn habe von seiner effektiv geltenden Rechtsordnung her einen dem Standard der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechenden Schutz geboten. Der Beschwerdeführer hat auf diese Weise nach Maßgabe der ihn im Verwaltungsverfahren treffenden Mitwirkungspflicht, ohne daß es demnach noch einer weiteren Konkretisierung seines Vorbringens bedurft hätte, die Wesentlichkeit der der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensmängel aufgezeigt (vgl. dazu des näheren das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/19/0413). Im Hinblick darauf, daß schon die Erstbehörde kein entsprechendes Ermittlungsverfahren durchgeführt hat und dem Beschwerdeführer im Berufungsverfahren kein Parteiengehör gewährt wurde, obwohl dies bei einer Klarstellung seines sich darauf beziehenden Berufungsvorbringens, wie sie nun in der Beschwerde erfolgt ist, erforderlich gewesen wäre, verstößt sein (erstmals in der Beschwerde erstattetes) Vorbringen diesbezüglich auch nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG.

Da somit auch in diesem Punkt Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das den Ersatz weiterer Stempelgebühren betreffende Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Beschwerde nur in zweifacher Ausfertigung einzubringen und ihr lediglich eine einzige Ausfertigung des angefochtenen Bescheides beizulegen war.

Schlagworte

Begründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Beweiswürdigung antizipative vorweggenommene Parteiengehör Rechtsmittelverfahren Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Freie Beweiswürdigung Vorweggenommene antizipative Beweiswürdigung freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994010778.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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