TE Vwgh Erkenntnis 1995/6/20 94/05/0151

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Veröffentlicht am 20.06.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;
83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

AVG §8;
AWG 1990 §29 Abs1;
AWG 1990 §29 Abs2;
AWG 1990 §29 Abs4;
AWG 1990 §29 Abs5 Z6;
GewO 1973 §356 Abs3;
GewO 1973 §74 Abs2;
GewO 1973 §75 Abs2;
GewO 1973 §75 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der A in G, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des BM für Umwelt, Jugend und Familie vom 7. April 1994, Zl. 06 3546/137-V/6/93-Gl, betr Einwendungen gegen die Errichtung eines Problemstoffzwischenlagers (mP:

Umweltdienst Bgld Abfallwirtschafts-Ges.m.b.H. in Oberpullendorf), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Rechtsvorgänger der mitbeteiligten Partei beantragte mit Anbringen vom 10. Mai 1991 beim Landeshauptmann von Burgenland die Erteilung der abfallrechtlichen Bewilligung gemäß § 29 Abs. 1 Z. 2 Abfallwirtschaftsgesetz, BGBl. Nr. 325/1990, zur Errichtung eines Problemstoffzwischenlagers auf dem Grundstück Nr. 6803 der KG G. Diesem Projekt lag der technische Bericht des Projektverfassers Zivilingenieurgemeinschaft Büro Dr. L vom Februar 1991 zugrunde, welcher den Zweck der Anlage wie folgt umschreibt:

"Nach dem Konzept des Burgenländischen Müllverbandes für die Sammlung von Problemstoffen aus dem Haushalt, der Landwirtschaft und von Kleinstgewerbebetrieben im Burgenland werden ca. 150 örtliche Sammelstellen in den Gemeinden und vier Anlagen zur Behandlung, Verwertung und Zwischenlagerung im Burgenland errichtet.

Das gegenständliche Vorhaben betrifft das Problemstoffzwischenlager Nord."

Unter Punkt "4. Eingesetzte Abfälle" dieses technischen Berichtes werden die im Zwischenlager vor Versand zur Verwertung bzw. Entsorgung anzusammelnden Problemstoffe mit den Höchstmengen angegeben.

Am 17. Dezember 1991 ordnete der Landeshauptmann von Burgenland die Bekanntmachung gemäß § 29 Abs. 4 AWG an. Mit Eingabe vom 10. Februar 1992 erhob die Beschwerdeführerin folgende Einwendungen:

"Die BVZ - Wochenzeitung hat im Anzeigenteil am 15. Jänner 1992 bekanntgegeben, daß der Umweltdienst Burgenland Abfallwirtschaftsgesellschaft m.b.H. mit dem Sitz in Oberpullendorf um Erteilung der abfallrechtlichen Bewilligung gemäß § 29 Abs. 1 Z. 2 Abfallwirtschaftsgesetz, BGBl. Nr. 325/1990, zur Errichtung und zum Betrieb eines Problemstoffzwischenlagers auf dem Grundstück Nr. 6803 der KG G (F) beim Amt der Burgenländischen Landesregierung, Abteilung VI/6, angesucht hat.

Die BVZ gab weiters bekannt, daß gemäß § 29 Abs. 4 Abfallwirtschaftsgesetz Einwendungen gegen die Errichtung des Problemstoffzwischenlagers auf dem zitierten Grundstück binnen sechs Wochen ab Veröffentlichung dieser Bekanntmachung beim Amt der Burgenländischen Landesregierung, Abteilung VI/2, eingebracht werden können.

Aufgrund dieses Rechtes gestatte ich mir darauf hinzuweisen, daß das Grundstück Nr. 6803 gesetzmäßig noch nicht im Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde G aufscheint. Es dürfte auch nicht ein Verfahren gemäß § 18 des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes über das F-Gebiet durchgeführt worden sein, womit dieses jemals umgewidmet wurde. Lediglich ein rechteckförmiges, einzelnes Teilgebiet (Gebäude) scheint als "BI" (Industriegebiet) gemäß § 14 Abs. 3 lit. d im derzeit rechtswirksamen Flächenwidmungsplan der Gemeinde G auf. Dieser Einwand müßte schon Grund genug sein, daß dieses eingebrachte Ansuchen der oben zitierten Abfallwirtschaftsgesellschaft abzulehnen ist.

Um eine Mangelhaftigkeit des Verwaltungsverfahrens zu verhindern, darf ich es als selbstverständlich bezeichnen, daß beim Ermittlungsverfahren, insbesondere bei der mündlichen Verhandlung an Ort und Stelle ein Sachverständiger der Raumplanungsstelle der Kommission beigestellt wird. Dies ist auch der Grund, warum ich eine Ausfertigung meines schriftlichen Einwandes dem Direktionsbereich Raumordnung des Amtes der Burgenländischen Landesregierung übermittle.

Schließlich darf ich noch auf die einstimmigen Beschlüsse des Tagesordnungspunktes 7 (a + b) der Gemeinderatssitzung vom 28. Jänner 1992, in der sich die Marktgemeinde G gegen die Errichtung und Inbetriebnahme eines Problemstoffzwischenlagers auf dem Grundstück Nr. 6803 (F) der KG G ausspricht, hinweisen:

..."

(Es folgt der Beschlußtext)..."

Mit Kundmachung vom 2. Juli 1992 beraumte der Landeshauptmann von Burgenland für den 23. Juli 1992 eine Verhandlung über das obzitierte Projekt unter Hinweis auf die §§ 40 bis 44 AVG i.V.m. § 29 Abs. 1 Z. 2 AWG an Ort und Stelle an.

Die zur Verhandlung erschienene Beschwerdeführerin verwies auf ihre bereits schriftlich vorgelegten Einwendungen und ergänzte diese durch weitere in schriftlicher Form dem Verhandlungsleiter übergebene Erklärungen, welche dem Protokoll beigeschlossen wurden.

Mit Bescheid vom 16. Februar 1993 erteilte der Landeshauptmann von Burgenland der mitbeteiligten Partei im Punkt I. die Bewilligung zur Errichtung eines Problemstoffzwischenlagers auf dem Grundstück Nr. 6803, EZ 1642, KG G, nach Maßgabe der Projektsbeschreibung unter Punkt IV. dieses Bescheides, der eingereichten Projektunterlagen und Pläne, die einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bilden, sowie unter Einhaltung sämtlicher unter Punkt V. angeführten Vorschreibungen und Auflagen unter Vorbehalt der Erteilung einer Betriebsbewilligung. Unter Punkt IV. der Projektsbeschreibung dieses Bescheides wurden unter anderem gemäß Verordnung zur Festsetzung gefährlicher Abfälle (BGBl. Nr. 49/1991) die vom Projekt umfaßten Abfälle nach den Schlüsselnummern gemäß Ö-Norm S 2101 bzw. Ö-Norm S 2100 ausdrücklich zugeordnet. Die Einwendungen der Beschwerdeführerin wurden unter Spruchpunkt VI. als unbegründet abgewiesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie vom 7. April 1994 wurde u.a. der Berufung der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid keine Folge gegeben. Gleichzeitig wurden dem Punkt V. des erstinstanzlichen Bescheides jedoch weitere Auflagen hinzugefügt. Soweit für das gegenständliche Beschwerdeverfahren von Bedeutung, führte die belangte Behörde in der Begründung dieses Bescheides aus, mangels Erhebung einer Einwendung im Rechtssinne innerhalb der sechswöchigen Frist habe die Beschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren keine Parteistellung erlangt. Auf ihr Vorbringen - mit Ausnahme der Frage der Zuständigkeit - habe daher nicht näher eingegangen werden können. In der geplanten Anlage soll jedenfalls eine Behandlung von Abfällen stattfinden, weshalb diese der Genehmigungspflicht gemäß § 29 Abs. 1 Z. 2 AWG unterliege.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht, "daß das von der Umweltdienst Burgenland Abfallwirtschaftsges. m.b.H. auf dem Grundstück Nr. 6803 der KG G projektierte Problemstoffzwischenlager nur bei Vorliegen sämtlicher gesetzlichen Voraussetzungen von der zuständigen Behörde genehmigt wird", verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 29 Abs. 1 Z. 2 AWG bedarf die Errichtung oder wesentliche Änderung sowie die Inbetriebnahme von sonstigen Anlagen, deren Betriebszweck die Übernahme von nicht im eigenen Betrieb anfallenden gefährlichen Abfällen zur thermischen oder stofflichen Verwertung oder sonstigen Behandlung ist, einer Genehmigung des Landeshauptmannes.

Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle hat der Landeshauptmann bei der Erteilung der Genehmigung gemäß Abs. 1 nach Maßgabe der folgenden Absätze alle Bestimmungen anzuwenden, die im Bereich des Gewerbe-, Wasser-, Forst-, Berg-, Luftfahrts-, Schiffahrts-, Luftreinhalte-, Rohrleitungs- sowie Eisenbahnrechtes für Bewilligungen, Genehmigungen oder Untersagungen des Vorhabens anzuwenden sind. Die Genehmigung ersetzt die nach bundesrechtlichen Vorschriften erforderlichen Bewilligungen, Genehmigungen oder Nicht-Untersagungen.

Gemäß Abs. 4 dieser Gesetzesstelle hat der Landeshauptmann, wenn eine Genehmigung gemäß Abs. 1 beantragt wird, den Antrag durch Anschlag in der Gemeinde und in einer örtlichen Zeitung öffentlich bekanntzumachen. Mit der Bekanntmachung ist eine Frist von sechs Wochen einzuräumen, innerhalb der gegen die Genehmigung der Behandlungsanlage von den Nachbarn (§ 75 Abs. 2 und 3 GewO 1973) begründete schriftliche Einwendungen beim Landeshauptmann eingebracht werden können.

Gemäß Abs. 5 Z. 6 dieser Gesetzesstelle haben Parteistellung in diesem Verfahren Nachbarn (§ 75 Abs. 2 und 3 GewO 1973), die Einwendungen gemäß Abs. 4 innerhalb der sechswöchigen Frist erhoben haben.

Gemäß § 75 Abs. 2 GewO 1973 sind Nachbarn alle Personen, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten. Als Nachbarn gelten nicht Personen, die sich vorübergehend in der Nähe der Betriebsanlage aufhalten und nicht im Sinne des vorherigen Satzes dinglich berechtigt sind. Als Nachbarn gelten jedoch die Inhaber von Einrichtungen, in denen sich, wie etwa in Beherbergungsbetrieben, Krankenanstalten und Heimen, regelmäßig Personen vorübergehend aufhalten, hinsichtlich des Schutzes dieser Personen, und die Erhalter von Schulen hinsichtlich des Schutzes der Schüler, der Lehrer und der sonst in Schulen ständig beschäftigten Personen.

Parteistellung erlangt somit ein Nachbar gemäß § 29 Abs. 5 Z. 6 AWG in einem gemäß § 29 Abs. 1 leg. cit. beantragten Genehmigungsverfahren nur dann, wenn er im Sinne des Abs. 4 dieses Paragraphen begründete schriftliche Einwendungen beim Landeshauptmann innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist eingebracht hat.

Eine Einwendung in diesem Sinne liegt nur dann vor, wenn der Nachbar die Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend macht. Dem betreffenden Vorbringen muß jedenfalls entnommen werden können, daß überhaupt die Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend gemacht wird, und ferner, welcher Art dieses Recht ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 22. Oktober 1992, Zl. 92/04/0138, vom 14. Mai 1985, Zl. 82/05/0185, BauSlg. 440, u. a.).

Die von der Beschwerdeführerin rechtzeitig am 10. Februar 1992 erhobenen Einwendungen beziehen sich ausschließlich darauf, daß das geplante Vorhaben mit der vorgeschriebenen Flächenwidmung und Raumordnung nicht vereinbar ist, ohne diese behauptete Rechtsverletzung in bezug auf ein subjektives-öffentliches Recht der Beschwerdeführerin zu setzen. Auf die Einhaltung der einzelnen Widmungskategorien des Flächenwidmungsplanes besitzt aber der Nachbar nach den im Beschwerdefall maßgebenden Vorschriften nicht schlechthin ein subjektiv-öffentliches Recht.

Abgesehen davon, daß die Beschwerdeführerin eine Nachbarstellung im Sinne des § 75 Abs. 2 und 3 GewO 1973 im verwaltungsbehördlichen Verfahren nicht konkret dargelegt hat, kommt ihr daher Parteistellung im gegenständlichen Verfahren mangels fristgerechter begründeter schriftlicher Einwendungen nicht zu.

Da die Parteistellung und eine allenfalls eingetretene Präklusion nur innerhalb der durch den Verhandlungsgegenstand gezogenen Grenzen geprüft werden und eintreten kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. April 1986, Zl. 85/04/0173), hatte jedoch der Verwaltungsgerichtshof aufgrund der Beschwerdebehauptung, der angefochtene Bescheid gehe im Umfang seiner Genehmigung weit über das vom Projektwerber dargestellte Ausmaß an Problemstoffen hinaus, einzugehen.

Aus dem dem Antrag der Beschwerdeführerin zugrunde liegenden technischen Bericht betreffend den Zweck der Anlage, die angeführten eingesetzten Abfälle, der Betriebsbeschreibung und der angefügten Beilage betreffend "Manipulations- und Lagerfläche Kühlgeräte" vermag jedoch der Verwaltungsgerichtshof durch die dem erstinstanzlichen Bescheid unter Punkt "IV. Projektsbeschreibung" aufgezählten Schlüsselnummern der Ö-Normen S 2101 und S 2100 weder eine Antragsüberschreitung noch eine Projektsänderung zu erkennen.

Kommt aber - wie oben aufgezeigt - der Beschwerdeführerin im nach § 29 AWG abgeführten Verfahren Parteistellung nicht zu, kann sie durch das vom Beschwerdepunkt umfaßte Recht nicht verletzt sein. Dem Verwaltungsgerichtshof ist es daher verwehrt, auf die Beschwerdeausführungen - auch soweit sie sich auf die Zuständigkeit des Landeshauptmannes beziehen - einzugehen.

Da die Parteistellung einer Person auch nicht dadurch erzeugt wird, daß die Behörde ihren Antrag einer sachlichen Erledigung zuführt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Jänner 1969, Slg. Nr. 7488/A), war die - aufgrund der durch die Beschwerdebehauptungen bestandenen Rechtsverletzungsmöglichkeit der Beschwerdeführerin zulässige (vgl. den hg. Beschluß vom 7. Juli 1981, Slg. Nr. 10.511/A) - Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Parteibegriff - Parteienrechte Allgemein diverse Interessen Rechtspersönlichkeit Parteibegriff Parteistellung strittige Rechtsnachfolger Zustellung Parteibegriff Tätigkeit der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994050151.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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