TE Bvwg Erkenntnis 2024/7/5 L503 2291285-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.07.2024
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Entscheidungsdatum

05.07.2024

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Spruch


L503 2291285-1/9E

Im Namen der Republik!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DIEHSBACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die BBU GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 4.4.2024, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 5.6.2024, zu Recht erkannt:Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DIEHSBACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Syrien, vertreten durch die BBU GmbH, gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 4.4.2024, Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 5.6.2024, zu Recht erkannt:

A.) Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.A.) Die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides wird gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B.) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.B.) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgangrömisch eins. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden kurz: "BF") – eigenen Angaben zufolge ein syrischer Staatsangehöriger – stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 29.5.2023 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei seiner Erstbefragung am selben Tag gab der BF an, er habe Syrien im Juli 2019 illegal zu Fuß in die Türkei verlassen und sich dort ca. vier Jahre lang aufgehalten, ehe er illegal nach Österreich gereist sei. Als Fluchtgrund gab der BF an, dass in Syrien Unruhen herrschen würden, er zum Militär müsse, nicht kämpfen und nicht töten wolle. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst um sein Leben.

2. Am 12.2.2024 wurde der BF durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden kurz: "BFA") niederschriftlich einvernommen. Dabei gab der BF an, dass sich sein Vater nicht mehr in der Türkei, sondern in Deutschland aufhalte.

Auf die Frage nach seinen Fluchtgründen gab der BF an, er habe Syrien wegen des Krieges und weil er zum Militärdienst aufgefordert worden sei, verlassen. Auf Nachfrage führte der BF aus, sie seien seit 2012 außerhalb der Regierungszone gewesen und er könne schon deshalb nicht dorthin, weil sein Vater vom Militär desertiert sei. Als er 17 oder 18 Jahre alt gewesen sei, habe ihn die Al-Nusra Front rekrutieren wollen, da habe sein Vater habe Angst bekommen und ihn außer Landes bringen lassen. Darüber hinaus werde ihre Zone auch bombardiert, das letzte Mal vor fünf Monaten, es gebe ständig Bombardierungen. Er glaube, er sei am 28.7.2019 ausgereist. Auf die Frage nach seinen Rückkehrbefürchtungen gab der BF an: "Ich hätte Angst zu sterben. Entweder weil sie mich ins Gefängnis bringen oder gleich umbringen würden oder gegen meinen Willen zum Militär einziehen." (AS. 37) Auch bei einem Freikauf würde man trotzdem eingezogen, darüber hinaus würden sie ihn sofort einsperren, weil sein Vater ja 2012 vom Heer desertiert sei; man verhafte Familienangehörige, um die desertierte Person zur Rückkehr zu zwingen. Auch sei er säumig, was den Militärdienst betreffe. Er sei aus Idlib, sie würden ohnehin als Regimegegner und Landesverräter gelten. Dadurch, dass sie außerhalb der Regierungszone gewesen seien, hätten sie keine Sanktionen erreichen können. Die zahlreichen Bombardierungen hätten allgemein stattgefunden.

Vorgelegt wurden vom BF diverse Personenstandsdokumente inklusive deutscher Übersetzung (Geburtsurkunde, Personenregisterauszug, jeweils ausgestellt am 13.6.2023) sowie Kursbesuchsbestätigungen.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 30.6.2023 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Dem BF wurde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 30.6.2023 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Dem BF wurde gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und ihm gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.).

Begründend führte das BFA zusammengefasst im Wesentlichen aus, dass aus den vom BF vorgebrachten Gründen keine individuellen, konkret gegen ihn gerichteten Verfolgungshandlungen oder Bedrohungen erkannt werden hätten können, die über die Unbilligkeiten des Bürgerkriegs hinausgehen würden. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der BF Syrien aufgrund einer persönlich gegen ihn gerichteten Verfolgung oder Bedrohung im Zusammenhang mit dem Wehrdienst verlassen habe; ein Rekrutierungsversuch durch Al-Nusra sei nicht glaubhaft. Der BF habe Syrien aufgrund des Bürgerkriegs verlassen. Somit habe keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention erkannt werden können. Allerdings komme die Behörde – nach dem "Zumutbarkeitskalkül" – zur Ansicht, dass in Zusammenhalt individueller Faktoren und der derzeitigen Lage in Syrien im Fall des BF die Kriterien für eine ausweglose Lage (noch) vorlägen, sodass ihm subsidiärer Schutz zu gewähren sei.

4. Mit Schreiben vom 14.4.2024 wurde das BFA davon verständigt, dass der BF per 11.4.2024 aufgrund unbekannten Aufenthalts von der Grundversorgung abgemeldet wurde.

5. Mit Schriftsatz seiner bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation vom 25.4.2024 erhob der BF fristgerecht Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des BFA vom 4.4.2024.5. Mit Schriftsatz seiner bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation vom 25.4.2024 erhob der BF fristgerecht Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des BFA vom 4.4.2024.

Darin wurde zusammengefasst vorgebracht, dass der BF im Falle einer Rückkehr in seine Heimat mit einer gegenwärtigen Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung, vor allem durch das syrische Regime wegen seiner Weigerung, den Militärdienst zu leisten, ausgesetzt wäre. Da sich sein Herkunftsort bis Ende 2019 unter Kontrolle oppositioneller Kräfte befunden habe, habe er vor Erreichen des militärpflichtigen Alters in Syrien keinen Kontakt zum Regime gehabt und könne daher weder ein Militärbuch noch einen persönlichen Einberufungsbefehl vorlegen. Da die Herkunftsregion im Regimegebiet liege, würde er bei seiner Rückkehr gezwungenermaßen mit den syrischen Behörden in Kontakt kommen und seine Wehrdienstverweigerung festgestellt werden. Aufgrund des Zusammentreffens mehrerer Faktoren – anhaltende Wehrdienstverweigerung, Asylantragstellung im Ausland bzw. Aufenthalt in Europa, illegale Ausreise, Herkunft aus einem vormals von der syrischen Opposition gehaltenen Gebiet, Reflexverfolgung aufgrund der 2012 erfolgten Desertion seines Vaters, der sich seither nicht mehr in Regimegebieten aufgehalten habe und sich aktuell in einem laufendenden Verfahren über die Gewährung von internationalem Schutz in Deutschland befinde – würde ihm eine oppositionelle Gesinnung zumindest unterstellt. Die Ablehnung des Wehrdienstes beruhe auf politischen bzw. religiösen Gründen und habe der BF keine zumutbare Möglichkeit, einen Aufschub zu beantragen oder sich durch Geldersatzleistung vom Wehrdienst freizukaufen, zumal selbst in diesem Fall keine Sicherheit bestünde. Die Behörde hätte genauer nachfragen müssen und habe die Länderberichte, insbesondere auch die Berichte von EASO/EUAA oder UNHCR, unzureichend berücksichtigt bzw. das eigene Amtswissen außer Acht gelassen. Weiters sei sie offensichtlich von einem „überhöhten Regelbeweismaßstab“ ausgegangen.

Beantragt wurde unter anderem die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.

6. Am 2.5.2024 langte der Akt in der hg. Abteilung ein.

7. Am 5.6.2024 führte das BVwG in der Sache des BF in dessen Beisein sowie seiner Rechtsvertretung eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Ein Behördenvertreter ist zur Verhandlung entschuldigt nicht erschienen. Im Zuge der Verhandlung wurden das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien (Stand 27.3.2024), der Themenbericht der Staatendokumentation "Syrien – Grenzübergänge" vom 25.10.2023 und das Themendossier Wehrdienst der Staatendokumentation vom 20.3.2024 in das Verfahren eingebracht. Der BF bzw. seine Rechtsvertretung nahm die Berichte zur Kenntnis und verwies auf die Ausführungen im Beschwerdeschriftsatz.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF:

Der BF führt den im Spruch angeführten Namen und wurde am dort angeführten Datum geboren. Seine Identität steht nicht fest. Er ist Staatsangehöriger von Syrien, Angehöriger der arabischen Volksgruppe und bekennt sich zum Islam. Der BF spricht Arabisch.

Der BF stammt aus dem Dorf XXXX (laut Syria Live Map: XXXX ) westlich von XXXX (laut Syria Live Map: XXXX ) im Gouvernement Idlib, wo die Familie über landwirtschaftlichen Grundbesitz verfügte. Da sein Vater als Polizist in Damaskus arbeitete, pendelte der BF in seiner Kindheit zwischen Idlib und Damaskus, wo sie jeweils ein Haus hatten. Von 2012 bis 2019 lebte der BF mit seiner Familie ausschließlich in seinem Heimatdorf in Idlib, das sich damals unter Kontrolle der Opposition befand. Aktuell steht das Dorf unter der Kontrolle der syrischen Regierung bzw. lokaler regierungsfreundlicher Milizen.Der BF stammt aus dem Dorf römisch 40 (laut Syria Live Map: römisch 40 ) westlich von römisch 40 (laut Syria Live Map: römisch 40 ) im Gouvernement Idlib, wo die Familie über landwirtschaftlichen Grundbesitz verfügte. Da sein Vater als Polizist in Damaskus arbeitete, pendelte der BF in seiner Kindheit zwischen Idlib und Damaskus, wo sie jeweils ein Haus hatten. Von 2012 bis 2019 lebte der BF mit seiner Familie ausschließlich in seinem Heimatdorf in Idlib, das sich damals unter Kontrolle der Opposition befand. Aktuell steht das Dorf unter der Kontrolle der syrischen Regierung bzw. lokaler regierungsfreundlicher Milizen.

Der BF ist ledig und hat keine Kinder. Er hat sechs Schwestern und drei jüngere Brüder (geboren 2005, 2010 und 2016). Vier seiner Schwestern sind verheiratet und leben in Flüchlingscamps nahe der türkischen Grenze. Die übrigen Geschwister und die Mutter des BF leben in der Türkei, wobei sich ein Bruder in Istanbul aufhält und eine Schwester bereits verheiratet ist. Der Vater des BF ist wenige Monate nach dem BF aus der Türkei ausgereist und hat in Deutschland um internationalen Schutz angesucht.

Als sich die Unruhen in Damaskus zuspitzten und die Armee 2012 kurz davor stand, das Wohnviertel der Familie in Damaskus zu stürmen, quittierte der Vater des BF seinen Dienst und die Familie verließ die Hauptstadt. In ihrem Heimatdorf bestritt die Familie ihren Lebensunterhalt durch die Landwirtschaft. Als sich 2019 die Kämpfe dem Heimatdorf näherten und Verteidiger mit der Rekrutierung von jungen Männern begannen, verließ der BF zunächst allein das Dorf und reiste – mit dem Ziel EU – in die Türkei aus. Als die Kämpfe kurz darauf das Dorf unmittelbar erreichten, floh auch die Familie des BF und gelangte nach Aufenthalt in einem Flüchtlingscamp Ende 2020 ebenfalls in die Türkei.

Der BF besuchte in Syrien zehn Jahre lang die Schule und arbeitete in der Türkei zuletzt in einer Konditorei.

Im Mai 2023 verließ der BF die Türkei gezielt in Richtung Österreich und reiste schlepperunterstützt über Bulgarien, Serbien und Ungarn in das Bundesgebiet ein, wo er am 29.5.2023 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Der BF hat in Österreich den Status eines subsidiär Schutzberechtigten.

1.2. Zu den Fluchtgründen bzw. Rückkehrbefürchtungen des BF:

1.2.1. Der BF befindet sich im wehrpflichtigen Alter. Er hat den verpflichtenden Wehrdienst in der syrischen Armee noch nicht abgeleistet. Er hat weder ein Militärdienstbuch erhalten noch wurde der BF bislang vom syrischen Regime zum Wehrdienst einberufen oder einer Musterung unterzogen. Der BF war wegen der Nichtableistung des Militärdienstes auch keinen Verfolgungshandlungen ausgesetzt.

Nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, dass der BF im Falle einer Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung Folter ausgesetzt wäre. Es ist nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sich der BF im Fall der Ableistung des Wehrdienstes an Kriegsverbrechen beteiligen müsste.

Der BF kann bei den syrischen Behörden um die Befreiung vom Wehrdienst gegen Leistung eines Wehrersatzgeldes ansuchen.

Der BF weist keine glaubhaft verinnerlichte politische Überzeugung gegen das syrische Regime bzw. gegen den Militärdienst für das syrische Regime oder den Dienst an der Waffe an sich auf.

Die syrische Regierung unterstellt dem BF wegen der mit seiner Flucht verbundenen Entziehung vom Militärdienst oder einer künftigen Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine politische oder oppositionelle Gesinnung.

1.2.2. Ein konkret auf die Person des BF bezogener Versuch zur Einberufung bzw. Rekrutierung von Seiten anderer Akteure, insbesondere oppositioneller Milizen oder kurdischer Kräfte, hat nicht stattgefunden und wurden dahingehende Befürchtungen auch nicht vorgebracht. Bei einer Rückkehr an seinen Herkunftsort droht dem BF keine Zwangsrekrutierung durch eine andere Gruppierung.

1.2.3. Der BF ist nicht Mitglied einer oppositionellen Gruppierung und ist auch sonst nicht in das Blickfeld der syrischen Regierung oder anderer Konfliktparteien geraten. Als sich sein Heimatdorf bzw. dessen Umgebung noch unter Kontrolle der Opposition befand, hat der BF zumindest einmal im Jahr 2018 an einer Demonstration gegen das syrische Regime teilgenommen. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Behörden in diesen Zusammenhang auf ihn aufmerksam wurden. Der BF hat in Syrien keine Straftaten begangen und wurde nie verhaftet. Der BF hat kein exilpolitisches Engagement in Österreich entfaltet.

1.2.4. Der Vater des BF war einfacher Polizist. 2012 brachte er sich und seine Familie in seinem Heimatdorf in Sicherheit, das sich bis 2019 bzw. 2020 im Oppositionsgebiet befand. Dass der Vater den Dienst aufgrund seiner politischen Überzeugungen verließ bzw. ihm seitens der syrischen Regierung eine oppositionelle Haltung unterstellt wird, kann nicht festgestellt werden. Ebenso wenig kann festgestellt werden, dass dem BF aufgrund dieses Verwandtschaftsverhältnisses mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine asylrelevante Gefährdung bzw. Verfolgung droht.

1.2.5. Dem BF droht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine Verfolgung aufgrund oder der Abstammung aus einem ehemals oppositionellen Gebiet, seiner illegalen Ausreise aus Syrien und seiner Asylantragstellung in Europa bzw. einer ihm hierdurch allfällig unterstellten oppositionellen Haltung. Nicht jedem Rückkehrer, der unrechtmäßig ausgereist ist und im Ausland einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wird eine oppositionelle Gesinnung unterstellt.

1.2.6. Die Gefahr einer dem BF in Syrien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohenden asylrelevanten Verfolgung aufgrund seines Glaubensbekenntnisses oder seiner arabischen Volksgruppenzugehörigkeit kann nicht festgestellt werden.

Es kann auch keine sonstige Gefahr einer unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung des BF im Falle seiner Rückkehr festgestellt werden.

Der BF verließ Syrien aufgrund der kriegerischen Auseinandersetzungen.

1.3. Zur aktuellen Situation in Syrien:

Zur Lage in Syrien wird auf das vom BVwG in der mündlichen Verhandlung vom 5.6.2024 in das Verfahren eingebrachte Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien (Version 11, Gesamtaktualisierung am 27.3.2024), in dem eine Vielzahl von Berichten diverser allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt werden und in welchem auch konkret auf die regelmäßig beauftragten Anfragebeantwortungen zur aktuellen Situation bzw. spezifischen Fragestellungen Bezug genommen wurde, verwiesen wird. Weiters wurden in der Beschwerdeverhandlung der Themenbericht der Staatendokumentation "Syrien-Grenzübergänge" vom 25.10.2023 und das Themendossier Wehrdienst der Staatendokumentation vom 20.3.2024 in das Verfahren eingebracht. Der BF bzw. dessen Rechtsvertretung trat den Berichten nicht entgegen. Gegen die Heranziehung der Berichte bestehen somit keine Bedenken. Im Übrigen wird auf die Berichte unten im Rahmen der Beweiswürdigung im jeweiligen Zusammenhang näher eingegangen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person des BF:

Die zur Identität des BF getroffenen Feststellungen, wie auch zu seiner Staats- und Volksgruppenzugehörigkeit, dem religiösen Bekenntnis und seinen Sprachkenntnissen beruhen auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF im Verfahren. Anhand der vorgelegten – offenkundig erst nachträglich ausgestellten und nicht überprüfbaren Dokumente – konnte seine Identität jedoch nicht mit der nötigen Sicherheit festgestellt werden.

Die getroffenen Feststellungen zum Lebenslauf des BF und zu den Lebensumständen seiner Familienangehörigen beruhen unmittelbar auf seinen – diesbezüglich grundsätzlich glaubhaften – Angaben in der Erstbefragung (AS. 21 ff) und in der Beschwerdeverhandlung. Dass der BF und seine Familie 2012 zuerst in ihr Heimatdorf nach Idlib gingen und sich 2019 bzw. 2020 schließlich in die Türkei begaben, gründet sich ebenfalls auf die Angaben des BF bei seiner Einvernahme vor dem BFA (AS. 37) und in der Beschwerdeverhandlung (dazu auch unter Punkt 2.2.2.) und ist die Chronologie auch vor dem Hintergrund der unter Punkt 2.2.1. wiedergegebenen Berichtslage schlüssig. Dass der BF bereits bei seiner Ausreise aus Syrien nach Europa wollte und schließlich gezielt nach Österreich ausreiste, ergibt sich aus seinen Angaben in der Beschwerdeverhandlung, ebenso wie der Umstand, dass er in der Türkei zuletzt in einer Konditorei arbeitete (VS. 5).

2.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:

2.2.1. Gegenständlich ist das Dorf XXXX (laut Syria Live Map: XXXX ) im Gouvernement Idlib als Herkunftsort des BF anzusehen. Der BF wurde im benachbarten XXXX geboren (vgl. AS. 19, siehe auch AS. 41, 49) und verbrachte seine gesamte Jugend bis zu seiner Ausreise in XXXX , auch wenn er sich – bedingt durch den Arbeitsort seines Vaters – bis zum 10. Lebensjahr mit seinen Eltern und Geschwistern teils in XXXX , teils in Damaskus aufgehalten hat (VS. 3 f). Er selbst sieht sich selbst offenkundig als dort beheimatet an (vgl. AS. 37: "Ich bin aus Idlib", VS. 4: "Nein, mein Vater hat ursprünglich in Damaskus gearbeitet. Aber wir kommen ursprünglich aus Idlib und wir haben sowohl in Damaskus als auch in Idlib jeweils ein Haus gehabt. Außerdem ist das Haus meines Großvaters und unsere ganze Familie in Idlib zu Hause.") und bezeichnete den Ort in der Beschwerdeverhandlung regelmäßig als "unser Dorf", sodass sich diesbezüglich keine Zweifel ergeben. 2.2.1. Gegenständlich ist das Dorf römisch 40 (laut Syria Live Map: römisch 40 ) im Gouvernement Idlib als Herkunftsort des BF anzusehen. Der BF wurde im benachbarten römisch 40 geboren vergleiche AS. 19, siehe auch AS. 41, 49) und verbrachte seine gesamte Jugend bis zu seiner Ausreise in römisch 40 , auch wenn er sich – bedingt durch den Arbeitsort seines Vaters – bis zum 10. Lebensjahr mit seinen Eltern und Geschwistern teils in römisch 40 , teils in Damaskus aufgehalten hat (VS. 3 f). Er selbst sieht sich selbst offenkundig als dort beheimatet an vergleiche AS. 37: "Ich bin aus Idlib", VS. 4: "Nein, mein Vater hat ursprünglich in Damaskus gearbeitet. Aber wir kommen ursprünglich aus Idlib und wir haben sowohl in Damaskus als auch in Idlib jeweils ein Haus gehabt. Außerdem ist das Haus meines Großvaters und unsere ganze Familie in Idlib zu Hause.") und bezeichnete den Ort in der Beschwerdeverhandlung regelmäßig als "unser Dorf", sodass sich diesbezüglich keine Zweifel ergeben.

Wie sich aus den vom Gericht herangezogenen Quellen, insb. der Website https://syria.liveuamap.com, ergibt, steht das Heimatdorf des BF aktuell unter der Kontrolle des syrischen Regimes bzw. seiner Verbündeten. Zu den konkreten geographischen und politischen Verhältnissen in der Herkunftsprovinz des BF wird neben der Website https://syria.liveuamap.com auch auf den aktuellen Länderbericht der Staatendokumentation, Stand 27.3.2024, auszugsweise verwiesen wie folgt:

Im Jahr 2015 verlor die syrische Regierung die Kontrolle über Idlib und diverse rivalisierende oppositionelle Gruppierungen übernahmen die Macht (BBC 18.2.2020), wobei die Freie Syrische Armee (FSA) manche Teile der Provinz schon 2012 erobert hatte (KAS 4.2020). Während die syrische Regierung die gesamte Provinz zurückerobern will, versucht Ankara zu verhindern, dass Idlib an Damaskus fällt, und daraufhin noch mehr Syrer in die Türkei flüchten (ORF 14.3.2021; vgl. Alaraby 25.1.2023). […] Im Mai 2017 einigten sich Russland, Iran und die Türkei im Rahmen der Astana-Verhandlungen auf die Errichtung vier sogenannter Deeskalationszonen (DEZ) in Syrien (KAS 6.2020), wobei Idlib Teil einer DEZ wurde, die sich von den nordöstlichen Bergen Lattakias bis zu den nordwestlichen Vororten von Aleppo erstreckt und sowohl durch Hama als auch durch Idlib verläuft (SOHR 2.12.2022). Gemeint waren damit kampffreie Räume, in denen Zivilisten vor Angriffen geschützt sein sollten (KAS 6.2020; vgl. SD 18.8.2019). Gemäß der Übereinkunft von Astana rückte die türkische Armee im Oktober 2017 in die DEZ Idlib ein und errichtete Beobachtungsposten zur Überwachung der Waffenruhe. Ankara hatte sich in Astana verpflichtet, die Rebellen zu entwaffnen und den freien Verkehr auf den Fernstraßen M4 und M5 zu gewährleisten. Im Gegenzug hatten Moskau und Damaskus zugesichert, die Provinz nicht anzugreifen. Zusagen, die letztlich keine Seite einhielt. Die syrische Regierung führte im Zeitraum 2018-2020 Offensiven in Idlib durch, die zur Flucht von rund einer Million Menschen führten (KAS 6.2020).Im Jahr 2015 verlor die syrische Regierung die Kontrolle über Idlib und diverse rivalisierende oppositionelle Gruppierungen übernahmen die Macht (BBC 18.2.2020), wobei die Freie Syrische Armee (FSA) manche Teile der Provinz schon 2012 erobert hatte (KAS 4.2020). Während die syrische Regierung die gesamte Provinz zurückerobern will, versucht Ankara zu verhindern, dass Idlib an Damaskus fällt, und daraufhin noch mehr Syrer in die Türkei flüchten (ORF 14.3.2021; vergleiche Alaraby 25.1.2023). […] Im Mai 2017 einigten sich Russland, Iran und die Türkei im Rahmen der Astana-Verhandlungen auf die Errichtung vier sogenannter Deeskalationszonen (DEZ) in Syrien (KAS 6.2020), wobei Idlib Teil einer DEZ wurde, die sich von den nordöstlichen Bergen Lattakias bis zu den nordwestlichen Vororten von Aleppo erstreckt und sowohl durch Hama als auch durch Idlib verläuft (SOHR 2.12.2022). Gemeint waren damit kampffreie Räume, in denen Zivilisten vor Angriffen geschützt sein sollten (KAS 6.2020; vergleiche SD 18.8.2019). Gemäß der Übereinkunft von Astana rückte die türkische Armee im Oktober 2017 in die DEZ Idlib ein und errichtete Beobachtungsposten zur Überwachung der Waffenruhe. Ankara hatte sich in Astana verpflichtet, die Rebellen zu entwaffnen und den freien Verkehr auf den Fernstraßen M4 und M5 zu gewährleisten. Im Gegenzug hatten Moskau und Damaskus zugesichert, die Provinz nicht anzugreifen. Zusagen, die letztlich keine Seite einhielt. Die syrische Regierung führte im Zeitraum 2018-2020 Offensiven in Idlib durch, die zur Flucht von rund einer Million Menschen führten (KAS 6.2020).

Das syrische Regime hat den Wunsch geäußert, die Provinz zurückzuerobern, doch seit einer Offensive im März 2020, die mit einer für die syrische Regierung katastrophalen Niederlage gegen die Türkei endete, hat das Gebiet den Besitzer nicht mehr gewechselt (Alaraby 5.6.2023). […] Der Konflikt ist derzeit weitgehend eingefroren, auch wenn es immer wieder zu Kämpfen kommt (AJ 15.3.2023). […] Insbesondere im Süden der DEZ kommt es unverändert regelmäßig zu Kampfhandlungen zwischen Einheiten des Regimes und seiner Verbündeten und regimefeindlichen bewaffneten Oppositionsgruppen (AA 2.2.2024; vgl. UNSC 20.4.2023), inklusive schwerer Artillerieangriffe durch das syrische Regime und Luftschläge der russischen Luftwaffe (AA 2.2.2024; vgl. USDOS 20.3.2023). […] Das syrische Regime hat den Wunsch geäußert, die Provinz zurückzuerobern, doch seit einer Offensive im März 2020, die mit einer für die syrische Regierung katastrophalen Niederlage gegen die Türkei endete, hat das Gebiet den Besitzer nicht mehr gewechselt (Alaraby 5.6.2023). […] Der Konflikt ist derzeit weitgehend eingefroren, auch wenn es immer wieder zu Kämpfen kommt (AJ 15.3.2023). […] Insbesondere im Süden der DEZ kommt es unverändert regelmäßig zu Kampfhandlungen zwischen Einheiten des Regimes und seiner Verbündeten und regimefeindlichen bewaffneten Oppositionsgruppen (AA 2.2.2024; vergleiche UNSC 20.4.2023), inklusive schwerer Artillerieangriffe durch das syrische Regime und Luftschläge der russischen Luftwaffe (AA 2.2.2024; vergleiche USDOS 20.3.2023). […]

Mittlerweile hat das Assad-Regime, unterstützt von Russland und Iran, unterschiedlichen Quellen zu Folge zwischen 60 Prozent (INSS 24.4.2022; vgl. GIS 23.5.2022) und 70 Prozent des syrischen Territoriums wieder unter seine Kontrolle gebracht (USCIRF 11.2022; EUAA 9.2022; vgl. CFR 24.1.2024). Ausländische Akteure und regierungstreue Milizen üben erheblichen Einfluss auf Teile des Gebiets aus, das nominell unter der Kontrolle der Regierung steht (AM 23.2.2021; vgl. SWP 3.2020, FP 15.3.2021, EUI 13.3.2020) […] Die zivilen Behörden haben nur begrenzten Einfluss auf ausländische militärische oder paramilitärische Organisationen, die in Syrien operieren, darunter russische Streitkräfte, die libanesische Hizbollah, die iranischen Revolutionswächter (IRGC) und regierungsnahe Milizen wie die Nationalen Verteidigungskräfte (National Defence Forces - NDF), deren Mitglieder zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen haben (USDOS 20.3.2023). Für alle Regionen Syriens gilt dabei, dass eine pauschale ebenso wie eine abschließende Lagebeurteilung nicht möglich ist. Auch innerhalb der verschiedenen Einflussgebiete unterscheidet sich die Lage teilweise von Region zu Region und von Ort zu Ort (AA 2.2.2024).[…] In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Die Regierung ist nicht in der Lage, alle von ihr kontrollierten Gebiete zu verwalten und bedient sich verschiedener Milizen, um einige Gebiete und Kontrollpunkte in Aleppo, Lattakia, Tartus, Hama, Homs und Deir ez-Zor zu kontrollieren (DIS/DRC 2.2019). […]Mittlerweile hat das Assad-Regime, unterstützt von Russland und Iran, unterschiedlichen Quellen zu Folge zwischen 60 Prozent (INSS 24.4.2022; vergleiche GIS 23.5.2022) und 70 Prozent des syrischen Territoriums wieder unter seine Kontrolle gebracht (USCIRF 11.2022; EUAA 9.2022; vergleiche CFR 24.1.2024). Ausländische Akteure und regierungstreue Milizen üben erheblichen Einfluss auf Teile des Gebiets aus, das nominell unter der Kontrolle der Regierung steht (AM 23.2.2021; vergleiche SWP 3.2020, FP 15.3.2021, EUI 13.3.2020) […] Die zivilen Behörden haben nur begrenzten Einfluss auf ausländische militärische oder paramilitärische Organisationen, die in Syrien operieren, darunter russische Streitkräfte, die libanesische Hizbollah, die iranischen Revolutionswächter (IRGC) und regierungsnahe Milizen wie die Nationalen Verteidigungskräfte (National Defence Forces - NDF), deren Mitglieder zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen haben (USDOS 20.3.2023). Für alle Regionen Syriens gilt dabei, dass eine pauschale ebenso wie eine abschließende Lagebeurteilung nicht möglich ist. Auch innerhalb der verschiedenen Einflussgebiete unterscheidet sich die Lage teilweise von Region zu Region und von Ort zu Ort (AA 2.2.2024).[…] In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Die Regierung ist nicht in der Lage, alle von ihr kontrollierten Gebiete zu verwalten und bedient sich verschiedener Milizen, um einige Gebiete und Kontrollpunkte in Aleppo, Lattakia, Tartus, Hama, Homs und Deir ez-Zor zu kontrollieren (DIS/DRC 2.2019). […]

Unabhängig von militärischen Entwicklungen kommt es laut Vereinten Nationen (VN) und Menschenrechtsorganisationen zu massiven Menschenrechtsverletzungen durch verschiedene Akteure in allen Landesteilen, insbesondere auch in Gebieten unter Kontrolle des Regimes (AA 29.11.2021) […]. Die VN-Untersuchungskommission für Syrien hält es für wahrscheinlich, dass das Regime, seine russischen Verbündeten und andere regimetreue Kräfte Angriffe begangen haben, die durch Kriegsverbrechen gekennzeichnet sind und möglicherweise auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit hinauslaufen. Dem Regime nahestehende paramilitärische Gruppen begehen Berichten zufolge häufige Verstöße und Misshandlungen, darunter Massaker, wahllose Tötungen, Entführungen von Zivilisten, extreme körperliche Misshandlungen, einschließlich sexueller Gewalt, und rechtswidrige Festnahmen (USDOS 20.3.2023). Die syrische Regierung und andere Konfliktparteien setzen weiterhin Verhaftungen und das Verschwindenlassen von Personen als Strategie zur Kontrolle und Einschüchterung der Zivilbevölkerung ein (GlobalR2P 31.5.2023; vgl. CC 3.11.2022). In Zentral-, West- und Südsyrien kommt es in den von der Regierung kontrollierten Gebieten systematisch zu willkürlichen Verhaftungen, Folterungen und Misshandlungen (GlobalR2P 1.12.2022) […] Unabhängig von militärischen Entwicklungen kommt es laut Vereinten Nationen (VN) und Menschenrechtsorganisationen zu massiven Menschenrechtsverletzungen durch verschiedene Akteure in allen Landesteilen, insbesondere auch in Gebieten unter Kontrolle des Regimes (AA 29.11.2021) […]. Die VN-Untersuchungskommission für Syrien hält es für wahrscheinlich, dass das Regime, seine russischen Verbündeten und andere regimetreue Kräfte Angriffe begangen haben, die durch Kriegsverbrechen gekennzeichnet sind und möglicherweise auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit hinauslaufen. Dem Regime nahestehende paramilitärische Gruppen begehen Berichten zufolge häufige Verstöße und Misshandlungen, darunter Massaker, wahllose Tötungen, Entführungen von Zivilisten, extreme körperliche Misshandlungen, einschließlich sexueller Gewalt, und rechtswidrige Festnahmen (USDOS 20.3.2023). Die syrische Regierung und andere Konfliktparteien setzen weiterhin Verhaftungen und das Verschwindenlassen von Personen als Strategie zur Kontrolle und Einschüchterung der Zivilbevölkerung ein (GlobalR2P 31.5.2023; vergleiche CC 3.11.2022). In Zentral-, West- und Südsyrien kommt es in den von der Regierung kontrollierten Gebieten systematisch zu willkürlichen Verhaftungen, Folterungen und Misshandlungen (GlobalR2P 1.12.2022) […]

2.2.2. Die Aussagen des BF im Laufe des Verfahren zeigen klar, dass er seine Herkunftsregion und in weiterer Folge Syrien wegen der Kriegssituation bzw. aufgrund der kriegerischen Auseinandersetzungen verlassen hat; so antwortete der BF auf die Frage, warum er Syrien 2019 verlassen habe: "Weil unser Dorf und die Dörfer in der Nähe angegriffen und bombardiert wurden. Die bewaffneten, die die Kontrolle im Dorf gehabt hatten, haben angefangen Jugendliche zu rekrutieren. Daraufhin bin ich geflüchtet und 15 Tage später ist meine Familie auch aus dem Dorf geflüchtet, weil die Kämpfe das Dorf selbst erreicht haben. Durch die Bombardierung ist eine Familie, die direkt hinter uns das Haus hatte, zur Gänze ausgelöscht worden." (VS. 7). Bereits zuvor hatte er angegeben, dass er sich seit Ende 2019, "als das Regime unser Dorf angegriffen hat", bis zu seiner Ausreise nach Österreich in der Türkei aufgehalten habe (VS. 4). Somit hat der BF sein Heimatdorf gerade nicht verlassen, weil er vom syrischen Regime für den Wehrdienst gesucht oder konkret aufgefordert worden wäre, sich an den militärischen Auseinandersetzungen zu beteiligen. Das Gericht hält es zwar durchaus für möglich, dass sich– wie der BF vor dem BFA angab – die Verteidiger des Dorfes beim Näherrücken der Kämpfe allgemein auch nach ihm erkundigten (AS. 37: "Warum sind Sie nicht außerhalb der Regierungszone geblieben? – VP: Als ich 17 oder 18 war, ist eine bewaffnete Gruppierung zu uns gekommen und wollte mich rekrutieren. Da hat mein Vater Angst um mich bekommen und mich außer Landes bringen lassen."), eine versuchte Zwangsrekrutierung lässt sich daraus jedoch nicht ableiten. In der Beschwerdeverhandlung bestätigte der BF explizit, dass es keine konkreten Rekrutierungsversuche gegeben habe: "RI: Sie haben vorher gesagt, Sie hätten Syrien wegen des Bombardements Ihres Dorfes sowie wegen Rekrutierungen durch Milizen verlassen. Gab es konkrete Rekrutierungsversuche gegen Sie oder handelte es sich um eine allgemeine Befürchtung? P: Es war eine allgemeine Befürchtung. Die Bewaffneten, die im Dorf waren, haben das Thema Rekrutierung immer wieder angesprochen, jedoch haben sie niemanden, meines Wissens nach, zwangsweise eingezogen. Es war im Großen und Ganzen eine unübersichtliche Situation." (VS. 8). Nicht einmal ansatzweise brachte der BF – weder vor dem BFA noch in der Beschwerdeverhandlung – zum Ausdruck, dass er damals eine Verpflichtung zum Militärdienst bei den syrischen Streitkräften befürchtet habe (vgl. AS. 37: "Wann sind Sie von wem aufgefordert worden, den Militärdienst zu leisten? VP: Seit 2012 sind wir außerhalb der Regierungszone. Ich konnte schon deshalb nicht in die Regierungszone, weil mein Vater vom Militär desertiert ist. […] LA: Wollen Sie darüber hinaus noch weitere Gründe geltend machen? VP: Darüber hinaus wird unsere Zone auch ständig bombardiert […]" sowie VS. 9: "RI: Waren Sie jemals bei der Musterung? P: Nein. Ich kann nicht zum Regime gehen und bin seit 2012 in regimefreien Gebieten gewesen. – RI: D.h. Sie haben seinerzeit zum Thema Militärdienst vom Regime noch nichts gehört? P: Das Regime war ja nicht in meinem Heimatdorf, als ich dort war und konnte mir auch nichts zustellen. Aber mit 18 oder 19 Jahren wird man bestimmt in Syrien eingezogen.") An dieser Stelle sei angemerkt, dass der BF bereits Anfang 2019 sein 17. Lebensjahr vollendet und daher im Ausreisezeitpunkt das militärpflichtige Alter gerade noch nicht erreicht hatte. Jedenfalls wäre er zur Abholung seines Militärbuches verpflichtet gewesen, konnte dies aber aufgrund der Kontrollsituation offensichtlich gänzlich außer Betracht lassen. Das Vorbringen des BF zeigt eindrücklich, dass die bevorstehende Änderung dieser Kontrollsituation im Zuge der kriegerischen Auseinandersetzungen nicht den unmittelbaren Anlass für seine Ausreise bot. 2.2.2. Die Aussagen des BF im Laufe des Verfahren zeigen klar, dass er seine Herkunftsregion und in weiterer Folge Syrien wegen der Kriegssituation bzw. aufgrund der kriegerischen Auseinandersetzungen verlassen hat; so antwortete der BF auf die Frage, warum er Syrien 2019 verlassen habe: "Weil unser Dorf und die Dörfer in der Nähe angegriffen und bombardiert wurden. Die bewaffneten, die die Kontrolle im Dorf gehabt hatten, haben angefangen Jugendliche zu rekrutieren. Daraufhin bin ich geflüchtet und 15 Tage später ist meine Familie auch aus dem Dorf geflüchtet, weil die Kämpfe das Dorf selbst erreicht haben. Durch die Bombardierung ist eine Familie, die direkt hinter uns das Haus hatte, zur Gänze ausgelöscht worden." (VS. 7). Bereits zuvor hatte er angegeben, dass er sich seit Ende 2019, "als das Regime unser Dorf angegriffen hat", bis zu seiner Ausreise nach Österreich in der Türkei aufgehalten habe (VS. 4). Somit hat der BF sein Heimatdorf gerade nicht verlassen, weil er vom syrischen Regime für den Wehrdienst gesucht oder konkret aufgefordert worden wäre, sich an den militärischen Auseinandersetzungen zu beteiligen. Das Gericht hält es zwar durchaus für möglich, dass sich– wie der BF vor dem BFA angab – die Verteidiger des Dorfes beim Näherrücken der Kämpfe allgemein auch nach ihm erkundigten (AS. 37: "Warum sind Sie nicht außerhalb der Regierungszone geblieben? – VP: Als ich 17 oder 18 war, ist eine bewaffnete Gruppierung zu uns gekommen und wollte mich rekrutieren. Da hat mein Vater Angst um mich bekommen und mich außer Landes bringen lassen."), eine versuchte Zwangsrekrutierung lässt sich daraus jedoch nicht ableiten. In der Beschwerdeverhandlung bestätigte der BF explizit, dass es keine konkreten Rekrutierungsversuche gegeben habe: "RI: Sie haben vorher gesagt, Sie hätten Syrien wegen des Bombardements Ihres Dorfes sowie wegen Rekrutierungen durch Milizen verlassen. Gab es konkrete Rekrutierungsversuche gegen Sie oder handelte es sich um eine allgemeine Befürchtung? P: Es war eine allgemeine Befürchtung. Die Bewaffneten, die im Dorf waren, haben das Thema Rekrutierung immer wieder angesprochen, jedoch haben sie niemanden, meines Wissens nach, zwangsweise eingezogen. Es war im Großen und Ganzen eine unübersichtliche Situation." (VS. 8). Nicht einmal ansatzweise brachte der BF – weder vor dem BFA noch in der Beschwerdeverhandlung – zum Ausdruck, dass er damals eine Verpflichtung zum Militärdienst bei den syrischen Streitkräften befürchtet habe vergleiche AS. 37: "Wann sind Sie von wem aufgefordert worden, den Militärdienst zu leisten? VP: Seit 2012 sind wir außerhalb der Regierungszone. Ich konnte schon deshalb nicht in die Regierungszone, weil mein Vater vom Militär desertiert ist. […] LA: Wollen Sie darüber hinaus noch weitere Gründe geltend machen? VP: Darüber hinaus wird unsere Zone auch ständig bombardiert […]" sowie VS. 9: "RI: Waren Sie jemals bei der Musterung? P: Nein. Ich kann nicht zum Regime gehen und bin seit 2012 in regimefreien Gebieten gewesen. – RI: D.h. Sie haben seinerzeit zum Thema Militärdienst vom Regime noch nichts gehört? P: Das Regime war ja nicht in meinem Heimatdorf, als ich dort war und konnte mir auch nichts zustellen. Aber mit 18 oder 19 Jahren wird man bestimmt in Syrien eingezogen.") An dieser Stelle sei angemerkt, dass der BF bereits Anfang 2019 sein 17. Lebensjahr vollendet und daher im Ausreisezeitpunkt das militärpflichtige Alter gerade noch nicht erreicht hatte. Jedenfalls wäre er zur Abholung seines Militärbuches verpflichtet gewesen, konnte dies aber aufgrund der Kontrollsituation offensichtlich gänzlich außer Betracht lassen. Das Vorbringen des BF zeigt eindrücklich, dass die bevorstehende Änderung dieser Kontrollsituation im Zuge der kriegerischen Auseinandersetzungen nicht den unmittelbaren Anlass für seine Ausreise bot.

Selbst aktuell steht eine mögliche Einziehung zum Wehrdienst für den BF nicht im Vordergrund (VS. 8 f.):

"RI: Was würden Sie befürchten, wenn Sie jetzt zurückkehren müssten?

P: Ich habe Angst vor dem Regime, weil ich aus einer Gegend komme und in einer Gegend gelebt habe, die als regimefeindlich gilt. Mein Vater gilt für das Regime als Verräter, weil er seinen Pflichten nicht nachgekommen ist und ich als sein Sohn werde daher auch vom Regime verfolgt.

[…]

RI: Gibt es sonst noch etwas Konkretes, was Sie im Falle einer Rückkehr in das Regimegebiet fürchten würden?

P: Ich habe Angst getötet oder eingesperrt und gefoltert zu werden, bis zum Tod. Ich bin gegen das Regime und ich kann mir nicht vorstellen, dass mich das Regime mit offenen Armen empfängt.

RI: Gibt es irgendwelche Verpflichtungen, denen Sie im Falle einer Rückkehr nachkommen müssten?

P: Wie meinen Sie das?

RI erörtert die Frage.

P: Nein, aber das Regime würde mich verhaften und einsperren.

RI: Einfach so?

P: Es gibt ja auch Gründe. Ich bin aus einem Dorf, das dem Regime feindselig gegenübergestellt ist und mein Vater ist desertiert.

RI: Sie sind ein junger Mann. Haben Sie als solcher nicht bestimmte Verpflichtungen für das Regime?

P: Welche? Man würde mich zum Wehrdienst einziehen. Das Regime würde mich auf jeden Fall nicht mit offenen Armen begrüßen, wenn man bedenkt, dass ich aus einem Regime-kritischem Gebiet komme, dass mein Vater desertiert ist und ich meinen Wehrdienst nicht angetreten habe."

Bereits dieses Vorbringen zeigt deutlich, dass der BF erst auf mehrfache und schließlich beinahe suggestives Nachfragen überhaupt in der Lage war, seine vagen Rückkehrbefürchtungen mit dem Militärdienst in Zusammenhang zu bringen, und ihm das Szenario, die Ableistung seiner Wehrpflicht aus einer tiefgreifenden politischen Überzeugung bzw. inneren Haltung heraus zu verweigern, völlig fremd ist.

2.2.3. Zum Vorbringen, dass der BF an Demonstrationen gegen das Regime teilgenommen hat

Nachdem der BF sich im gesamten Verfahren von sich aus lediglich auf die Kriegssituation und – wenn auch abstrakt – auf den Militärdienst berufen hatte, steigerte er sein Vorbringen in der Beschwerdeverhandlung, indem er sich erstmals darauf berief, dass er "an einigen Demonstrationen" teilgenommen habe, so z.B. im September 2018 in " XXXX ", einem Nachbarort (VS. 8). Damals sei das Regime nicht vor Ort gewesen und habe sich der Ort unter Kontrolle der Al-Nusra Front bzw. anderer oppositioneller Gruppierungen befunden. Das Gericht hält es grundsätzlich für möglich, dass der damals jugendliche BF in seiner Umgebung als einfacher Teilnehmer an derartigen Demonstrationen teilgenommen hat, wenngleich sich diese Teilnahme auf eine überschaubare Anzahl erstreckt haben dürfte. Ein politisches Engagement in asylrelevantem Ausmaß ist daraus jedenfalls nicht zu erblicken: Der BF befand sich außerhalb des Zugriffs des syrischen Regimes und wurde weder behördlich angehalten, noch hatte er eine bestimmte Funktion inne (VS. 8). Es ist nicht davon auszugehen, dass das syrische Regime von der Teilnahme des BF als normaler Demonstrant ohne Innehabung einer führenden Rolle bei denselben erfahren hat. Die Teilnahme an – einer bzw. wenigen – regimekritischen Demonstrationen in einem zum Zeitpunkt der Demonstrationen ohnehin außerhalb der Kontrolle der syrischen Regierung befindlichen Gebiet stellt noch keine Aktivität von einer derart exponierten Art dar, dass sie geeignet wäre, um tatsächlich in das Visier des syrischen Regimes zu geraten. Hinweise darauf, dass die Kundgebungen vom syrischen Geheimdienst überwacht oder registriert worden wären, hat selbst der BF nicht vorgebracht.Nachdem der BF sich im gesamten Verfahren von sich aus lediglich auf die Kriegssituation und – wenn auch abstrakt – auf den Militärdienst berufen hatte, steigerte er sein Vorbringen in der Beschwerdeverhandlung, indem er sich erstmals darauf berief, dass er "an einigen Demonstrationen" teilgenommen habe, so z.B. im September 2018 in " römisch 40 ", einem Nachbarort (VS. 8). Damals sei das Regime nicht vor Ort gewesen und habe sich der Ort unter Kontrolle der Al-Nusra Front bzw. anderer oppositioneller Gruppierungen befunden. Das Gericht hält es grundsätzlich für möglich, dass der damals jugendliche BF in seiner Umgebung als einfacher Teilnehmer an derartigen Demonstrationen teilgenommen hat, wenngleich sich diese Teilnahme auf eine überschaubare Anzahl erstreckt haben dürfte. Ein politisches Engagement in asylrelevantem Ausmaß ist daraus jedenfalls nicht zu erblicken: Der BF befand sich außerhalb des Zugriffs des syrischen Regimes und wurde weder behördlich angehalten, noch hatte er eine bestimmte Funktion inne (VS. 8). Es ist nicht davon auszugehen, dass das syrische Regime von der Teilnahme des BF als normaler Demonstrant ohne Innehabung einer führenden Rolle bei denselben erfahren hat. Die Teilnahme an – einer bzw. wenigen – regimekritischen Demonstrationen in einem zum Zeitpunkt der Demonstrationen ohnehin außerhalb der Kontrolle der syrischen Regierung befindlichen Gebiet stellt noch keine Aktivität von einer derart exponierten Art dar, dass sie geeignet wäre, um tatsächlich in das Visier des syrischen Regimes zu geraten. Hinweise darauf, dass die Kundgebungen vom syrischen Geheimdienst überwacht oder registriert worden wären, hat selbst der BF nicht vorgebracht.

Abgesehen von der in diesem Zusammenhang erfolgten oberflächlichen Behauptung, dass er "gegen das Regime" sei (VS. 8), brachte der BF im Verlauf der Beschwerdeverhandlung keine klar oppositionelle politische Gesinnung zum Ausdruck bzw. nahm diese für sich in Anspruch; vielmehr führte er lediglich wiederholt ins Treffen, dass er sich vor dem Regime fürchte. Dieses unterstelle ihm eine oppositionelle Gesinnung aufgrund seines Herkunftsortes (AS. 37: "Wir gelten ohnehin als Regimegegner und Landesverräter", VS. 8: "Ich habe Angst vor dem Regime, weil ich aus einer Gegend komme und in einer Gegend gelebt habe, die als regimefeindlich gilt", VS. 9: "Ich bin aus einem Dorf, das dem Regime feindselig gegenübergestellt ist") bzw. wegen der Umstände, unter denen sein Vater den Polizeidienst verlassen habe (siehe dazu unter Punkt 2.2.5). Welche Überzeugungen der behaupteten Gegnerschaft seitens des BF zu Grunde liegen könnten, erhellt sich dem Gericht nicht, zumal sich der damals etwa 10-jährige BF nicht gezielt ins Oppositionsgebiet begeben hat und seine Ausreise 2019 im Wesentlichen dadurch motiviert war, den Kampfhandlungen zu entgehen und er auch nicht etwa in Erwägung zog, die Opposition bei der Verteidigung des Dorfes zu unterstützen. Letztlich haben sich im gesamten Verfahren keine Anhaltspunkte für eine überzeugte oppositionelle Gesinnung des BF ergeben und auch nicht darauf, dass ihm eine solche von der syrischen Regierung unterstellt werden würde (dazu noch unter Punkt 2.2.4.3.).

2.2.4. Zu einer etwaigen Einberufung des BF durch das syrische Regime bzw. (strafrechtlichen) Verfolgung des BF wegen Wehrdienstverweigerung und Furcht vor (Zwangs)rekrutierung durch die syrischen Truppen

2.2.4.1. Zum Wehr- und Reservedienst (Militärdienst) und Rekrutierungen führt das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation mit Stand 27.3.2024 wie folgt aus:

Rechtliche Bestimmungen

Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes verpflichtend (ÖB Damaskus 12.2022). Laut Gesetzesdekret Nr. 30 von 2007 Art. 4 lit b gilt dies vom 1. Januar des Jahres, in dem das Alter von 18 Jahren erreicht wird, bis zum Überschreiten des Alters von 42 Jahren (PAR 12.5.2007). Die Dauer des Wehrdienstes beträgt 18 Monate bzw. 21 Monate für jene, die die fünfte Klasse der Grundschule nicht abgeschlossen haben (PAR 1.6.2011). Polizeidienst wird im Rahmen des Militärdienstes organisiert. Eingezogene Männer werden entweder dem Militär oder der Polizei zugeteilt (AA 2.2.2024). In der Vergangenheit wurde es auch akzeptiert, sich, statt den Militärdienst in der syrischen Armee zu leisten, einer der bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppierung anzuschließen. Diese werden inzwischen teilweise in die Armee eingegliedert, jedoch ohne weitere organisatorische Integrationsmaßnahmen zu setzen oder die Kämpfer auszubilden (ÖB Damaskus 12.2022). Wehrpflichtige und Reservisten können im Zuge ihres Wehrdienstes bei der Syrischen Arabischen Armee (SAA) auch den Spezialeinheiten (Special Forces), der Republikanischen Garde oder der Vierten Division zugeteilt werden, wobei die Rekruten den Dienst in diesen Einheiten bei Zuteilung nicht verweigern können (DIS 4.2023). Um dem verpflichtenden Wehrdienst zu entgehen, melden sich manche Wehrpflichtige allerdings aufgrund der höheren Bezahlung auch freiwillig zur Vierten Division, die durch die von ihr kontrollierten Checkpoints Einnahmen generiert (EB 17.1.2023). Die 25. (Special Tasks) Division (bis 2019: Tiger Forces) rekrutiert sich dagegen ausschließlich aus Freiwilligen (DIS 4.2023).Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes verpflichtend (ÖB Damaskus 12.2022). Laut Gesetzesdekret Nr. 30 von 2007 Artikel 4, Litera b, gilt dies vom 1. Januar des Jahres, in dem das Alter von 18 Jahren erreicht wird, bis zum Überschreiten des Alters von 42 Jahren (PAR 12.5.2007). Die Dauer des Wehrdienstes beträgt 18 Monate bzw. 21 Monate für jene, die die fünfte Klasse der Grundschule nicht abgeschlossen haben (PAR 1.6.2011). Polizeidienst wird im Rahmen des Militärdienstes organisiert. Eingezogene Männer werden entweder dem Militär oder der Polizei zugeteilt (AA 2.2.2024). In der Vergangenheit wurde es auch akzeptiert, sich, statt den Militärdienst in der syrischen Armee zu leisten, einer der bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppierung anzuschließen. Diese werden inzwischen teilweise in die Armee eingegliedert, jedoch ohne weitere organisatorische Integrationsmaßnahmen zu setzen oder die Kämpfer auszubilden (ÖB Damaskus 12.2022). Wehrpflichtige und Reservisten können im Zuge ihres Wehrdienstes bei der Syrischen Arabischen Armee (SAA) auch den Spezialeinheiten (Special Forces), der Republikanischen Garde oder der Vierten Division zugeteilt werden, wobei die Rekruten den Dienst in diesen Einheiten bei Zuteilung nicht verweigern können (DIS 4.2023). Um dem verpflichtenden Wehrdienst zu entgehen, melden sich manche Wehrpflichtige allerdings aufgrund der höheren Bezahlung auch freiwillig zur Vierten Division, die durch die von ihr kontrollierten Checkpoints Einnahmen generiert (EB 17.1.2023). Die 25. (Special Tasks) Division (bis 2019: Tiger Forces) rekrutiert sich dagegen ausschließlich aus Freiwilligen (DIS 4.2023).

Ausnahmen von der Wehrpflicht bestehen für Studenten, Staatsangestellte, aus medizinischen Gründen und für Männer, die die einzigen Söhne einer Familie sind. […]

Die im März 2020, Mai 2021 und Jänner 2022 vom Präsidenten erlassenen Generalamnestien umfassten auch einen Straferlass für Vergehen gegen das Militärstrafgesetz, darunter Fahnenflucht. Die Verpflichtung zum Wehrdienst bleibt davon unberührt (ÖB Damaskus 12.2022).

Binnenvertriebene sind wie andere Syrer zur Ableistung des Wehrdienstes verpflichtet und werden rekrutiert (FIS 14.12.2018). Auch geflüchtete Syrer, die nach Syrien zurückkehren, müssen mit Zwangsrekrutierung rechnen (AA 2.2.2024). […]

Die Umsetzung

Bei der Einberufung neuer Rekruten sendet die Regierung Wehrdienstbescheide mit der Aufforderung, sich zum Militärdienst anzumelden, an Männer, die das wehrfähige Alter erreicht haben. Die Namen der einberufenen Männer werden in einer zentralen Datenbank erfasst. Männer, die sich beispielsweise im Libanon aufhalten, können mittels Bezahlung von Bestechungsgeldern vor ihrer Rückkehr nach Syrien überprüfen, ob sich ihr Name in der Datenbank befindet (DIS 5.2020). Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Wehrbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Wenn bei der medizinischen Untersuchung ein gesundheitliches Problem festgestellt wird, wird man entweder vom Wehrdienst befreit oder muss diesen durch Tätigkeiten, die nicht mit einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. -einsätzen verbunden sind, ableisten (STDOK 8.2017; vgl. DIS 7.2023). Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt. Die Rekruten müssen eine 45-tägige militärische Grundausbildung absolvieren. Männer mit niedrigem Bildungsstand werden häufig in der Infanterie eingesetzt, während Männer mit einer höheren Bildung oft in prestigeträchtigeren Positionen eingesetzt werden. Gebildetere Personen kommen damit auch mit höherer Wahrscheinlichkeit in Positionen, in denen sie über andere Personen Bericht erstatten oder diese bestrafen müssen (STDOK 8.2017).Bei der Einberufung neuer Rekruten sendet die Regierung Wehrdienstbescheide mit der Aufforderung, sich zum Militärdienst anzumelden, an Männer, die das wehrfähige Alter erreicht haben. Die Namen der einberufenen Männer werden in einer zentralen Datenbank erfasst. Männer, die sich beispielsweise im Libanon aufhalten, können mittels Bezahlung von Bestechungsgeldern vor ihrer Rückkehr nach Syrien überprüfen, ob sich ihr Name in der Datenbank befindet (DIS 5.2020). Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Wehrbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Wenn bei der medizinischen Untersuchung ein gesundheitliches Problem festgestellt wird, wird man entweder vom Wehrdienst befreit oder muss diesen durch Tätigkeiten, die nicht mit einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. -einsätzen verbunden sind, ableisten (STDOK 8.2017; vergleiche DIS 7.2023). Wenn eine Person phys

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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