TE Vwgh Erkenntnis 1995/6/22 95/06/0048

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Veröffentlicht am 22.06.1995
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Index

L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Tirol;
L82007 Bauordnung Tirol;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);

Norm

ABGB §380;
ABGB §424;
ABGB §431;
ABGB §861;
ABGB §871;
ABGB §914;
BauO Tir 1989 §27 Abs3 lita;
BauO Tir 1989 §27 Abs3 litb;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr Leukauf und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde des R P in N, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 4. Jänner 1995, Zl. Ve1-550-2254/1-2, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1.) F G in N, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in I, 2.) Gemeinde N, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in I), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem am 3. März 1994 eingebrachten Baugesuch vom 1. März 1994 kam die erstmitbeteiligte Partei (in der Folge: Bauwerber) beim Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde (in der Folge kurz: Gemeinde) als Baubehörde I. Instanz um baubehördliche Bewilligung zwecks "Umbau und Sanierung der bestehenden Hofstelle" auf den Grundstücken Bp 305 und Bp 306 ein. Aus den Verwaltungsakten ergibt sich weiters, daß zu diesem Zeitpunkt katastral an diese beiden Bauparzellen, deren Fläche zur Gänze von der bestehenden Hofstelle eingenommen wurde, unter anderem (soweit für das Beschwerdeverfahren erheblich) die Grundstücke Gp 1930 und Gp 3688 grenzten (Das Grundstück Gp 3688 grenzte in seinem süd-westlichen Bereich u. a. an ein kleines Grundstück mit der Bezeichnung .860). Mit Beschluß des Grundbuchsgerichtes vom 27. Mai 1994 wurde gemäß § 12 des Vermessungsgesetzes in der EZ 90116 das Grundstück .305 in das Grundstück 1930 einbezogen, weiters das Grundstück .306 von der EZ 294 ab- und dem Grundstück 1930 zugeschrieben. Mit weiterem Beschluß vom 30. Juni 1994 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 17. Juni 1994 wurde das Grundstück 3688 von der EZ 294 ab- und der EZ 90116 zugeschrieben; zugleich wurde das Grundstück 1930 in das Grundstück 3688 einbezogen. Unstrittig ist, daß der Bauwerber ob des Grundstückes 3688 als Alleineigentümer einverleibt ist.

In einer Stellungnahme der Landesstraßenverwaltung vom 24. März 1994 heißt es, daß dem Baugesuch zufolge das neue Haus lagemäßig und höhenmäßig an derselben Stelle wie das alte errichtet werden solle. Dabei solle mit Ausnahme der straßenseitigen Räume "ein Totalabbruch und Neubau durchgeführt werden". Wenn man die Bausubstanz dieses Hauses kenne, wisse man, daß der Erhalt dieser straßenseitigen Räume und Mauern äußerst schwierig sei. Es sei daher davon auszugehen, "daß der vorgesehene Umbau dieser Hofstelle ein Neubau wird. Diese Ansicht entspricht auch der Tiroler Bauordnung § 3 Abs. 5" (die weiteren Ausführungen sind für das Beschwerdeverfahren nicht von Belang).

Über das Baugesuch wurde von der Baubehörde für den 26. Mai 1994 eine Bauverhandlung anberaumt, zu der auch der Beschwerdeführer als Nachbar unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG geladen wurde.

In der Bauverhandlung vom 26. Mai 1994 wurde zunächst festgehalten, daß "das Baugrundstück" laut Flächenwidmungsplan im Freiland liege. "Da das Bauvorhaben mehrere Grundstücksnummern überbaut", habe der Bauwerber um Vereinigung mehrerer Grundstücke zu einer Grundstücksnummer Gp 3688 angesucht. Es liege zwar hierüber noch kein Grundbuchsbeschluß vor, eine entsprechende telefonische Zustimmung vom Grundbuchsführer liege aber vor.

Das Bauvorhaben wurde folgendermaßen beschrieben: Der alte Schneiterhof gehöre zu den ältesten Höfen des S-Tales und bestehe aus einer in Massivbauweise errichteten "Bausubstanz die sich aus mindestens zwei Bauperioden zusammensetzt und einer sich nach Ost u. Nord daran anschließenden Wirtschaftshälfte", die entsprechend dem geneigten Bauplatz im Untergeschoß gegenüber dem Wohnteil tiefer liege und hier als Stall genutzt werde, mit einer darüberliegenden Tenne, die zur Gänze in Holzbauweise gebaut und deren Überdachung als einheitlicher Dachstuhl und Dachraum über die gesamte Hofgrundfläche einschließlich Wohnteil gezogen sei. Die Bausubstanz des nördlich an die dreiachsige straßenseitige Bausubstanz anschließenden Teiles sei durch Absinken der bachseitigen Außenmauer teilweise von Einsturzgefahr bedroht, weil die hier vorhandenen Gewölbe über dem Mittelgang und der Stiege derart eingesunken seien, daß die Tragfähigkeit stark herabgemindert sei. Der straßenseitige Baubestand hingegen sei "noch von einer Qualität", die gravierende Baumängel nicht erkennen lasse "und deshalb auch in das gegenständliche Bauvorhaben integrierend eingeplant" worden sei. Der genannte baufällige Massivteil und der gesamte Wirtschaftsteil sollten hingegen abgebrochen und auch mit den gleichen Ausmaßen wieder neu errichtet werden. Als Ergänzung sei lediglich "der Aufbau einer Auffahrtsrampe entlang der Nordseite bis zur Tenneneinfahrt im Erdgeschoß" und die Ausführung von zwei Holzbalkonen an der westseitigen Giebelfront vorgesehen. Beim Neubau werde der Bereich des Wirtschaftsteiles nur auf eine Tiefe von 6,2 m an der Nordostseite beschränkt. Der ehemals nordwestseitig vorhanden gewesene Wirtschaftsteil werde in den neuen Wohnbereich miteinbezogen. Dieser neue vergrößerte Wohnbereich werde zwecks Einbaues einer ölbefeuerten Zentralheizung und eines Schutzraumes unterkellert. Im darüberliegenden Erdgeschoß würden zwei Wohneinheiten ausgebaut, "wovon die straßenseitige den Altbestand betrifft, mit dem sie auch die Räume des darüberliegenden OG im Altbestandsbereich als Wohneinheit einnimmt". Der Rest des Obergeschosses diene für den Ausbau einer dritten Wohneinheit, das Dachgeschoß für den einer vierten kleineren Wohneinheit.

(...).

Der Beschwerdeführer erklärte hierauf:

"Insoweit der Bauwerber im Grundbuch als Alleineigentümer der Gp 3688 aufscheint, so beruht dies auf einem anderen rechtlichen Ergebnis, als dies von F G sen. und F P, Rechtsvorgänger des Bauwerbers und des Herrn R P, im Zuge des der Grundbuchseintragung zugrundeliegenden Tauschvertrages vom 23.5.73 beabsichtigt war. Zusammengefaßt hätte nur der Backofen, also Gst .860 in das Alleineigentum des F G sen. übergeben werden sollen, nicht aber der Hofraum, also das Gst. mit der nunmehrigen Nummer 3688, hiezu wäre das Hälfteeigentum der Anrainer P und G vorgesehen gewesen. Zur Herstellung der entsprechenden Grundbuchsordnung" sei am 24.5.1994 von einem näher genannten Rechtsanwalt beim Landesgericht Innsbruck eine Klage gegen den Bauwerber eingebracht worden. Da das Bauvorhaben "unmittelbar an der Grundstückgrenze zur strittigen Grundstücksnummer 3688 liegt, und das Grundstück 3688 teilweise direkt von dem Bauvorhaben betroffen ist, wäre das Bauvorhaben bei Obsiegen des Herrn R P in dem anhängigen Rechtsstreit jedenfalls unzulässig bzw. wäre das Bauansuchen letztlich zurückzuweisen, weil Herr R P dem Bauvorhaben ausdrücklich nicht seine Zustimmung erteilt". Für den Fall, daß die Baubehörde das anhängige Bauverfahren nicht bis zum Abschluß des gerichtlichen Rechtsstreites unterbrechen sollte, würden zur Richtigkeit dieser Ausführungen "Beweis angeboten wie folgt:" (wurde näher ausgeführt).

Des weiteren werde eingewendet, daß durch die zusätzliche Schaffung von Wohnraum auch ein zusätzlicher Abwasseranfall zu erwarten sei, und da die "Abwasserbeseitigung nicht geklärt" sei, daraus Auswirkungen "auf das Eigentum" des Beschwerdeführers zu erwarten seien. Die Ableitung des Regenwassers dürfe nicht durch Versickerung auf dem Grundstück erfolgen (wurde näher ausgeführt). Im bisherigen Bauverfahren sei auch nicht abgeklärt worden, inwieweit durch die nunmehr vorgesehene Unterkellerung Auswirkungen auf die Landesstraße und auf die Wasserversorgung eines näher bezeichneten Grundstückes zu erwarten seien.

Der Beschwerdeführer brachte weiters vor, "mit dem Bauvorhaben müssen jedenfalls die gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen eingehalten werden. Für den Fall, daß das neu zu errichtende Wohnhaus höher gebaut werden solle als das bisherige, werden die Lichtrechte" des Beschwerdeführers, insbesondere hinsichtlich eines näher bezeichneten Hauses, betroffen. Es dürfe sohin nicht höher gebaut werden als das bisherige Wohnhaus. Überdies werde durch die Errichtung der Auffahrtsrampe der Zugang des Beschwerdeführers zu seinem weiteren Grundstück wesentlich beeinträchtigt. Dieser Zugang müsse gewährleistet werden.

Der Bauwerber erklärte, er sei laut Grundbuchsauszug Eigentümer des Grundstückes 3688 und somit Eigentümer der Hofstelle Sch. Er komme lediglich um einen Umbau und um Sanierung der Hofstelle ein. Die Hofstelle sei sehr alt und einsturzgefährdet und dadurch seien auch die Bewohner gefährdet und bedroht. (...).

In weiterer Folge holte die Baubehörde ein Gutachten vom 16. Juni 1994 zur Frage ein, ob es sich bei dem Bauvorhaben im rechtlichen Sinne um einen "Neubau" oder einen "Umbau" handle.

Mit Bescheid vom 18. Juli 1994 erteilte der Bürgermeister dem Bauwerber die angestrebte Baubewilligung unter Vorschreibung von Auflagen; die Einwendungen des Beschwerdeführers wurden auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Begründend wurde ausgeführt, zur Frage ob ein Neubau vorliege sei festzustellen, daß diesbezüglich die Landesstraßenverwaltung am 24. März 1994 die Beurteilung vertreten habe, daß es sich um einen Neubau handle. Deswegen sei über Wunsch des hochbautechnischen Sachverständigen eine als Stellungnahme des Tiroler Gemeindeverbandes vom 4. Juli 1994 eingeholt worden (Anmerkung: findet sich nicht in den Verwaltungsakten). Daraus gehe im wesentlichen hervor, daß das Bauvorhaben als Neubau zu bewerten sei. Der hochbautechnische Sachverständige habe in seiner Stellungnahme vom 16. Juni 1994 zusammenfassend festgestellt, daß kein Neubau vorliege. Zur rechtlichen Beurteilung, ob ein Neubau vorliege oder nicht, sei § 3 Abs. 5 der Tiroler Bauordnung (TBO) heranzuziehen. Danach sei ein Neubau die Errichtung eines neuen Gebäudes, auch wenn nach Abtragung eines Gebäude Teile dieses Gebäudes, wie Fundamente oder Mauern, wieder verwendet würden. Zur Frage, "was unter einem Neubau zu verstehen" sei, habe der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach Stellung genommen (Hinweise auf Entscheidungen im "Handbuch des Tiroler Baurechtes, Seite 92f"). Hiezu habe der Verwaltungsgerichtshof festgestellt, daß Neubau auch die Wiedererrichtung eines Gebäudes nach einem Brand sei, der nur mehr die Fundamente und - nicht mehr raumbildendes, schwer beschädigtes - seitliches Mauerwerk stehen lasse, selbst dann, wenn dieses wiederverwendet werde. Der Baukonsens gehe dadurch unter, der Neubau sei daher nicht am Altbestand zu messen. Nach einer Entscheidung aus dem Jahr 1979 gehe der Konsens eines Gebäudes durch die Abtragung oder durch eine, der Abtragung gleichzuhaltende Zerstörung durch einen Unglücksfall nur dann unter, wenn der umbaute Raum zur Gänze beseitigt sei und nur einzelne Teile, die nicht mehr raumbildend seien, für die Wiederverwertung erhalten blieben. Zur Beurteilung des Neubaues komme es daher im wesentlichen darauf an, daß über die Fundamente hinaus auch raumbildendes Mauerwerk weiterhin verwendet werde. Die Beurteilung, ob ein Neubau vorliege, hänge daher im wesentlichen von der Befundaufnahme durch den hochbautechnischen Sachverständigen ab. Ausgehend von der Befundaufnahme und vom Gutachten des Sachverständigen vom 16. Juni 1994 ergebe sich daher: Aus den Planunterlagen des Baugesuches und aus dem Verhandlungsprotokoll vom 26. Mai 1994, einschließlich der darin aufgenommenen Baubeschreibung, gehe hervor, daß es sich um Baumaßnahmen handle, durch die die bestehenden Ausmaße des alten Hofes nicht verändert würden. Zur Sicherstellung dieser Voraussetzung sei auch - seitens des hochbautechnischen Sachverständigen - vorgeschrieben worden, daß die Erhaltung der Altbaumaße von einem beeideten Zivilingenieur für Vermessungswesen kontrolliert und abgenommen würden. Das Bauvorhaben falle nach Ansicht des hochbautechnischen Sachverständigen in die Begriffsbestimmung "Umbau", wobei der zweite Begriffsteil, daß das Gebäude nach der baulichen Veränderung als ein anderes anzusehen sei, nur auf die Veränderung der Raumeinteilung zutreffe. Die äußere Gestalt ändere sich nicht wesentlich, an der Straßenseite trete sogar überhaupt keine Veränderung auf. Eine Veränderung des Verwendungszweckes des Gesamtgebäudes als Bauernhof werde durch die angesuchte bauliche Veränderung nicht vorgenommen. Deshalb gehe der Sachverständige von der Beurteilung aus, daß das Bauvorhaben nicht als Neubau anzusehen sei.

In rechtlicher Hinsicht sei darauf hinzuweisen, daß der Verwaltungsgerichtshof unter anderem ausgesprochen habe, die Entfernung von Holzdecken in mehreren Geschossen des Gebäudes und deren Ersetzung durch Betondecken stellte einen Umbau dar. Im Rahmen der Rechtsprechung zur Frage des Umbaues habe er ferner ausgeführt, daß auch wesentliche Veränderungen der äußeren Gestalt des Gebäudes und der Raumeinteilung durch bauliche Maßnahmen nicht in jedem Fall als Umbau zu werten seien, sondern nur, wenn das Gebäude nach der Veränderung im Verhältnis zum Ursprünglichen als ein anderes ansuchen wäre. Würden im Zuge der Sanierung eines Altbestandes zwar die Ausmaße beibehalten, die Gebäudewände der Ober- und Dachgeschosses in Maßbauweise hochgezogen und damit ersetzt, und schließlich eine "Anzahl der Fenster" an Gebäudefronten reduziert, liege etwa ein Umbau vor.

Aus den Feststellungen des hochbautechnischen Sachverständigen folge, daß im wesentlichen Maßnahmen durchgeführt worden seien, die als Umbau im Sinne des § 3 Abs. 7 TBO zu bewerten seien. Unter Zugrundelegung der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergebe sich weiter, daß "zusammenfassend noch nicht von einem Neubau gesprochen weren kann, da im konkreten Fall sehr wohl Teile des Gebäudes (nämlich Mauern) wiederverwendet werden und darüberhinaus auch die Raumeinteilung nicht überall verändert wird. Dazu kommt, daß die äußere Gestalt des Baues nicht wesentlich verändert wird, und an der Straßenseite überhaupt keine Veränderung auftritt. Eine Veränderung des Verwendungszweckes des Gesamtgebäudes als Bauernhof liegt ebenfalls nicht vor. Auch die Außenmaße werden nicht verändert. Sohin liegt insgesamt - noch - ein Umbau vor, was sich aus der diesbezüglichen einschlägigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, den vorliegenden Planunterlagen und der schriftlich erstatteten Stellungnahme des hochbautechnischen Sachverständigen, ergibt".

Was nun die Einwendungen des Beschwerdeführers anlange, sei ihm entgegenzuhalten, daß ihm als Nachbarn "hinsichtlich der Frage der Eigentumsverhältnisse am Baugrund kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht" zukomme (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Februar 1989, Zl. 88/06/0021). Die diesbezügliche Einwendung des Nachbarn gehe fehl, sie stelle eine privatrechtliche Einwendung dar und sei auf den Rechtsweg zu verweisen. Ein Ansuchen für die Bewilligung eines Neu-, Zu- oder Umbaues bedürfe des Eigentumsnachweises. Der erforderliche Eigentumsnachweis sei nur erbracht, wenn der Eigentümer grundbücherlich eingetragen sei (nach dem Zusammenhang zu ergänzen: Was hier der Fall sei; Hinweise auf Judikatur). Hinsichtlich der Frage der Beeinträchtigung des Grundwassers und der Absickerung von Regenwässern, wie auch hinsichtlich einer allenfalls möglichen Verkehrsgefährdung (Unterkellerung - Auswirkungen auf die Landesstraße) stünde dem Beschwerdeführer ebenfalls kein Mitspracherecht zu. Lediglich die Einwendung, daß der Lichteinfall beeinträchtigt wäre, sei allenfalls unter dem Gesichtspunkt der aus den Vorschriften über die Gebäudehöhe erwachsenden subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte bedeutsam, weil sich gerade die Gebäudehöhe auf die Belichtung der Nachbargrundstücke auswirke. Diesbezüglich seien aber hinsichtlich der Altbaumaße von einem beeideten Geometer entsprechende Unterlagen vorgelegt worden. Schließlich sei die Einwendung, "wonach die Auffahrtsrampe und damit die im Zusammenhang stehende bauliche Anlage" des Beschwerdeführers wesentlich beeinträchtigt werde, eine privatrechtliche Einwendung, die im Zuge des Bauverfahrens unbeachtlich sei.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er vorbrachte, daß die Argumentation im erstinstanzlichen Bescheid am Kern der Sache vorbeigehe. Er beanspruche das Hälfteeigentum am Hofraum, "weil bei der Errichtung des bezugshabenden Tauschvertrages im Jahr 1973, abgeschlossen zwischen F G sen. und J P, lediglich beabsichtigt war, den Backofen, also Grundstück .860, in das Alleineigentum des F G zu übertragen, nicht aber den Hofraum - der als notwendige Zufahrt zu Grundstücken des Herrn P und des Herrn G - im jeweiligen Hälfteeigentum der Herrn P und G verbleiben sollte". Zur Herstellung der entsprechen Grundbuchsordnung sei beim Landesgericht Innsbruck eine Klage gegen den Bauwerber eingebracht worden. Das gegenständliche Bauvorhaben "liege" unmittelbar an der Grundstücksgrenze zum Hofraum, "als auch im nördlichen Bereich teilweise direkt auf dem streitgegenständlichen Grundstück" (weiterer Hinweis auf das in der Bauverhandlung erstattete Vorbringen). In rechtlicher Hinsicht handle es sich dabei um keine Einwendung, sondern "- angesichts der zu erwartenden Zustimmungspflichtigkeit" des Beschwerdeführers - um die Lösung einer Vorfrage gemäß § 38 AVG, die von der Baubehörde zu beantworten sei, aber unrichtig beantwortet wurde. Der Hinweis auf den Grundbuchstand "reicht wohl keinesfalls aus, wenn dem ein umfangreiches und subtantiiertes Vorbringen" des Beschwerdeführers entgegengehalten werde. Auch die Einwendungen hinsichtlich der Abwasserbeseitigung, der Regenwasserversickerung und die Gefährdung der Wasserversorgung durch die vorgesehene Unterkellerung, sowie hinsichtlich der Beeinträchtigung seien zulässig (wurde näher ausgeführt).

In einer Ergänzung zur Berufung vertrat der Beschwerdeführer mit weiteren Ausführungen die Auffassung, daß es sich vorliegendenfalls um einen Neubau und nicht um einen Umbau handle.

Mit Bescheid vom 17. Oktober 1994 wies der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde die Berufung als unbegründet ab, die ergänzenden Ausführungen hingegen als verspätet zurück. Diesbezüglich vertrat die Berufungsbehörde die Auffassung, daß ein "Nachschieben" von Berufungsgründen gemäß § 63 Abs. 5 AVG unzulässig sei. Darüberhinaus sei der Beschwerdeführer diesbezüglich präkludiert. Der Bauwerber habe sein Alleineigentum am "Hofraum" durch den Nachweis der Verbücherung seines Eigentumsrechtes erbracht. Da auch der Grenzverlauf nicht strittig sei, liege keine strittige Vorfrage im Sinne des § 38 AVG vor. Im übrigen sei den Einwendungen des Beschwerdeführers ohnedies durch die Vorschreibungen im erstinstanzlichen Bescheid ausreichend Rechnung getragen worden, wozu komme, daß ihm hinsichtlich der behaupteten Gefährdung des Grundwassers sowie hinsichtlich der Ableitung von Regen-, Sicker- und Abfallwässern kein Mitspracherecht zukomme.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Vorstellung, in der er (u.a.) zur strittigen Frage des Eigentumsrechtes vorbrachte, angesichts seines Vorbringens hätten sich die Gemeindebehörden nicht "auf den formalen Grundbuchsstand zurückziehen" können. Die Argumentation gehe am Kern der Sache vorbei. So gehe es inbesondere "nicht um den zukünftigen Erwerb eines Eigentumsrechtes", sondern es werde mit der genannten Klagsführung "eine den tatsächlichen außerbücherlichen Eigentumsverhältnissen entsprechende Grundbuchsordnung angestrebt". Diese strittige Frage wäre daher von den Gemeindebehörden als Vorfrage zu beurteilen gewesen, insbesondere im Hinblick darauf, daß das Bauvorhaben teilweise auf dem strittigen Grund verwirklicht werden solle (projektierte Auffahrtsrampe zur Tenneneinfahrt). Entgegen der Beurteilung der Gemeindebehörden handle es sich vorliegendenfalls um einen Neubau und nicht um einen Umbau (wurde näher ausgeführt).

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet abgewiesen. Soweit für das Beschwerdeverfahren erheblich, wurde begründend nach Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtsstellung des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren ausgeführt, daß der Beschwerdeführer bei der mündlichen Bauverhandlung, zu der er unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG geladen worden sei, konkrete Einwendungen nur hinsichtlich der mangelnden Abwasserbeseitigung, der mangelnden Ableitung des Regenwassers sowie hinsichtlich der Unzulässigkeit des Bauvorhabens (weil es unmittelbar an der Grenze zum strittigen Grundstück 3688 liege und dieses Grundstück teilweise direkt vom Bauvorhaben betroffen sei) erhoben habe. Hinsichtlich der Einhaltung der Abstandsvorschriften habe der Beschwerdeführer (lediglich) vorgebracht, daß mit dem Bauvorhaben jedenfalls die gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen eingehalten werden müßten. In seiner Vorstellung räume er selbst ein, daß die inhaltliche Auseinandersetzung mit den ergänzenden Berufungsausführungen insoweit nötig sei, "als die Qualifikation als "Neubau" oder "Umbau" gemäß § 7 Abs. 12 TBO die Mindestabstände nach den Absätzen 1, 3 und 4 nicht für Umbauten gelten, bei denen der bewilligte Verwendungszweck, bei baulichen Anlagen, die nach früheren baulichen Vorschriften errichtet wurden, der aus der baulichen Zweckbestimmung hervorgehende Verwendungszweck nicht geändert wird". Da er im vorliegenden Fall KONKRETE EINWÄNDE hinsichtlich der Einhaltung der Abstandsvorschriften nicht erhoben habe, sei er diesbezüglich präkludiert. Die Frage, wer Eigentümer des zu bebauenden Grundstückes sei, sei eine im Baubewilligungsverfahren zu klärende Vorfrage, die die Gemeindebehörden aber zutreffend gelöst hätten, habe doch der Beschwerdeführer im Bauverfahren nie bestritten, daß der Bauwerber (zu ergänzen: alleiniger) grundbüchlicher Eigentümer der zur Bebauung vorgesehenen Grundfläche sei. Darüberhinaus sei der Grenzverlauf nicht strittig. Hinsichtlich der befürchteten Beeinträchtigung der Wasserversorgung, der mangelnden Abwasserbeseitigung bzw. Regenwasserversickerung komme dem Beschwerdeführer kein Mitspracherecht zu.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligten Parteien - in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer macht im Beschwerdeverfahren - zusammengefaßt - nur mehr geltend, daß er entgegen der unzutreffenden Beurteilung der belangten Behörde Hälfteeigentümer der strittigen Hoffläche sei; das strittige Bauvorhaben, das überdies zum Teil auf der fraglichen Hoffläche verwirklicht werden solle und dem er nicht zustimme, sei rechtlich als Neubau und nicht als Umbau zu qualifizieren und verletze demnach die Abstandsvorschriften (in Bezug auf die ihm zur Hälfte gehörende, strittige Hoffläche) zu seinem Nachteil.

Im Beschwerdefall ist die Tiroler Bauordnung (TBO), LGBl. Nr. 33/1989 in der Fassung LGBl. Nr. 81/1994, anzuwenden.

Gemäß § 3 Abs. 5 TBO ist Neubau die Errichtung eines neuen Gebäudes, auch wenn nach Abtragung eines Gebäudes Teile dieses Gebäudes, wie Fundamente oder Mauern, wiederverwendet werden.

Gemäß Abs. 6 ist Zubau die Vergrößerung eines bestehenden Gebäudes durch die Herstellung neuer oder die Erweiterung bestehender Räume; Anbau ist ein Zubau in waagrechter Richtung, Aufbau ein Zubau in lotrechter Richtung.

Gemäß Abs. 7 ist Umbau die bauliche Veränderung eines Gebäudes, durch die, ohne die Außenmaße zu vergrößern, die Raumeinteilung oder die äußere Gestalt des Gebäudes so geändert wird, daß das Gebäude nach der Veränderung im Verhältnis zum ursprünglichen Gebäude als ein anderes anzusehen ist.

Gemäß § 27 Abs. 3 lit. a und b TBO sind einem Ansuchen um die Erteilung der Bewilligung für den Neu-, Zu- oder Umbau eines Gebäudes, soweit hier erheblich, der Nachweis des Eigentums an der zu bebauenden Grundfläche bzw. die Zustimmung des Grundeigentümers anzuschließen, wenn der Bauwerber nicht Grundeigentümer ist.

Wäre der Bauwerber nicht alleiniger Eigentümer der zu verbauenden Grundfläche, so würde er - nach der Lage des Beschwerdefalles - im Sinne dieser Gesetzesbestimmung die Zustimmung des oder der weiteren Miteigentümer zur geplanten Bauführung benötigen (zum Erfordernis der Zustimmung der Miteigentümer siehe beispielsweise die in Hauer,

Tiroler Baurecht2, in E 10 zu § 27 TBO wiedergegebene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - Erkenntnis vom 16. November 1970, Zl. 993/69, unter Hinweis auf Vorjudikatur).

Gemäß § 431 ABGB muß zur Übertragung des Eigentums unbeweglicher Sachen das Erwerbungsgeschäft in die dazu bestimmten öffentlichen Bücher eingetragen werden. Hiezu wird in der Lehre und der Judikatur der Zivilgerichte die Auffassung vertreten, daß die Eintragung den nach dem § 380 und 424 ABGB erforderlichen Titel nicht erübrigt, vielmehr sogar dessen urkundlichen Nachweis voraussetzt und der Mangel eines gültigen Titels den Rechtsübergang hindert, sodaß sich jedermann auf die Unrichtigkeit der Eintragung berufen kann. Deckt der Titel nicht den Erwerb des ganzen Grundbuchkörpers, so entfaltet die gleichwohl erfolgte Eintragung ihre Wirkung nur im gedeckten Teil (siehe dazu Spielbüchler in Rummel, ABGB I2, Rz 5 zu § 431 mwN, unter anderem auf die Entscheidung des OGH SZ 58/177).

Weiters wird auch die Meinung vertreten, daß ein vom objektiven Erklärungswert abweichender Wille, den der andere Teil erkennt - d.h. eine bloße Fehlbezeichnung, der sachlich keine Fehlvorstellung zugrunde liegt (sog. falsa demonstratio) - vorgeht. Ist die falsa demonstratio beiderseitig und ergibt sich "natürlicher" Konsens, so gilt das Gewollte ohne Rücksicht auf die Erklärungen als Vertragsinhalt (Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechtes I9, S. 123; Rummel in Rummel I2, ABGB, Rz. 6 zu § 871 mwN, u.a. ebenfalls auf die Entscheidung Sz. 58/177, betreffend die versehentliche Beurkundung nicht mitverkaufter Parzellen. Diesbezüglich sprach der OGH aus, daß der Auffassung, der Kaufvertrag sei bis zu einer Anfechtung etwa wegen Willensmängel wirksam, nicht beizutreten sei. Wenn der wirkliche Vertragsinhalt feststehe, gelte vielmehr sofort dieser; trotz Verbücherung finde ein wirksamer Eigentumsübergang nicht statt).

Davon ausgehend, kann dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren vorweg Beachtlichkeit nicht abgesprochen werden, weil es zumindest ansatzweise in Richtung "falsa demonstratio" geht, jedenfalls aber nicht dahin zu verstehen ist, daß er sein behauptetes Miteigentum an der Hoffläche ausschließlich darauf gestützt hätte, daß er dieses mit erfolgreicher (gerichtlicher) Anfechtung des Tauschvertrages wegen Willensmängel erlangen werde; (darauf wäre nämlich nicht Bedacht zu nehmen). Die Gemeindebehörden wären daher bei dieser ganz besonders gelagerten Konstellation verhalten gewesen, auf eine Klarstellung und Vervollständigung dieses Vorbringens zu dringen, um sodann dessen Rechtserheblichkeit beurteilen zu können (auch unter Einbeziehung des Umstandes, daß dem Vorbringen zufolge hier einander nicht die Vertragspartner des Tauschvertrages vom 23. Mai 1973, sondern deren Rechtsnachfolger gegenüberstehen, aber auch unter Bedachtnahme darauf, daß der Beschwerdeführer jedenfalls zur Zeit nicht bücherlicher (Mit-)eigentümer der strittigen Hoffläche ist - siehe dazu auch die weiteren Ausführungen in der bezogenen Entscheidung des OGH SZ 58/177). Durch diese Unterlassung blieb das Verfahren vor den Gemeindebehörden mangelhaft; dieser Mangel ist schon deshalb erheblich, weil nach den Verfahrensergebnissen nicht auszuschließen ist, daß zumindest ein Teil des Bauvorhabens, nämlich die Zufahrtsrampe, auf der strittigen Grundfläche verwirklicht werden soll (wie der Beschwerdeführer vorbringt).

Dadurch, daß die belangte Behörde diesen Mangel verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, sodaß er schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war. Daher war weder auf die Frage einzugehen, ob es sich beim strittigen Bauvorhaben, rechtlich gesehen, um einen "Neubau" handelt, noch auf die Frage der einzuhaltenden Abstände (noch auf die damit im Zusammenhang von der belangten Behörde angenommene Präklusion). In weiterer Folge könnte gegebenenfalls geprüft werden, ob im Hinblick auf den dem Vorbringen nach bereits anhängigen Zivilprozeß die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 38 AVG vorliegen.

Damit erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VWGG in Verbindung mit der Verorndung BGBl. Nr.416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995060048.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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