TE Vwgh Erkenntnis 1995/6/22 93/06/0010

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Veröffentlicht am 22.06.1995
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L82000 Bauordnung;
L82006 Bauordnung Steiermark;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

BauO Stmk 1968 §2;
BauO Stmk 1968 §57;
BauO Stmk 1968 §69;
BauO Stmk 1968 §73;
BauRallg;
VStG §22 Abs1;
VStG §31 Abs2;
VStG §5 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde des F in G, vertreten durch Dr. U, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 4. Dezember 1992, Zl. 03-12 Ma 134-92/1, betreffend Übertretung der Steiermärkischen Bauordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer eines Grundstückes in der Gemeinde S. Aufgrund eines Antrags des Beschwerdeführers auf Erteilung der Widmungsbewilligung und der Baubewilligung für dieses Grundstück fand am 21. Juni 1989 eine mündliche Verhandlung statt, bei welcher verschiedene Nachbarn das Fehlen eines Gutachtens des örtlichen Raumplaners sowie die fehlende Ladung weiterer Nachbarn einwendeten (in der Verhandlungsschrift ist festgehalten, daß der Verhandlungsleiter die Nachbareigenschaft dieser weiteren Nachbarn für NICHT gegeben erachtete). Aufgrund des Ergebnisses der Verhandlung wurde die Widmungsbewilligung und die Baubewilligung erteilt und dem Beschwerdeführer am 13. Juli 1989 persönlich ausgefolgt. Zu einer Zustellung der Bescheide an die Nachbarn kam es vorerst nicht. Der Beschwerdeführer begann - wie er schon im Verwaltungsverfahren vorbrachte: im Hinblick darauf, daß in der Zustellverfügung des Bescheides keine weiteren Parteien aufscheinen, sodaß er gemeint habe, daß kein Berufungsrecht bestünde - am 19. Juli 1989 mit den Bauarbeiten für das beantragte Projekt; nach Erhebung von Berufungen gegen den (den Nachbarn nachträglich doch zugestellten) Baubewilligungsbescheid erging am 6. September 1989 ein Baueinstellungsauftrag an den Beschwerdeführer.

Im Hinblick darauf, daß für das Projekt keine rechtskräftige Widmungs- bzw. Baubewilligung vorgelegen sei, wurde von der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz ein Strafverfahren gegen den Beschuldigten eingeleitet. Mit Bescheid vom 13. Oktober 1992 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, "am 19.7.1989 damit begonnen" zu haben, auf dem näher bezeichneten Grundstück in der Gemeinde S ein Einfamilienwohnhaus mit Fischereibetrieb zu errichten, obwohl hiefür weder eine rechtskräftige Widmungs-, noch eine rechtskräftige Baubewilligung vorlag.

Aufgrund der Berufung des Beschwerdeführers erging der nunmehr angefochtene Bescheid, mit welchem er für schuldig erkannt wurde, "in der Zeit von 19.7.1989 bis zum 9.3.1990 ein Einfamilienwohnhaus mit Fischereibetrieb errichtet (zu haben), obwohl dies nicht von der Baubehörde mit rechtskräftigem schriftlichen Bescheid bewilligt war." Begründend führt die belangte Behörde aus, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes es sich bei einer Bauführung ohne baubehördliche Bewilligung um ein Zustandsdelikt handle und das strafbare Verhalten erst in dem Zeitpunkt aufhöre, in dem die Bauführung abgeschlossen sei. Die Verjährungsfristen begännen erst mit der Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes zu laufen. Es sei daher keine Verjährung eingetreten. Der Beschwerdeführer hätte bei pflichtgemäßer Aufmerksamkeit über das Bestehen erforderlicher rechtskräftiger Bewilligungen zumindest Zweifel haben müssen; es liege somit zumindest im Hinblick auf die Unterlassung von diesbezüglichen Erkundigungen ein fahrlässiges Verhalten vor. Der Umstand, daß im Verteiler des dem Beschwerdeführer übergebenen Bescheides außer ihm und der Gemeinde, in welcher das Bauvorhaben ausgeführt wurde, keine Parteien aufschienen, berechtige nicht zur Annahme, daß keine weiteren Parteien Berufungsrecht im Verfahren hätten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer bringt insbesondere vor, daß sowohl im Widmungsbescheid als auch im Baubewilligungsbescheid Zustellverfügungen nur für ihn und die Gemeinde ersichtlich gewesen seien und nicht für Nachbarn bzw. Anrainer. Seitens der Baubehörde sei ihm auch keine entsprechende Mitteilung zugegangen. Er sei daher im guten Glauben gewesen, daß die Widmungs- und die Baubewilligung rechtskräftig erteilt worden seien und habe demgemäß mit den Arbeiten begonnen. Er habe somit subjektiv gegen keinerlei gesetzliche Bestimmung verstoßen. Als der Beschwerdeführer am 6. September 1989 durch das Einschreiten des Bürgermeisters auf die mangelnde Rechtskraft der Bewilligungsbescheide hingewiesen worden sei, habe er die Bautätigkeit eingestellt. Demgemäß liege kein Verstoß gegen die Bestimmungen der §§ 2 und 57 iVm § 73 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 vor. Im übrigen sei Strafbarkeitsverjährung eingetreten.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt u.a. vor, daß Strafbarkeitsverjährung eingetreten sei, da das ihm angelastete Verhalten am 6. September 1989 geendet habe. Die belangte Behörde geht dagegen sowohl im angefochtenen Bescheid als auch in der Gegenschrift davon aus, daß dem Beschwerdeführer auch Tathandlungen nach dem 6. September 1989 anzulasten seien, obwohl sie im angefochtenen Bescheid auch ausdrücklich feststellt, der Beschwerdeführer habe die Bauarbeiten bis zum "Erhalt des Baueinstellungsbescheides ... vom 6.9.1989" fortgesetzt. Demgemäß wird im Spruch des angefochtenen Bescheides der Tatzeitraum mit "9.7.1989 bis zum 9.3.1990" umschrieben und sowohl im angefochtenen Bescheid als auch in der Gegenschrift begründend darauf hingewiesen, daß "als Abschluß der Bauführung ... nicht schon die Fertigstellung des Rohbaues angesehen werden (könne). Hiezu gehören vielmehr alle jene baulichen Maßnahmen, die erforderlich sind, um das Bauwerk werkgerecht herzustellen (Verwaltungsgerichtshof 31.1.1966, 1046/64, 27.4.1976, 337, 338/76)" (im angefochtenen Bescheid wird hiezu das hg. Erkenntnis vom 24. November 1989, Zl. 86/10/0142, zitiert).

Die belangte Behörde übersieht in diesem Zusammenhang, daß bei einem Zustandsdelikt, welches im vorliegenden Fall bei der Übertretung der §§ 2 und 57 iVm § 73 Steiermärkische Bauordnung 1968 vorliegt (vgl. z.B. das von der belangten Behörde zitierte hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 1966, Zl. 1046/1964), die Verjährungsfrist vom Zeitpunkt des Abschlusses der baulichen Maßnahmen zu laufen beginnt. Die belangte Behörde beruft sich in diesem Zusammenhang im angefochtenen Bescheid zu Unrecht auf das hg. Erkenntnis zum Salzburger Baupolizeigesetz vom 7.12.1989, 88/06/0110, da der vorliegende Tatbestand (Zuwiderhandlung gegen § 57 Stmk BauO 1968) sich in der Herstellung eines gesetzwidrigen Zustandes erschöpft und die Steiermärkische Bauordnung nicht auch die Aufrechterhaltung des Zustandes unter Strafsanktion stellt. Wenn die belangte Behörde in diesem Zusammenhang auch das bereits genannte Erkenntnis vom 31. Jänner 1966 für ihren Standpunkt heranzieht, so ist dazu auszuführen, daß der Umstand, daß ein Zustandsdelikt vorliegt - wovon auch das von der belangten Behörde genannte Erkenntnis vom 31. Jänner 1966 ausgeht -, bei dem die Verjährungsfrist ab dem Abschluß der Baumaßnahmen zu laufen beginnt, die Behörde nicht der Notwendigkeit enthebt, diesen Abschluß der Baumaßnahmen sachverhaltsmäßig festzustellen (der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, daß die belangte Behörde mit ihrem Hinweis auf das Erkenntnis vom 31. Jänner 1966, Zl. 1046/64, nicht zum Ausdruck bringen möchte, daß der für strafbar erklärte Zustand noch gar nicht hergestellt wurde, erwiese sich doch dann die vorgenommene Bestrafung jedenfalls als rechtswidrig, da das Tatbild diesfalls noch gar nicht verwirklicht wäre). In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem der Bauwerber - ob zu Recht oder zu Unrecht kann in diesem Zusammenhang außer Betracht bleiben - zunächst davon ausgeht, daß eine rechtskräftige Bewilligung vorliege, und er erst durch das Einschreiten der Baubehörde von der Erhebung von Berufungen Kenntnis erlangt, ist somit der Hinweis auf das Erkenntnis vom 31. Jänner 1966, Zl. 1046/64, nicht geeignet, das Fehlen von Ermittlungen über Baumaßnahmen nach der Erteilung des Einstellungsauftrages zu rechtfertigen. Dies insbesondere vor dem Hintergrund der Überlegung, daß kein anderes Verhalten des Bauführers erwartet werden kann, als daß er, einmal darauf hingewiesen, daß die erteilte Bewilligung nicht rechtskräftig sei, weitere Baumaßnahmen unterläßt, zumal nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes selbst ein allfälliger Abtragungsauftrag bis zum Abschluß eines (nachträglichen) Bewilligungsverfahrens bei einem konsenslosen Bau nicht vollstreckbar wäre. Bei der im Beschwerdefall gegebenen Konstellation (verfehlte Annahme des Vorliegens einer rechtskräftigen Bewilligung, obwohl noch Berufungen offen sind) muß dies in gleicher Weise gelten. Es spricht somit aus dem Blickwinkel des Beschwerdefalles nichts dafür, aus den §§ 57 Abs. 1 lit. a iVm § 73 Steiermärkische Bauordnung 1968 etwa für Sachverhalte wie dem vorliegenden entgegen der bisherigen Rechtsprechung abzuleiten, daß ein Dauerdelikt vorläge, sodaß auch die Aufrechterhaltung des (hier: vor dem 6. September 1989) geschaffenen Zustandes strafbar wäre. Ungeachtet der Frage, wie das Verhalten des Beschwerdeführers zwischen dem 19. Juli 1989 und dem 6. September 1989 zu beurteilen ist, kann somit ein strafbares Verhalten des Beschwerdeführers nach dem 6. September 1989 nur darin gelegen sein, daß er weitere Baumaßnahmen gesetzt hätte.

Zur Beurteilung der Frage, ob Strafbarkeitsverjährung eingetreten ist, wäre daher eine exakte Feststellung der Beendigung der Baumaßnahmen erforderlich.

Entsprechend dem von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt wurden derartige Baumaßnahmen nach dem 6. September 1989 nicht gesetzt. Die Feststellung, daß die Baumaßnahmen zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollendet gewesen seien, ist keine Feststellung, daß NACH dem 6. September 1989 noch Baumaßnahmen durchgeführt worden wären, sondern nur eine rechtliche Beurteilung des von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalts.

Der Verwaltungsgerichtshof ist der Meinung, daß in einer Konstellation wie der vorliegenden, in der die belangte Behörde ausgehend von einer bestimmten Rechtsansicht, die der Verwaltungsgerichtshof nicht teilt, nur ganz bestimmte Feststellungen trifft (weil sie weitergehende Feststellungen für überflüssig hält), der Sachverhalt nicht ausreichend erhoben ist (und nicht etwa im Hinblick auf § 41 VwGG davon auszugehen wäre, daß sich NUR der von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt verwirklicht hätte).

Ausgehend von ihrer verfehlten Rechtsanschauung, daß auch ohne die Setzung weiterer baulicher Maßnahmen nach dem 6. September 1989 ein strafbares Verhalten des Beschwerdeführers nach dem 6. September 1989 vorgelegen wäre, hat es die belangte Behörde unterlassen, im angefochtenen Bescheid ausreichende Sachverhaltsfeststellungen zu treffen und eine schlüssige Begründung dafür zu liefern, daß die vom Beschwerdeführer eingewendete Strafbarkeitsverjährung nicht eingetreten sei. Der angefochtene Bescheid war daher bereits aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde zu klären haben, ob der Abschluß der dem Beschwerdeführer angelasteten Übertretung der §§ 2 und 57 iVm § 73 Steiermärkische Bauordnung 1968 nach dem 6. September 1989 erfolgte, sodaß die Erlassung eines Strafbescheides auch unter Beachtung des § 31 Abs. 3, insbesondere dessen letzten Satzes, VStG zulässig ist. Im übrigen ist zur Gestaltung des Spruches des angefochtenen Bescheides zu bemerken, daß er insoweit unklar ist, als er keinen ausdrücklichen einleitenden Hinweis enthält, daß es sich um eine Berufungsentscheidung handelt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1993060010.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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