TE Vwgh Erkenntnis 1995/6/22 95/06/0070

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Veröffentlicht am 22.06.1995
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Index

L81705 Baulärm Salzburg;
L82005 Bauordnung Salzburg;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs2;
BauPolG Slbg 1973 §16 Abs6;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde der Gemeinde S, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 26. Jänner 1995, Zl. 1/01-32.733/14-1995, betreffend einen baupolizeilichen Beseitigungsauftrag (mitbeteiligte Partei: A B in S), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Salzburg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.370,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin errichtete aufgrund des Baubewilligungsbescheides der Bezirkshauptmannschaft Zell am See vom 31. August 1989 in ihrem Gemeindegebiet eine unterirdische Garage samt Zu- und Abfahrts-Tunnel sowie Zu- und Ausgängen. Gegenstand des Projekts ist auch das Ausgangsgebäude auf die sogenannte "Turmwiese", zu welcher auch das Grundstück Nr. nnn/1, KG S, der Mitbeteiligten gehört. Grundriß sowie Nord-, West- und Südansicht des in Rede stehenden Gebäudes sind in der mit dem Genehmigungsvermerk der Bezirkshauptmannschaft Zell am See mit der Zl. 2/152-478/2-89 versehenen Einlage 11 der Planbeilagen aus dem Baubewilligungsverfahren (Plannummer SPI/209) dargestellt. Die Lage des Projektes ist der (ebenfalls mit dem Genehmigungsvermerk zur Zl. 2/152-478/2-89 der Bezirkshauptmannschaft Zell am See versehenen) Einlage 2 der Planbeilagen (Plannnumer SPI/200 a), "Situtationsübersicht", zu entnehmen.

Nach Errichtung des gegenständlichen Ausgangsgebäudes auf die Turmwiese wurden von der Mitbeteiligten Entschädigungsforderungen an die Beschwerdeführerin gestellt. Mit Antrag vom 17. Juni 1991 an die Bezirkshauptmannschaft Zell am See beantragte die Mitbeteiligte unter Hinweis auf eine ihrer Ansicht nach gesetzwidrige und ohne Baugenehmigung erfolgte Bauführung (Errichtung eines oberirdischen Ausganges aus der Tiefgarage auf die Turmwiese auf Grundstück nnn/3, KG S) und eine vereinbarungswidrige Positionierung dieses Gebäudes (zu nahe an der Grundgrenze zum Grundstück nnn/1) "das gesetzliche Verfahren einzuleiten, insbesondere eine nachträgliche Bauüberprüfungs- und Baugenehmigungsverhandlung anzuberaumen." Im Hinblick darauf, daß die Mitbeteiligte durch den Abschluß einer zivilrechtlichen Vereinbarung und gleichzeitigen Genehmigung des Projekts unter Zugrundelegung einer "völlig anderen Situierung dieses Gebäudes" (offenbar: gegenüber der zivilrechtlich vereinbarten Situierung) hintergangen worden sei, stellte sie überdies den Antrag auf Wiederaufnahme des mit dem oben genannten Bescheid abgeschlossenen Baubewilligungsverfahrens. Mit Schriftsatz vom 24. Februar 1992 stellte die Mitbeteiligte neben dem neuerlichen Antrag auf Durchführung eines Genehmigungsverfahrens und der Anregung, ein Strafverfahren durchzuführen, weiters den Antrag, "für den Fall, als eine Baugenehmigung und Ausnahmegenehmigung nicht erwirkt wird, bezüglich des Bauwerkes das Abbruchverfahren durchzuführen."

Mit einem bei der belangten Behörde am 17. Oktober 1994 eingelangten Schriftsatz stellte die Mitbeteiligte schließlich einen Devolutionsantrag bezüglich ihrer Anträge vom 17. Juni 1991 und vom 24. Februar 1992. Aufgrund dieses Devolutionsantrages erging der nunmehr angefochtene Bescheid, mit welchem die belangte Behörde der Beschwerdeführerin auftrug, "das auf Grdst. 471/3 und teilweise Grdst. 471/1 (Vordach), je KG S, ohne Baubewilligung im Landhausstil errichtete Ausgangsgebäude zur "Turmwiese" bis längstens 31.5.1995 zu beseitigen."

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Schriftsatzes der Mitbeteiligten, der am 17. Oktober 1994 bei der belangten Behörde eingegangen war, und Wiedergabe des Ablaufs einer Überprüfungsverhandlung am 18. August 1992 durch die Bezirkshauptmannschaft Zell am See, in der auch auf eine privatrechtliche Vereinbarung zwischen der Beschwerdeführerin und der Mitbeteiligten eingegangen wird, sowie der Stellungnahme der "Oberbehörde" (das ist die belangte Behörde selbst) im Rahmen einer "hochbautechnischen Begutachtung" insbesondere aus, daß einerseits über die von der Mitbeteiligten gestellten Anträge vom 17. Juni 1991 und 24. Februar 1992 nicht innerhalb der gemäß § 73 Abs. 1 AVG vorgesehenen Frist entschieden worden sei und daß andererseits das von den Baubehörden "vorstehend wiedergegebene Ermittlungsverfahren ... unzweifelhaft ergeben (habe), daß für das gegenständliche Ausgangsgebäude KEINE baubehördliche Bewilligung vorliegt und von einer geringfügigen im Überprüfungsverfahren nachträglich genehmigungsfähigen Abweichung nicht gesprochen werden kann, sodaß spruchgemäß die Beseitigung zu verfügen war."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit im Hinblick auf § 16 Abs. 6 Salzburger Baupolizeigesetz und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im Hinblick auf die Verletzung des Parteiengehörs geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde hat die Akten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird. Auch die mitbeteiligte Partei hat eine Gegenschrift erstattet, in der beantragt wird, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Die Beschwerdeführerin hat auf die Gegenschriften repliziert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Da gemäß § 16 Abs. 6 Salzburger Baupolizeigesetz in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung, zuletzt geändert durch das Landesgesetz LGBl. Nr. 75/1988 (die der derzeit geltenden Fassung entspricht), der Nachbar ein subjektives Recht auf Erlassung eines baupolizeilichen Beseitigungsauftrages hat, wenn durch eine bescheidwidrige oder nicht bewilligte Ausführung einer baulichen Maßnahme gegen eine Bestimmung betreffend Abstände zu der Grenze des Bauplatzes oder zu anderen Bauten verstoßen wird, kommt der Mitbeteiligten hinsichtlich des Antrages auf Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages auch das Recht zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht im Sinne des § 73 Abs. 2 AVG zu. Wenn in der Beschwerde hiezu darauf verwiesen wird, daß kein entsprechender erstinstanzlicher Antrag der Mitbeteiligten vorliege, so ist auf den in der Eingabe vom 24. Februar 1992 enthaltenen Antrag, das Abbruchverfahren einzuleiten, zu verweisen. Da das Salzburger Baupolizeigesetz keinerlei Anforderungen an den Antrag des betroffenen Nachbarn stellt, ist davon auszugehen, daß keine speziellen inhaltlichen Anforderungen (etwa Zitierung des § 16 Abs. 6 Baupolizeigesetz) an den Antrag zu stellen sind. Es lag somit ein Antrag an die erste Instanz vor, der die Entscheidungspflicht der Bezirkshauptmannschaft ausgelöst hat. Die belangte Behörde hat daher - da keine Anhaltspunkte vorliegen, daß Umstände gegeben wären, die der Zulässigkeit und Begründetheit des Devolutionsantrages der Mitbeteiligten entgegenstünden - ihre Sachentscheidungsbefugnis hinsichtlich des in Rede stehenden baupolizeilichen Auftrages aufgrund des Devolutionsantrages zu Recht angenommen.

2. Der angefochtene Bescheid trifft außer der Feststellung daß das von den Baubehörden "vorstehend wiedergegebene Ermittlungsverfahren" "unzweifelhaft ergeben" habe, daß für das gegenständliche Ausgangsgebäude keine baubehördliche Bewilligung vorliege und von einer geringfügigen im Überprüfungsverfahren nachträglich genehmigungsfähigen Abweichung nicht gesprochen werden könne, keine Sachverhaltsfeststellungen. Der Bescheid erschöpft sich in der DARSTELLUNG DES INHALTES DES ANTRAGES der Mitbeteiligten sowie der WIEDERGABE DES GESCHEHENS der Überprüfungsverhandlung am 18. August 1992 und der Aussagen in der "von der Oberbehörde vorgenommene(n) hochbautechnische(n) Begutachtung", ohne daß ersichtlich wäre, welche dieser Feststellungen auch von der belangten Behörde als der Entscheidung zugrunde zu legender Sachverhalt angenommen werden. Dies ist insbesondere im Hinblick darauf von Bedeutung, daß der Schilderung des Verfahrensablaufes keineswegs entnommen werden kann, welche Lage des in Rede stehenden Gebäudes als konsentiert anzusehen ist und inwiefern das tatsächlich errichtete Gebäude nicht dem Konsens entspräche, geschweige denn daß ersichtlich wäre, aufgrund welcher Überlegung entsprechende Schlüsse gezogen wurden bzw. bei WIDERSPRECHENDEN AUSSAGEN einer der beiden Aussagen gefolgt wurde. So ist etwa unerfindlich, in welcher Weise aus Einlage 2 der Einreichunterlagen

(Plannummer SPI/200 a), in der nur der Grundriß der Gesamtanlage eingezeichnet ist, ohne daß ersichtlich ist, wo das in Rede stehende Ausgangsgebäude situiert sein soll, der Abstand zu diesem Grundstück gemessen werden könnte (sofern die von der belangten Behörde zitierte Stellungnahme davon ausgegangen sein sollte, daß es sich bei der nahe der Grundgrenze zum Grundstück nnn/1 befindlichen Auskragung um (Teile) des in Rede stehenden Ausgangsgebäudes handeln könnte, und sie daher ausgehend von dieser Annahme der Abstand zu den Grundgrenzen bestimmt hat, so ist dazu darauf zu verweisen, daß entsprechend den in Einlage 11 angegebenen Maßen für das Gebäude diese Annahme unschlüssig ist, da die Längsseite dieser Auskragung nicht der Längsseite des Ausgangsgebäudes, welche nach Einlage 11 12 m beträgt, entspricht; ohne nähere Begründung ist somit die Schlußfolgerung der Stellungnahme, auf die sich die belangte Behörde stützt, nicht nachvollziehbar).

Die belangte Behörde hat somit gegen das aus §§ 58 Abs. 2 und 60 AVG ableitbare Gebot, in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen, verstoßen (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 22. September 1988, Zl. 85/08/0082, und vom 28. Jänner 1987, Zl. 86/01/0125). Ein derartiger Begründungsmangel führt zu einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, wenn er eine Überprüfung des angefochtenen Bescheides hindert (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Mai 1977, 2293/76); im übrigen bedarf ein Bescheid, der die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nicht klar und übersichtlich zusammenfaßt, einer Ergänzung und ist daher, sofern die Parteien durch diesen Mangel in der Verfolgung ihrer Rechte beinträchtigt wird, mit einem wesentlichen Verfahrensmangel iSd § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG behaftet (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Mai 1974, Zl. 1579/73). Der aufgezeigte Begründungsmangel mag im Einzelfall - bei im wesentlichen unstrittigen Verfahrensergebnissen, die sich aus der Nacherzählung des Verwaltungsgeschehens ableiten lassen - nicht als wesentlich im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG erscheinen. Im vorliegenden Zusammenhang wäre jedoch eine klare Darstellung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts, insbesondere hinsichtlich der Frage, welches Gebäude mit welcher Situierung im Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Zell am See vom 31. August 1989 bewilligt wurde, erforderlich. Weiters ist aufgrund des angefochtenen Bescheides folgendes unklar: welche Rolle die ohne näheren Kommentar wiedergegebene PRIVATRECHTLICHE VEREINBARUNG im Beschwerdefall spielen soll, und worauf sich die Aussage stützt, daß bei der Bauführung entgegen der Einreichplanung "der Abstand ... zu GN 471/1 um ca. 2,3 m im Mindestabstandsbereich verkleinert wurde" (und in diesem Zusammenhang: ob und wenn ja wieso die belangte Behörde diese Feststellung ihrem Bescheid zugrunde gelegt hat und nicht die von ihr ebenfalls zitierte, in eine andere Richtung gehende Aussage des hochbautechnischen Sachverständigen in der Verhandlung am 18. August 1992). Schließlich gibt die belangte Behörde keine Begründung dafür, welche Rolle es angesichts einer erteilten RECHTSKRÄFTIGEN BAUBEWILLIGUNG spielt, daß - wie in der Schilderung des Verwaltungsgeschehens festgehalten - "der Inhalt des Lageplanes zeigt, daß durch den bestehenden Bauteil der nach den Bestimmungen des Bebauungsgrundlagengesetzes zu fordernde Mindestabstand von 4,0 m sowohl an der SÜD- als auch WESTSEITE unterschritten ist" (wo doch einerseits offenbar das Grundstück nnn/1 an der SÜD-Ostseite des Grundstücks liegt und andererseits dieser Frage in einem Verfahren über einen baupolizeilichen Beseitigungsauftrag nach rechtskräftiger Erteilung der Baubewilligung keine entscheidende Bedeutung zukommt). Es ist daher insofern der Verwaltungsgerichtshof nicht in der Lage, seiner Aufgabe der Rechtskontrolle aufgrund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhalts nachzukommen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1987, Zl. 86/01/0125). Die belangte Behörde durfte im Hinblick auf die aufgezeigten offenen Fragen der in der sachverständigen Äußerung der "Oberbehörde" aufgrund der Einlage 2 (Seitenabstand) auch nicht ohne weiteres vom Vorliegen eines schlüssigen Gutachtens zur Frage der konsentierten Lage des Ausgangsgebäudes ausgehen (nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, daß auch die Ausführungen in der Gegenschrift zeigen, welch unvollständige Vorstellung vom maßgebenden Sachverhalt bei der belangten Behörde vorhanden ist; in der Gegenschrift wird nunmehr AKTENWIDRIG davon ausgegangen, daß von einem "oberirdischen Ausgangsgebäude im Landhausstil ... NIE DIE REDE" gewesen sei Planbeilage 11 sei zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung nicht Bestandteil des Projekts gewesen).

Da somit der Sachverhalt ergänzungsbedürftig geblieben ist und die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und lit c VwGG aufzuheben, ohne daß auf die inhaltlichen Ausführungen in der Beschwerde (insbesondere zur Anwendung des § 16 Abs. 6 Salzburger Baupolizeigesetz, und dabei v.a. zur Frage der Bauplatzgrenze) einzugehen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995060070.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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