TE Vwgh Erkenntnis 1995/6/27 95/11/0036

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Veröffentlicht am 27.06.1995
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
82/03 Ärzte Sonstiges Sanitätspersonal;

Norm

AVG §58 Abs2;
MTDG 1992 §6 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 95/11/0063 E 19. März 1997

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde der S in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz vom 28. November 1994, Zl. 284.099/0-II/B/13/a/94, betreffend Zulassung zur Berufsausübung im physiotherapeutischen Dienst, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde ausgesprochen, die Beschwerdeführerin - eine deutsche Staatsangehörige - sei auf Grund ihres im Jahre 1990 in Deutschland erworbenen Diploms berechtigt, die Tätigkeit als "Diplomierte Physiotherapeutin" in Österreich berufsmäßig auszuüben. Diese Berufsausübung wurde an die Bedingung geknüpft, daß die Beschwerdeführerin entweder einen sechsmonatigen Anpassungslehrgang oder eine Eignungsprüfung in einem näher bezeichneten Unterrichtsfach an einer österreichischen Akademie für den physiotherapeutischen Dienst erfolgreich absolviert; der Spruch enthält ferner nähere Bestimmungen über Anstalten, an denen der Lehrgang absolviert werden kann und über dessen Inhalt. Als angewendete Rechtsvorschrift wird die Richtlinie Nr. 92/51/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 18. Juni 1992 (im Folgenden: Richtlinie) genannt.

In ihrer an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die Vorschreibung der genannten Bedingung. Sie behauptet insoferne Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Es kann dahinstehen, ob es objektiv rechtmäßig war, den angefochtenen Bescheid ausschließlich auf die in Rede stehende Richtlinie zu stützen. Unter dem Gesichtspunkt des dem Verwaltungsgerichtshof auferlegten Prüfungsmaßstabes, ob die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten verletzt ist, kommt es nämlich nicht darauf an, ob der angefochtene Bescheid schlechthin der Rechtslage entspricht. Eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides kommt vielmehr nur in Betracht, wenn der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten verletzt ist (Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG), mit anderen Worten, wenn der Bescheid zu Lasten des Beschwerdeführers rechswidrig ist. Eine rechtswidrige Begünstigung des Beschwerdeführers stellt keinen Grund für eine Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof dar. Sollte daher die belangte Behörde zu Unrecht nicht das innerstaatliche Recht - das MTD-Gesetz (Bundesgesetz über die Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste), BGBl. Nr. 460/1992 -, sondern die (innerstaatlich nicht umgesetzte) Richtlinie angewendet haben, hätte dieser Umstand für sich allein noch nicht Rechte der Beschwerdeführerin verletzt, weil sie durch die Richtlinie im Vergleich zum MTD-Gesetz besser gestellt wäre: Gemäß § 6 Abs. 2 MTD-Gesetz kann die Anerkennung im Ausland erworbener Diplome an die Bedingung geknüpft werden, daß die im Ausland zurückgelegte Ausbildung durch eine theoretische und/oder praktische Ausbildung an einer medizinisch-technischen Akademie der entsprechenden Fachrichtung ergänzt wird UND hierüber kommissionelle Ergänzungsprüfungen mit Erfolg abgelegt werden. Dagegen sieht Art. 4 Abs. 1 lit. b der Richtlinie vor, daß der Aufnahmestaat vom Antragsteller verlangen kann, daß dieser entweder einen Anpassungslehrgang absolviert ODER eine Eignungsprüfung ablegt. Voraussetzung hiefür ist jedenfalls ein vor Erlangung des betreffenden Diploms absolvierter Ausbildungsgang, der den Standard des Aufnahmestaates unterschreitet. Entscheidend ist daher, ob die Ausbildung der Beschwerdeführerin in Deutschland den Standard erreicht, der für die Erlangung eines österreichischen Diploms gefordert wird. Wäre dies der Fall, so dürfte aus Anlaß der Anerkennung des deutschen Diploms der Beschwerdeführerin überhaupt keine Nebenbestimmung (Bedingung) verfügt werden. Wäre dies hingegen nicht der Fall, so wäre die Beschwerdeführerin auch durch die zu Unrecht erfolgte Anwendung der Richtlinie in ihren Rechten nicht verletzt.

Die Beschwerdeführerin wendet sich in ihrer Beschwerde auch gar nicht gegen die Anwendung der Richtlinie; sie macht aber geltend, daß sich ihre deutsche Ausbildung nicht wesentlich von der in Österreich geforderten unterscheide und sie daher auf Grund ihres deutschen Diplomes ohne weiteres zur Berufsausübung zuzulassen gewesen wäre.

Zur Unterschiedlichkeit der in Rede stehenden Ausbildungsgänge in Deutschland und in Österreich führt die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides - gestützt auf ein nicht näher determiniertes Gutachten einer ministeriellen Expertenkommission - aus, daß die Ausbildung in Deutschland mittlere Reife, in Österreich hingegen Matura (somit Hochschulberechtigung) voraussetze; in Deutschland dauere die Ausbildung zwei Jahre und umfasse

3.680 Ausbildungsstunden, in Österreich dauere sie drei Jahre und umfasse 4.525 Stunden.

Die Beschwerdeführerin behauptet, daß die von der belangten Behörde genannte Zahl der Ausbildungsstunden in Deutschland unrichtig angenommen werde; in Wahrheit betrage sie

5.520 Stunden; Die gesamte Berufsausbildung dauere im übrigen ebenfalls drei Jahre. Die geringerwertige Voraussetzung der (bloß) mittleren Reife werde durch die wesentlich höhere Stundenzahl mehr als ausgeglichen.

Die Feststellung der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin habe die in Rede stehenden Unterschiedlichkeiten im Wege des Parteiengehörs ohne Einwand zur Kenntnis genommen, wird von der Beschwerdeführerin derart bekämpft, daß ihr bei der am 7. Oktober 1994 gebotenen Gelegenheit zur Kenntnisnahme von den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens kein Gutachten über die Frage der Vergleichbarkeit der deutschen und österreichischen Ausbildung vorgehalten worden sei.

In dem dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakt befindet sich das von der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zitierte und in der Gegenschrift mit einigen weiteren Einzelheiten wiedergegebene Gutachten nicht. Aus der mit der Beschwerdeführerin am 7. Oktober 1994 aufgenommenen Niederschrift ergibt sich nicht, daß ihr ein Gutachten zur Kenntnis gebracht worden sei. Ihr ist auch nicht zu entnehmen, von welchem Ausbildungsstandard die Behörde bei ihrem Vorhalt, die Ausbildung in Deutschland sei der österreichischen nicht gleichwertig, ausgegangen ist. Daraus ergibt sich weiter, daß der Verwaltungsgerichtshof nicht in der Lage ist, zu überprüfen, ob die Beschwerdebehauptungen eine unzulässige Neuerung oder eine zulässige - weil erstmals mögliche - Bestreitung des angenommenen Sachverhaltes darstellen. Aus der Sicht des Verwaltungsgerichtshofes hat die belangte Behörde somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Die Versuche, fehlende Begründungselemente in der Gegenschrift nachzuholen - insbesondere zur Frage des Gewichtes des Unterschiedes in den Voraussetzungen für den Antritt der Ausbildung (mittlere Reife - Matura) -, sind als ins Leere gegangen zu betrachten, weil sie ihrerseits auf nicht nachvollziehbaren sachlichen Grundlagen beruhen und weil sie der Beschwerdeführerin erst nach Abschluß des Verwaltungsverfahrens zur Kenntnis gebracht worden sind.

Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil Stempelgebührenersatz nur in der Höhe von S 360,-- (S 240,-- für zwei Beschwerdeausfertigungen und S 120,-- für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides) zuzusprechen war.

Schlagworte

Begründung Begründungsmangel Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Parteiengehör

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995110036.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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