TE Vwgh Erkenntnis 1995/6/27 95/04/0116

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Veröffentlicht am 27.06.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §8;
GewO 1994 §356 Abs3;
GewO 1994 §359 Abs4;
GewO 1994 §75 Abs2;
GewO 1994 §81;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär MMag. Dr. Balthasar, über die Beschwerde der B in X, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 11. April 1995, Zl. IIa-60.012/6-95, betreffend Zurückweisung einer Berufung gegen die Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: M-GesmbH und T-OHG in I), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aufgrund der vorliegenden Beschwerde und der dieser angeschlossenen Bescheidausfertigung ist vom folgenden Sachverhalt auszugehen:

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 11. April 1995 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 27. Dezember 1994, betreffend die Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage (Lebensmittelmarkt samt Gastronomiebetrieb in der Betriebsart Buffet) als unzulässig zurückgewiesen. Hiezu wurde im wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführerin sei lediglich Eigentümerin des Grundstückes Nr. 1950/4 KG X, sowie des darauf errichteten Lagergebäudes, sie wohne jedoch nicht in diesem Gebäude. Sie könne daher auch nicht rechtswirksam Einwendungen wegen befürchteter Gesundheitsgefahr für sich selbst oder befürchteter unzumutbarer Belästigung durch Lärm, Abgase etc. für sich selbst im gegenständlichen Betriebsanlagenverfahren geltend machen. Das Lagergebäude auf dem gegenständlichen Grundstück sei auch nicht als solche Einrichtung im Sinne des § 75 Abs. 2 GewO 1994 anzusehen, in der sich "wie etwa in Beherbungsbetrieben, Krankenanstalten und Heimen, regelmäßig Personen vorübergehend aufhalten", sodaß die Einwendungen der Beschwerdeführerin im erstinstanzlichen Verfahren auch nicht zum Schutze jener Personen, die sich vorübergehend im Lagergebäude aufhielten, eine Parteistellung der Beschwerdeführerin begründen könnten. Die Beschwerdeführerin habe im erstinstanzlichen Verfahren auch keinerlei Einwendungen erhoben, die eine befürchtete Gefährdung ihres Eigentums betroffen hätten, sodaß sie diesbezüglich ebenfalls keine Parteistellung habe erlangen können. Da die Beschwerdeführerin somit im erstinstanzlichen Verfahren keine Parteistellung erlangt habe, sei auch ihre Berufung als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im "Recht auf rechtliches Gehör sowie im Recht auf Abwicklung eines ordnungsgemäßen Verfahrens nach dem AVG und der Gewerbeordnung 1994" verletzt. Sie bringt hiezu im wesentlichen vor, es stehe außer Streit, daß sie Eigentümerin der Liegenschaft Nr. 1950/4 KG X (und des darauf errichteten Gebäudes) sei, welche unmittelbar an die Liegenschaft angrenze, auf der die gegenständliche Betriebsanlage errichtet werden solle. Sie habe im Verwaltungsverfahren ausgeführt, daß sie selber diese Liegenschaft nicht benütze, sondern die Nutzung durch ihren Gatten erfolge, der dort auch eine Surfschule betreibe. Ihr Gatte halte sich dort "höchstpersönlich und regelmäßig" auf und übe dort auch gewisse Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Surfschule aus. Da die Liegenschaft vom Mann der Beschwerdeführerin benutzt werde und auch ein Scheidungsverfahren im Gange sei, werde man "die derzeitige Situation wohl auch unter diesem Aspekt beachten müssen, sodaß aus verständlichen Gründen die gegenständliche Liegenschaft von der Beschwerdeführerin derzeit nicht aufgesucht" werde. Zu diesem Umstand sei auch die Einsichtnahme in den betreffenden Gerichtsakt im laufenden Verfahren beantragt worden. Diesem Antrag sei die Behörde jedoch nicht nachgekommen, was ausdrücklich als Verfahrensmangel geltend gemacht werde. Es werde dezidiert darauf verwiesen, daß die Eigentümer oder sonstigen dinglichen Berechtigten das Erfordernis des nicht bloß vorübergehenden Aufenthaltes im Nahbereich der Betriebsanlage nicht zu erfüllen hätten. Es werde deutlich in Abrede gestellt, daß die Beschwerdeführerin "keine Einwendungen im Sinne des § 75 Abs. 2 GewO 1994" erhoben habe. Es könnten nämlich nicht nur eine Gefährdung des Eigentums geltend gemacht werden, sondern auch Belästigungen oder gar (persönliche) Gefährdungen. Demgegenüber habe die belangte Behörde die Einwendungen der Beschwerdeführerin betreffend befürchteter gesundheitsgefährdender Lärm- und Abgasimmissionen bzw. betreffend befürchteter Lärm-, Rauch- und Staubbelästigungen zufolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung als gegenstandslos betrachtet. Nach der "Intention des Gesetzgebers" sei die Schutzwürdigkeit des Nachbarn schon dann gegeben, wenn der Eintritt einer Gefährdung oder Belästigung im Hinblick auf einen, wenn auch nur vorübergehenden Aufenthalt, überhaupt möglich erscheine. Die belangte Behörde hätte daher die im erstinstanzlichen Verfahren erhobenen Einwendungen betreffend Lärm und Abgase behandeln müssen und sich nicht auf nicht erhobene Einwendungen betreffend eine befürchtete Gefährdung des Eigentums der Beschwerdeführerin "kaprizieren" dürfen. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin somit im gegenständlichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahren Parteistellung zuerkennen müssen.

Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun.

Gemäß § 359 Abs. 4 GewO 1994 steht (gegen einen Bescheid betreffend die Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer Betriebsanlage) das Recht der Berufung außer dem Genehmigungswerber den Nachbarn zu, die Parteien sind. Parteien im Verfahren betreffend die Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer Betriebsanlage sind gemäß § 356 Abs. 3 GewO 1994 nur jene Nachbarn, die - soweit nicht der hier nicht in Betracht kommende Fall des § 356 Abs. 3 zweiter Satz GewO 1994 gegeben ist - spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 erheben, und zwar zum Zeitpunkt ihrer Einwendung an.

Nachbarn im Sinne dieses Bundesgesetzes sind gemäß § 75 Abs. 2 GewO 1994 alle Personen, die durch die Errichtung, den Bestand und den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Reche gefährdet werden könnten. Als Nachbarn gelten nicht Personen, die sich vorübergehend in der Näher der Betriebsanlage aufhalten und nicht im Sinne des vorherigen Satzes dinglich berechtigt sind. Als Nachbarn gelten jedoch die Inhaber von Einrichtungen, in denen sich, wie etwa in Beherbungsbetrieben, Krankenanstalten und Heimen, regelmäßig Personen vorübergehend aufhalten, hinsichtlich des Schutzes dieser Personen, und die Erhalter von Schulen hinsichtlich des Schutzes der Schüler, der Lehrer und der sonst den Schulen ständig beschäftigten Personen.

Von dieser Rechtslage ausgehend trifft die Auffassung der Beschwerdeführerin, ein Eigentümer oder sonstiger dinglich Berechtigter habe das im § 75 Abs. 2 zweiter Satz erster Satzteil GewO 1994 aufgestellte Erfordernis des nicht (bloß) vorübergehenden Aufenthaltes im Nahebereich der Betriebsanlage nicht zu erfüllen, zu. Allerdings kann der Eigentümer oder sonstige dinglich Berechtigte den seine Person betreffenden Nachbarschutz nur bei Zutreffen der in § 75 Abs. 2 erster Satz erster Satzteil GewO 1994 enthaltenen Merkmale und daher jedenfalls nur unter Berufung auf Sachverhaltsumstände geltend machen, die den Eintritt einer - persönlichen - Gefährdung oder Belästigung in Hinsicht auf einen, wenn auch nur vorübergehenden Aufenthalt überhaupt möglich erscheinen lassen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 21. März 1995, Zl. 94/04/0207).

Einen auch nur vorübergehenden Aufenthalt auf dem in ihrem Eigentum stehenden Grundstück hat die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren verneint, indem sie - den Beschwerdeausführungen zufolge - erklärte, diese Liegenschaft selber nicht zu benützen. Gegenteiliges wird selbst in der vorliegenden Beschwerde nicht behauptet, sondern vielmehr ausgeführt, daß die Beschwerdeführerin die Liegenschaft auch wegen eines anhängigen Scheidungsverfahrens nicht aufsuche, weil die Liegenschaft vom Mann der Beschwerdeführerin benützt werde.

Damit aber kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie die Möglichkeit des Eintritts einer persönlichen Gefährdung oder Belästigung der Beschwerdeführerin durch die verfahrensgegenständliche Betriebsanlage - mangels eines wenn auch nur vorübergehenden Aufenthaltes der Beschwerdeführerin auf ihrer Liegenschaft - als ausgeschlossen erachtete. Da die Beschwerdeführerin den ihr Eigentum oder ihre sonstigen dinglichen Rechte betreffenden Nachbarschutz unbestrittenermaßen nicht geltend gemacht hat und auch kein Anhaltspunkt dafür besteht, es läge ein Fall des § 75 Abs. 2 dritter Satz GewO 1994 vor, hat die belangte Behörde die Parteistellung der Beschwerdeführerin im gegenständlichen Genehmigungsverfahren und damit ihr Berufungsrecht gegen den Genehmigungsbescheid zu Recht verneint.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Gewerberecht Nachbar Rechtsnachfolger

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995040116.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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