TE Vwgh Erkenntnis 1995/6/27 95/04/0103

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Veröffentlicht am 27.06.1995
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §39 Abs2;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
AVG §8;
GewO 1994 §153 Abs2;
GewO 1994 §345 Abs3;
GewO 1994 §345 Abs8 Z8;
GewO 1994 §40 Abs1;
GewO 1994 §40 Abs2;
GewO 1994 §40 Abs3;
GewO 1994 §40;
GewO 1994 §69 Abs4;
GewO 1994 §91 Abs1;
VVG §10 Abs2 lita;
VVG §4;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär MMag. Dr. Balthasar, über die Beschwerde der H in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 14. März 1995, Zl. V/1-BA-9516/1, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Gewerbeangelegenheit, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aufgrund der vorliegenden Beschwerde und der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld vom 30. Dezember 1994 wurden der Beschwerdeführerin als Pächterin des Gastgewerbes im Standort K-Hütte in E gemäß § 153 Abs. 1 und 2 sowie gemäß § 69 Abs. 1 und 4 GewO 1994 für den Betrieb dieses (von ihr gepachteten) Gastgewerbes Auflagen vorgeschrieben.

Die dagegen von der Beschwerdeführerin als Pächterin erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 14. März 1995 "gemäß § 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes - AVG 1991, BGBl. Nr. 51/1991 in der Fassung BGBl. Nr. 866/1992, als unzulässig zurückgewiesen."

In den Spruch dieses Bescheides wurde des weiteren folgender "Hinweis" aufgenommen:

"Aufgrund der Dinglichkeit des angefochtenen Bescheides gilt dieser nunmehr für den jeweiligen Gewerbetreibenden auf der K-Hütte, das ist derzeit der Österreichische Touristenclub Sektion E."

Begründend führte die belangte Behörde aus, im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides sei die Beschwerdeführerin noch gewerberechtlich genehmigte Pächterin des Gastgewerbes gewesen; die Zustellung dieses Bescheides an die Beschwerdeführerin sei daher "rechtmäßig" (gemeint: rechtswirksam) erfolgt. Mit Schreiben vom 31. Jänner 1995 habe der Verpächter (Österreichischer Touristenclub, Sektion E) der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld jedoch mitgeteilt, daß dieses Pachtverhältnis mit der Beschwerdeführerin am 8. Jänner 1995 aufgelöst worden sei. Im Zeitpunkt der Berufungserhebung am 16. Jänner 1995 sei die Beschwerdeführerin somit nicht mehr Pächterin des Gastgewerbes und daher nicht mehr legitimiert gewesen, ein Rechtsmittel gegen den erstinstanzlichen Bescheid zu ergreifen. Dieser mit Berufung bekämpfte Bescheid stelle auf den Betrieb ab und gelte zufolge seiner dinglichen Wirkung nunmehr für den jeweiligen Gewerbetreibenden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich in dem von ihr angenommenen Recht auf Abspruch in der Sache selbst unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund als verletzt. Sie bringt hiezu vor, der erstinstanzliche Bescheid sei ihr persönlich und nicht als Pächterin zugestellt worden; sie sei einziger Adressat dieses Bescheides. Da der Bescheid sich "nur gegen mich persönlich richtet", habe sie ein Recht darauf, daß der Bescheid durch eine Rechtsmittelinstanz inhaltlich überprüft werde. Der (erstinstanzliche) Bescheid sei gegen sie vollstreckbar; der Umstand, daß sie nicht mehr Pächterin sei, könne daran nichts ändern. Sie habe daher mit einer ihr drohenden Ersatzvornahme und mit einer Kostenvorauszahlung für diese Ersatzvornahme sowie Zwangsstrafen zu rechnen. Im Hinblick auf die Beendigung des Pachtverhältnisses hätte die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos beheben müssen. Dies ergebe sich auch aus der Überlegung, daß sie die Schutzhütte in naher Zukunft möglichweise wieder pachten könnte; in diesem Fall (Abschluß eines neuen Pachtvertrages) wäre der in Rechtskraft erwachsene erstinstanzliche Bescheid aber ohne inhaltliche Prüfung durch eine Rechtsmittelinstanz gegen sie vollstreckbar.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Beschwerde zum Erfolg zu führen.

Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist ausschließlich die Frage der Berufungslegitimation der Beschwerdeführerin. Daß sie im Zeitpunkt der Erhebung ihrer Berufung nicht mehr Pächterin des Gastgewerbes im Standort K-Hütte gewesen ist, zieht die Beschwerdeführerin in tatsächlicher Hinsicht nicht in Zweifel.

Nach § 63 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) richten sich der Instanzenzug und das Recht zur Einbringung der Berufung und sonstiger Rechtsmittel (Vorstellung), abgesehen von den in diesem Bundesgesetz besonders geregelten Fällen, nach den Verwaltungsvorschriften. Sofern danach das Recht zur Einbringung der Berufung und sonstiger Rechtsmittel in der im Einzelfall anzuwendenden Verwaltungsvorschrift nicht ausdrücklich geregelt ist, steht das Berufungsrecht demjenigen zu, der im Verwaltungsverfahren als Partei im Sinne des § 8 AVG anzusehen ist.

Gemäß § 40 Abs. 1 GewO 1994 kann der Gewerbeinhaber, sofern nicht hinsichtlich eines Gewerbes etwas anderes bestimmt ist, die Ausübung des Gewerbes einer Person übertragen, die es auf eigene Rechnung und im eigenen Namen ausübt (Pächter des Gewerbes). Nach Abs. 3 zweiter Satz leg. cit. erlischt das Recht des Pächters - abgesehen von den in diesem Bundesgesetz besonders geregelten Fällen - mit dem Widerruf der Übertragung, spätestens aber mit Beendigung des Pachtverhältnisses. Unter dem "Widerruf der Übertragung" im Sinne dieser Gesetzesstelle ist, wie sich aus deren Zusammenhalt mit § 40 Abs. 2 sowie § 345 Abs. 3 und Abs. 8 Z. 8 GewO 1994 ergibt, nicht der im § 91 Abs. 1 leg. cit. vorgesehene behördliche Widerruf (der Genehmigung) der Übertragung der Ausübung des Gewerbes an den Pächter zu verstehen. § 40 Abs. 3 zweiter Satz GewO 1994 ermöglicht es vielmehr dem Verpächter, die Übertragung der Ausübung des Gewerbes an den Pächter jederzeit mit der Wirkung zu widerrufen, daß die Behörde vom Zeitpunkt der Anzeige an nur mehr den Gewerbeinhaber als betriebsberechtigt behandeln darf. Die in der Gewerbeordnung enthaltenen Vorschriften über die Verpachtung eines Gewerbes betreffen lediglich das äußere Verhältnis zwischen Gewerbetreibenden und Pächter einerseits und Gewerbebehörde andererseits. Die rechtlichen Beziehungen zwischen Gewerbeinhaber und Pächter sind hingegen nach Privatrecht zu beurteilen (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Oktober 1976, Slg. N.F. Nr. 9160/A, vom 11. März 1983, Zl. 82/04/0126, und vom 13. September 1988, Zl. 86/04/0216).

In dem den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens bildenden erstinstanzlichen Verwaltungsverfahren waren die von der Bezirksverwaltungsbehörde jeweils aufzutragenden Maßnahmen gemäß § 69 Abs. 4 und gemäß § 153 Abs. 2 GewO 1994 DEM GEWERBETREIBENDEN vorzuschreiben. Diese Vorschreibung wurde im erstinstanzlichen Bescheid aber deshalb an die Beschwerdeführerin gerichtet, weil - jedenfalls bis zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides - der Gewerbeinhaber die Gewerbeausübung durch Verpachtung an die Beschwerdeführerin übertragen hatte. Demnach hat die Beschwerdeführerin aber - im oben dargelegten Sinn - durch Beendigung dieses Pachtverhältnisses die Parteistellung in dem in Rede stehenden Verwaltungsverfahren und damit auch ihre Berufungslegitimation verloren. Der belangten Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie im Hinblick darauf, daß die Verwaltungsvorschriften nach der vom Verpächter gegenüber der Behörde angezeigten Auflösung des Pachtverhältnisses ein Berufungsrecht eines "ehemaligen Pächters" nicht vorsehen, der Beschwerdeführerin die zum Zeitpunkt der Berufungserhebung nicht (mehr) gegebene Berufungslegitimation abgesprochen und daher die Berufung als unzulässig zurückgewiesen hat.

Daran vermögen die aus dem Blickwinkel eines der Beschwerdeführerin (allenfalls) drohenden Vollstreckungsverfahrens angestellten Überlegungen der Beschwerde nichts zu ändern, weil Prüfungsmaßstab für die Berufungslegitimation allein die hinsichtlich der Parteistellung relevanten Verwaltungsvorschriften sind. Im übrigen - und lediglich vollständigkeitshalber - ist der Beschwerdeführerin zu erwidern, daß der erstinstanzliche Bescheid - wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat - "dingliche Wirkung" entfaltet und daher gegenüber jedem wirkt, der entsprechende Rechte an der "betroffenen Sache" hat. Eine geänderte sachliche Beziehung zum Betrieb bzw. der gewerblichen Betriebsanlage wäre von Amts wegen wahrzunehmen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. Oktober 1987, Zl. 87/04/0050, und vom 10. November 1988, Zl. 87/08/0301; Walter-Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht5 (1991), Rz 489). Einem allenfalls gegen die Beschwerdeführerin betriebenen Vollstreckungsverfahren stünde - mit Rücksicht auf die seit Erlassung des Titelbescheides eingetretene wesentliche Sachverhaltsänderung - wohl das Hindernis des § 10 Abs. 2 lit. a VVG entgegen und würde eine Vollstreckung aus diesem Grund unzulässig machen (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 15. Mai 1973, Slg. N.F. Nr. 8416/A, vom 5. Dezember 1989, Zl. 86/07/0235, und vom 12. November 1985, Slg. N.F. Nr. 11.936/A). Da eine Vollstreckung durch Ersatzvornahme unter anderem einen mit Berufung bekämpfbaren Bescheid erfordert, mit dem die Ersatzvornahme durch einen Dritten auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten angedroht wird, stehen der Beschwerdeführerin damit ausreichende Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung, um in einem Vollstreckungsverfahren der von ihr befürchteten Kostenvorschreibung rechtlich wirksam begegenen zu können (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 18. Juni 1952, Slg. N.F. Nr. 2577/A, vom 5. Mai 1955, Slg. N.F. Nr. 3730/A, und vom 17. Juni 1986, Zl. 85/05/0160).

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Gewerberecht Pächter Vermieter Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Rechtskraft Besondere Rechtsprobleme Person des Bescheidadressaten dingliche Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995040103.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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