TE Vwgh Erkenntnis 1995/6/27 94/20/0876

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Veröffentlicht am 27.06.1995
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn sowie die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Baur und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des H in S, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. Oktober 1994, Zl. 4.345.032/2-III/13/94, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste am 22. August 1994 in das Bundesgebiet ein und stellte am 29. August 1994 den Antrag, ihm Asyl zu gewähren. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 16. September 1994 wurde dieser Asylantrag abgewiesen. Die Behörde verneinte dabei das Vorliegen der Flüchtlingseigenschaft im Sinn des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991, weil seine Angaben über erlittene Folterungen infolge zahlreicher Widersprüche zu den Aussagen des mit ihm gemeinsam geflohenen Bruder M nicht als glaubwürdig eingestuft werden könnten. So habe der Beschwerdeführer bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt angegeben, unzählige Male von Polizeibeamten oder Soldaten festgenommen und gefoltert worden zu seien. Erstmals sei er in den Jahren 1984/85 und letztmalig am 16. August 1994 festgenommen worden. Man habe ihn jeweils über mehrere Stunden angehalten und dadurch gefoltert, daß er Schläge auf die Fußsohlen bekommen habe, worauf dann die Füße in Salzwasser getaucht worden seien. Auch Schläge mit Sandsäcken habe er erdulden müssen; sichtbare Verletzungen seien jedoch nicht verblieben. Er sei etwa 40 bis 50mal der Bastonnade ausgesetzt worden. Er sei mit seinem Bruder gemeinsam 10mal in Haft gewesen, wobei sein Bruder dabei zuletzt während der Haft vor etwa 20 Tagen eine Schnittverletzung erlitten habe. Er selbst habe im Juni 1994 in Konya die Flucht organisiert, wo er sich gemeinsam mit seinem Bruder aufgehalten habe. Dort hätten sie auch gemeinsam den Flucht-LKW am 22. August 1994 bestiegen und illegal die Türkei verlassen. Dagegen stünde jedoch die Aussage des Bruders des Beschwerdeführers, der legiglich von einer zweimaligen gemeinsamen Haft gesprochen habe, wobei ihm die Schnittverletzung im Zuge einer Haft im Februar 1991 zugefügt worden sei. M habe weiters behauptet, daß sich der Beschwerdeführer seit 15. August 1994 bei ihm in Afyon aufgehalten habe, wo nicht dieser, sondern vielmehr er selbst die gemeinsame Flucht organisiert habe. Während der Beschwerdeführer angegeben habe, während der Flucht vom Schlepper nicht begleitet worden zu sein, habe sein Bruder wiederum ausgesagt, der Schlepper sei im Reisebus anwesend gewesen. Als einen der Gründe für die behaupteten Verfolgungshandlungen der türkischen Beamten habe der Beschwerdeführer angegeben, er habe die kurdische Sprache verwendet, wogegen sich jedoch herausgestellt habe, daß er die kurdische Sprache gar nicht beherrsche. Es erschiene auch unwahrscheinlich, daß bei der angegebenen Intensität von Folterungen keine Spuren verblieben wären.

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. September 1994 wurde die dagegen erhobene, nicht näher begründete Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen. In dem angefochtenen Bescheid verwies die belangte Behörde zunächst auf die ihrer Ansicht nach zutreffend im Bescheid des Bundesasylamtes aufgezeigten Widersprüchlichkeiten, übernahm die diesbezügliche rechtliche Schlußfolgerung und führte noch ergänzend aus: Die an sich unglaubwürdigen, angeblich erlittenen Festnahmen und Folterungen seien nach Aussage des Beschwerdeführers deshalb erfolgt, weil die türkischen Behörden Informationen über seinen älteren Bruder hätten erlangen wollen, womit Ursache für die Verfolgungshandlungen ein bei ihm vermutetes Sonderwissen gewesen sei. Grund für die Verfolgung wäre dann aber nicht das Verfolgungsmerkmal "Familie", sondern vielmehr ein davon unabhängiges, allein durch den gesellschaftlichen Kontakt begründetes und daraus abgeleitetes Sonderwissen des Beschwerdeführers über die Aktivitäten seines Bruders. Dies begründe keine aktuelle Verfolgung aus Konventionsgründen. Überdies sei davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer nach Verlassen der Türkei sich entweder in Bulgarien, in Griechenland oder in der russischen Föderation aufgehalten haben müsse, womit der Asylausschlußgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 vorliege.

Über die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes des bekämpften Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der Auffassung der Beschwerde, es sei nicht erkennbar, welchen Sachverhalt die Behörde als tatsächlich vorliegend annahm, ist entgegenzuhalten, daß die Darlegungen der Bescheidbegründung, die auf die von der Behörde erster Instanz aufgezeigten Widersprüchlichkeiten und die dadurch bewirkte Unglaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers verweisen, und die vom erstinstanzlichen Vorbringen ausgehenden Rechtsausführungen zweifelsfrei erkennen lassen, daß die belangte Behörde ihrer Beurteilung sowohl in sachverhaltsmäßiger als auch rechtlicher Hinsicht (mit Ergänzungen) die von der Behörde erster Instanz angeführten Ermittlungsergebnisse (die Angaben des Beschwerdeführers und das damit in Widerspruch stehende Vorbringen seines Bruders) zugrundelegte. Wenn die belangte Behörde davon ausgehend unter Hinweis auf die im Bescheid des Bundesasylamtes im einzelnen aufgezeigten Widersprüchlichkeiten die Glaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers bezweifelte und die im Asylverfahren glaubhaft zu machende Gefahr einer Verfolgung aus einem der in § 1 Z. 1 AsylG 1991 genannten Gründe als nicht bescheinigt ansah, kann ihr von der Warte der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Schlüssigkeitsprüfung aus mit Erfolg nicht entgegengetreten werden. Die Beschwerde bestreitet auch nicht weiter die im Bescheid des Bundesasylamtes dargestellten Widersprüchlichkeiten, will diesen jedoch keine maßgebliche Bedeutung zumessen. Nach Auffassung der Beschwerde seien die Aussagen der beiden Brüder jedenfalls insoferne übereinstimmend, daß Mißhandlungen in verschiedener Form und auch in einem größeren Zeitraum gesetzt worden seien, wobei diese Mißhandlungen Ausdruck der Feindseligkeit des türkischen Staates gegenüber der kurdischen Familie des Beschwerdeführers seien. Dem ist jedoch zu entgegnen, daß den Angaben des Asylwerbers im Asylverfahren zentrale Bedeutung zukommt, und diese im Rahmen der dem Asylwerber obliegenden Mitwirkungspflicht geeignet sein müssen, wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus Konventionsgründen glaubhaft zu machen. Die von der Behörde aufgezeigten und vom Beschwerdeführer auch nicht weiter bestrittenen Widersprüchlichkeiten seiner Aussage zu der seines Bruders sind nun keineswegs dergestalt, daß diese bei Beurteilung der Glaubwürdigkeit seiner Angaben zu vernachlässigen wären. Diese Widersprüche beziehen sich vielmehr auf wesentliche Kernpunkte in den Schilderungen des Beschwerdeführers über Ausmaß der stattgefundenen Verhaftungen und Folgen der behaupteten Folterungen sowie über die behaupteten Ursachen der Verfolgungshandlungen und die näheren Details der Flucht. Damit können die dargestellten Widersprüchlichkeiten aber nicht einfach als Erinnerungslücken oder schlichte Ungenauigkeiten in der Schilderung des Geschehens erklärt werden. Wenn in diesem Zusammenhang die Beschwerde ausführt, daß der Grund für die angegebenen Mißhandlungen des Beschwerdeführers darin gelegen gewesen sei, daß der türkische Staat linksgerichtete Aktivitäten der gesamten Familie einschließlich des Beschwerdeführers selbst befürchtet habe, so ist darauf hinzuweisen, daß in dem ursprünglich eingebrachten Asylantrag davon die Rede war, daß die türkischen Behörden den Beschwerdeführer und seinen Bruder deshalb verhaftet und geschlagen hätten, weil sie von ihnen Namen und Anschrift "irgendwelcher" PKK-Vertreter hätten wissen wollen. Davon hat aber der Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt nichts erwähnt. Daß aber der der Vernehmung des Beschwerdeführers unbestritten beigezogene Dolmetscher seine Angaben falsch oder unvollständig übersetzt hätte, wird auch in der Beschwerde nicht behauptet. Der Beschwerdeführer hat vielmehr die Richtigkeit und Vollständigkeit der Übersetzung mit seiner eigenhändigen Unterschrift bestätigt. Die in der Beschwerde dargelegten allgemeinen Ausführungen über das Kurdenproblem in der Türkei sind nicht geeignet, eine gegen den Beschwerdeführer konkret gerichtete Verfolgungshandlung durch den türkischen Staat darzutun und seine Angaben glaubwürdiger erscheinen zu lassen, zumal der Beschwerdeführer auch jetzt in seiner Beschwerdeschrift nicht weiter auf die konkret aufgezeigten und präzise dargestellten Widersprüche eingeht. Wenn also die belangte Behörde die Angaben des Beschwerdeführers für nicht glaubhaft erachtet hat, kann diese Würdigung von der Warte der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Schlüssigkeitsprüfung aus mit Erfolg nicht entgegengetreten werden.

Angesichts dieses Ergebnisses, wonach vom Vorliegen der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers nicht ausgegangen werden kann, bedarf es keiner weiteren Überprüfung des von der belangten Behörde noch zusätzlich herangezogenen Ausschlußgrundes des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991.

Die Beschwerde war vielmehr gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994200876.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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