TE Vwgh Erkenntnis 1995/6/29 94/07/0178

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Veröffentlicht am 29.06.1995
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs3;
AVG §66 Abs4;
VStG §24;
VStG §44a Z1;
VStG §9;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde der I in K, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 2. August 1994, Zl. I/6-1579/93, betreffend Übertretung nach dem Chemikaliengesetz (weitere Partei des Verfahrens: Bundesminister für Umwelt), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Krems (BM) vom 11. Mai 1993 wurde die Beschwerdeführerin wegen näher bezeichneter Tathandlungen, die sie "als Verantwortliche der Firma S. Gesellschaft m.b.H." gesetzt habe, dreier Verwaltungsübertretungen nach dem Chemikaliengesetz schuldig erkannt.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung beschränkte sich die Beschwerdeführerin, wie sie dies schon in einem zuvor erhobenen Einspruch gegen die Strafverfügung und in einer schriftlichen Rechtfertigung getan hatte, auf eine ohne Erstattung eines Sachvorbringens erklärte Bestreitung des Tatvorwurfes.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge und bestätigte das erstinstanzliche Straferkenntnis mit der Maßgabe, daß der Spruch dieses Straferkenntnisses dahin abgeändert wurde, daß die Bezeichnung "Verantwortliche" durch die Funktionsbezeichnung "handelsrechtliche Geschäftsführerin" ergänzt und die "Firmenbezeichnung" in "Johann S. & Co Gesellschaft m.b.H." richtiggestellt wurde.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung jedoch mit seinem Beschluß vom 28. November 1994, B 1958/94, abgelehnt und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten hat. Vor diesem Gerichtshof erklärt die Beschwerdeführerin sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Parteiengehör und einschlußweise auch in ihrem Recht darauf als verletzt, in dem über ihre Berufung ergehenden Bescheid nicht als handelsrechtliche Geschäftsführerin eines anderen Unternehmens als desjenigen zur Verantwortung gezogen zu werden, für welches sie im erstinstanzlichen Straferkenntnis verantwortlich gemacht worden war. Sie begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus dem Grunde seiner Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

Die genannte Bestimmung legt zwar fest, wer unter bestimmten Voraussetzungen als strafrechtlich Verantwortlicher anzusehen ist, sie normiert jedoch nicht etwa ein zusätzliches, zum Tatbild der jeweiligen Strafnorm hinzutretendes Tatbestandselement, das mit der Änderung des Rechtsgrundes der Heranziehung zur strafrechtlichen Haftung gleichfalls eine Änderung erführe. Dementsprechend hat der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen, daß allein durch die Aufrechterhaltung des Schuldspruches des erstbehördlichen Straferkenntnisses durch die Berufungsbehörde mit der Maßgabe, daß dem Beschuldigten die Straftat nicht für seine Person, sondern als Organ einer juristischen Person zuzurechnen sei, eine Auswechslung oder eine Überschreitung der Sache des Berufungsverfahrens nicht stattfindet, was auch für den Fall gilt, daß dem Beschuldigten die ihm zur Last gelegten Übertretungen nicht in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer Gesellschaft m.b.H., sondern als Inhaber eines Einzelunternehmens zugerechnet werden können (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 30. Juni 1994, 94/09/0035, vom 19. Jänner 1988, 87/04/0022, und vom 23. November 1982, 81/11/0097). Nichts anderes hat im Beschwerdefall zu gelten. Daß die belangte Behörde die Beschwerdeführerin als nach § 9 Abs. 1 VStG strafrechtlich verantwortliche Person für eine andere Gesellschaft als jene in Anspruch genommen hat, für welche sie im erstinstanzlichen Straferkenntnis verantwortlich gemacht worden war, stellte eine unzulässige Änderung des Tatvorwurfes oder eine Überschreitung der Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde nach § 66 Abs. 4 AVG nicht dar.

Soweit die Beschwerdeführerin es aber rügt, daß ihr zu der von der belangten Behörde vorgenommenen Änderung der juristischen Person, als deren verwaltungsstrafrechtlich Verantwortliche sie nunmehr angesehen wurde, das Parteiengehör nicht gewährt wurde, könnte ein darin gelegener Verfahrensmangel zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG nur dann führen, wenn die belangte Behörde bei Vermeidung des gegebenenfalls vorgelegenen Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid gelangen hätte können. Dies dem Verwaltungsgerichtshof aufzuzeigen, wäre Sache der Beschwerdeführerin gewesen, welcher es oblag, die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels durch ein Vorbringen darüber darzutun, welches im Falle der Gewährung des Parteiengehörs von ihr erstattete Vorbringen im Verwaltungsverfahrens aus welchen Gründen geeignet hätte sein können, die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid gelangen zu lassen (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 610, wiedergegebene

hg. Judikatur). Dies hat die Beschwerdeführerin unterlassen, womit ihrer Verfahrensrüge schon aus diesem Grund kein Erfolg beschieden sein kann.

Die Beschwerde erwies sich somit als unbegründet und war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme VerwaltungsstrafrechtUmfang der Abänderungsbefugnis Auswechslung des RechtsgrundesSpruch der Berufungsbehörde Änderungen des Spruches der ersten InstanzVerantwortlichkeit (VStG §9) zur Vertretung berufenes OrganParteiengehörBerufungsverfahren Befugnisse der Berufungsbehörde hinsichtlich Tatbestand und Subsumtion

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994070178.X00

Im RIS seit

27.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

16.11.2016
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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