Entscheidungsdatum
22.05.2024Norm
AsylG 2005 §8 Abs1Spruch
W226 1428209-4/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. WINDHAGER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA.: Ukraine, gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.11.2023, Zl. 596065601-230692616, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.02.2024 zu Recht: Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. WINDHAGER als Einzelrichter über die Beschwerde der römisch XXXX alias römisch XXXX alias römisch XXXX , geb. römisch XXXX , StA.: Ukraine, gegen Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.11.2023, Zl. 596065601-230692616, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.02.2024 zu Recht:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgangrömisch eins. Verfahrensgang
I.1. Vorverfahren:römisch eins.1. Vorverfahren:
I.1.1. Die Beschwerdeführerin (in der Folge: „BF“) stellte am 03.07.2012 erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu ihren Fluchtgründen gab sie zusammengefasst an, dass sie wegen ihrer Gegnerschaft zum Präsidenten Janukowitsch und der Mitarbeit ihrer Tochter in der politischen Bewegung von Julia Timoschenko verfolgt worden sei. Sie sei geschlagen und ihre Wohnung niedergebrannt worden. römisch eins.1.1. Die Beschwerdeführerin (in der Folge: „BF“) stellte am 03.07.2012 erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu ihren Fluchtgründen gab sie zusammengefasst an, dass sie wegen ihrer Gegnerschaft zum Präsidenten Janukowitsch und der Mitarbeit ihrer Tochter in der politischen Bewegung von Julia Timoschenko verfolgt worden sei. Sie sei geschlagen und ihre Wohnung niedergebrannt worden.
Der Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.07.2012, Zl. 12 08.180-BAT, abgewiesen.
I.1.2. Nach fristgerechter Beschwerdeerhebung wurde diese mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.11.2014, GZ: W196 1428209-1/10E, als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Fluchtgründe der BF inzwischen durch eine völlige Umgestaltung der politischen Lage in der Ukraine nicht mehr aktuell seien und daher die Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens dahingestellt bleiben könne.römisch eins.1.2. Nach fristgerechter Beschwerdeerhebung wurde diese mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.11.2014, GZ: W196 1428209-1/10E, als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Fluchtgründe der BF inzwischen durch eine völlige Umgestaltung der politischen Lage in der Ukraine nicht mehr aktuell seien und daher die Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens dahingestellt bleiben könne.
Das Verfahren wurde zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: „BFA“) zurückverwiesen.
I.1.3. Mit Bescheid vom 17.03.2017 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gegen die BF wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass eine Abschiebung in die Ukraine zulässig ist. Die Frist für die freiwillige Ausreise betrug 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.römisch eins.1.3. Mit Bescheid vom 17.03.2017 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraphen 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gegen die BF wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass eine Abschiebung in die Ukraine zulässig ist. Die Frist für die freiwillige Ausreise betrug 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.
I.1.4. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.05.2017, GZ: W226 1428209-2/2E, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 17.03.2017 in allen Punkten als unbegründet abgewiesen. römisch eins.1.4. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.05.2017, GZ: W226 1428209-2/2E, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 17.03.2017 in allen Punkten als unbegründet abgewiesen.
I.1.5. Am 06.07.2017 stellte die BF einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete sie im Wesentlichen damit, dass ihre Nachbarn ihr mitgeteilt hätten, dass die Polizei nach ihr suche. Sie vermute, dass es auch Ladungen gebe, diese seien aber noch nicht angekommen. Ferner brachte die BF vor, dass sie der russischen Volksgruppe angehöre. Seit Ausbruch des Konflikts sei die Lage in der Ukraine für russischsprachige Personen sehr bedrohlich, sie seien extremen Anfeindungen ausgesetzt. Sie befürchte bei einer Rückkehr festgenommen zu werden. römisch eins.1.5. Am 06.07.2017 stellte die BF einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete sie im Wesentlichen damit, dass ihre Nachbarn ihr mitgeteilt hätten, dass die Polizei nach ihr suche. Sie vermute, dass es auch Ladungen gebe, diese seien aber noch nicht angekommen. Ferner brachte die BF vor, dass sie der russischen Volksgruppe angehöre. Seit Ausbruch des Konflikts sei die Lage in der Ukraine für russischsprachige Personen sehr bedrohlich, sie seien extremen Anfeindungen ausgesetzt. Sie befürchte bei einer Rückkehr festgenommen zu werden.
I.1.6. Mit Bescheid des BFA vom 25.07.2018 wurde der Antrag wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen angeführt, dass die Beschwerdeführerin keine neuen Fluchtgründe vorgebracht hätte und sich auch kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt feststellen habe lassen. Ein Aufenthaltstitel wurde nicht erteilt und eine Rückkehrentscheidung erlassen. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung der BF in die Ukraine zulässig ist und keine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. römisch eins.1.6. Mit Bescheid des BFA vom 25.07.2018 wurde der Antrag wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen angeführt, dass die Beschwerdeführerin keine neuen Fluchtgründe vorgebracht hätte und sich auch kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt feststellen habe lassen. Ein Aufenthaltstitel wurde nicht erteilt und eine Rückkehrentscheidung erlassen. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung der BF in die Ukraine zulässig ist und keine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.
I.1.7. Die gegen diese Entscheidung erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.02.2019, GZ: W212 1428209-3/7E, als unbegründet abgewiesen und diesbezüglich ausgeführt, dass dem Vorbringen der BF kein glaubhafter Kern zukomme, da sich dieses einerseits auf Vermutungen stütze, die keine Deckung in den Länderberichten finden (asylrelevante Verfolgung aller Personen russischer Abstammung in der Ukraine), andererseits auf nicht asylrelevante Sachverhalte (Ladungen durch die Polizei, Bedrohung der Tochter durch Kriminelle). Von einer relevanten, wesentlichen Änderung des Sachverhalts seit der rechtskräftigen Entscheidung über den ersten Asylantrag könne daher nicht gesprochen werden. römisch eins.1.7. Die gegen diese Entscheidung erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.02.2019, GZ: W212 1428209-3/7E, als unbegründet abgewiesen und diesbezüglich ausgeführt, dass dem Vorbringen der BF kein glaubhafter Kern zukomme, da sich dieses einerseits auf Vermutungen stütze, die keine Deckung in den Länderberichten finden (asylrelevante Verfolgung aller Personen russischer Abstammung in der Ukraine), andererseits auf nicht asylrelevante Sachverhalte (Ladungen durch die Polizei, Bedrohung der Tochter durch Kriminelle). Von einer relevanten, wesentlichen Änderung des Sachverhalts seit der rechtskräftigen Entscheidung über den ersten Asylantrag könne daher nicht gesprochen werden.
I.2. Gegenständliches Verfahren:römisch eins.2. Gegenständliches Verfahren:
I.2.1. Am 06.04.2023 stellte die BF den gegenständlichen dritten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. römisch eins.2.1. Am 06.04.2023 stellte die BF den gegenständlichen dritten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
I.2.2. Im Rahmen der am selben Tag erfolgten niederschriftlichen Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab die BF zu ihrem Fluchtgrund befragt an:römisch eins.2.2. Im Rahmen der am selben Tag erfolgten niederschriftlichen Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab die BF zu ihrem Fluchtgrund befragt an:
„Die alten Fluchtgründe bleiben aufrecht. Sie sind intensiver geworden und ich werde von einer Person, welche ein Mafiamitglied ist verfolgt. Die besagte Person hat damals meine Tochter verfolgt und jetzt werde ich verfolgt.
Der neue Fluchtgrund ist der Krieg in der Ukraine. Für mich ist sehr gefährlich in der Ukraine zu leben.
Dies sind meine Fluchtgründe. Ich habe hiermit alle meine Gründe und die dazugehörenden Ereignisse angegeben, warum ich nach Österreich gereist bin. Ich habe keine weiteren Gründe einer Asylantragstellung.“
I.2.3. Am 07.09.2023 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme der BF vor dem BFA. Dabei gab sie im Wesentlichen an, dass sie seit Mai 2022 unter ständiger Beobachtung eines Psychiaters sei und eine Psychotherapie mache. Sie sei ukrainische Staatsangehörige und bekenne sich zur christlich-orthodoxen Religion. Die BF sei seit Juli 2012 in Österreich aufhältig. Den Großteil ihres Aufenthalts habe die BF Leistungen aus der Grundversorgung bekommen. Sie sei mit einem ungarischen Staatsangehörigen verheiratet. Im Herkunftsland wohne nach wie vor der Sohn der BF, die Enkel würden auf der XXXX leben. In Österreich verfüge die BF über familiäre Anknüpfungspunkte in Form ihrer Tochter, welche bereits die österreichische Staatsbürgerschaft besitze. In Deutschland seien ferner die Schwester und eine Nichte der BF aufhältig. römisch eins.2.3. Am 07.09.2023 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme der BF vor dem BFA. Dabei gab sie im Wesentlichen an, dass sie seit Mai 2022 unter ständiger Beobachtung eines Psychiaters sei und eine Psychotherapie mache. Sie sei ukrainische Staatsangehörige und bekenne sich zur christlich-orthodoxen Religion. Die BF sei seit Juli 2012 in Österreich aufhältig. Den Großteil ihres Aufenthalts habe die BF Leistungen aus der Grundversorgung bekommen. Sie sei mit einem ungarischen Staatsangehörigen verheiratet. Im Herkunftsland wohne nach wie vor der Sohn der BF, die Enkel würden auf der römisch XXXX leben. In Österreich verfüge die BF über familiäre Anknüpfungspunkte in Form ihrer Tochter, welche bereits die österreichische Staatsbürgerschaft besitze. In Deutschland seien ferner die Schwester und eine Nichte der BF aufhältig.
Zu ihrem Fluchtgrund befragt führte die BF aus, dass seit der letzten Ablehnung ihres Antrages auf internationalen Schutz in der Ukraine gesetzlich verankert worden sei, dass die Russen ein niederes Volk seien, dem nicht alle Bürgerrechte zukommen. Dieses Gesetz sei am 01.07.2021 verabschiedet worden, danach habe der Krieg begonnen. Etwa eine Woche nach Kriegsbeginn sei der Sohn der BF von der ukrainischen Polizei festgenommen und mehrere Stunden hindurch geschlagen worden. Es sei sein Telefon durchsucht worden und dabei hätten die Polizisten russische Telefonnummern gefunden. Auf dieser Grundlage sei vom Sohn der BF ein Geständnis gefordert worden, dass er ein Spion sei. Der Sohn sei geschlagen worden, weil man ihm vorgeworfen habe, dass er ein Verräter sei und in Österreich Asyl beantragt habe. Wenn die BF in die Ukraine zurückkehrt, würde ihr dasselbe wiederfahren.
Die BF gab an, dass sie aufgrund des Umstandes, dass sie der russischen Volksgruppe angehöre und in XXXX gemeinsam mit Russen an antifaschistischen Kundgebungen teilgenommen habe, in der Ukraine umgebracht werde. In der Ukraine sei die BF in der Partei der Regionen politisch tätig gewesen. In Österreich sei die BF Mitglied des Verbandes XXXX , einer russischen Vereinigung. Es würde auch Fotos und Videos im Internet geben, auf welchen klar ersichtlich sei, dass die BF ein Mitglied dieser Verbindung sei. Die BF gab an, dass sie aufgrund des Umstandes, dass sie der russischen Volksgruppe angehöre und in römisch XXXX gemeinsam mit Russen an antifaschistischen Kundgebungen teilgenommen habe, in der Ukraine umgebracht werde. In der Ukraine sei die BF in der Partei der Regionen politisch tätig gewesen. In Österreich sei die BF Mitglied des Verbandes römisch XXXX , einer russischen Vereinigung. Es würde auch Fotos und Videos im Internet geben, auf welchen klar ersichtlich sei, dass die BF ein Mitglied dieser Verbindung sei.
I.2.4. Am 18.09.2023 langte eine Stellungnahme der BF bei der Behörde ein. Darin führte die BF aus, dass sie aufgrund der aktuellen Sicherheitslage im Allgemeinen und aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur russischen Volksgruppe sowie der in der Einvernahme geschilderten Gründe besonders gefährdet sei.römisch eins.2.4. Am 18.09.2023 langte eine Stellungnahme der BF bei der Behörde ein. Darin führte die BF aus, dass sie aufgrund der aktuellen Sicherheitslage im Allgemeinen und aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur russischen Volksgruppe sowie der in der Einvernahme geschilderten Gründe besonders gefährdet sei.
I.2.5. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 24.11.2023 wurde der Antrag auf internationalen Schutz der BF vom 06.04.2023 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), als auch gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Ukraine abgewiesen (Spruchpunkt II.). Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 wurde der BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG wurde gemäß § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG als auf Dauer unzulässig erkannt und gemäß § 58 Abs. 2 und 3 AsylG 2005 iVm § 55 AsylG 2005 der BF eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt IV.).römisch eins.2.5. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 24.11.2023 wurde der Antrag auf internationalen Schutz der BF vom 06.04.2023 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 (Spruchpunkt römisch eins.), als auch gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Ukraine abgewiesen (Spruchpunkt römisch II.). Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 wurde der BF nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG wurde gemäß Paragraph 9, Absatz 2 und 3 BFA-VG als auf Dauer unzulässig erkannt und gemäß Paragraph 58, Absatz 2 und 3 AsylG 2005 in Verbindung mit Paragraph 55, AsylG 2005 der BF eine Aufenthaltsberechtigung gemäß Paragraph 55, Absatz 2, AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt römisch IV.).
Begründend führte die Behörde aus, dass über die Fluchtgründe der BF aus dem Vorverfahren bereits abgesprochen wurde und diese insgesamt unglaubwürdig seien. Im Hinblick auf das neue Fluchtvorbringen führte die Behörde aus, dass keine persönliche Bedrohung bzw. Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention erkennbar sei. Es gäbe auch keine konkreten Anhaltspunkte für eine Verfolgung aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit der BF. In Zusammenhang mit dem Vorbringen, wonach der Sohn der BF festgenommen worden sein soll, führte das BFA im angefochtenen Bescheid aus, dass die BF diese Fluchtgeschichte in der Erstbefragung und in der Stellungnahme mit keinem Wort erwähnt habe. Die Behörde argumentierte, dass davon ausgegangen werden könne, dass, wenn dieser behauptete Vorfall tatsächlich passiert wäre, die BF diesen Sachverhalt bereits in der Erstbefragung bzw. auch in der Stellungnahme erwähnt hätte. Es werde daher von einer Steigerung des Vorbringens ausgegangen. Aktuell lasse sich keine asylrelevante Verfolgung der BF feststellen.
Aufgrund der Berücksichtigung des Privatlebens der BF sei eine Rückkehrentscheidung aber auf Dauer unzulässig.
I.2.6. Am 12.12.2023 erhob die BF im Wege ihrer Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des Bescheides des BFA. Darin führte sie im Wesentlichen an, dass die BF wohlbegründete Furcht vor Verfolgung wegen ihrer tatsächlichen oder unterstellten politischen Gesinnung durch staatliche Behörden hege. Zudem bestehe aufgrund der aktuellen Kriegssituation im gesamten Staatsgebiet der Ukraine eine akute Gefahr, Opfer von Kriegshandlungen oder der höchst prekären Versorgungslage zu werden. Es komme im gesamten Land zu intensiven Kampfhandlungen, denen Zivilisten und Zivilistinnen zu Opfer fallen könnten und würden verschiedene Attacken auch direkt gegen die Zivilbevölkerung und die zivile Infrastruktur vorgenommen werden. römisch eins.2.6. Am 12.12.2023 erhob die BF im Wege ihrer Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde gegen die Spruchpunkte römisch eins. und römisch II. des Bescheides des BFA. Darin führte sie im Wesentlichen an, dass die BF wohlbegründete Furcht vor Verfolgung wegen ihrer tatsächlichen oder unterstellten politischen Gesinnung durch staatliche Behörden hege. Zudem bestehe aufgrund der aktuellen Kriegssituation im gesamten Staatsgebiet der Ukraine eine akute Gefahr, Opfer von Kriegshandlungen oder der höchst prekären Versorgungslage zu werden. Es komme im gesamten Land zu intensiven Kampfhandlungen, denen Zivilisten und Zivilistinnen zu Opfer fallen könnten und würden verschiedene Attacken auch direkt gegen die Zivilbevölkerung und die zivile Infrastruktur vorgenommen werden.
I.2.7. Am 29.02.2024 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt. Dabei gab die BF im Wesentlichen an, dass sie im Herkunftsland nach wie vor über Angehörige in Form ihrer Eltern und ihres Sohnes verfüge. In Österreich halte sich ihre Tochter auf, welche im Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft sei. Gegen den Sohn sei seit seiner Festnahme durch die Polizei kein Gerichtsverfahren geführt worden. Im Herkunftsland fürchte sich die BF nach wie vor vor dem ehemaligen Präsidenten Janukowitsch und dessen Umfeld. römisch eins.2.7. Am 29.02.2024 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt. Dabei gab die BF im Wesentlichen an, dass sie im Herkunftsland nach wie vor über Angehörige in Form ihrer Eltern und ihres Sohnes verfüge. In Österreich halte sich ihre Tochter auf, welche im Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft sei. Gegen den Sohn sei seit seiner Festnahme durch die Polizei kein Gerichtsverfahren geführt worden. Im Herkunftsland fürchte sich die BF nach wie vor vor dem ehemaligen Präsidenten Janukowitsch und dessen Umfeld.
I.2.8. Am 14.03.2024 zog die BF die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides zurück und brachte gleichzeitig eine Stellungnahme zum Bestehen einer Gefährdung iSd Art. 2 und 3 EMRK ein. römisch eins.2.8. Am 14.03.2024 zog die BF die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides zurück und brachte gleichzeitig eine Stellungnahme zum Bestehen einer Gefährdung iSd Artikel 2 und 3 EMRK ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zu den persönlichen Verhältnissen der Beschwerdeführerin:
Die BF ist Staatsangehörige der Ukraine und bekennt sich zum christlich-orthodoxen Glauben. Ihre Volksgruppenzugehörigkeit kann nicht zweifelsfrei festgestellt werden.
Ihre Identität steht fest.
Die Muttersprache der BF ist Russisch, zudem verfügt sie über fortgeschrittene Kenntnisse der ukrainischen und der deutschen Sprache. Sie hat die Deutschprüfung auf dem Niveau B2 am 26.01.2019 bestanden.
Die BF wurde in XXXX , geboren, lebte seit 1971 aber ausschließlich in der Ukraine. Vor der Ausreise aus dem Herkunftsland war die BF zuletzt in XXXX , Ukraine, aufhältig.Die BF wurde in römisch XXXX , geboren, lebte seit 1971 aber ausschließlich in der Ukraine. Vor der Ausreise aus dem Herkunftsland war die BF zuletzt in römisch XXXX , Ukraine, aufhältig.
Die BF hält sich seit Juli 2012 im österreichischen Bundesgebiet auf und verfügt über einen gemeldeten Wohnsitz. Seit ihrer Einreise war die BF nicht mehr in der Ukraine aufhältig.
Am XXXX schloss die BF eine Ehe mit dem ungarischen Staatsangehörigen XXXX , geb. XXXX . Die BF lebt nicht mit ihrem Gatten zusammen. Dies ist aktuell in Serbien aufhältig. In weiterer Folge beantragte die BF die Ausstellung einer Aufenthaltskarte als Angehörige eines EWR- oder Schweizer Bürgers. Mit Bescheid des Amtes der XXXX Landesregierung XXXX vom XXXX wurde der Antrag zurückgewiesen und diesbezüglich ausgeführt, dass es sich um eine Aufenthaltsehe handle. Die BF erhob dagegen keine Beschwerde.Am römisch XXXX schloss die BF eine Ehe mit dem ungarischen Staatsangehörigen römisch XXXX , geb. römisch XXXX . Die BF lebt nicht mit ihrem Gatten zusammen. Dies ist aktuell in Serbien aufhältig. In weiterer Folge beantragte die BF die Ausstellung einer Aufenthaltskarte als Angehörige eines EWR- oder Schweizer Bürgers. Mit Bescheid des Amtes der römisch XXXX Landesregierung römisch XXXX vom römisch XXXX wurde der Antrag zurückgewiesen und diesbezüglich ausgeführt, dass es sich um eine Aufenthaltsehe handle. Die BF erhob dagegen keine Beschwerde.
Im Herkunftsland besuchte die BF zehn Jahre die Grundschule, drei Jahre ein College und studierte im Anschluss sechs Jahre an einer technischen Universität. Vor der Ausreise war die BF zuletzt im XXXX tätig. Die genaue Tätigkeit kann nicht zweifelsfrei festgestellt werden. Im Herkunftsland besuchte die BF zehn Jahre die Grundschule, drei Jahre ein College und studierte im Anschluss sechs Jahre an einer technischen Universität. Vor der Ausreise war die BF zuletzt im römisch XXXX tätig. Die genaue Tätigkeit kann nicht zweifelsfrei festgestellt werden.
Im Herkunftsland sind nach wie vor die Eltern und der Sohn der BF, XXXX , geb. XXXX , sowie die Enkel der BF, aufhältig. Die Eltern der BF leben im Gebiet von XXXX , der Sohn in XXXX und die Enkel der BF leben auf der XXXX . Der Sohn der BF geht aktuell keiner Beschäftigung nach, sondern lebt bei seinem Vater und wird von diesem auch finanziell unterstützt. Im Herkunftsland sind nach wie vor die Eltern und der Sohn der BF, römisch XXXX , geb. römisch XXXX , sowie die Enkel der BF, aufhältig. Die Eltern der BF leben im Gebiet von römisch XXXX , der Sohn in römisch XXXX und die Enkel der BF leben auf der römisch XXXX . Der Sohn der BF geht aktuell keiner Beschäftigung nach, sondern lebt bei seinem Vater und wird von diesem auch finanziell unterstützt.
In Österreich verfügt die BF über familiäre Anknüpfungspunkte in Form ihrer Tochter, XXXX , geb. XXXX , welche über die österreichische Staatsbürgerschaft verfügt. Eine Schwester und die Nichte sind in Deutschland aufhältig. In Österreich verfügt die BF über familiäre Anknüpfungspunkte in Form ihrer Tochter, römisch XXXX , geb. römisch XXXX , welche über die österreichische Staatsbürgerschaft verfügt. Eine Schwester und die Nichte sind in Deutschland aufhältig.
Die BF ist aufgrund ihrer psychischen Probleme seit dem Jahr 2022 unter ständiger Beobachtung eines Psychiaters und macht eine Psychotherapie. Sie leidet an einer rezidiven depressiven Störung (F 33.1) und an einer Anpassungsstörung (F 43.2) sowie an Insomnie (F 51.0) und nimmt täglich Medikamente (CEREBOKAN FTBL 80mg, SERTRALIN BLU FTBL 50mg, TRITTICO RET TBL 150mg und ACERYLCYS HEX LSB TBL 600mg). Die BF ist dadurch nicht in ihrer Arbeitsfähigkeit eingeschränkt.
Von 2019 bis 2022 hat die BF am XXXX gearbeitet. Abgesehen von dieser Beschäftigung lebte die BF ausschließlich von Leistungen aus der Grundversorgung. Von 2019 bis 2022 hat die BF am römisch XXXX gearbeitet. Abgesehen von dieser Beschäftigung lebte die BF ausschließlich von Leistungen aus der Grundversorgung.
Die BF ist in Österreich Mitglied des Verbandes XXXX , einer russischen Vereinigung, und arbeitet ehrenamtlich bei der XXXX und im XXXX . Die BF ist in Österreich Mitglied des Verbandes römisch XXXX , einer russischen Vereinigung, und arbeitet ehrenamtlich bei der römisch XXXX und im römisch XXXX .
Die BF ist strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zu einer möglichen Rückkehr in die Ukraine:
Eine asylrelevante Verfolgung konnte im Verfahren vor der Behörde nicht festgestellt werden und zog die BF die Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung von Asyl mit Schreiben vom 14.03.2024 zurück.
Vom Nichtbestehen einer Verfolgungsgefahr abgesehen, können im gegenständlichen Verfahren auch keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass die BF im Fall ihrer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Ukraine einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe, der Todesstrafe oder sonst einer konkreten individuellen Gefahr ausgesetzt wäre oder dass sie im Falle einer Rückkehr als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts zu befürchten hätte.
Die BF wäre im Falle ihrer Rückkehr auch in keine existenzbedrohende Notlage gedrängt. Ihre Existenz ist durch eine mögliche Erwerbstätigkeit sowie durch die Unterstützung ihrer im Herkunftsland und in Österreich aufhältigen Angehörigen gesichert; sie leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensgefährlichen Erkrankungen, ist arbeitsfähig und spricht zudem die Landessprache.
1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:
1.3.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über die Ukraine vom 12.03.2024:
Politische Lage
Letzte Änderung 2022-12-01 10:41
Die Ukraine ist eine parlamentarisch-präsidiale Republik (AA 7.2.2022). Der Präsident wird für eine Amtszeit von fünf Jahren direkt gewählt. Maximal möglich sind zwei Amtsperioden (FH 24.2.2022). Staatsoberhaupt ist seit 20. Mai 2019 Präsident Wolodymyr Selensky (AA 7.2.2022; vgl. President.gov o.D.). Wahlbeobachtern zufolge verlief die Präsidentschaftswahl am 31. März und 21. April 2019 im Großen und Ganzen frei und fair und entsprach generell den Regeln des demokratischen Wettstreits. Kritisiert wurden unter anderem die unklare Wahlkampffinanzierung und die Medienberichterstattung in der Wahlauseinandersetzung (OSZE 20.11.2019b). Auf der russisch besetzten Halbinsel Krim und in den damals von Separatisten kontrollierten Gebieten im Donbass fanden keine Wahlen statt (FH 24.2.2022; vgl. USDOS 12.4.2022). Seit 4. März 2020 ist Denys Schmyhal Ministerpräsident und somit Regierungschef (AA 7.2.2022; vgl. Gov.ua o.D.). Die Ukraine ist eine parlamentarisch-präsidiale Republik (AA 7.2.2022). Der Präsident wird für eine Amtszeit von fünf Jahren direkt gewählt. Maximal möglich sind zwei Amtsperioden (FH 24.2.2022). Staatsoberhaupt ist seit 20. Mai 2019 Präsident Wolodymyr Selensky (AA 7.2.2022; vergleiche President.gov o.D.). Wahlbeobachtern zufolge verlief die Präsidentschaftswahl am 31. März und 21. April 2019 im Großen und Ganzen frei und fair und entsprach generell den Regeln des demokratischen Wettstreits. Kritisiert wurden unter anderem die unklare Wahlkampffinanzierung und die Medienberichterstattung in der Wahlauseinandersetzung (OSZE 20.11.2019b). Auf der russisch besetzten Halbinsel Krim und in den damals von Separatisten kontrollierten Gebieten im Donbass fanden keine Wahlen statt (FH 24.2.2022; vergleiche USDOS 12.4.2022). Seit 4. März 2020 ist Denys Schmyhal Ministerpräsident und somit Regierungschef (AA 7.2.2022; vergleiche Gov.ua o.D.).
Das Parlament ist ein Einkammerparlament (FH 24.2.2022). Nach der Inauguration des Präsidenten Selensky wurde das Parlament aufgelöst. Die vorgezogenen Parlamentswahlen fanden am 21. Juli 2019 statt (ZO 21.5.2019; vgl. OSZE 20.11.2019b). Die Wahlbeteiligung betrug knapp 50 %. Die OSZE sprach trotz des klaren Ergebnisses von einer fairen Konkurrenz. Zwar bemängelte sie fehlende Transparenz bei der Wahlkampffinanzierung, insgesamt registrierten die Wahlbeobachter bei der Abstimmung allerdings keine gröberen Verstöße (FH 3.3.2021a; vgl. Standard 22.7.2019, OSZE 20.11.2019a). Bei den Parlamentswahlen gewann Selenskys Partei 'Diener des Volkes' 43,16 % der Stimmen bzw. 254 von 450 Sitzen, die Oppositionsplattform 'Für das Leben' 13,05 % bzw. 43 Sitze, 'Vaterland' 8,18 % bzw. 26 Sitze, 'Europäische Solidarität' (Poroschenko-Block) 8,10 % bzw. 25 Sitze und die Partei 'Stimme' 5,82 % bzw. 20 Sitze (OSZE 20.11.2019a; vgl. FH 3.3.2021a). Auf der Krim und in den damals von Separatisten kontrollierten Teilen des Donbas konnten die Wahlen nicht stattfinden (FH 24.2.2022). Folglich wurden nur 424 der 450 Sitze im Parlament besetzt (FH 24.2.2022; vgl. OSZE 20.11.2019a). Darüber hinaus war rund eine Million Bürger nicht wahlberechtigt, weil sie keine registrierte Adresse hatten (FH 24.2.2022). Das Parlament ist ein Einkammerparlament (FH 24.2.2022). Nach der Inauguration des Präsidenten Selensky wurde das Parlament aufgelöst. Die vorgezogenen Parlamentswahlen fanden am 21. Juli 2019 statt (ZO 21.5.2019; vergleiche OSZE 20.11.2019b). Die Wahlbeteiligung betrug knapp 50 %. Die OSZE sprach trotz des klaren Ergebnisses von einer fairen Konkurrenz. Zwar bemängelte sie fehlende Transparenz bei der Wahlkampffinanzierung, insgesamt registrierten die Wahlbeobachter bei der Abstimmung allerdings keine gröberen Verstöße (FH 3.3.2021a; vergleiche Standard 22.7.2019, OSZE 20.11.2019a). Bei den Parlamentswahlen gewann Selenskys Partei 'Diener des Volkes' 43,16 % der Stimmen bzw. 254 von 450 Sitzen, die Oppositionsplattform 'Für das Leben' 13,05 % bzw. 43 Sitze, 'Vaterland' 8,18 % bzw. 26 Sitze, 'Europäische Solidarität' (Poroschenko-Block) 8,10 % bzw. 25 Sitze und die Partei 'Stimme' 5,82 % bzw. 20 Sitze (OSZE 20.11.2019a; vergleiche FH 3.3.2021a). Auf der Krim und in den damals von Separatisten kontrollierten Teilen des Donbas konnten die Wahlen nicht stattfinden (FH 24.2.2022). Folglich wurden nur 424 der 450 Sitze im Parlament besetzt (FH 24.2.2022; vergleiche OSZE 20.11.2019a). Darüber hinaus war rund eine Million Bürger nicht wahlberechtigt, weil sie keine registrierte Adresse hatten (FH 24.2.2022).
Das ukrainische Parlament (Werchowna Rada) wurde bisher über ein Mischsystem zur Hälfte nach Verhältniswahlrecht und zur anderen Hälfte nach Mehrheitswahl in Einerwahlkreisen gewählt. Das gemischte Wahlsystem wird als anfällig für Manipulation und Stimmenkauf kritisiert. Im Dezember 2019 wurde vom Parlament ein neues Wahlgesetz beschlossen. Es sieht teils ein Verhältniswahlsystem mit offenen Parteilisten sowohl für Parlaments- als auch für Kommunalwahlen vor. Ein Gesetz aus dem Jahr 2016 sieht eine staatliche Finanzierung von im Parlament vertretenen Parteien vor, aber dadurch werden etablierte Parteien gegenüber neu entstandenen Parteien bevorzugt. Gemäß diesem Gesetz müssen Parteien mindestens 5 % der abgegebenen Stimmen erhalten, um für die staatliche Finanzierung berücksichtigt zu werden. Neue Kleinparteien haben Schwierigkeiten, mit etablierten Parteien zu konkurrieren, welche die Unterstützung und den finanziellen Rückhalt politisch vernetzter Oligarchen genießen. Die Kommunistische Partei ist in der Ukraine verboten (FH 24.2.2022). Im Mai 2022 unterzeichnete Präsident Selensky ein Gesetz, welches russlandfreundliche politische Parteien verbietet. Von dem Verbot betroffen ist beispielsweise die Oppositionsplattform 'Für das Leben' (RFE/RL 14.5.2022; vgl. KP 4.5.2022). Das ukrainische Parlament (Werchowna Rada) wurde bisher über ein Mischsystem zur Hälfte nach Verhältniswahlrecht und zur anderen Hälfte nach Mehrheitswahl in Einerwahlkreisen gewählt. Das gemischte Wahlsystem wird als anfällig für Manipulation und Stimmenkauf kritisiert. Im Dezember 2019 wurde vom Parlament ein neues Wahlgesetz beschlossen. Es sieht teils ein Verhältniswahlsystem mit offenen Parteilisten sowohl für Parlaments- als auch für Kommunalwahlen vor. Ein Gesetz aus dem Jahr 2016 sieht eine staatliche Finanzierung von im Parlament vertretenen Parteien vor, aber dadurch werden etablierte Parteien gegenüber neu entstandenen Parteien bevorzugt. Gemäß diesem Gesetz müssen Parteien mindestens 5 % der abgegebenen Stimmen erhalten, um für die staatliche Finanzierung berücksichtigt zu werden. Neue Kleinparteien haben Schwierigkeiten, mit etablierten Parteien zu konkurrieren, welche die Unterstützung und den finanziellen Rückhalt politisch vernetzter Oligarchen genießen. Die Kommunistische Partei ist in der Ukraine verboten (FH 24.2.2022). Im Mai 2022 unterzeichnete Präsident Selensky ein Gesetz, welches russlandfreundliche politische Parteien verbietet. Von dem Verbot betroffen ist beispielsweise die Oppositionsplattform 'Für das Leben' (RFE/RL 14.5.2022; vergleiche KP 4.5.2022).
Die nach der 'Revolution der Würde' auf dem Majdan in Kyjiw im Winter 2013/2014 und der Flucht des damaligen Präsidenten Janukowytsch von Präsident Poroschenko begonnene europafreundliche Reformpolitik wird durch Präsident Selensky fortgesetzt. Selenskys Partei verfügt zwar über eine absolute Mehrheit im Parlament, sie ist jedoch auch den starken Beharrungskräften oligarchischer Strukturen, in Bürokratie und Justiz ausgesetzt (AA 30.5.2021). Die relativ hohen Beliebtheitswerte Selenskys zu Beginn von dessen Präsidentschaft erlitten in der Zeit vor dem Ukraine-Krieg einen Einbruch. Mit Beginn des Kriegs im Februar 2022 stieg der Beliebtheitsgrad des ukrainischen Präsidenten wieder (UA 11.4.2022; vgl. Meduza 4.5.2022). Am 23.6.2022 wurde der Ukraine von der EU der Status eines EU-Beitrittskandidaten verliehen. Am 1.9.2017 ist das Assoziierungsabkommen zur Annäherung zwischen der Ukraine und der EU in Kraft getreten (Rat 8.11.2022).Die nach der 'Revolution der Würde' auf dem Majdan in Kyjiw im Winter 2013/2014 und der Flucht des damaligen Präsidenten Janukowytsch von Präsident Poroschenko begonnene europafreundliche Reformpolitik wird durch Präsident Selensky fortgesetzt. Selenskys Partei verfügt zwar über eine absolute Mehrheit im Parlament, sie ist jedoch auch den starken Beharrungskräften oligarchischer Strukturen, in Bürokratie und Justiz ausgesetzt (AA 30.5.2021). Die relativ hohen Beliebtheitswerte Selenskys zu Beginn von dessen Präsidentschaft erlitten in der Zeit vor dem Ukraine-Krieg einen Einbruch. Mit Beginn des Kriegs im Februar 2022 stieg der Beliebtheitsgrad des ukrainischen Präsidenten wieder (UA 11.4.2022; vergleiche Meduza 4.5.2022). Am 23.6.2022 wurde der Ukraine von der EU der Status eines EU-Beitrittskandidaten verliehen. Am 1.9.2017 ist das Assoziierungsabkommen zur Annäherung zwischen der Ukraine und der EU in Kraft getreten (Rat 8.11.2022).
Im Kreml in Moskau fand am 30.9.2022 die Unterzeichnung der Verträge zum Russland-Beitritt der ukrainischen Regionen Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson statt (Kremlin.ru 30.9.2022). International wird die Annexion dieser vier Gebiete nicht anerkannt (Standard 30.9.2022).
Sicherheitslage
Letzte Änderung 2023-07-11 14:17
Am 24.2.2022 haben russische Streitkräfte die Ukraine angegriffen (AA 22.11.2022). Am selben Tag wurde in der Ukraine der Notstand verhängt (BMEIA 11.7.2022; vgl. USDOS 22.5.2023) bzw. das Kriegsrecht ausgerufen (WR 19.5.2023). Die Sicherheitslage in der Ukraine ist daher unberechenbar (USDOS 22.5.2023; vgl. EDA 10.5.2023). Kampfhandlungen konzentrieren sich derzeit auf den Osten und den Süden der Ukraine. Im ganzen Land finden Raketen- und Luftangriffe statt, wobei auch ein Beschuss ziviler Infrastrukturen und Wohnbebauung nicht ausgeschlossen werden kann (AA 22.11.2022). Täglich fordern Angriffe aus der Luft und durch Bodentruppen Todesopfer und Verletzte, auch unter der Zivilbevölkerung (EDA 10.5.2023). Nach Angaben des Büros des UN-Hochkommissars für Menschenrechte (OHCHR) wurden im Zeitraum 24.2.2022-18.6.2023 9.083 Zivilisten getötet und 15.779 Zivilisten verletzt. Gemäß OHCHR ist von einer noch viel höheren Dunkelziffer auszugehen (UN-OHCHR 19.6.2023). Russland begeht im Krieg gegen die Ukraine schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen gegen die ukrainische Zivilbevölkerung (UN-OHCHR 16.3.2023; vgl. HRW 21.4.2022). Zu den von russischen Behörden verübten Kriegsverbrechen zählen Angriffe auf die Energie-Infrastruktur, absichtliche Tötungen, ungesetzliche Inhaftierungen, Folter, Vergewaltigung und andere Formen sexueller Gewalt sowie ungesetzliche Deportationen von Kindern (UN-OHCHR 16.3.2023). Überall im Land besteht die Gefahr von nicht explodierter Munition, im Küstenbereich zudem von Seeminen. In den vormals von russischen Truppen gehaltenen und inzwischen durch ukrainische Truppen wieder befreiten Gebieten ist zudem die Gefahr von Minen und Sprengfallen hoch (AA 22.11.2022). Das größte Atomkraftwerk Europas, das ukrainische AKW Saporischschja, ist immer wieder Ziel von heftigem Beschuss. Russland und die Ukraine beschuldigen sich gegenseitig, das AKW zu beschießen (ZO 22.11.2022). Am 24.2.2022 haben russische Streitkräfte die Ukraine angegriffen (AA 22.11.2022). Am selben Tag wurde in der Ukraine der Notstand verhängt (BMEIA 11.7.2022; vergleiche USDOS 22.5.2023) bzw. das Kriegsrecht ausgerufen (WR 19.5.2023). Die Sicherheitslage in der Ukraine ist daher unberechenbar (USDOS 22.5.2023; vergleiche EDA 10.5.2023). Kampfhandlungen konzentrieren sich derzeit auf den Osten und den Süden der Ukraine. Im ganzen Land finden Raketen- und Luftangriffe statt, wobei auch ein Beschuss ziviler Infrastrukturen und Wohnbebauung nicht ausgeschlossen werden kann (AA 22.11.2022). Täglich fordern Angriffe aus der Luft und durch Bodentruppen Todesopfer und Verletzte, auch unter der Zivilbevölkerung (EDA 10.5.2023). Nach Angaben des Büros des UN-Hochkommissars für Menschenrechte (OHCHR) wurden im Zeitraum 24.2.2022-18.6.2023 9.083 Zivilisten getötet und 15.779 Zivilisten verletzt. Gemäß OHCHR ist von einer noch viel höheren Dunkelziffer auszugehen (UN-OHCHR 19.6.2023). Russland begeht im Krieg gegen die Ukraine schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen gegen die ukrainische Zivilbevölkerung (UN-OHCHR 16.3.2023; vergleiche HRW 21.4.2022). Zu den von russischen Behörden verübten Kriegsverbrechen zählen Angriffe auf die Energie-Infrastruktur, absichtliche Tötungen, ungesetzliche Inhaftierungen, Folter, Vergewaltigung und andere Formen sexueller Gewalt sowie ungesetzliche Deportationen von Kindern (UN-OHCHR 16.3.2023). Überall im Land besteht die Gefahr von nicht explodierter Munition, im Küstenbereich zudem von Seeminen. In den vormals von russischen Truppen gehaltenen und inzwischen durch ukrainische Truppen wieder befreiten Gebieten ist zudem die Gefahr von Minen und Sprengfallen hoch (AA 22.11.2022). Das größte Atomkraftwerk Europas, das ukrainische AKW Saporischschja, ist immer wieder Ziel von heftigem Beschuss. Russland und die Ukraine beschuldigen sich gegenseitig, das AKW zu beschießen (ZO 22.11.2022).
Der Luftraum über der Ukraine ist geschlossen (EDA 10.5.2023). Eine Ausreise ist nur auf dem Landweg möglich. Alle Eisenbahnverbindungen sind durch die kriegerischen Auseinandersetzungen stark beeinträchtigt (AA 22.11.2022).
Die folgende Grafik stellt die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle in der Ukraine im Zeitraum 24.2.2022 bis Juni 2023 dar. Wie hier zu erkennen ist, ereigneten sich die meisten sicherheitsrelevanten Vorfälle im Februar/März 2022. Am geringsten war die von ACLED gemessene Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle im April 2022. Danach stieg die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle wieder an (ACLED o.D.).
Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle in der Ukraine im Zeitraum 24.2.2022 bis Juni 2023 im Monatsverlauf gemäß ACLED-Daten (Darstellung der Staatendokumentation)
ACLED o.D.
Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle und Todesopfer in der Ukraine im Zeitraum 24.2.2022-30.6.2023 nach Regionen (Oblaste) gemäß ACLED-Daten (Darstellung der Staatendokumentation; absteigend sortiert nach Vorfallsanzahl)
ACLED o.D.
Die obige Tabelle illustriert, dass regional betrachtet, die meisten Sicherheitsvorfälle/Todesopfer im Zeitraum 24.2.2022-30.6.2023 in Donezk geschahen, gefolgt von den Regionen Charkiw, Saporischschja, Cherson und Luhansk. Am wenigsten von Sicherheitsvorfällen/Todesopfern betroffen waren Tscherniwzi und Sakarpattja. Auch die folgende Grafik verdeutlicht, dass Donezk und Charkiw im Vergleich mit anderen ukrainischen Regionen die meisten Sicherheitsvorfälle hinnehmen mussten (ACLED o.D.). Den Großteil der Region Charkiw befreite die Ukraine im September 2022 (ISW 4.12.2022).
Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle in ukrainischen Regionen (Oblaste) mit mehr als 1.000 Vorfällen im Zeitraum 24.2.2022-30.6.2023 im Monatsverlauf gemäß ACLED-Daten (Darstellung der Staatendokumentation)
ACLED o.D.
Die 2014 erfolgte Annexion der ukrainischen Krim und der Stadt Sewastopol durch Russland ist international nicht anerkannt (AA 22.2.2023). Die Krim ist unter vollständiger Kontrolle russischer Streitkräfte sowie pro-russischer Gruppen (Gov.uk 4.7.2023). Häfen und Flughäfen auf der Krim sind geschlossen (AA 22.11.2022). International nicht anerkannt ist außerdem die völkerrechtswidrige Annexion der ukrainischen Gebiete Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja am 30.9.2022 (AA 22.2.2023; vgl. Der Standard 30.9.2022). Russland führte ab 20.10.2022 in diesen vier Regionen das ’Kriegsrecht’ ein (Kreml 19.10.2022; vgl. BAMF 24.10.2022). Die Stadt Cherson wurde im November 2022 von der Ukraine zurückerobert (ISW 4.12.2022). Die folgende Karte zeigt mit roter Farbe gekennzeichnet diejenigen Gebiete der Ukraine, welche aktuell unter der Kontrolle Russlands stehen (Stand 6.7.2023) (ISW 6.7.2023). Die 2014 erfolgte Annexion der ukrainischen Krim und der Stadt Sewastopol durch Russland ist international nicht anerkannt (AA 22.2.2023). Die Krim ist unter vollständiger Kontrolle russischer Streitkräfte sowie pro-russischer Gruppen (Gov.uk 4.7.2023). Häfen und Flughäfen auf der Krim sind geschlossen (AA 22.11.2022). International nicht anerkannt ist außerdem die völkerrechtswidrige Annexion der ukrainischen Gebiete Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja am 30.9.2022 (AA 22.2.2023; vergleiche Der Standard 30.9.2022). Russland führte ab 20.10.2022 in diesen vier Regionen das ’Kriegsrecht’ ein (Kreml 19.10.2022; vergleiche BAMF 24.10.2022). Die Stadt Cherson wurde im November 2022 von der Ukraine zurückerobert (ISW 4.12.2022). Die folgende Karte zeigt mit roter Farbe gekennzeichnet diejenigen Gebiete der Ukraine, welche aktuell unter der Kontrolle Russlands stehen (Stand 6.7.2023) (ISW 6.7.2023).
Von Russland kontrollierte Gebiete der Ukraine (rot) (Stand 6.7.2023)
ISW 6.7.2023
Rechtsschutz / Justizwesen
Letzte Änderung 2021-10-15 08:46
Die ukrainische Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor (USDOS 30.3.2021a; vgl. WR 1.1.2020), die Gerichte sind aber weiterhin ineffizient und anfällig für politischen Druck sowie Korruption (USDOS 30.3.2021a; vgl. UA 10.9.2020). Das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Justiz ist gering. Trotz der Bemühungen um eine Reform der Justiz und der Generalstaatsanwaltschaft ist Korruption bei Richtern und Staatsanwälten weiterhin verbreitet. Zivilgesellschaftliche Gruppen bemängeln weiterhin die schwache Gewaltenteilung zwischen Exekutive und Judikative. Einige Richter behaupten Druckausübung durch hochrangige Politiker. Einige Richter und Staatsanwälte lassen sich Berichten zufolge bestechen. Andere Faktoren, welche das Recht auf ein faires Verfahren behindern, sind beispielsweise langwierige Gerichtsverfahren, insbesondere bei Verwaltungsgerichten, unterfinanzierte und personell dürftig ausgestattete Gerichte und fehlende Möglichkeiten, gerichtliche Entscheidungen durchzusetzen (USDOS 30.3.2021a).Die ukrainische Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor (USDOS 30.3.2021a; vergleiche WR 1.1.2020), die Gerichte sind aber weiterhin ineffizient und anfällig für politischen Druck sowie Korruption (USDOS 30.3.2021a; vergleiche UA 10.9.2020). Das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Justiz ist gering. Trotz der Bemühungen um eine Reform der Justiz und der Generalstaatsanwaltschaft ist Korruption bei Richtern und Staatsanwälten weiterhin verbreitet. Zivilgesellschaftliche Gruppen bemängeln weiterhin die schwache Gewaltenteilung zwischen Exekutive und Judikative. Einige Richter behaupten Druckausübung durch hochrangige Politiker. Einige Richter und Staatsanwälte lassen sich Berichten zufolge bestechen. Andere Faktoren, welche das Recht auf ein faires Verfahren behindern, sind beispielsweise langwierige Gerichtsverfahren, insbesondere bei Verwaltungsgerichten, unterfinanzierte und personell dürftig ausgestattete Gerichte und fehlende Möglichkeiten, gerichtliche Entscheidungen durchzusetzen (USDOS 30.3.2021a).
Die ukrainische Justizreform trat im September 2016 in Kraft, womit der langjährige Prozess der Implementierung der Reform begonnen hat. Bereits 2014 startete ein umfangreicher Erneuerungsprozess mit der Annahme eines Lustrationsgesetzes, welches u.a. die Entlassung aller Gerichtspräsidenten sowie die Erneuerung der Selbstverwaltungsorgane der Richterschaft vorsah. Eine im Februar 2015 angenommene Gesetzesänderung zur „Sicherstellung des Rechtes auf ein faires Verfahren“ sieht auch eine Erneuerung der gesamten Richterschaft anhand einer individuellen qualitativen Überprüfung („re-attestation“) aller Richter vor, welche jedoch von der Zivilgesellschaft als teils unzureichend kritisiert wurde. Bislang wurden laut Informationen ukrainischer Zivilgesellschaftsvertreter rund 2.000 der insgesamt 8.000 in der Ukraine tätigen Richter diesem Prozess unterzogen, wobei rund 10% entweder von selbst zurücktraten oder bei der Prozedur durchfielen. Ein wesentliches Element der Justizreform ist auch der vollständig neu gegründete Oberste Gerichtshof, welcher am 15. Dezember 2017 seine Arbeit aufnahm. Allgemein ist der umfassende Erneuerungsprozess der Richterschaft jedoch weiterhin in Gange und schreitet nur langsam voran. Die daraus resultierende häufige Unterbesetzung der Gerichte führt teilweise zu Verfahrensverzögerungen. Von internationaler Seite wurde die Annahme der weitreichenden Justizreform weitgehend begrüßt (ÖB 5.2021).
2014 wurde auch eine umfassende Reform der Staatsanwaltschaft in Gang gesetzt. In erster Linie ging es dabei auch darum, das schwer angeschlagene Vertrauen in die Institution wiederherzustellen, weshalb ein großer Teil dieser Reform auch eine Erneuerung des Personals vorsieht. Im Juli 2015 begann die vierstufige Aufnahmeprozedur für neue Mitarbeiter der Generalstaatsanwaltschaft. Durchgesetzt haben sich in erster Linie Kandidaten, welche bereits in der Generalstaatsanwaltschaft Erfahrung gesammelt hatten. Weiters wurde der Generalstaatsanwaltschaft ihre Funktion als allgemeine Aufsichtsbehörde in Folge einer Gesetzesreform 2014 und der Justizreform 2016 auf Verfassungsebene entzogen. In einer ersten Phase wurde die Struktur der Staatsanwaltschaft verschlankt, indem die über 600 Bezirksstaatsanwaltschaften auf 178 reduziert wurden. 2017 wurden mit dem Staatsanwaltschaftsrat („council of prosecutors“) und der Qualifikations- und Disziplinarkommission neue Selbstverwaltungsorgane der Staatsanwaltschaft geschaffen. Es gab bereits erste Disziplinarstrafen zu Entlassungen. Untersuchungen gegen die Führungsebene der Staatsanwaltschaft wurden jedoch vorerst vermieden. Auch eine spezialisierte Antikorruptions-Staatsanwaltschaft wurde geschaffen. Diese Reformen wurden vor allem wegen der mangelnden personellen Erneuerung der Staatsanwaltschaft kritisiert. Auch erhöhte die Reform die Belastung der Staatsanwälte, welche im Durchschnitt je 100 Strafverfahren gleichzeitig bearbeiten, was zu einer Senkung der Effektivität der Institution beiträgt. Allgemein bleibt, trotz einer signifikanten Reduktion der Anzahl der Staatsanwälte, diese im europäischen Vergleich enorm hoch, jedoch ineffizient auf die zentrale, regionale und lokale Ebene verteilt (ÖB 5.2021).
Die jüngsten Reforminitiativen, welche sich gegen korrupte und politisierte Gerichte wenden, sind ins Stocken geraten oder blieben hinter den Erwartungen zurück (FH 3.3.2021a; vgl. UA 10.9.2020). Das Hohe Anti-Korruptionsgericht, welches im Jahr 2019 geschaffen wurde, sprach im Jahr 2020 Urteile gegen mehrere hochrangige Beamte aus. Obwohl es Garantien für ein ordnungsgemäßes Verfahren gibt, können Personen mit finanziellen Mitteln und politischem Einfluss in der Praxis einer Strafverfolgung wegen Fehlverhaltens entgehen (FH 3.3.2021a). Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis orientieren sich an westeuropäischen Standards. Untersuchungshaft wird nach umfassender Reform des Strafverfahrensrechts (ausgerichtet an deutschen Vorbildern) erkennbar seltener angeordnet als früher (AA 30.5.2021). Ca. 37% der Gefangenen in der Ukraine sind Untersuchungshäftlinge (Stand 30.7.2020) (WPB o.D.; vgl. FH 3.3.2021a). Die jüngsten Reforminitiativen, welche sich gegen korrupte und politisierte Gerichte wenden, sind ins Stocken geraten oder blieben hinter den Erwartungen zurück (FH 3.3.2021a; vergleiche UA 10.9.2020). Das Hohe Anti-Korruptionsgericht, welches im Jahr 2019 geschaffen wurde, sprach im Jahr 2020 Urteile gegen mehrere hochrangige Beamte aus. Obwohl es Garantien für ein ordnungsgemäßes Verfahren gibt, können Personen mit finanziellen Mitteln und politischem Einfluss in der Praxis einer Strafverfolgung wegen Fehlverhaltens entgehen