TE Vwgh Erkenntnis 1995/8/30 95/16/0131

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Veröffentlicht am 30.08.1995
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

FinStrG §58 Abs2 litb;
FinStrG §64 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell über die Beschwerde des A in L, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat IV als Finanzstrafbehörde II. Instanz) vom 17. Februar 1995, Zl. (3-6/H/5/1/1995/L) 793/1-2/T-1993, betreffend Finanzvergehen der versuchten Hinterziehung von Eingangsabgaben, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aus dem Beschwerdeinhalt ergibt sich in Übereinstimmung mit der vorgelegten Ausfertigung der angefochtenen Berufungsentscheidung und der gemäß § 35 Abs. 2 VwGG eingeholten Stellungnahme der belangten Behörde folgender unstrittiger Sachverhalt:

Dem Beschwerdeführer wurde am 18. November 1991 wegen versuchter Hinterziehung von Eingangsabgaben (betreffend einen marokkanischen Teppich, dessen Kaufpreis der Beschwerdeführer bei der Verzollung nur mit Marokkanische Dinar 2.760,-- erklärt, dessen wahrer Kaufpreis allerdings Marokkanische Dinar 27.960,-- betragen habe) eine im vereinfachten Verfahren erlassene Strafverfügung zugestellt.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Einspruch, ohne dabei allerdings den (in Ermangelung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 58 Abs. 2 lit. a FinStrG) für die Begründung der funktionellen Zuständigkeit des Spruchsenates erforderlichen Antrag gemäß § 58 Abs. 2 lit. b, erster Fall, leg. cit. zu stellen.

Erst in der vor dem Einzelbeamten der Finanzstrafbehörde erster Instanz abgeführten mündlichen Verhandlung beantragte der Beschwerdeführer die Fällung des Erkenntnisses durch einen Spruchsenat. Dem wurde entsprochen.

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung erkannte der Spruchsenat beim Hauptzollamt Linz, Senat II, den Beschwerdeführer schuldig, er habe am 27. Dezember 1990 beim Hauptzollamt Linz, Zweigstelle Flughafen, vorsätzlich unter Verletzung der in den §§ 119 BAO und 52 ff ZollG normierten abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht eine Hinterziehung von Eingangsabgaben in Höhe von S 7.215,-- (USt S 7.109,-- und AF-Beitrag S 106,--) dadurch zu bewirken versucht, daß er den Wert des zur Verzollung gestellten Wollteppichs im Ausmaß von 9,2 m2 mit Marokkanischen Dinar 2.760,-- erklärte, obwohl der tatsächlich bezahlte Kaufpreis Marokkanische Dinar 27.960,-- betragen habe. Der Beschwerdeführer habe hiedurch das Finanzvergehen der versuchten Hinterziehung von Eingangsabgaben nach §§ 13, 35 Abs. 2 FinStrG begangen. Über ihn wurde deshalb gemäß § 35 Abs. 4 leg. cit. eine Geldstrafe von S 6.000,--, im Nichteinbringungsfall gemäß § 20 FinStrG eine Ersatzfreiheitsstrafe von 6 Tagen verhängt. Gemäß § 35 Abs. 4 iVm §§ 17 und 19 Abs. 7 leg. cit. wurde auf den Verfall des für den Wollteppich am 11. November 1991 erlegten Geldbetrages von S 18.000,-- erkannt und der Beschwerdeführer überdies zur Zahlung der Kosten des Finanzstrafverfahrens in Höhe von S 600,-- sowie der Kosten des Strafvollzuges verurteilt. Gegen dieses Erkenntnis berief der Beschwerdeführer.

Aus Anlaß der Berufung hob die belangte Behörde das angefochtene erstinstanzliche Straferkenntnis auf und verwies die Finanzstrafsache an den Einzelbeamten des Hauptzollamtes Linz zur Entscheidung zurück.

Die belangte Behörde vertrat dazu die Rechtsmeinung, der Antrag auf Fällung des Erkenntnisses durch einen Spruchsenat sei im vorliegenden Fall verspätet gestellt worden. Es wäre daher weiterhin der Einzelbeamte zuständig gewesen.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Entscheidung durch den Spruchsenat verletzt.

Die belangte Behörde führte in ihrer Stellungnahme unter Berufung auf Fellner (Finanzstrafgesetz, Kommentar Rz 31 Abs. 2 zu §§ 58 bis 64 FinStrG) aus, unter einem "Zu Tage Treten" iS der zitierten Kommentarmeinung könne nur eine Veränderung der Akten- und Beweislage verstanden werden, aus der sich eine "Änderung des Sachverhaltes und möglicherweise damit verbunden eine Änderung der Rechtsfolge" erschließen lasse; ergebe sich aber schon zweifelsfrei auf Grund der gegebenen Aktenlage vor Eingehen in die Rechtssache durch den Spruchsenat dessen Unzuständigkeit, so folge daraus keine erweiterte Zuständigkeit zur Fortführung der Finanzstrafsache.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 58 Abs. 2 lit. b FinStrG ist (in Ermangelung der Tatbestandsvoraussetzung des Abs. 2 lit. a) die Zuständigkeit des Spruchsenates als Organ der Finanzstrafbehörde erster Instanz nur gegeben, wenn der Beschuldigte oder ein Nebenbeteiligter die Fällung des Erkenntnisses durch einen Spruchsenat beantragt. Im Falle eines vorausgegangenen vereinfachten Verfahrens (§ 143 FinStrG) ist ein solcher Antrag im Einspruch gegen die Strafverfügung zu stellen.

§ 64 Abs. 2 leg. cit. lautet:

"(2) Der Spruchsenat hat auch dann das Verfahren zu Ende zu führen, wenn sich im Zuge der mündlichen Verhandlung ergibt, daß die im § 58 Abs. 2 umschriebenen Voraussetzungen für seine Entscheidungsbefugnis nicht gegeben sind. Ergibt sich jedoch, daß das Gericht oder ein anderer Senat zuständig wäre, so hat der Senat seine Nichtzuständigkeit auszusprechen."

Die Bestimmung des § 64 Abs. 2 Satz 1 FinStrG hat, wie sich aus den diesbezüglichen Ausführungen in den EBzFinStrG (vgl. z. B. bei Sommmergruber-Reger, Das Finanzstrafgesetz mit Kommentar II 433) ergibt, den Zweck, arbeitsvereinfachend eine Verzögerung des Finanzstrafverfahrens zu vermeiden; sie dient also dem Prinzip der Verfahrensbeschleunigung und Verfahrensökonomie. Die gesetzlich vorgesehene Heilung der Unzuständigkeit belastet im übrigen den betroffenen Beschuldigten weder rechtlich noch tatsächlich (Sommergruber-Reger aaO.).

Da sich aus dem Gesetz keinerlei Anhaltspunkte für die in der von der belangten Behörde zitierten Kommentarstelle "aus Zweckmäßigkeitsgründen" vorgeschlagene Einschränkung der Anwendung der genannten Bestimmung auf jene Fälle ergibt, in denen im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Spruchsenat eine Umstandsänderung eintritt (vgl. dazu auch die Ablehnung der Meinung Fellners durch Dorazil-Harbich, MGA-FinStrG,

9. Lieferung, 215, Anm. 2 zu § 64 Abs. 2 FinStrG), hat die belangte Behörde unter Berücksichtigung des Umstandes, daß keiner der Ausnahmsfälle des § 64 Abs. 2 Satz 2 leg. cit. vorliegt, durch die vorgenommene Aufhebung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses ihre Entscheidung mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Die Sanierungswirkung des § 64 Abs. 2, erster Satz, FinStrG erfaßt nämlich auch jene Fälle, in denen ohne Änderung der Sachlage die Unzuständigkeit des Spruchsenates von Anfang an gegeben war, wie eben auch im Falle des Fehlens einer rechtzeitigen Antragstellung gemäß § 58 Abs. 2 lit. b FinStrG (vgl. dazu Sommergruber-Reger aaO.).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 35 Abs. 2 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995160131.X00

Im RIS seit

07.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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