TE Vwgh Erkenntnis 1995/9/4 92/10/0480

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Veröffentlicht am 04.09.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
80/02 Forstrecht;

Norm

AVG §8;
ForstG 1975 §13;
ForstG 1975 §16;
ForstG 1975 §172 Abs6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde der X, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 10. November 1992, Zl. 18.316/242-IA8/92, betreffend Zurückweisung eines Antrages nach dem Forstgesetz 1975, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Anstalt hat dem Bund (Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Anstalt richtete am 16. Juli 1991 ein als "Sachverhaltsbekanntgabe und Antrag auf unverzügliches Einschreiten" bezeichnetes Schreiben an die Bezirkshauptmannschaft Bruck/Mur (BH) als Forstbehörde erster Instanz. Darin brachte sie - soweit für den Beschwerdefall von Bedeutung - im wesentlichen vor, daß J P. jun. im Rahmen eines unbefugten Schotterabbaus ohne Rodungsverfahren Waldflächen gerodet habe. Im forstrechtlichen Verfahren wäre daher durch die in den Gesetzen vorgesehenen Aufträge zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes und Rekultivierung unter Setzen kurzer Leistungsfristen und Durchführung der Ersatzvornahme die durch die Wiederherstellung des früheren Zustandes gebotene Rekultivierung sicherzustellen.

In weiteren Schriftsätzen vertrat die beschwerdeführende Anstalt die Auffassung, die belangte Behörde hätte unter Berufung auf § 172 Abs. 6 des Forstgesetzes 1975 (ForstG) entsprechende Aufträge zur Wiederbewaldung bzw. zur Verhinderung von Waldverwüstungen erteilen müssen.

Von seiten der BH wurde dazu im wesentlichen mitgeteilt, daß ein Rodungsverfahren anhängig sei, das allerdings erst dann weitergeführt werden könne, wenn die Vorfrage bezüglich des anhängigen wasserrechtlichen Verfahrens rechtskräftig erledigt worden sei. Bezüglich der unerlaubten Rodung sei am 3. Dezember 1991 ein Straferkenntnis nach den Bestimmungen des Forstgesetzes erlassen worden. Im Rahmen einer befristeten Rodung sei eine Ersatzaufforstung nicht vorgesehen, da nach Ablauf der Frist die vorübergehend für andere Zwecke beanspruchte Fläche wieder in Bestand gebracht werden müsse. Im Rahmen eines anhängigen Rodungsverfahrens sei § 172 Abs. 6 ForstG nicht anzuwenden.

Mit einem an den Landeshauptmann der Steiermark gerichteten Schreiben vom 4. Juni 1992 beantragte die beschwerdeführende Anstalt den Übergang der Zuständigkeit gemäß § 73 Abs. 2 AVG. Begründend wurde darauf hingewiesen, daß der BH der Sachverhalt einer unerlaubten Rodung mit weitgehender Verwüstung des Waldes im Bereich einer unerlaubten Schottergrube mitgeteilt und um die Abstellung der rechtswidrigen Tätigkeiten angesucht worden sei, zumal auch der Waldbestand der beschwerdeführenden Anstalt durch die geschilderten Maßnahmen betroffen und gefährdet sei.

Mit Bescheid vom 11. September 1992 wies der Landeshauptmann den Antrag auf Übergang der Zuständigkeit als unzulässig zurück. Die Anwendung des § 73 AVG setze die Stellung des Einschreiters als Partei voraus. § 172 Abs. 6 ForstG stelle die Grundlage für ein Verfahren im Rahmen der Forstaufsicht dar, in welchem jedoch einem Dritten kein Anspruch auf eine behördliche Erledigung zukomme. Die Eingabe vom 16. Juli 1991 könne daher nur als "Anregung" für das Tätigwerden der Forstbehörde angesehen werden, jedoch keine Parteistellung begründen. Der Devolutionsantrag sei daher zurückzuweisen gewesen.

Die beschwerdeführende Anstalt erhob Berufung, wobei sie im wesentlichen die Auffassung vertrat, "beim Abstellen von Waldverwüstungen und sonstigen Rechtswidrigkeiten gegen den Wald, die auch auf den eigenen Wald der (Beschwerdeführerin) zurückwirkten", Parteistellung zu besitzen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Entscheidung des Landeshauptmannes dahingehend abgeändert, daß dem Devolutionsantrag der beschwerdeführenden Anstalt stattgegeben wurde. Der Antrag vom 16. Juli 1991, hinsichtlich bestimmter Waldflächen zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes und zur Rekultivierung Aufträge zu erteilen, wurde gemäß § 172 Abs. 6 ForstG in Verbindung mit § 8 AVG zurückgewiesen. Nach Auffassung der belangten Behörde sei allein das Gesetz maßgebend für die Frage, ob einer bestimmten Person in einem Verfahren Parteistellung zukomme. Die grundlegende Bestimmung dafür sei im vorliegenden Fall § 172 Abs. 6 ForstG. Diese Bestimmung berechtige zwar die Forstbehörde zu einem "aufsichtsbehördlichen" Tätigwerden, begründe jedoch keinen Rechtsanspruch Dritter auf bescheidmäßige Erteilung eines entsprechenden Auftrages an den Verpflichteten. Dies bedeute jedoch nicht, daß die BH untätig bleiben durfte. Ob dem Antragsteller in einer von ihm anhängig gemachten Angelegenheit wirklich Parteistellung zukomme, sei für die Entscheidungspflicht der Behörde nämlich bedeutungslos, denn es sei allein maßgebend, daß der Antragsteller dies behaupte. Ob diese Behauptung wirklich richtig sei, habe die Behörde zu entscheiden. Verneine sie die Parteistellung, habe sie zwar keine Sachentscheidung zu fällen, es treffe sie aber insofern eine Entscheidungspflicht, als sie den Antrag bescheidförmig zurückzuweisen habe. Der Devolutionsantrag sei daher zulässig. Der Antrag der beschwerdeführenden Anstalt vom 16. Juli 1991 sei allerdings zurückzuweisen, da § 172 Abs. 6 ForstG keinen Rechtsanspruch einer Person auf Entscheidung der Forstbehörde in der Sache selbst vorsehe. Etwaige nachbarliche Rechte könnten erst in einem Rodungsverfahren geltend gemacht werden, wobei die Rechtsgrundlage für die Parteistellung des Nachbarn in diesem Fall § 19 Abs. 5 lit. d ForstG wäre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die beschwerdeführende Anstalt erachtet sich in ihrem Recht auf Parteistellung und Sachentscheidung verletzt. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes bringt sie dabei im wesentlichen vor, § 172 Abs. 6 ForstG verpflichte die Behörde, unter anderem den Waldeigentümern, wenn sie die forstrechtlichen Vorschriften außer acht ließen, die zur umgehenden Herstellung des den Vorschriften entsprechenden Zustandes möglichen Vorkehrungen durch Bescheid aufzutragen. Als eine solche forstrechtliche Vorschrift komme etwa § 14 Abs. 3 in Frage, der den Deckungsschutz als Recht des Grundnachbarn verankere. Der Sicherung der Anrainerrechte diene in gleicher Weise das Verbot jeder Waldverwüstung nach § 16. Im gegenständlichen Fall sei nach den Behauptungen der beschwerdeführende Anstalt deren Wald durch die Maßnahmen von J P. jun. betroffen. Nähere Feststellungen und Erhebungen darüber lägen jedoch nicht vor.

Eine Beschwerde nach Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa den Beschluß eines verstärkten Senates vom 2. Juli 1981, VwSlg. Nr. 10.511/A, und den Beschluß vom 30. Oktober 1990, Zl. 90/04/0138) nur dann zulässig, wenn der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes in einem gesetzlich normierten subjektiven Recht verletzt sein kann. Eine Verletzung im geltend gemachten Recht auf Parteistellung und Sachentscheidung könnte im Hinblick auf die Zurückweisung des Antrages vom 16. Juli 1991 zwar möglich sein, sie ist jedoch aufgrund der bestehenden Rechtlsage nicht gegeben:

Gemäß § 16 Abs. 3 erster Satz des ForstG 1975 hat, wenn eine Waldverwüstung festgestellt wurde, die Behörde die erforderlichen Maßnahmen zur Abstellung der Waldverwüstung und zur Beseitigung der Folgen derselben vorzukehren. Nach § 172 Abs. 6 leg. cit. hat, wenn bei Behandlung des Waldes die forstrechtlichen Vorschriften außer acht gelassen werden, die Behörde die zur umgehenden Herstellung des den Vorschriften entsprechenden Zustandes mögliche Vorkehrungen einschließlich der erforderlichen Sicherungsmaßnahmen, wie insbesondere die in den lit. a bis e angeführten Maßnahmen, dem Verpflichteten durch Bescheid aufzutragen oder bei Gefahr im Verzuge unmittelbar anzuordnen und nötigenfalls gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten durchführen zu lassen. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27. April 1987, VwSlg. Nr. 12.457/A, dargetan hat, räumt das Forstgesetz dem von einer Waldverwüstung (§ 16) betroffenen Grundeigentümer kein subjektiv-öffentliches Recht auf deren Abwehr ein. Ihm kommt daher im Falle einer nicht von ihm verursachten Waldverwüstung in einem Verfahren nach § 16 leg. cit. keine Parteistellung zu (vgl. auch den Beschluß vom 11. November 1991, Zl. 91/10/0008). Diese Überlegungen werden auch für den von einer rechtswidrigen Rodung betroffenen Grundeigentümer zu gelten haben; auch ihm kommt in einem entsprechenden Verfahren auf Anordnung der Wiederbewaldung nach § 13 ForstG keine Parteistellung zu. Die von der beschwerdeführende Anstalt als verletzt bezeichneten subjektiven Rechte auf Parteistellung und Sachentscheidung kommen ihr daher nicht zu.

Auf das in der Beschwerde erstmals (vgl. § 41 VwGG) angesprochene Recht auf Gewährung des Deckungsschutzes war wegen des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbotes nicht einzugehen. Im übrigen ist darauf zu verweisen, daß der Eigentümer und der dinglich Berechtigte der an die zur Rodung beantragten Waldfläche angrenzenden Waldflächen gemäß § 19 Abs. 5 lit. d FostG im Rodungsverfahren Parteistellung besitzten, wobei § 14 Abs. 3 zweiter Halbsatz zu berücksichtigen ist.

Die Beschwerde war daher in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1992100480.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

06.10.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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