TE Vfgh Beschluss 2007/3/15 V60/06

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Veröffentlicht am 15.03.2007
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Index

25 Strafprozeß, Strafvollzug
25/04 Sonstiges

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
StGB §31a
StPO §410
Erlass der Bundesministerin für Justiz vom 20.02.06 zum Modellversuch "Gemeinnützige Leistungen statt Ersatzfreiheitsstrafe"

Leitsatz

Zurückweisung des Antrags eines Gerichtes auf Aufhebung einesErlasses zum Modellversuch "Gemeinnützige Leistungen stattErsatzfreiheitsstrafe" mangels Verordnungscharakters derangefochtenen Enunziation; kein verpflichtender, die Rechtslage derbetroffenen Personen gestaltender Inhalt des Erlasses, lediglichBekanntgabe organisatorischer Vorkehrungen

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Beim Landesgericht Linz ist ein Verfahren über die Anordnung der Vollstreckung der in einem näher bezeichneten Strafurteil über S. J. verhängten Ersatzfreiheitsstrafe von 150 Tagen (die für die primär ausgesprochene, uneinbringlich gewordene Geldstrafe festgesetzt wurde) anhängig. In diesem Verfahren hat das antragstellende Gericht nach seiner Darstellung

den Erlass der Bundesministerin für Justiz vom 20. Februar 2006, Z BMJ-L311.007/0005-II 1/2006, JABl. 2006/1, zum Modellversuch "Gemeinnützige Leistungen statt Ersatzfreiheitsstrafe" im Bereich der Landesgerichtssprengel Wien, Graz, Linz, Wels und Innsbruck, anzuwenden, gegen dessen Gesetzmäßigkeit beim Gericht Bedenken entstanden sind.

Das Landesgericht Linz stellte daher gemäß Art139 B-VG den Antrag, den angeführten Erlass zur Gänze, in eventu die Z2 bis Z9 des Punktes "Vorgeschlagener Verfahrensablauf" aufzuheben.

2. Der angefochtene Erlass hat folgenden Wortlaut:

"An den

          Herrn Präsidenten des Oberlandesgerichtes

                                                     Wien

                                                     Graz

                                                     Linz

                                                     Innsbruck

An die

          Oberstaatsanwaltschaft

                                                     Wien

                                                     Graz

                                                     Linz

                                                     Innsbruck

Betrifft: Modellversuch 'Gemeinnützige Leistungen statt

Ersatzfreiheitsstrafe' im Bereich der LG-Sprengel Wien, Graz, Linz, Wels und Innsbruck

Im Bundesministerium für Justiz werden seit geraumer Zeit Überlegungen zur Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen im Fall der Uneinbringlichkeit von Geldstrafen und einer möglichen Substitution von Ersatzfreiheitsstrafen durch gemeinnützige Leistungen angestellt.

Zur Vorbereitung eines allfälligen Modellversuchs fanden im BMJ mehrere Arbeitsgruppensitzungen statt, in denen u.a. auch die RichterInnen und StaatsanwältInnen vertreten waren.

Nunmehr sind die Vorarbeiten so weit gediehen, um auf Basis der geltenden Rechtslage in Kooperation mit dem Verein NEUSTART einen örtlich eingeschränkten Modellversuch zur Erprobung von gemeinnützigen Leistungen als Alternative zur Ersatzfreiheitsstrafe durchführen zu können.

Dieser soll ohne gesetzliche Änderung im Rahmen der Möglichkeiten zur Gewährung eines Strafaufschubs und zur nachträglichen Milderung der Strafe nach §31a StGB iVm §410 StPO erfolgen.

Mit 1. März 2006 soll der Modellversuch im Bereich der Landesgerichtssprengel Wien, Graz, Linz, Wels und Innsbruck beginnen.

Zuweisungen von Verurteilten sollen bis 29. Februar 2008 durch nachstehende Gerichte möglich sein:

* Landesgericht Innsbruck und sämtliche Bezirksgerichte, * Landesgerichte Linz und Wels sowie die Bezirksgerichte

dieser beiden Landesgerichtssprengel,

* Landesgericht Graz sowie die Bezirksgerichte dieses Landesgerichtssprengels und

* Bezirksgerichte Leopoldstadt, Favoriten und Döbling.

Innerhalb von sechs Monaten ab Rechtskraft des Beschlusses über den Strafaufschub wären die gemeinnützigen Arbeiten bei ausgewählten Einrichtungen zu absolvieren.

Für die Erbringung gemeinnütziger Leistungen statt Ersatzfreiheitsstrafe ist sowohl aus rechtlichen als auch aus Gründen der Akzeptanz und Effizienz der geplanten Maßnahme sowie aus datenschutzrechtlichen Erwägungen jedenfalls die Zustimmung des Betroffenen erforderlich.

Das Hauptanliegen des Modellversuchs ist eine Zurückdrängung der Inhaftierung von (finanzschwachen) Verurteilten, wodurch die soziale Gerechtigkeit im Sanktionenrecht erhöht und die Haftzahlen reduziert werden sollen. Letztgenanntem Aspekt kommt vor dem Hintergrund des massiven Überbelags, mit dem der österreichische Strafvollzug aktuell konfrontiert ist und durch den die Ziele der Rückfallsprävention und der Vermeidung von Haftschäden beeinträchtigt sind, besondere Bedeutung zu.

Personenkreis der TeilnehmerInnen am Modellversuch:

Die Teilnahme am Modellversuch soll grundsätzlich allen durch die zuweisenden Gerichte zu Geldstrafen verurteilten Tätern im Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe offen stehen, sofern und solange sich ihr Wohnsitz in den LG-Sprengeln Wien, Graz, Linz, Wels oder Innsbruck befindet.

Den Planungen liegt eine Zuweisungszahl von insgesamt 500 Personen pro Jahr zugrunde. Durch die Leistung von gemeinnützigen Arbeiten bei ausgewählten Einrichtungen sollen Verurteilte die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe abwenden können.

Reichweite des Modellprojekts:

Ein Hafttag soll vier Stunden gemeinnütziger Leistungen entsprechen. Bis zu 240 Stunden gemeinnütziger Arbeit sollen im Rahmen des Modellversuchs erbracht werden können (= Verurteilung zu 120 Tagessätzen/60 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe). Die Leistungen müssen innerhalb von sechs Monaten (ab Zustellung des Beschlusses über den Strafaufschub) erfolgen. Pro Woche wären zehn bis 40 Arbeitsstunden vorzusehen, wobei ähnlich wie bei diversionellen Erledigungen durch Erbringung gemeinnütziger Leistungen auch im Rahmen des Modellprojekts auf eine gleichzeitige Ausbildung, Berufstätigkeit oder Verpflichtung des Verurteilten, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen, Bedacht zu nehmen wäre.

Zuweisungen von Personen, die eine Ersatzfreiheitsstrafe im Gegenwert von mehr als 240 Stunden an gemeinnützigen Leistungen zu verbüßen haben, sollen zulässig sein. Die darüber hinaus gehende Strafe wäre entweder durch Bezahlung der noch offenen Geldstrafe oder durch Haft zu erfüllen.

Vorgeschlagener Verfahrensablauf:

1.

Bericht der Einbringungsstelle an das Gericht, dass die verhängte Geldstrafe uneinbringlich ist;

2.

Zustellung des gerichtlichen Angebots, anstelle der Ersatzfreiheitsstrafe gemeinnützige Arbeiten zu erbringen, gemeinsam mit der Aufforderung zum Strafantritt an die Betroffenen; Kopie der Aufforderung an den Verein NEUSTART;

3.

Verurteilte werden SozialarbeiterInnen des Vereins NEUSTART zugewiesen und schriftlich zu Gesprächen zwecks Erhebung der für die Vermittlung notwendigen Informationen wie Ausbildung, Fähigkeiten, Gesundheitszustand eingeladen;

4.

Weiterleitung des Berichts des Vereins NEUSTART über Einverständnis der Verurteilten, am Modellversuch teilzunehmen samt Einrichtungsvorschlag sowie des Antrags auf Strafaufschub an die Gerichte durch den Verein NEUSTART binnen einer Frist von einem Monat ab Zustellung der Aufforderung zum Strafantritt an die Verurteilten;

5.

Entscheidung über Strafaufschub durch das Gericht und Übermittlung des Beschlusses an die Betroffenen sowie in Kopie an Neustart: Beginn des sechsmonatigen Fristenlaufs zur Erbringung der gemeinnützigen Arbeiten;

6.

Vereinbarung von Beginn, Dauer und 'Stundenplan' hinsichtlich der zu erbringenden gemeinnützigen Leistungen zwischen Verurteilten und dem Verein

NEUSTART;

7.

Bericht des Vereins NEUSTART an das Gericht über Absolvierung der gemeinnützigen Arbeiten oder deren Scheitern. Frist für den Bericht: nach Erledigung der gemeinnützigen Leistungen bzw. längstens binnen sechs Monaten ab Rechtskraft des Beschlusses über den Strafaufschub;

8.

Beschlussfassung des Gerichts über die nachträgliche Strafmilderung auf das Mindestmaß gemäß §31a StGB iVm §410 StPO (zwei Tagessätze a zwei Euro bedingt auf ein Jahr); Beschwerdemöglichkeit des Verurteilten und der Staatsanwaltschaft;

9.

Bezahlung des Strafrests durch den Betroffenen oder Vollstreckung der noch offenen Ersatzfreiheitsstrafe.

Aufgabe der Sozialarbeit vor und während des Modellprojekts:

Dem Verein NEUSTART obliegt die Auswahl geeigneter Einrichtungen zur Erbringung der gemeinnützigen Leistungen. Um diese treffen zu können, ist eine Auseinandersetzung mit der (kriminellen) Vorgeschichte, dem Ausbildungsstand etc. der Betroffenen notwendig. Der konkrete Unterstützungsbedarf soll in einem Einzelgespräch abgeklärt werden. Aufgabe des Vereins NEUSTART wird es zudem sein, den Erstkontakt zwischen den Verurteilten und den ausgewählten Einrichtungen herzustellen. Darüber hinaus soll der Verein NEUSTART einmal wöchentlich mit der jeweiligen Einrichtung sowie 14-tägig mit den Verurteilten Gespräche zur Leistungsüberprüfung führen.

Da Personen, die ihre Geldstrafen nicht bezahlen, häufig - über mangelnde Finanzmittel hinausgehende - gravierende psychosoziale Problemlagen aufweisen, kann neben der Vermittlung von 'Spezialeinrichtungen' eine intensivere Betreuung durch Sozialarbeit zur Erreichung des Projektzieles erforderlich sein. Um dieser besonderen Personengruppe eine nachhaltige Hilfestellung zu bieten, soll der Verein NEUSTART im Rahmen eines Zusatzangebots Unterstützung für 225 der 500 Fälle pro Jahr bereitstellen.

Aufgabe der Begleitforschung:

Während seiner Dauer soll der Modellversuch durch Begleitforschung des Instituts für Strafrecht und Kriminologie der Universität Wien evaluiert werden. Insbesondere soll eine quantitative und qualitative Ergebnisüberprüfung mit Blick auf die Zusammenarbeit und die Erfahrungen der Projektbeteiligten, die haftvermeidenden Wirkungen der Alternativsanktion sowie die Rolle der Sozialarbeit erfolgen.

***

Die Präsidenten der Oberlandesgerichte und die Oberstaatsanwaltschaften werden ersucht, diesen Erlass, der auch im JABl. verlautbart und im RIS veröffentlicht werden wird, allen in Strafsachen tätigen Richterinnen und Richtern, allen Staatsanwältinnen und Staatsanwälten, allen Richteramtsanwärterinnen und Richteramtsanwärtern sowie allen Bezirksanwältinnen und Bezirksanwälten zur Kenntnis zu bringen. Die für den jeweiligen Bereich erforderliche Anzahl von Ausfertigungen ist angeschlossen.

20. Februar 2006

Für die Bundesministerin:

Dr. C. M."

3. Das antragstellende Gericht bringt zur Frage der Präjudizialität vor, dass "der Erlass allen Richterinnen und Richtern zur Kenntnis gebracht ... und auch im Jabl 2006, Stück 1, vom 27.4.2006 verlautbart" worden sei und dessen Umsetzung "ohne gesetzliche Änderungen im Rahmen der Möglichkeiten zur Gewährung eines Strafaufschubes und zur nachträglichen Milderung der Strafe erfolgen soll", weshalb "die Gesetzmäßigkeit des angefochtenen Erlasses (Verordnung) eine Vorfrage für die Entscheidung in der gegenständlichen Strafsache" darstelle.

Die Bedenken des Gerichtes gehen im Wesentlichen dahin, dass der als Verordnung zu qualifizierende Erlass in mehrfacher Hinsicht mit Gesetzwidrigkeit behaftet sei.

4. Die Bundesministerin für Justiz beantragte in ihrer dazu erstatteten Äußerung in erster Linie, den Antrag mangels Verordnungsqualität des in Rede stehenden Erlasses - und damit wegen Fehlens eines tauglichen Anfechtungsgegenstandes nach Art139 B-VG - zurückzuweisen; darüber hinaus legte die Bundesministerin die Gründe für dessen Ausarbeitung dar und verteidigte inhaltlich seine Rechtmäßigkeit.

II. Der Antrag ist nicht zulässig.

1. Gemäß Art139 Abs1 erster Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen einer Bundes- oder Landesbehörde ua. auf Antrag eines Gerichtes. Wie sich aus Art89 Abs2 erster Satz B-VG ergibt, ist ein Gericht verpflichtet, einen solchen Antrag zu stellen, wenn es gegen die Anwendung einer Verordnung aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit Bedenken hegt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes ist unter "Verordnung" jede nicht in Gesetzesform gekleidete, von einer Verwaltungsbehörde erlassene generelle Rechtsnorm zu verstehen (vgl. etwa VfSlg. 11.472/1987, 13.021/1992). Als "generelle Norm" ist jede Anordnung anzusehen, die sich an die Allgemeinheit überhaupt oder an bestimmte Gruppen der Bevölkerung richtet, die nicht individuell, sondern nach Gattungsmerkmalen bezeichnet sind; der Akt muss für diesen Personenkreis unmittelbar rechtsverbindlich sein, also die Rechtslage der Betroffenen gestalten (vgl. VfSlg. 8648/1979, 11.472/1987).

Maßgebend für die Qualifikation eines Rechtsaktes als Verordnung im Sinne des Art139 B-VG ist weder der formelle Adressatenkreis noch seine äußere Bezeichnung und auch nicht die Art seiner Veröffentlichung, vielmehr kommt es auf den normativen Inhalt des Verwaltungsaktes an (vgl. etwa VfSlg. 8647/1979, 13.632/1993, 15.061/1997, 17.244/2004). Daher kann grundsätzlich auch ein Erlass einer Verwaltungsbehörde als Verordnung der Prüfung nach Art139 B-VG unterliegen.

Voraussetzung für die Qualifizierung eines als "Erlass" bezeichneten Verwaltungsaktes als Verordnung ist ua., dass seine Formulierungen imperativ gehalten sind, indem sie das Gesetz bindend auslegen (vgl. zB VfSlg. 13.632/1993 und 13.784/1994) und solcherart den vom Gesetz eingeräumten Entscheidungsspielraum einengen (vgl. zB VfSlg. 11.467/1987, 15.061/1997).

2. Unter Berücksichtigung dieser Kriterien zeigt sich, dass die vorliegende Enunziation keine Verordnung iS des Art139 Abs1 B-VG darstellt:

2.1. Dem Erlass wohnt aus den von der Bundesministerin für Justiz im Ergebnis zutreffend dargelegten Gründen kein verpflichtender, die Rechtssphäre der betroffenen Personen gestaltender Charakter inne:

Bei gebotener Betrachtung des Gesamtkontextes der Enunziation handelt es sich um keine verbindliche Anordnung, sondern um die Bekanntgabe jener organisatorischen Vorkehrungen, die seitens der Bundesministerin für Justiz getroffen wurden, um Strafgerichten - falls sie die vorgeschlagene Vorgangsweise aufgrund eigener rechtlicher Beurteilung für angebracht erachten - spezifische Möglichkeiten in Fällen der Gewährung von Strafaufschub und nachträglicher Strafmilderung nach den einschlägigen Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes, des Strafgesetzbuches und der Strafprozessordnung anbieten zu können. Die Bundesministerin weist lediglich darauf hin, dass nunmehr (nach Vorliegen der Ergebnisse von Beratungen einer Arbeitsgruppe) insbesondere durch die Zusammenarbeit mit dem Verein NEUSTART in einzelnen Gerichtssprengeln bestimmte Ressourcen zur Verfügung stehen, derer sich die Gerichte bedienen können. Richter und Staatsanwälte werden von diesen - unverbindlichen - organisatorischen Vorkehrungen informiert, die nach der - ebenfalls unverbindlichen - Auffassung der Bundesministerin der geltenden Rechtslage entsprechen.

        Den unverbindlichen Charakter verdeutlichen insbesondere die

Formulierung im einleitenden Teil, wonach "[n]unmehr ... die

Vorarbeiten so weit gediehen [sind], um ... in Kooperation mit dem

Verein NEUSTART einen örtlich eingeschränkten Modellversuch ...

durchführen zu können" und die Wortwahl in der Spalte

"Personenkreis": "[d]urch die Leistung von gemeinnützigen Arbeiten

... sollen Verurteilte die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe

abwenden können" sowie die im Rubrum "Reichweite des Modellprojekts"

enthaltenen Passagen "[b]is zu 240 Stunden gemeinnütziger Arbeit

sollen im Rahmen des Modellversuchs erbracht werden können" und

"[p]ro Woche wären zehn bis 40 Arbeitsstunden vorzusehen". Im Konnex

mit dem den Ausführungen über das (mögliche) Vorgehen des Gerichtes

vorangestellten Subtitel "Vorgeschlagener Verfahrensablauf" wird

hinlänglich klargestellt, dass der gesamte Erlass (wie immer einzelne

sonstige Passagen formuliert sein mögen) nur die Mitteilung einer

Rechtsauffassung verbunden mit einem Vorschlag an die Gerichte

beinhaltet, nicht aber imperative Anordnungen (vgl. zB zu Erlässen

des Bundesministers für Finanzen VfSlg. 14.674/1996 swN und

16.635/2002; ferner VfSlg. 13.836/1994, S 944 f. und 15.234/1998,

S 961 f.).

Auch jener Abschnitt des Erlasses, der sich auf Details des Verfahrensablaufs im Einzelfall bezieht - wie etwa auf das Verhältnis zwischen Hafttag und Stundenanzahl gemeinnütziger Leistungen oder auf das Ausmaß der Strafmilderung -, entfaltet keine normative Wirkung, sondern stellt ebenfalls nur einen - unverbindlichen - Hinweis auf einen Teil der organisatorischen Vorkehrungen dar. Ein Gericht, das es für möglich erachtet, diese Vorkehrungen in Anspruch zu nehmen, ist nicht an die unterbreiteten Vorschläge gebunden, sondern kann aufgrund eigener Überlegungen auch eine andere als die empfohlene Vorgangsweise (etwa durch Festsetzung eines anderen Umrechnungsschlüssels) wählen.

2.2. Die gesetzlichen Möglichkeiten der Gerichte erfahren durch den Erlass somit keine Änderung: Weder erwachsen den Normunterworfenen aus der vorliegenden Enunziation Rechte und Pflichten, noch legt der Erlass das Gesetz bindend aus: Wie dargestellt, wird der richterlichen Entscheidung über die Bewilligung eines Strafaufschubes und einer allfälligen nachträglichen Strafmilderung keineswegs vorgegriffen, vielmehr bleibt es dem einzelnen Gericht überlassen, ob und wie es zufolge eigener rechtlicher Beurteilung auf den im Erlass dargelegten Vorschlag eingeht, ob es die darin enthaltenen Anregungen - zur Gänze oder zum Teil - aufgreift oder unbeachtet belässt oder aber eine andere als die vorgeschlagene Vorgangsweise wählt. Die Durchführung des Modellversuchs darf jedenfalls keine Maßnahmen einschließen, die mit den bestehenden gesetzlichen Grundlagen unvereinbar sind oder gar im Widerspruch dazu stehen.

2.3. Beim vorliegenden Erlass handelt es sich somit um keine Verordnung. Der Antrag war daher schon mangels Vorliegens eines geeigneten Prüfungsgegenstandes als unzulässig zurückzuweisen.

3. Dieser Beschluss konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

Schlagworte

VfGH / Prüfungsgegenstand, Verordnungsbegriff, RechtsV, VerwaltungsV,Erlaß, Bewährungshilfe, Strafrecht, Strafprozeßrecht, Strafvollzug

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2007:V60.2006

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2009
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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