TE Vwgh Erkenntnis 1995/9/19 91/14/0227

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Veröffentlicht am 19.09.1995
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
BAO §115 Abs1;
BAO §119 Abs1;
EStG 1988 §16 Abs1 Z6;
EStG 1988 §20 Abs1 Z2 lita;

Beachte

Besprechung in: SWK 2001, S 839 bis S 841;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss sowie die Hofräte Dr. Karger und Dr. Graf als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Traudtner, über die Beschwerde des M in H, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Tirol vom 10. Oktober 1991, 40.203-4/91, betreffend Jahresausgleich für 1989, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Diplomkrankenpfleger, ist seit Oktober 1981 im Krankenhaus S beschäftigt. Der Familienwohnsitz des seit dem Jahr 1980 verheirateten Beschwerdeführers befindet sich im 78 km entfernten H. Die Verkehrsverbindungen zwischen S und H sind sehr gut ausgebaut (durchgehend Autobahn, Hauptbahnstrecke mit dichtem Schnellzug- und Regionalverkehr).

Der Beschwerdeführer konnte seit Beginn seiner Tätigkeit im Krankenhaus bis zum Jahr 1988 gemeinsam mit einem anderen Arbeitnehmer des Krankenhauses ein Zimmer in der Personalunterkunft nutzen. Im Jahr 1988 stellte ihm das Krankenhaus eine im Ort S gelegene Garconniere im Ausmaß von rund 25 m2 zur alleinigen Nutzung kostenlos zur Verfügung.

Im Streitjahr begab sich der Beschwerdeführer in der Regel von der Garconniere zu seiner Arbeitsstätte im Krankenhaus und kehrte wieder in die Garconniere zurück. Etwa zweimal im Monat fuhr er mit seinem PKW zum Familienwohnsitz. Da die Ehegattin des Beschwerdeführers im Streitjahr zwei, in den Jahren 1984 und 1986 geborene Kinder zu betreuen hatte, bezog sie keine Einkünfte. Im Streitjahr wurden vom Arbeitgeber keine Werbungskosten des Beschwerdeführers für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (in der Folge: Pendlerpauschale) iSd § 16 Abs 1 Z 6 EStG 1988 berücksichtigt.

Im Antrag auf Durchführung des Jahresausgleiches begehrte der Beschwerdeführer - ohne weitere Ausführungen zu machen bzw Unterlagen vorzulegen - bei der Neuberechnung der Lohnsteuer ua das Pendlerpauschale nach § 16 Abs 1 Z 6 lit b EStG 1988 für eine einfache Fahrtstrecke von über 60 km im Ausmaß von 18.000 S zu berücksichtigen.

Da der Beschwerdeführer trotz wiederholter Aufforderungen keine Unterlagen vorlegte, wies das Finanzamt den Antrag auf Durchführung des Jahresausgleiches ab.

In einem vom Finanzamt als Berufung gewerteten Schreiben ersuchte der Beschwerdeführer, "die Abweisung zu revidieren", worauf ihn das Finanzamt aufforderte, bestimmte Unterlagen vorzulegen, und mitteilte, das Pendlerpauschale könne auf Grund der im Dienstort zur Verfügung stehenden Garconniere nicht berücksichtigt werden.

Der Beschwerdeführer legte daraufhin die von ihm verlangten Unterlagen, die jedoch im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht relevant sind, vor, äußerte sich jedoch nicht zur Berücksichtigung des Pendlerpauschales.

In der das Pendlerpauschale nicht berücksichtigenden Berufungsvorentscheidung hielt das Finanzamt dem Beschwerdeführer vor, der von ihm begehrte Betrag von 18.000 S stelle keine Werbungskosten iSd § 16 Abs 1 Z 6 lit b EStG 1988 dar, weil ihm auch im Dienstort eine Wohnung zur Verfügung stehe und er daher keine regelmäßigen Fahrten zwischen seinem Familienwohnsitz und seiner Arbeitsstätte absolviere. Bei der vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Garconniere handle es sich ungeachtet der Tatsache, daß diese wegen ihres geringen Ausmaßes nicht zur Aufnahme der Familie geeignet sei, um eine Wohnung im steuerrechtlichen Sinn.

Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz vertrat der Beschwerdeführer die Meinung, die ihm zur Verfügung gestellte Garconniere könne wegen ihres geringen Ausmaßes nicht als Wohnung, die zur Befriedigung eines ständigen Wohnbedürfnisses diene, angesehen werden. Es stünde ihm daher das Pendlerpauschale zu. In eventu beantragte der Beschwerdeführer, die Aufwendungen für 24 Familienheimfahrten im Ausmaß von 14.976 S (3.744 km zu je 4 S) als Werbungskosten zu berücksichtigen.

Im nunmehr angefochtenen Bescheid berücksichtigte die belangte Behörde weder das Pendlerpauschale noch die Aufwendungen für Familienheimfahrten, wobei sie zur Begründung ausführte, nach dem Wortlaut des § 16 Abs 1 Z 6 lit b EStG 1988 sei für die Gewährung des Pendlerpauschales ua Voraussetzung, daß die Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte im Lohnzahlungszeitraum ÜBERWIEGEND zurückgelegt werde. Wie der Beschwerdeführer ausgeführt habe, lege er die Fahrtstrecke zwischen H und S etwa zweimal monatlich zurück. Von einer überwiegenden Zurücklegung dieser Fahrtstrecke im Lohnzahlungszeitraum könne daher keine Rede sein, weswegen es an einer wesentlichen Voraussetzung für die Berücksichtigung des Pendlerpauschales fehle. Nach herrschender Lehre seien Aufwendungen eines Arbeitnehmers für Familienheimfahrten vom Wohnsitz im Dienstort zum Familienwohnsitz dann Werbungskosten, wenn die Voraussetzungen einer BERUFLICH VERANLAßTEN doppelten Haushaltsführung vorlägen. Dies sei der Fall, wenn der Familienwohnsitz des Arbeitnehmers von seiner Arbeitsstätte so weit entfernt sei, daß ihm eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden könne und die Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb des Dienstortes nicht privat veranlaßt sei. Dabei sei die Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Familienwohnsitz von der Arbeitsstätte mehr als 120 km entfernt sei. Der Familienwohnsitz des Beschwerdeführers sei von seiner Arbeitsstätte 78 km entfernt. Angesichts dieser (relativ) geringen Entfernung und des Umstandes, daß der Beschwerdeführer die Fahrtstrecke mit seinem PKW zurücklege, wobei er für diese Strecke durchgehend eine Autobahn benutzen könne, wäre dem Beschwerdeführer die tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz zumutbar. Bei einer zumutbaren täglichen Rückkehr von der Arbeitsstätte zum Familienwohnsitz sei die Begründung eines eigenen Wohnsitzes in S NICHT beruflich veranlaßt, weswegen auch die Aufwendungen für die Fahrten zwischen S und dem Familienwohnsitz nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden könnten.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich sowohl durch die Nichtberücksichtigung des Pendlerpauschales als auch der Aufwendungen für Familienheimfahrten in seinem Recht auf Geltendmachung von Werbungskosten verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Beschwerdeführer erstattete eine Replik zur Gegenschrift der belangten Behörde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Wie die belangte Behörde zu Recht ausgeführt hat, ist Voraussetzung für die Berücksichtigung des Pendlerpauschales nach § 16 Abs 1 Z 6 lit b EStG 1988 ua, daß die Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte im Lohnzahlungszeitraum ÜBERWIEGEND zurückgelegt wird. Daß dies beim Beschwerdeführer im Streitjahr nicht der Fall war, wird von ihm zugestanden (vgl Beschwerde, 5 oben). Die belangte Behörde ist daher nicht rechtswidrig vorgegangen, wenn sie das Pendlerpauschale nicht berücksichtigt hat. Bemerkt wird, daß bei Vorliegen mehrerer Wohnsitze - als solcher ist auch die Garconniere anzusehen, weil durch diese ungeachtet ihres Ausmaßes das Wohnbedürfnis des Beschwerdeführers in S befriedigt wird - nur Fahrt- bzw Wegstrecken zwischen dem nächstgelegenen Wohnsitz und dem Arbeitsort zu berücksichtigen sind (vgl Doralt, EStG2, § 16 Tz 112, mwA).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, sind die Aufwendungen für Familienheimfahrten ua dann als Werbungskosten zu berücksichtigen, wenn die Arbeitsstätte vom Familienwohnort so weit entfernt ist, daß die tägliche Fahrtstrecke nicht mehr zumutbar ist, die Arbeitsstätte somit außerhalb des Einzugsbereiches des Familienwohnsitzes liegt und deswegen im Dienstort ein (weiterer) Wohnsitz begründet werden muß (vgl Doralt aaO, § 4 Tz 346 ff, mwA). Von einer derartig weiten Entfernung kann aber im Beschwerdefall keine Rede sein. Wie die belangte Behörde zu Recht ausgeführt hat, ist bei der (relativ) geringen Entfernung zwischen Arbeitsstätte und Familienwohnort von 78 km, die vom Beschwerdeführer überdies fast zur Gänze auf einer Autobahn zurückgelegt wird (sowohl in S als auch in H befinden sich Autobahnanschlüsse), was einer Fahrtzeit von maximal einer Stunde entspricht, die tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz zumutbar. Dies wird in der Beschwerde auch nicht in Abrede gestellt (vgl nochmals 5 oben). Das weitere Vorbringen in der Beschwerde und in der Replik, dem Beschwerdeführer sei es auf Grund zu verrichtender Nachtdienste nicht zumutbar, nach einer 13-stündiger Tätigkeit noch die Fahrt zum Familienwohnsitz anzutreten, weswegen der Wohnsitz in S erforderlich gewesen sei und daher die Aufwendungen für Familienheimfahrten als Werbungskosten zu berücksichtigen seien, stellt eine im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unbeachtliche Neuerung dar. Bemerkt wird, daß selbst unter der Annahme, auf Grund besonderer Umstände sei in S ein (weiterer) Wohnsitz erforderlich, für den Beschwerdeführer nichts gewonnen wäre. Der Beschwerdeführer ist nämlich bereits seit Oktober 1981 im Krankenhaus S beschäftigt. Nach der Aktenlage bezieht seine Ehegattin keine Einkünfte. Es wäre ihm daher zumutbar gewesen, den Familienwohnsitz bereits seit langem nach S zu verlegen (vgl Doralt, aaO, § 4 Tz 352 ff, mwA). Die durch die Nichtverlegung des Familienwohnsitzes entstandenen Aufwendungen für Familienheimfahrten stellen daher ungeachtet der obigen Ausführungen solche der Lebensführung iSd § 20 Abs 1 Z 2 lit a EStG 1988 dar.

In Ausführung der behaupteten Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer, die belangte Behörde habe es unterlassen, insbesondere die Dauer der täglichen Arbeitszeit zu ermitteln sowie die Zumutbarkeit der täglichen Rückkehr zum Familienwohnsitz zu prüfen.

Mit diesen Ausführungen wird keine wesentliche Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgezeigt. Abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren Gelegenheit gehabt hätte, die nunmehr behauptete Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr zum Familienwohnsitz darzustellen, wäre selbst bei Vorliegen der Unzumutbarkeit - wie bereits ausgeführt - für den Beschwerdeführer nichts gewonnen. Es geht überdies nicht an, im Verwaltungsverfahren untätig zu bleiben, um sodann im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu behaupten, die belangte Behörde hätte Verfahrensvorschriften verletzt.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Die vom Beschwerdeführer beantragte mündliche Verhandlung konnte aus dem im § 39 Abs 2 Z 6 VwGG genannten Grund unterbleiben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr 416/1994.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1991140227.X00

Im RIS seit

06.03.2002

Zuletzt aktualisiert am

30.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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