TE Vwgh Erkenntnis 1995/9/22 93/11/0110

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Veröffentlicht am 22.09.1995
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
KDV 1967 §30 Abs1 Z1;
KDV 1967 §30 Abs1 Z2 litc;
KDV 1967 §30 Abs1 Z3;
KDV 1967 §30 Abs1;
KDV 1967 §31;
KDV 1967 §31a;
KDV 1967 §34;
KDV 1967 §35;
KFG 1967 §67 Abs2;
KFG 1967 §69 Abs1 litb;
KFG 1967 §73 Abs1;
KFG 1967 §75 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des P in K, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 13. Mai 1993, Zl. 11-39 U 15-92, betreffend Befristung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren für Schriftsatzaufwand wird abgewiesen.

Begründung

Aufgrund einer anonymen Anzeige wurde gegen den im Jahre 1911 geborenen Beschwerdeführer ein Verfahren zur Überprüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für seine Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A, B und F eingeleitet. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die Lenkerberechtigung gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 bis 7. Juli 1993 befristet.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend; er beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 73 Abs. 1 KFG 1967 (in der Fassung der 7. Kraftfahrgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 631/1982) ist eine Lenkerberechtigung unter anderem dann durch Befristung einzuschränken, wenn beim Besitzer der Lenkerberechtigung die geistige und körperliche Eignung nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und Nachuntersuchungen erforderlich sind.

Die belangte Behörde stützte die bekämpfte Entscheidung auf das Gutachten der ärztlichen Amtssachverständigen der Erstbehörde (Bezirkshauptmannschaft Knittelfeld) vom 8. Juli 1992. Danach sei der Beschwerdeführer zwar derzeit noch zum Lenken eines PKW geeignet. Aufgrund seines fortgeschrittenen Alters und des insulinpflichtigen Diabetes mellitus sei aber eine Befristung auf ein Jahr notwendig.

Soweit die Beschwerde unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtslage vor der 7. KFG-Novelle die Zulässigkeit der Befristung der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers überhaupt bestreitet, geht das Vorbringen an der durch die besagte Novelle geänderten Rechtslage vorbei. Diese sieht nunmehr die Möglichkeit der Befristung einer Lenkerberechtigung ausdrücklich vor.

Das mehrfache und ausschließliche Abstellen in der Beschwerde auf die zum Lenken von Kraftfahrzeugen notwendige GEISTIGE Gesundheit des Beschwerdeführers findet im angefochtenen Bescheid insofern keine Entsprechung, als darin von einer möglichen Beeinträchtigung gerade dieser Eignungsvoraussetzung im Sinne des § 64 Abs. 2 KFG 1967 nicht die Rede ist. Dies gilt in gleicher Weise für das Gutachten von 8. Juli 1992.

Soweit die Beschwerde das Fehlen ausreichender Entscheidungsgrundlagen rügt, ist sie im Recht:

Das von der belangten Behörde herangezogene Gutachten vom 8. Juli 1992 nennt als Gründe für die empfohlene Befristung das fortgeschrittene Lebensalter und den Diabetes mellitus des Beschwerdeführers; nähere Ausführungen enthält das Gutachten dazu nicht. In seiner Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, aufgrund der in wiederholten Schulungen erworbenen Kenntnisse habe er seinen "Diabetes ständig im Griff". Er verwies dazu auf das Attest des Facharztes für Innere Medizin Dr. R (vom 1. Juli 1992). Darin wird dem Beschwerdeführer insoweit bescheinigt, er sei "derzeit weitgehend gut kompensiert und gut eingestellt". Im Hinblick darauf war die belangte Behörde gehalten, zur Frage der Notwendigkeit von Nachuntersuchungen beim Beschwerdeführer neuerlich ein ärztliches Gutachten einzuholen, zumal nach der gegebenen Rechtslage das Lebensalter des Beschwerdeführers allein die Befristung seiner Lenkerberechtigung nicht zu rechtfertigen vermag (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Jänner 1992, Zl. 91/11/0122, mit weiterem Judikaturhinweis). Die belangte Behörde hat davon aber letztlich abgesehen. Anlaß dafür war das Schreiben eines Amtssachverständigen ihrer Fachabteilung für das Gesundheitswesen, wonach das angeforderte Gutachten nicht habe erstellt werden können, da der Beschwerdeführer zu der dafür vorgesehenen Untersuchung nicht erschienen sei, wobei er sein Nichterscheinen mit gesundheitlichen Gründen glaubhaft entschuldigt habe. Bei der geschilderten Sachlage hätte die belangte Behörde neuerlich eine Untersuchung des Beschwerdeführers veranlassen, gegebenenfalls mit der Erlassung eines Aufforderungsbescheides nach § 75 Abs. 2 KFG 1967 vorgehen müssen. Da sie dies unterlassen und sich statt dessen mit dem einer Begründung entbehrenden, vom Beschwerdeführer konkret bestrittenen Gutachten vom 8. Juli 1992 begnügt hat, hat die belangte Behörde mangels ausreichender Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Beachtung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der Sachverhalt bedarf in einem wesentlichen Punkt der Ergänzung.

Der angefochtene Bescheid ist somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. An Schriftsatzaufwand konnte nur der dafür vorgesehene Pauschbetrag und nicht auch die darauf entfallende Umsatzsteuer zuerkannt werden.

Schlagworte

Anforderung an ein Gutachten Beweismittel Sachverständigenbeweis Medizinischer Sachverständiger Gutachten Beweiswürdigung der Behörde Gutachten Ergänzung Gutachten rechtliche Beurteilung Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Sachverständigenbeweis Sachverständiger Arzt Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Arzt freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1993110110.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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