TE Vfgh Erkenntnis 1993/6/24 G262/92, G263/92, G36/93, G64/93, G107/93

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Veröffentlicht am 24.06.1993
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Index

50 Gewerberecht
50/03 Personen- und Güterbeförderung

Norm

B-VG Art10 Abs1 Z8
B-VG Art102 Abs1
B-VG Art129a Abs2
GelVerkG §15 Abs4

Leitsatz

Aufhebung der die unmittelbare Anrufbarkeit des unabhängigen Verwaltungssenats mit Berufung regelnden Bestimmung des GelVerkG mangels Zustimmung der Länder zur Kundmachung in einer Angelegenheit der mittelbaren Bundesverwaltung

Spruch

I. §15 Abs4 Gelegenheitsverkehrsgesetz, BGBl. Nr. 85/1952 idF BGBl. Nr. 452/1992, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. Juni 1994 in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt verpflichtet.

II. Der vom unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich unter ZVwSen-500026/4/Gu/Atz gestellte Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1.1.1. Beim Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich sind Verfahren über die Anträge des W T auf Übergang der Entscheidungspflicht vom Landeshauptmann von Niederösterreich über Berufungen gegen zwei Bescheide der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung vom 6. März 1992, Z12-G-8831 und 12-G-87137, womit Ansuchen um Bewilligung der Verlegung zweier Konzessionen zur Ausübung des Taxigewerbes - gestützt auf §49 Abs2 GewO 1973 iVm §10 Abs2 GelegenheitsverkehrsG idF BGBl. 125/1987 und der VO des Landeshauptmanns von Niederösterreich LGBl. 7001/5-0 - abgewiesen wurden, auf den Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich anhängig. In diesen Verfahren stellte der Senat zu den AZ G262/92 und G263/92 auf Grund seiner Kammerbeschlüsse vom 15. Dezember 1992 gemäß Art140 Abs1 iVm Art129 a Abs3 und Art89 Abs2 B-VG den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge "den §15 Abs4 des Gelegenheitsverkehrsgesetzes, BGBl. Nr. 85/1952 idF BGBl. Nr. 452/1992, zur Gänze als verfassungswidrig auf(...)heben."

1.1.1.2. Im Antrag (Verfahren G262/92) führte der unabhängige Verwaltungssenat zu den Prozeßvoraussetzungen ua. aus:

"Beim Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich ist ein Antrag des ... W T auf Geltendmachung des Übergangs der Entscheidungspflicht gemäß §73 AVG auf den Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich anhängig. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung vom 6. März 1992, Z12-G-8831, wurde einem Ansuchen des ... W T vom 15. Jänner 1992 um Bewilligung zur Verlegung der Konzession zur Ausübung des Taxigewerbes, eingeschränkt auf die Verwendung eines Personenkraftwagens bis zu neun Sitzplätzen (Konzessionsurkunde ausgestellt von der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung am 9.5.1988, Z12-G-8831) vom Standort 2440 Gramatneusiedl, Hauptplatz 5, nach 2320 Schwechat, Ehrenbrunngasse 15, und mit dem Aufstellungsrecht auf allen genehmigten Standplätzen im Gemeindegebiet von Schwechat, einschließlich des Flughafens Wien-Schwechat, gemäß §49 Abs2 GewO 1973 iVm §10 Abs2 GelegenheitsverkehrsG, BGBl. Nr. 85/1952 idF BGBl. Nr. 125/1987, und der Verordnung des Landeshauptmanns von Niederösterreich über die Höchstzahl von Kraftfahrzeugen für das Platzfuhrwerk-Gewerbe in Schwechat einschließlich Flughafen Wien-Schwechat vom 30. Mai 1989, LGBl. Nr. 7001/5-0, nicht stattgegeben. Dagegen erhob der nunmehrige Antragsteller fristgerecht Berufung. Über diese Berufung wurde vom Landeshauptmann von Niederösterreich bisher nicht entschieden. Gemäß §73 Abs2 AVG geht nach Ablauf der Entscheidungsfrist die Zuständigkeit zur Entscheidung auf schriftlichen Antrag der Partei auf den unabhängigen Verwaltungssenat über, wenn gegen die ausständige Entscheidung die Berufung an diesen vorgesehen ist. Gemäß Art103 Abs4 B-VG endet in Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung der administrative Instanzenzug, sofern der Landeshauptmann als Rechtsmittelbehörde zu entscheiden hat, bei diesem, wenn nicht durch Bundesgesetz ausnahmsweise auf Grund der Bedeutung der Angelegenheit ausdrücklich anderes bestimmt ist. Eine derartige ausdrückliche Bestimmung für den gegenständlichen Fall findet sich im §344 Abs3 Z1 GewO 1973, wonach der administrative Instanzenzug bis zum Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie geht, wenn für das Bewilligungsverfahren in erster Instanz die Bezirksverwaltungsbehörde zuständig ist und der Landeshauptmann als Rechtsmittelbehörde die Entscheidung der Bezirksverwaltungsbehörde über ein Ansuchen um eine Konzession nicht bestätigt hat. Diese Bestimmung gilt zufolge §1 Abs3 GelegenheitsverkehrsG auch für die in diesem Gesetz geregelten konzessionierten Gewerbe... Nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenats im Land Niederösterreich ist die Säumigkeit des Landeshauptmanns als Berufungsbehörde einer nicht bestätigenden Berufungsentscheidung iSd §344 Abs3 Z1 GewO 1973 gleichzusetzen. Gemäß §15 Abs4 GelegenheitsverkehrsG idF BGBl. Nr. 452/1992 entscheiden in den Fällen, in denen gegen den Bescheid des Landeshauptmanns eine Berufung zulässig ist, über Berufungen in Angelegenheiten dieses Bundesgesetzes die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern. Da sich der Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht gegen die Säumigkeit des Landeshauptmanns von Niederösterreich wendet, ist diese Bestimmung für den Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich im vorliegenden Fall präjudiziell..."

Zur Sache selbst heißt es :

"Die angefochtene Bestimmung sieht ... unter Berücksichtigung des §73 Abs2 AVG die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenats im Land Niederösterreich zur Entscheidung über einen Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht auf Grund der Säumigkeit des Landeshauptmanns von Niederösterreich in Vollziehung des GelegenheitsverkehrsG vor. Die Vollziehung des GelegenheitsverkehrsG fällt gemäß Art10 Abs1 Z8 B-VG in die Zuständigkeit des Bundes, die Ausübung der Vollziehung ist gemäß Art102 Abs1 B-VG dem Bereich der mittelbaren Bundesverwaltung zuzuordnen. Art129 a Abs2 zweiter Satz B-VG normiert hiefür die Zustimmung der beteiligten Länder als Kundmachungsvoraussetzung. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem richtungweisenden Erkenntnis vom 1. Oktober 1992, G103-107/92 ua., mit dem §51 Abs1 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991, BGBl. Nr. 52, als verfassungswidrig aufgehoben wurde, eindeutig klargestellt, daß für die Kundmachung von Angelegenheiten, die im Art129 a Abs2 zweiter Satz B-VG angeführt sind, die Zustimmung der beteiligten Länder erforderlich ist. Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich ist daher der Ansicht, daß §15 Abs4 GelegenheitsverkehrsG idF BGBl. Nr. 452/1992 mangels der gemäß Art129 a Abs2 B-VG erforderlichen Kundmachungszustimmung der Länder (im gegenständlichen Fall des Landes Niederösterreich) verfassungswidrig ist."

Der Antrag im Verfahren G263/92 ist im wesentlichen gleichlautend begründet.

1.1.2.1. Ferner führt der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich Verfahren über Berufungen des F L gegen (vier) Bescheide des Landeshauptmanns von Oberösterreich vom 10. November 1992, ZVerkGe-963/17-1992/Hi, VerkGe-584/32-1992/Hi, VerkGe-389/39-1992/Hi und VerkGe-154/24-1992/Hi, womit verschiedene Konzessionen zum Betrieb des Mietwagengewerbes mit Omnibussen - gestützt auf §87 Abs1 Z2 lita und §89 Abs1 iVm §25 Abs1 Z1 GewO 1973 idgF - entzogen wurden, und des F M gegen den Bescheid des Landeshauptmanns von Oberösterreich vom 26. November 1992, ZVerkGe-050.031/7-1992/Sie, womit einem Ansuchen um Erteilung der Nachsicht von der Erbringung des Befähigungsnachweises zur Ausübung des Mietwagengewerbes mit Personenkraftwagen - gegründet auf §28 Abs1 und 5 GewO 1973 idgF iVm §5 a GelegenheitsverkehrsG idgF und §2 Abs1 Z2 VO des Bundesministers für Verkehr BGBl. 134/1982 - keine Folge gegeben wurde. Er stellte darin zum AZ G36/93 durch seine zuständige Kammer (Beschluß vom 22. Jänner 1993) gemäß Art140 Abs1 iVm Art129 a Abs3 und Art89 Abs2 B-VG den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge "§15 Abs4 des Gelegenheitsverkehrsgesetzes, BGBl. Nr. 85/1952 idF des ArtVI Z2 des Bundesgesetzes über die Änderung von Vollzugszuständigkeiten des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr, mit dem das Eisenbahngesetz, das Eisenbahnbeförderungsgesetz, das Kraftfahrliniengesetz, das Kraftfahrgesetz, das Gefahrengutgesetz - Straße, das Gelegenheitsverkehrsgesetz, das Güterbeförderungsgesetz, das Luftfahrtgesetz, das Bundesgesetz über den zwischenstaatlichen Luftverkehr, das Seeschiffahrtsgesetz und das Schiffahrtsgesetz geändert werden, BGBl. Nr. 452/1992, zur Gänze als verfassungswidrig aufheben."

1.1.2.2. Der unabhängige Verwaltungssenat führte dazu ua. wörtlich aus:

"Allen vorangeführten anhängigen Fällen ist gemeinsam, daß in einer Angelegenheit des GelegenheitsverkehrsG der O.ö.

Verwaltungssenat ... als zweite Instanz über eine Berufung zu

entscheiden hat... Durch ArtVI Z2 des Bundesgesetzes BGBl. Nr.

452/1992 wurde im §15 GelegenheitsverkehrsG, BGBl. Nr. 85/1952

idF BGBl. Nr. 457/1990, ein Abs4 angefügt... Der O.ö.

Verwaltungssenat (2. Kammer) geht davon aus, daß er in den vorliegenden Anlaßfällen zur Entscheidung über die Berufungen zuständig ist, und zwar als zweite Instanz. Dies in der Zusammenschau mit folgenden Erwägungen: Der bereits nach der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 486/1981 in Geltung stehende §1 Abs3 GelegenheitsverkehrsG bestimmt, daß, soweit dieses Bundesgesetz nicht besondere Bestimmungen trifft, für die diesem Bundesgesetz unterliegenden Gewerbszweige (Abs1) die Bestimmungen der GewO 1973 gelten... Mangels besonderer Kompetenznormen für ein diesbezügliches Konzessionsentziehungsverfahren gilt §361 Abs1 GewO 1973 (iVm §15 Abs1 GelegenheitsverkehrsG - Entziehungsbehörde ist gleich Verleihungsbehörde) und bezüglich eines Nachsichtverfahrens vom Befähigungsnachweis §346 Abs1 Z2 GewO 1973. In beiden Fällen ist in erster Instanz der Landeshauptmann zur Entscheidung berufen. Gemäß Art103 Abs4 B-VG geht in Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung - um eine solche handelt es sich zweifellos (vgl.

Art10 B-VG und Art102 Abs1 B-VG) - der administrative Instanzenzug

gegen eine Entscheidung des Landeshauptmanns als erste Instanz, wenn

nicht bundesgesetzlich anderes bestimmt ist, bis zum zuständigen

Bundesminister. Eine auf die Anlaßfälle zu beziehende Beschränkung

des Instanzenzugs ist in den gewerberechtlichen Vorschriften nicht

vorgesehen. Eine Berufung gegen den Bescheid des Landeshauptmanns

iSd §15 Abs4 GelegenheitsverkehrsG idgF ist daher zulässig. Wie

bereits erwähnt, wurden die ... beschriebenen

Konzessionsentziehungsverfahren mit der Aufforderung des

Landeshauptmanns von Oberösterreich vom 28. April 1992 an die Kammer

der gewerblichen Wirtschaft für Oberösterreich, als Beteiligte zur

Absicht der Konzessionsentziehung Stellung zu nehmen, eingeleitet

bzw. anhängig. Das Nachsichtverfahren ... wurde durch das laut

Eingangsstempel am 5. August 1992 beim Landeshauptmann eingelangte

Nachsichtgesuch anhängig. Der O.ö. Verwaltungssenat hat die

Zuständigkeitsbestimmung des §15 Abs4 GelegenheitsverkehrsG

BGBl. Nr. 85/1952 idF des ArtVI Z2 des Bundesgesetzes über Änderungen

von Vollzugszuständigkeiten des Bundesministers für öffentliche

Wirtschaft und Verkehr, ... BGBl. Nr. 452/1992, welche gemäß ArtXIII

Abs1 leg.cit. am 1. August 1992 in Kraft getreten ist, auch in den

... Fällen (der Berufungen des F L), und zwar aufgrund der

Übergangsvorschriften des ArtXII Abs1 leg.cit. anzuwenden...

Das GelegenheitsverkehrsG als Angelegenheit des Gewerbes ist gemäß Art10 iVm Art102 B-VG eine Angelegenheit der

mittelbaren Bundesverwaltung iSd Art129 a Abs2 B-VG. Eine Zustimmung jedenfalls des Landes Oberösterreich zur Kundmachung wurde hinsichtlich §15 Abs4 GelegenheitsverkehrsG (idF BGBl. 452/1992) nicht erteilt, obwohl damit auch Fälle - wie die vorliegenden Anlaßfälle - erfaßt sind, in denen der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich unmittelbar nach einer Entscheidung des Landeshauptmanns in erster Instanz angerufen werden kann. Der O.ö. Verwaltungssenat erlaubt sich, auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 1. Oktober 1992, G103-107/92 ua., hinzuweisen, aus dem abgeleitet werden kann, daß ein ... Zustimmungserfordernis der Länder gemäß Art129 a Abs2 B-VG in Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung unstrittig ist. Die zur Prüfung beantragte einfachgesetzliche Bestimmung des GelegenheitsverkehrsG scheint demnach aus den oben genannten Gründen der Bundesverfassung nicht zu entsprechen. Durch eine allfällige nachträgliche Zustimmung der Länder - die nach h. Kenntnis aber ohnedies nicht erfolgt ist - wäre nach Auffassung des O.ö. Verwaltungssenats der Zustimmungsmangel auch nicht sanierbar, da sich die Zustimmung als eine - unverzichtbare - Voraussetzung für die Kundmachung eines entsprechenden Gesetzes darstellt."

1.1.3.1. Auf Grund seines Kammerbeschlusses vom 24. März 1993 brachte der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich zum AZ G64/93 in dem bei ihm gleichfalls anhängigen Verfahren über die Berufung der S L gegen den Bescheid des Landeshauptmanns von Niederösterreich vom 1. Februar 1993, ZV/1-N-92536, womit einem Ansuchen um Erteilung der Nachsicht vom Befähigungsnachweis für die Ausübung des Mietwagen-Gewerbes mit Personenkraftwagen - gestützt auf §28 Abs1 GewO 1973 idF der Gewerberechtsnov. 1992 - nicht Folge gegeben wurde, gemäß Art140 Abs1 iVm Art129 a Abs3 und Art89 Abs2 B-VG den Antrag ein, der Verfassungsgerichtshof wolle "den §15 Abs4 des Gelegenheitsverkehrsgesetzes, BGBl. Nr. 85/1952 idF BGBl. Nr. 129/1993, zur Gänze als verfassungswidrig auf(...)heben."

1.1.3.2. Der unabhängige Verwaltungssenat führte zur Frage der Präjudizialität der angefochtenen Norm aus:

    "Beim Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich

ist eine Berufung der ... S L ... gegen den Bescheid des

Landeshauptmanns von Niederösterreich vom 1. Februar 1993,

V/1-N-92536, anhängig. Die Berufung wurde rechtzeitig eingebracht.

Mit diesem Bescheid wurde dem Ansuchen der ... S L um die Erteilung

einer Nachsicht vom Befähigungsnachweis für die Ausübung des

Mietwagen-Gewerbes mit Personenkraftwagen auf dem Standort

Kritzendorf, Hauptstraße 201, gemäß §28 Abs1 GewO 1973 idF der

Gewerberechtsnov. 1992 nicht Folge gegeben... Gemäß §15 Abs4

GelegenheitsverkehrsG idF BGBl. Nr. 129/1993 entscheiden in den Fällen, in denen gegen den Bescheid des Landeshauptmanns eine Berufung zulässig ist, über Berufungen in Angelegenheiten dieses Bundesgesetzes die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern. Da sich die Berufung gegen einen Bescheid des Landeshauptmanns von Niederösterreich wendet, ist diese Bestimmung für den Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich im vorliegenden Fall präjudiziell."

Die Ausführungen zur Sache selbst lauten gleich wie jene in den Verfahren G262/92 und G263/92 (s. 1.1.1.2.).

1.2.1. Die zur Äußerung aufgeforderte Bundesregierung gab im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 1. Oktober 1992, G103-107/92 ua., zur behaupteten Verfassungswidrigkeit des §15 Abs4 GelegenheitsverkehrsG keine schriftliche meritorische Stellungnahme ab.

1.2.2. Der am Verfahren G36/93 beteiligte F L trat in einer Stellungnahme dem Antrag des unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Oberösterreich bei. Im übrigen äußerten sich die verfahrensbeteiligten Parteien nicht.

1.3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich stellte zuletzt noch auf Grund seines Kammerbeschlusses vom 8. Juni 1993 unter ZVwSen-500026/4/Gu/Atz in einem bei ihm anhängigen Verfahren gemäß Art140 Abs1 iVm Art129 a Abs3 und Art89 Abs2 B-VG den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge "§15 Abs4 des Gelegenheitsverkehrsgesetzes, BGBl. Nr. 85/1952 idF des ArtVI Z2 des Bundesgesetzes über die Änderung von Vollzugszuständigkeiten des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr, mit dem das Eisenbahngesetz, das Eisenbahnbeförderungsgesetz, das Kraftfahrliniengesetz, das Kraftfahrgesetz, das Gefahrengutgesetz - Straße, das Gelegenheitsverkehrsgesetz, das Güterbeförderungsgesetz, das Luftfahrtgesetz, das Bundesgesetz über den zwischenstaatlichen Luftverkehr, das Seeschiffahrtsgesetz und das Schiffahrtsgesetz geändert werden, BGBl. Nr. 452/1992, zur Gänze als verfassungswidrig aufheben." Dieser Antrag langte am 16. Juni 1993 beim Verfassungsgerichtshof ein.

Im Hinblick auf das bereits fortgeschrittene Prozeßgeschehen war eine formelle Einbeziehung dieses Antrags in das vorliegende Verfahren nicht mehr möglich. Der Antrag (G107/93) war sohin zurückzuweisen (vgl. zB VfSlg. 10394/1985, VfGH 13.3.1993 G212-215/92 ua.).

2. Über die - zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen - Anträge (G262,263/93, G36,64/93) wurde erwogen:

2.1. Die antragstellenden Senate vertreten in den Anfechtungsschriften die Auffassung, daß sie in den bei ihnen anhängigen Rechtssachen die Bestimmung des §15 Abs4 GelegenheitsverkehrsG, BGBl. 85/1952 idF BGBl. 452/1992 (durch die Nov. BGBl. 129/1993 blieb diese Norm unberührt), anzuwenden hätten. Der Verfassungsgerichtshof hat die dafür gegebene Begründung nach ständiger Rechtsprechung (zB VfSlg. 9284/1981 uam.) nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Denkmöglichkeit hin zu untersuchen: Unter diesem Aspekt kann aber der Rechtsauffassung der Verwaltungssenate offensichtlich nicht entgegengetreten werden.

Da auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen zutreffen, sind die Gesetzesprüfungsanträge zulässig.

2.2.1. Art129 a Abs2 B-VG wurde durch die B-VG-Novelle 1988, BGBl. 685, in das B-VG eingefügt und hat folgenden Wortlaut:

"Es kann gesetzlich vorgesehen werden, daß die Entscheidungen in erster Instanz unmittelbar beim unabhängigen Verwaltungssenat angefochten werden können. In den Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung sowie der Art11 und 12 dürfen derartige Bundesgesetze nur mit Zustimmung der beteiligten Länder kundgemacht werden."

§15 Abs4 GelegenheitsverkehrsG, BGBl. 85/1952 idF des ArtVI des BundesG BGBl. 452/1992, der von der Novelle BGBl. 129/1993 unberührt blieb, lautet:

"In den Fällen, in denen gegen den Bescheid des Landeshauptmannes eine Berufung zulässig ist, entscheiden über die Berufungen in Angelegenheiten dieses Bundesgesetzes die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern."

Die Angelegenheiten nach dem GelegenheitsverkehrsG werden in mittelbarer Bundesverwaltung besorgt (Art10 iVm Art102 B-VG;

s. E z RV 295 BlgNR XVIII. GP, 16), und zwar zum Teil vom Landeshauptmann in erster Instanz (vgl. etwa §15 Abs1 GelegenheitsverkehrsG).

Bei §15 Abs4 GelegenheitsverkehrsG idF BGBl. 452/1992 handelt es sich also um eine gesetzliche Vorschrift, die jedenfalls eine Anfechtung erstinstanzlicher Entscheidungen des Landeshauptmanns in Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung "unmittelbar" beim unabhängigen Verwaltungssenat vorsieht.

Eine solche bundesgesetzliche Norm darf aber kraft der ausdrücklichen Bestimmung des Art129 a Abs2 B-VG nur mit Zustimmung der beteiligten Länder kundgemacht werden.

2.2.2. Da hier - wie unbestritten ist - kein Bundesland zugestimmt hat, war den begründeten Anträgen der Unabhängigen Verwaltungssenate im Land Niederösterreich und des Landes Oberösterreich Folge zu geben und §15 Abs4 GelegenheitsverkehrsG, BGBl. 85/1952 idF des ArtVI des BundesG BGBl. 452/1992, als verfassungswidrig aufzuheben (s. dazu VfGH 1.10.1992 G103-107/92 ua., vgl. auch VfSlg. 1312/1930, 2598/1953 und 8155/1977 ua.).

2.3. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der Norm, die sich auf Art140 Abs5 dritter und vierter Satz B-VG gründet, erscheint im Hinblick auf die entsprechende Stellungnahme der Bundesregierung geboten. Der Ausspruch über die Kundmachungspflicht stützt sich auf Art140 Abs5 B-VG, der frühere Bestimmungen betreffende auf Art140 Abs6 B-VG (s. Art103 Abs4 B-VG).

Schlagworte

Unabhängiger Verwaltungssenat, Bundesverwaltung mittelbare, Gesetz Kundmachung, Verwaltungsverfahren, Zuständigkeit Verwaltungsverfahren, Gewerberecht, Gelegenheitsverkehr, Kundmachung Gesetz, Berufung, Zustimmung (der Länder bei Kundmachung Gesetz)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1993:G262.1992

Dokumentnummer

JFT_10069376_92G00262_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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