TE Vwgh Erkenntnis 1995/9/26 95/08/0168

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Veröffentlicht am 26.09.1995
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Index

L92059 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Wien;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);

Norm

ABGB §140 Abs1;
ABGB §91;
ABGB §94 Abs1;
ABGB §94 Abs2;
SHG Wr 1973 §8 Abs1;
SHG Wr 1973 §9 Abs1;
SHG Wr 1973 §9 Abs2 Z4;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 95/08/0196 E 20. Februar 1996 95/08/0197 E 20. Februar 1996 95/08/0198 E 20. Februar 1996 95/08/0199 E 20. Februar 1996 95/08/0200 E 20. Februar 1996 95/08/0209 E 23. April 1996

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerden des K in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide der Wr LReg vom 5. Jänner 1995, Zl. MA 12 - 17136/84, betreffend Geldaushilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes vom 8. Juli bis 7. August 1994, vom 8. September 1994 bis 7. Oktober 1994, und vom 8. Oktober 1994 bis 7. November 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von S 37.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheiden des Magistrats der Stadt Wien, Sozialreferat für den 10. Bezirk, vom 2. September 1994, vom 13. Oktober 1994 und vom 17. November 1994 wurden Anträge des Beschwerdeführers vom 7. Juli 1994, vom 7. September 1994 und vom 7. Oktober 1994 auf Zuerkennung einer Geldaushilfe für sich, seine Ehefrau und das gemeinsame Kind zur Sicherung des Lebensbedarfes abgewiesen. Diese Entscheidungen wurden jeweils damit begründet, daß der Beschwerdeführer trotz nachweislicher Aufforderung, verbunden mit Hinweisen über die sonst eintretenden Rechtsfolgen, seine Mitwirkungspflicht dadurch verletzt habe, daß er Nachweise über die Arbeitssuche seiner Gattin nicht erbracht habe.

Die vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Berufungen, worin er im wesentlichen damit argumentierte, daß nach den Bestimmungen des Wiener Sozialhilfegesetzes der Behörde kein Recht zukomme, seiner Frau die Arbeitssuche vorzuschreiben, wurden mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden abgewiesen und die bekämpften erstinstanzlichen Bescheide bestätigt.

Diese Bescheide begründete die belangte Behörde nach Hinweisen auf die anzuwendenden Rechtsvorschriften des Wiener Sozialhilfegesetzes im wesentlichen wie folgt:

" ...

Folgt man ... dem Vorbringen (des Beschwerdeführers) hinsichtlich seines Notstandshilfebezuges von S 288,60 täglich, so zeigt sich, daß damit der Richtsatz für ihn selbst sowie das unterhaltsberechtigte Kind überschritten wird. Strittig ist daher im gegenständlichen Verfahren nur die Frage, ob für den Lebensbedarf der Ehegattin (des Beschwerdeführers) eine Richtsatzdifferenz gebührt.

In der Beurteilung dieses Anspruches, vor allem was die Mitwirkungspflichten der Parteien hinsichtlich der Anspruchsgrundlagen betrifft, vermag die Berufungsbehörde aber keinen Unterschied darin zu erkennen, ob wie im gegenständlichen Fall der Ehegatte einer potentiell Hilfsbedürftigen den Antrag auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes für seine Frau stellt oder ob diese selbst gegenüber dem Sozialreferat als Antragstellerin auf die Richtsatzdifferenz auftritt. Es würde den Wertungen des Wiener Sozialhilfegesetzes widersprechen, wenn man die in jedem Verfahren zur Beurteilung eines Sozialhilfeanspruches notwendige Einschätzung der Arbeitswilligkeit des potentiell Hilfsbedürftigen nach unterschiedlichen Maßstäben vornimmt, je nachdem, ob der erste oder zweite der im Vorsatz geschilderten Fälle vorliegt. Die erstinstanzliche Behörde konnte daher zu Recht (vom Beschwerdeführer) Nachweise über die Arbeitswilligkeit seiner Ehegattin verlangen, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war."

Gegen diesen Bescheid richten sich die vorliegenden, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machenden Beschwerden.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und Gegenschriften erstattet, in denen sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und darüber erwogen:

Gemäß § 8 Abs. 1 des Wiener Sozialhilfegesetzes (WSHG), LGBl. für Wien Nr. 11/1973 in der Fassung der 5. Novelle zum Wiener Sozialhilfegesetz, LGBl. Nr. 50/1993, hat Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen dieses Abschnittes, wer den Lebensbedarf für sich und die mit ihm im Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält.

Der Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes wird gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. jedoch nicht berührt durch

1. Unterhaltsleistungen von Angehörigen, die gemäß § 29 Abs. 2 nicht zum Ersatz der Sozialhilfekosten herangezogen werden dürfen;

2. Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege.

Gemäß § 9 Abs. 1 leg. cit. hat der Hilfesuchende seine Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensbedarfes für sich und die mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen einzusetzen. Dabei ist auf den Gesundheitszustand, das Lebensalter, die geordnete Erziehung der Kinder sowie auf die berufliche Eignung und Vorbildung Bedacht zu nehmen. Wenn der Hilfesuchende nach angemessener Frist keinen geeigneten Arbeitsplatz erlangen kann, ist er verpflichtet, auch Arbeitsmöglichkeiten zu ergreifen, die nicht unmittelbar seiner beruflichen Eignung und Vorbildung entsprechen, die ihm jedoch im Hinblick auf diese zugemutet werden können. Kann der Hilfesuchende innerhalb einer weiteren angemessenen Frist keinen ihm im Hinblick auf seine berufliche Eignung und Vorbildung zumutbaren Arbeitsplatz erlangen, ist er verpflichtet, andere Arbeitsmöglichkeiten zu ergreifen, auch wenn sie nicht der beruflichen Eignung und Vorbildung entsprechen.

Gemäß § 9 Abs. 2 Z. 4 WSHG darf der Einsatz der eigenen Arbeitskraft jedenfalls nicht von Müttern und alleinerziehenden Vätern bis zum vollendeten zweiten Lebensjahr des im gemeinsamen Haushalt lebenden Kindes verlangt werden.

§ 37a Abs. 2 WSHG lautet:

"Wenn ein Hilfesuchender ohne triftigen Grund einer schriftlichen Aufforderung zum Erscheinen zu einer ärztlichen Untersuchung nicht entspricht oder sich weigert, die zur Durchführung des Verfahrens unerläßlichen Angaben zu machen, kann die Hilfeleistung abgelehnt oder solange eingestellt werden, bis er dem Auftrage nachkommt. Er muß auf die Folgen seines Verhaltens nachweislich aufmerksam gemacht worden sein. Eine Nachzahlung für die Zeit der Ablehnung oder Einstellung der Hilfeleistung unterbleibt."

Die belangte Behörde hat die Versagung der vom Antragsteller beantragten Geldleistungen auf § 37a Abs. 2 WSHG gestützt; die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides hängt daher zunächst davon ab, ob die vom Beschwerdeführer verlangte (von diesem aber nicht beigebrachte) Meldekarte der Ehegattin, aus der deren Meldungen beim Arbeitsamt ersichtlich sein sollten, für die Durchführung des Verfahrens unerläßlich ist, mit anderen Worten, ob der Tatsache der Arbeitssuche der Ehegattin in rechtlicher Hinsicht Bedeutung zukommt. Letzteres wäre nur dann der Fall, wenn die belangte Behörde mit Recht von deren Verpflichtung zur Arbeitssuche ausgegangen ist.

Die belangte Behörde unterstellt dies im wesentlichen mit der Begründung, die Verpflichtung der mit dem Hilfsbedürftigen im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegattin zum Einsatz der eigenen Kräfte im Sinne des § 8 Abs. 1 WSHG könne hinter der des Hilfebedürftigen selbst nicht zurückbleiben. Dem Umstand, daß die Ehegattin des Beschwerdeführers den Haushalt führt, in dem das am 28. Februar 1992 geborene (d.h. in den streitgegenständlichen Zeiträumen jedenfalls mehr als zwei Jahre alte) Kind wohnt, hat die belangte Behörde offenkundig keine Bedeutung zugemessen.

Diese Auffassung übersieht zunächst, daß gemäß § 3 Abs. 1 WSHG bei der Gewährung von Sozialhilfe auf die Eigenart und Ursache der Notlage, insbesondere auf den körperlichen und geistig-seelischen Zustand, auf den Grad der sozialen Anpassung und die anderen persönlichen Verhältnisse des Hilfesuchenden Rücksicht zu nehmen ist. Ebenso ist gemäß § 3 Abs. 2 WSHG darauf Bedacht zu nehmen, daß die familiären Beziehungen zwischen dem Hilfesuchenden und seinen Angehörigen erhalten und gefestigt und die Kräfte der Familie zur Selbsthilfe angeregt und gefördert werden. Dem entspricht § 9 Abs. 1 WSHG, wonach bei grundsätzlicher Verpflichtung des Hilfesuchenden, seine Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensbedarfes einzusetzen, auf den Gesundheitszustand, das Lebensalter, die geordnete Erziehung der Kinder sowie auf die berufliche Eignung und Vorbildung Bedacht zu nehmen ist.

Selbst wenn man daher mit der belangten Behörde die (nach dem Wortlaut nur) für den Hilfesuchenden geltenden Bestimmungen des § 9 Abs. 1 WSHG analog auch auf die unterhaltsberechtigten Angehörigen anwenden würde, so käme eine Verpflichtung der Ehegattin des Beschwerdeführers, ihre Arbeitskraft einzusetzen, nur unter den weiteren Voraussetzungen in Betracht, daß ihr dies zunächst im allgemeinen (d.h. ohne Bedachtnahme auf eine konkrete Arbeitsmöglichkeit) im Hinblick auf die geordnete Erziehung des Kindes sowie auf ihre berufliche Eignung und Vorbildung zumutbar ist. Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzungen wäre ein Nachweis der Arbeitswilligkeit der Ehegattin des Beschwerdeführers "unerläßlich" im Sinne des § 37a Abs. 2 WSHG.

An der Auffassung der belangten Behörde ist allerdings richtig, daß für den Fall der analogen Anwendung des § 8 Abs. 1 WSHG die Berücksichtigung unterhaltsberechtigter Angehöriger bei der Bemessung eines Anspruches auf Hilfe zum Lebensunterhalt davon abhänge, daß auf diese die Anspruchsvoraussetzungen des § 8 Abs. 1 WSHG zutreffen, d.h., daß sie außerstande wären, ihren Lebensbedarf aus eigenen Kräften und Mitteln zu decken. Abgesehen davon, daß die in diesem Zusammenhang zu fordernde Anspannung der Kräfte der Angehörigen nicht weiterreichen kann, als jene des Hilfebedürftigen selbst, sodaß § 9 Abs. 1 WSHG jedenfalls als Grenze der Zumutbarkeit des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft auch in diesem Zusammenhang zu beachten ist, stellt § 8 Abs. 1 WSHG auf UNTERHALTSBERECHTIGTE Angehörige ab, weshalb auf die einschlägigen ehe- und familienrechtlichen Vorschriften des bürgerlichen Rechts Bedacht zu nehmen, und die Frage zu prüfen ist, ob es sich bei der Ehegattin des Beschwerdeführers um eine "unterhaltsberechtigte Angehörige" handelt. Ein Unterhaltsanspruch besteht nämlich nur insoweit, als die Beschwerdeführerin nicht gemäß § 94 Abs. 1 ABGB dazu verhalten ist, nach ihren Kräften und gemäß der Gestaltung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse (gemeinsam mit dem Beschwerdeführer) beizutragen.

Die Frage, ob beide Ehegatten einer Erwerbstätigkeit nachgehen oder eine sogenannte "Hausfrauenehe" führen, betrifft die Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Sinne des § 91 ABGB und ist nach dieser Gesetzesstelle (primär) mit "Rücksichtnahme (der Ehegatten) aufeinander und auf das Wohl der Kinder einvernehmlich" zu gestalten. Diese privatrechtlich primär dem Einvernehmen der Eheleute überlassene Gestaltung der Lebensführung kann berechtigten Interessen Dritter nicht unter allen Umständen entgegengehalten werden: Dies trifft nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur auf den Fall zu, daß etwa ein für uneheliche Kinder unterhaltspflichtiger Vater durch Inanspruchnahme des Karenzurlaubes seine Unterhaltspflicht zu reduzieren sucht (vgl. OGH 14. November 1991, 7 Ob 615/91), sondern auch im Verhältnis zu sozialhilferechtlichen Ansprüchen. Die zwischen den Eheleuten getroffenen Übereinkommen über die Art der Lebensführung sind daher sozialhilferechtlich nur insoweit von Bedeutung, als sie nicht ausschließlich oder primär die Aufrechterhaltung oder Herbeiführung der Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers zum Ziele haben. Die von den Eheleuten einvernehmlich gestaltete Lebensführung muß sich daher - soll sie auch sozialhilferechtlich wirksam sein - eine Überprüfung auf Sachangemessenheit anhand der ehe- und familienrechtlichen Vorschriften gefallen lassen. Diese Prüfung betrifft sachverhaltsbezogen auch die Frage, ob die den Haushalt führende Ehefrau als unterhaltsberechtigte Angehörige im Sinne des § 8 Abs. 1 WSHG gilt.

Zu untersuchen ist daher, ob die vom Beschwerdeführer und seiner Ehegattin getroffene Regelung, wonach der Beschwerdeführer für den Lebensunterhalt sorgt (oder doch sorgen soll), hingegen seine Ehegattin (nur) den Haushalt führt, dadurch ihren Beitrag zur ehelichen Lebensgemeinschaft leistet und gemäß § 94 Abs. 2 erster Satz ABGB einen Unterhaltsanspruch gegenüber dem Beschwerdeführer hat, auch sozialhilferechtlich zu beachten ist (eigene Einkünfte der Ehegattin, die angemessen zu berücksichtigen wären, liegen im Beschwerdefall nicht vor). Dies ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes im Grundsatz deshalb (und unabhängig von der nach Lage der Verwaltungsakten zwar aufgeworfenen, aber nicht geklärten Frage, ob die Ehegattin des Beschwerdeführers in den hier in Rede stehenden Zeiträumen überdies schwanger war) zu bejahen, weil im gemeinsamen Haushalt das am 28. Februar 1992 geborene - und daher in den Streitzeiträumen noch nicht dreijährige - Kind lebte. Es ist für den Verwaltungsgerichtshof offenkundig, daß es - abgesehen von der sogleich zu erörternden weiteren Frage, wie im Falle der dauernden Unfähigkeit des nach der gemeinsamen Übereinkunft der Eheleute zur Berufstätigkeit berufenen Ehegatten, den Familienunterhalt beizusteuern, vorzugehen ist - dem Wohl des Kindes dieses Alters besser entspricht, von einem Elternteil im Haushalt versorgt zu werden, als in anderweitiger Unterbringung (etwa einer Kinderkrippe; in diesem Sinne auch Knopp/Fichtner, Bundessozialhilfegesetz, 4, RdZ 11 zu § 18 BSHG bei vergleichbarer Rechtslage). § 9 Abs. 2 Z. 4 WSHG, wonach (u.a.) von Müttern bis zum vollendeten zweiten Lebensjahr des Kindes der Einsatz der eigenen Arbeitskraft "jedenfalls nicht verlangt werden" darf, läßt sich (bei analoger Anwendung auf Angehörige) schon nach seinem Wortlaut nach nicht in der Richtung auslegen, daß NACH Vollendung des zweiten Lebensjahres des Kindes der Einsatz der Arbeitskraft "jedenfalls" verlangt werden könnte; diese Bestimmung will nämlich nur bis zum vollendeten zweiten Lebensjahr des Kindes eine Prüfung der Zumutbarkeit im Sinne des § 9 Abs. 1 WSHG ausschließen, trifft aber keine - vom Ergebnis einer Prüfung nach § 9 Abs. 1 WSHG unabhängige - Aussage in der Richtung, daß der Mutter nach vollendetem zweiten Lebensjahr des Kindes eine Arbeitsaufnahme jedenfalls zugemutet werden könnte.

Der den gemeinsamen Haushalt führende Ehegatte leistet dadurch zwar gemäß § 94 Abs. 2 erster Satz ABGB seinen Beitrag im Sinne des § 94 Abs. 1 ABGB (sowie im Fall eines im Haushalt lebenden Kindes gemäß § 140 Abs. 2 ABGB auch seine gegenüber dem Kind bestehende Unterhaltsverpflichtung des § 140 Abs. 1 ABGB); damit hat es jedoch dann nicht sein Bewenden, wenn der andere (nach dem Lebensplan der Eheleute zur Berufstätigkeit bestimmte) Ehegatte nicht in der Lage ist, seinen Beitrag zur ehelichen Lebensgemeinschaft im Sinne des § 94 Abs. 1 ABGB bzw.

- bezogen auf das Kind - im Sinne des § 140 Abs. 1 ABGB zu leisten (worunter nicht nur physisches Unvermögen zu verstehen ist: OGH 3. Juni 1980, 5 Ob, 527/80, EvBl. 1981/17): in einem solchen Fall erwirbt er gemäß § 94 Abs. 2 dritter Satz ABGB unter Umständen sogar einen Unterhaltsanspruch gegen die (bisher) haushaltsführende Ehegattin (vgl. Pichler in Rummel I2, RdZ 8 zu § 94 ABGB, mwN; Koziol-Welser II9, 205 bei FN 64 mit Hinweisen auf SZ 50/128 sowie EvBl 1982/127), die in einem solchen Fall - sofern nicht dann z.B. der arbeitslose Ehegatte gemäß § 95 ABGB zur Haushaltsführung verpflichtet ist - über die Haushaltsführung hinaus auch verpflichtet sein kann, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, soweit der andere Elternteil zur vollen Deckung der Bedürfnisse des Kindes nicht imstande ist (worunter auch unverschuldete Arbeitslosigkeit zu verstehen ist: vgl. Pichler in Rummel I2, RdZ 10 zu § 140 und RdZ 1 zu § 141 ABGB mwN).

Ob ein solcher Sachverhalt vorliegt, d.h. ob die Ehegattin im Beschwerdefall - trotz Vorhandenseins (zumindest) eines noch nicht dreijährigen Kindes - verpflichtet ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Nicht jede vorübergehende Arbeitslosigkeit des anderen Ehegatten wird eine solche, die Lebensplanung völlig verändernde Verpflichtung auslösen, sondern nur eine solche, deren Ende aufgrund des Alters und des Gesundheitszustandes, sowie der Ausbildung und bisherigen Berufstätigkeit des Beschwerdeführers, ferner auch nach der bisherigen Dauer seiner Arbeitslosigkeit und der Situation auf dem Arbeitsmarkt (zur Berücksichtigung dieser Umstände vgl. u.a. EFSlg. 30635, 55901) in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist. Diesen Umständen sind jedoch die entsprechenden Umstände auf seiten der Ehegattin des Beschwerdeführers gegenüberzustellen, wobei auch auf das Wohl des im gemeinsamen Haushalt lebenden Kindes (allenfalls auch mehrerer Kinder) nach Alter und bestehenden Unterbringungsmöglichkeiten (aber auch der Betreuungsmöglichkeit durch den arbeitslosen Ehegatten) Bedacht zu nehmen ist. Insgesamt ist anhand dieser Kriterien sodann aus sozialhilferechtlicher Sicht (d.h. auch unter Bedachtnahme darauf, ob dem das Wohl des Kindes nicht entgegensteht) zu beurteilen, ob von der nach dem Lebensplan der Eheleute haushaltsführenden Ehegattin eher zu erwarten ist, daß sie durch die Aufnahme einer Berufstätigkeit die bestehende Notlage der Familie beseitigen kann als von dem - nach dem Lebensplan der Eheleute als Familienerhalter vorgesehenen - Ehemann. Bejahendenfalls wäre auch der (bisher allein) haushaltsführenden Ehegattin des Beschwerdeführers die Aufnahme einer Berufstätigkeit zuzumuten.

Sollte die Notlage der Familie jedoch in der Arbeitsunwilligkeit des Beschwerdeführers ihre Ursache haben, so wäre dies nicht geeignet, die Anspruchsberechtigung der Ehegattin auf den Unterhalt in Zweifel zu ziehen oder ihre Verpflichtung zur Arbeitsleistung auszulösen, könnte aber zum Verlust des Sozialhilfeanspruches des Beschwerdeführers führen.

Eine nach den aufgezeigten Gesichtspunkten gegebene Zumutbarkeit, eine Beschäftigung aufzunehmen, führt jedoch nur nach Maßgabe konkreter Arbeitsmöglichkeiten (vgl. EFSlg. 38821, 60305 u.a.) zum Verlust des Unterhaltsanspruches der bisher haushaltsführenden Ehegattin, wobei sie mit der Anmeldung beim Arbeitsmarktservice und dem damit verbundenen Antrag auf Vermittlung eines Arbeitsplatzes alle üblicherweise zumutbaren Schritte gesetzt hätte (vgl. EFSlg. 34082); diesfalls wäre sie bis zur Erlangung (oder - gegebenenfalls - Vereitelung) einer konkreten Arbeitsmöglichkeit weiterhin eine unterhaltsberechtigte Angehörige. Bei Vorhandensein konkreter Arbeitsmöglichkeiten, jedoch Unterlassung jeglicher Bemühungen (insbesondere der Antragstellung beim Arbeitsamt) wäre die Ehegattin des Beschwerdeführers - Zumutbarkeit der Erwerbstätigkeit im obigen Sinne vorausgesetzt - mangels der gebotenen Anspannung ihrer Kräfte nicht (mehr) als unterhaltsberechtigte Angehörige im Sinne des § 8 Abs. 1 WSHG anzusehen.

Da die belangte Behörde somit in mehrfacher Hinsicht die Rechtslage verkannt hat, waren die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995080168.X00

Im RIS seit

13.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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