Index
41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des E in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 10. Juli 1995, Zl. St 183/95, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 10. Juli 1995 wurde gemäß § 54 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß der Beschwerdeführer in der Türkei gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.
Der Beschwerdeführer habe seinen Antrag nach § 54 Abs. 1 FrG im wesentlichen damit begründet, daß er im Fall einer Rückkehr in die Türkei Gefahr liefe, sofort zum Militärdienst eingezogen und im Zuge der Militäraktion gegen die kurdische Minderheit im Nordirak eingesetzt zu werden. Abgesehen davon, daß die militärische Intervention der Türkei im Nordirak bereits beendet sei, mache der Beschwerdeführer damit keine Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und 2 FrG geltend. Er habe weder glaubhaft gemacht, daß er überhaupt zum Militärdienst eingezogen werden würde, noch, daß er bei Ableistung seines Militärdienstes einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe durch seinen Heimatstaat ausgesetzt wäre.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 54 Abs. 1 FrG hat die Behörde auf Antrag eines Fremden mit Bescheid festzustellen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 bedroht ist.
Nach § 37 Abs. 1 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß er Gefahr liefe, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.
Nach § 37 Abs. 2 FrG ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dort sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z. 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolles über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974).
Dazu wird in der Beschwerde lediglich geltend gemacht, daß der Beschwerdeführer bislang seine Wehrpflicht nicht erfüllt habe. Im Falle seiner Abschiebung drohe ihm daher die unverzügliche Einberufung zum Wehrdienst. Es sei ihm nicht zuzumuten, im Zuge der Erfüllung der Wehrpflicht Waffengewalt gegen eigene Landsleute einsetzen zu müssen. Daß die Kampfhandlungen des türkischen Militärs gegen kurdische Widerstandskämpfer (gemeint offensichtlich die Angehörigen der PKK) nach wie vor unvermindert anhielten, sei eine notorische Tatsache. Die mit der Einberufung zum Wehrdienst verbundene Gefahr der Verwicklung in bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen sei im Sinne des § 37 Abs. 1 und 2 FrG relevant.
Diesem Standpunkt steht jedoch die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegen, wonach kriegerische Handlungen in dem vom Antrag gemäß § 54 Abs. 1 FrG erfaßten Staat (hier: Türkei) für sich allein keinen Grund darstellen, darin eine Gefährdung bzw. Bedrohung des betreffenden Fremden im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG zu erblicken (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Juni 1994, Zl. 94/18/0295). Die in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge, es hätte die belangte Behörde von Amts wegen ermitteln müssen, ob die bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen im Osten der Türkei noch anhielten und der Beschwerdeführer von einer unmittelbaren Einberufung zum Militärdienst Betroffener sei, entbehrt demgemäß der Relevanz. Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang von einer amtswegigen Ermittlungspflicht der belangten Behörde spricht, verkennt er überdies, daß im Verfahren nach § 54 FrG der Fremde mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben das Bestehen einer aktuellen, also im Falle seiner Abschiebung in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen hat. Dieser ihn im Verfahren nach § 54 FrG treffenden Bescheinigungspflicht ist der Beschwerdeführer nicht nachgekommen. Es ist keineswegs evident, daß der Beschwerdeführer sofort nach Rückkehr zum Militärdienst eingezogen und seinen Militärdienst in "bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen" ausüben wird müssen. Im übrigen wurde bereits ausgeführt, daß die Furcht vor Ableistung des Militärdienstes bzw. die Verweigerung desselben grundsätzlich nicht als Umstand gewertet werden kann, der eine asylrechtlich relevante Gefahr begründet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377). Die Gefahr der Bestrafung des Beschwerdeführers im Fall seiner Rückkehr in die Türkei wegen einer allfälligen Verweigerung des Militärdienstes ist mangels entsprechender Zielrichtung der Strafdrohung nicht als Bedrohung seiner Freiheit aus Gründen des § 37 Abs. 2 FrG zu werten.
Daß der Beschwerdeführer bei einer allfälligen Wehrdienstverweigerung in der Türkei mit einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe zu rechnen hätte, wird in der Beschwerde nicht geltend gemacht.
Die weiters erhobene Verfahrensrüge, die belangte Behörde sei der ihr obliegenden Begründungspflicht nicht nachgekommen, übergeht den Inhalt des angefochtenen Bescheides, in dem zutreffend aufgezeigt wird, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG deshalb bestünden, weil der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in die Türkei mit seiner Einziehung zum Wehrdienst entsprechend der allgemeinen Wehrpflicht rechnen müsse.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995210873.X00Im RIS seit
20.11.2000