TE Vfgh Beschluss 1993/6/30 B552/93

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Veröffentlicht am 30.06.1993
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33
ZPO §146 Abs1

Leitsatz

Stattgabe eines Wiedereinsetzungsantrags

Spruch

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde wird stattgegeben.

Begründung

Begründung:

1. Mit dem durch den bestellten Verfahrenshelfer eingebrachten und am 15. Juni 1993 beim Verfassungsgerichtshof eingelangten Schriftsatz beantragt der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist und erhebt gleichzeitig Beschwerde gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 9. März 1993, Z Jv 1709-16/92-8.

2. Zur Begründung des (rechtzeitig eingebrachten) Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird vorgebracht, daß die Versäumung der Frist zur Beschwerdeerhebung auf ein Versehen einer qualifizierten, seit sechs Jahren zur vollen Zufriedenheit des Beschwerdeführervertreters arbeitenden Kanzleikraft zurückzuführen sei. Diese habe beim Abstreichen der Fristen in den beiden anderen Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof, in welchen der Beschwerdeführervertreter ebenfalls zum Verfahrenshelfer bestellt worden sei, irrtümlich auch die Frist im gegenständlichen Verfahren abgestrichen und den Akt zusammen mit den beiden anderen abgelegt.

Zur Bescheinigung dieses Vorbringens wird eine eidesstattliche Erklärung der betreffenden Kanzleikraft vorgelegt, in welcher diese erklärt, seit sechs Jahren als stellvertretende Kanzleileiterin in der Kanzlei des Beschwerdeführervertreters tätig zu sein, ständig Fristen zu überwachen und einzutragen sowie diese Arbeit immer zur vollen Zufriedenheit ihres Dienstgebers ausgeführt zu haben. Es sei ihr - für sie unverständlich - "mit Abstreichen der Fristen der zwei überreichten Verfassungsgerichtshofbeschwerden B408/93, B409/93, der Irrtum passiert, auch den Akt des Verfassungsgerichtshof(es) B552/93 abzustreichen."

3. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der sechswöchigen Beschwerdefrist ist begründet.

Da das VerfGG in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO idF der Zivilverfahrens-Novelle 1983, BGBl. Nr. 135/1983, sinngemäß anzuwenden: Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Unter "minderem Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. VfSlg. 9817/1983, 11706/1988).

Nach dem glaubhaften Vorbringen des Beschwerdeführervertreters und der eidesstattlichen Erklärung seiner Kanzleimitarbeiterin kann nicht angenommen werden, daß den Beschwerdeführervertreter oder die Bevollmächtigte des Beschwerdeführervertreters ein leichte Fahrlässigkeit übersteigender Verschuldensgrad trifft. Die Versäumung der Beschwerdefrist ist offenkundig auf ein Versehen beim Abstreichen von Fristen zurückzuführen. Es kann nicht davon gesprochen werden, daß nicht auch einem sorgfältig arbeitenden Menschen eine derartige Fehlleistung gelegentlich unterlaufen kann.

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher gemäß §33 VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung zu bewilligen.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1993:B552.1993

Dokumentnummer

JFT_10069370_93B00552_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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