TE Vwgh Beschluss 2023/3/23 Ro 2022/16/0001

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Veröffentlicht am 23.03.2023
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §24a
VwGG §34 Abs1
VwRallg
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. VwGG § 24a heute
  2. VwGG § 24a gültig ab 15.04.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 72/2021
  3. VwGG § 24a gültig von 01.07.2020 bis 14.04.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 104/2019
  4. VwGG § 24a gültig von 01.01.2014 bis 30.06.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  1. VwGG § 34 heute
  2. VwGG § 34 gültig ab 01.07.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 2/2021
  3. VwGG § 34 gültig von 01.01.2014 bis 30.06.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  4. VwGG § 34 gültig von 01.03.2013 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  5. VwGG § 34 gültig von 01.07.2008 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  6. VwGG § 34 gültig von 01.08.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 89/2004
  7. VwGG § 34 gültig von 01.09.1997 bis 31.07.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 88/1997
  8. VwGG § 34 gültig von 05.01.1985 bis 31.08.1997

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie den Hofrat Mag. Straßegger und die Hofrätin Dr. Funk-Leisch als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des Finanzamtes Österreich, in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 15. Oktober 2021, RV/7100958/2021, betreffend Eingabengebühr gemäß § 24a Z 1 VwGG (mitbeteiligte Partei: T H, in W), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Erkenntnis vom 19. Mai 2020 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde des Mitbeteiligten gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien vom 10. Jänner 2020, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 5. Februar 2020, mit dem festgestellt worden war, dass der Mitbeteiligte den Anspruch auf Arbeitslosengeld für einen näher bezeichneten Zeitraum verloren habe, ab, bestätigte die Beschwerdevorentscheidung und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

2        Am 3. Juli 2020 langte beim BVwG die an den Mitbeteiligten ergangene Ausfertigung des Erkenntnisses des BVwG vom 19. Mai 2020 ein, versehen mit verschiedenen handschriftlichen Anmerkungen des Mitbeteiligten.

3        Das BVwG legte diese Ausfertigung des Erkenntnisses des BVwG vom 19. Mai 2020 als Revision des Mitbeteiligten unter Anschluss der Akten dem Verwaltungsgerichtshof vor.

4        Der Verwaltungsgerichtshof erteilte dem Mitbeteiligten einen Mängelbehebungsauftrag und trug ihm ua. auf, die Revision binnen einer zweiwöchigen Frist durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und einzubringen.

5        Da der Mitbeteiligte dem Mängelbehebungsauftrag innerhalb der vom Verwaltungsgerichtshof gesetzten Frist nicht nachkam, stellte der Verwaltungsgerichtshof das zu Ra 2020/08/0114 protokollierte Verfahren mit Beschluss vom 19. Oktober 2020 ein.

6        Mit amtlichem Befund vom 9. November 2020 teilte der Präsident des BVwG dem damaligen Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel (im Folgenden: Finanzamt) gemäß § 34 Abs. 1 GebG 1957 iVm § 24a Z 7 VwGG mit, dass vom Mitbeteiligten kein Nachweis über die ordnungsgemäße Entrichtung der Gebühr gemäß § 24a Z 4 VwGG vorgelegt worden sei.

7        Mit Bescheiden vom 28. Dezember 2020 setzte das Finanzamt die Gebühr zur eingebrachten Revision des Mitbeteiligten iHv 240 € und eine Gebührenerhöhung gemäß § 9 Abs. 1 GebG 1957 iHv 120 € fest.

8        Der gegen die Bescheide vom 28. Dezember 2020 erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten gab das Bundesfinanzgericht (BFG) mit dem angefochtenen Erkenntnis statt, hob die angefochtenen Bescheide ersatzlos auf und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig.

9        Über den Verfahrensgang hinaus stellte das BFG fest, der Mitbeteiligte habe kein „offizielles“ Rechtsmittel gegen das Erkenntnis des BVwG vom 19. Mai 2020 erhoben, weil er der Rechtsmittelbelehrung entnommen habe, dass für eine Revision Anwaltspflicht bestehe und dies 240 € koste. In der rechtlichen Begründung führte das BFG aus, es sei dem Inhalt der gegenständlichen Eingabe des Mitbeteiligten keineswegs eindeutig zu entnehmen, dass er eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof habe erheben wollen. Es kämen in der Eingabe weder die Worte „Revision“ noch „Verwaltungsgerichtshof“ vor, noch sei erkennbar, worauf diese abziele. Die Eingabe enthalte kein bestimmtes Begehren und es bleibe unklar, ob sie darauf abziele, dass eine - nochmalige - Überprüfung der Entscheidung vorgenommen werden solle, oder ob der Mitbeteiligte bloß seinen Unmut über den Ausgang des Verfahrens vor dem BVwG zum Ausdruck habe bringen wollen. Die vom Mitbeteiligten gewählte Form der handschriftlichen Kommentare auf der Entscheidung des BVwG sowie die vom Mitbeteiligten vorgebrachten Argumente, wonach er keine „offizielle“ Beschwerde habe erheben wollen, würden für letztere Deutung sprechen. Form und Inhalt der Eingabe in Zusammenschau mit den nachträglichen Erläuterungen würden gegen eine gebührenrechtliche Beurteilung der Eingabe als Revision sprechen. Für eine gebührenrechtliche Beurteilung der Eingabe als Revision würde sprechen, dass sowohl das BVwG, als auch der Verwaltungsgerichtshof die Eingabe als Revision gewertet hätten.

10       Die Zulassung der Revision begründete das BFG mit dem Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob für die gebührenrechtliche Beurteilung einer Eingabe als Revision iSd § 24a VwGG eine Bindung an die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in jener Angelegenheit, in der die Eingabe beim Verwaltungsgericht eingebracht und in der sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt worden sei, bestehe.

11       Die dagegen erhobene Revision des Finanzamtes legte das BFG dem Verwaltungsgerichtshof unter Anschluss der Akten vor.

12       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

13       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

14       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

15       Das revisionswerbende Finanzamt bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, die Frage, ob die Beurteilung der Eingabe als Revision durch den Verwaltungsgerichtshof Bindungswirkung für das Abgabenverfahren entfalte, sei bereits vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 29. Juni 2006, 2006/16/0048, beantwortet worden. Es liege aber eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, da das Erkenntnis des BFG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche.

16       Soweit das BFG die Zulässigkeit der Revision mit dem Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage begründet, ob für die gebührenrechtliche Beurteilung einer Eingabe als Revision iSd § 24a VwGG eine Bindung an die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes, ob eine Eingabe als Revision gewertet werde, bestehe, ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof sich bereits mit Erkenntnis vom 29. Juni 2006, 2006/16/0048, mit dieser Frage auseinandergesetzt hat. Entgegen den Ausführungen des BFG kann die Zulässigkeit der Revision daher nicht mit dem Fehlen von Rechtsprechung begründet werden.

17       Entgegen den Ausführungen des revisionswerbenden Finanzamts ist der Verwaltungsgerichtshof in dem Erkenntnis vom 29. Juni 2006, 2006/16/0048, jedoch nicht von einer formalen Bindung an die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes, ob eine Eingabe als Beschwerde (nunmehr Revision) zu werten sei, ausgegangen. Die Revisionswerberin zeigt mit ihrem Vorbringen ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes somit nicht auf.

18       Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung entfaltet. So wirft etwa eine vertretbare Auslegung eines Schriftstückes oder einer Parteierklärung keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf. Die Auslegung einer Erklärung im Einzelfall würde nur dann zu einer grundsätzlichen Rechtsfrage führen, wenn dem Verwaltungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (vgl. etwa VwGH 23.9.2021, Ra 2021/16/0078; zur Auslegung des Inhaltes einer Beschwerde VwGH 26.3.2019, Ra 2019/16/0025, jeweils mwN).

19       Dass das BFG mit seiner Auslegung, die Eingabe des Mitbeteiligten sei für die Zwecke der Gebührenbemessung nicht als Revision zu werten, eine solche krasse Fehlbeurteilung vorgenommen hätte, behauptet das revisionswerbende Finanzamt nicht.

20       In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 23. März 2023

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2023:RO2022160001.J00

Im RIS seit

25.04.2023

Zuletzt aktualisiert am

25.04.2023
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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