TE Lvwg Erkenntnis 2023/4/14 LVwG-2022/27/1905-3

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Veröffentlicht am 14.04.2023
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Entscheidungsdatum

14.04.2023

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Rosenkranz über die Beschwerde des Herrn AA, Adresse 1, ***** Z, vertreten durch BB, Adresse 2, ***** Y, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft X vom 08.06.2022, Zl ***, wegen Übertretung nach dem LSD-BG,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.

2.       Die ordentliche Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer nachstehender Sachverhalt zur Last gelegt:

„1.  Datum/Zeit:          24.09.2021, 09:00 Uhr

     Ort:                  **** W, Adresse 3

Sie haben als Verantwortliche(r) der Firma CC AA in Adresse 4, ***** Z diese ist Arbeitgeber zu verantworten, dass folgende Arbeitnehmer beschäftigt wurden und die Meldung der Entsendung über die Arbeitsaufnahme dieser Person/en vor der jeweiligen Arbeitsaufnahme der Zentralen Koordinationsstelle (ZKO) nicht erstattet wurde, obwohl eine Verwaltungsübertretung begeht, wer als Arbeitgeber oder Überlasser im Sinne des § 19 Abs. 1 die Meldung entgegen § 19 nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig erstattet.

Sie haben die Meldung der Entsendung für folgende/n Arbeitnehmer/Arbeitnehmerin/en nicht erstattet, da diese am Tag der Kontrolle und zwar am 24.09.2021 weder elektronisch zugänglich gemacht werden, noch den Kontrollorganen vorgelegt werden konnten.

1.) Arbeitnehmer/in: DD

geb.: XX.XX.XXXX

Staatsangehörigkeit: Deutschland

Tätigkeit: Zimmermann

2.) Arbeitnehmer/in: EE

geb.: XX.XX.XXXX

Staatsangehörigkeit: Deutschland

Tätigkeit: Zimmermann

3.) Arbeitnehmer/in: FF

geb.: XX.XX.XXXX

Staatsangehörigkeit: Deutschland

Tätigkeit: Zimmermann

Der Beschuldigte hat dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§ 26 Abs. 1 Zif. 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 und Abs. 2 LSD-BG, BGBl. I Nr. 44/2016, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 174/2021

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

Geldstrafe von

Falls diese uneinbringlich ist Ersatzfreiheitsstrafe von

Freiheitsstrafe von

Gemäß

€ 3.000,00

30 Tage

§ 26 Abs. 1 Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG), BGBl. I Nr. 44/2016, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 174/2021

Weitere Verfügungen (zB Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:

€ 300,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens € 10,00 für jedes Delikt (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich € 100,00 angerechnet).

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

€ 3.300,00“

Dagegen hat der Beschwerdeführer durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter fristgerecht Beschwerde erhoben und im Wesentlichen ausgeführt, dass die hier beschuldigte Firma gewöhnlich, also nicht nur vorübergehend, in zwei verschiedenen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, nämlich Deutschland und Österreich arbeiten würde. Dies werde in dem E-Mail der deutschen Verbindungsstelle so bestätigt. Es handle es sich bei den Arbeitnehmern der Firma CC um keine nach Österreich entsandten Arbeitnehmer. In Deutschland geprüften und ausgestellten A1-Bescheinigungen würden vorliegen. Da es sich um keine zeitlich befristete Entsendung im Sinne der geltenden EU-Verordnungen handle, genüge die Vorhaltung der in Deutschland ausgestellten A1-Bescheinigungen, welche auch vorgelegt werden konnten. Eine Meldung an die ZKO sei in den Meldetatbeständen in der hier vorliegenden Fallkonstellation nicht vorgesehen und erübrige sich, da das LSD-BG nicht zur Anwendung kommen könne.

Aus der Anzeige des Amts für Betrugsbekämpfung, Finanzpolizei, Team ** vom 29.11.2021, *** geht zusammengefasst hervor, dass am 24.09.2021 um 09:00 Uhr Organe der Finanzpolizei eine Baustelle an der Adresse 3, **** W kontrolliert haben. Es wurden drei Mitarbeiter der deutschen Firma CC in ***** Z, Adresse 4 kontrolliert und hat sich im Zuge der Kontrolle herausgestellt, dass für die drei Arbeitnehmer nicht die erforderliche ZKO-Meldung vorgewiesen oder in elektronischer Form zugänglich gemacht werden konnte und wurde letztlich festgestellt, dass keine ZKO-Meldung erstattet wurde.

II.      Sachverhalt:

Dem Beschwerdeführer wird im angefochtenen Straferkenntnis eine Übertretung nach § 26 Abs 1 Z 1 iVm § 19 Abs 1 und Abs 2 LSD-BG in seiner Funktion als „Verantwortliche(r)“ der Firma CC AA mit Sitz in Adresse 4, ***** Z vorgeworfen. Es ist weder in dem Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses noch der Begründung noch der Aufforderung zur Rechtfertigung zu entnehmen, inwiefern der Beschwerdeführer als „Verantwortliche(r)“ der CC AA zur Verantwortung gezogen wird. Weder in dem Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses noch der Begründung noch aus der Aufforderung zur Rechtsfertigung ist zu entnehmen, welche Funktion der Beschwerdeführer bei der CC AA inne hat.

III.     Beweiswürdigung:

Die Feststellungen hinsichtlich der Ausführungen zum Inhalt des gegenständlichen Spruchs im Straferkenntnis und den Ausführungen in der Aufforderung zur Rechtfertigung ergeben sich aus dem verwaltungsbehördlichen Akt.

Es bedurfte daher nicht der Aufnahme weiterer Beweismittel.

IV.      Rechtslage und Erwägungen:

Nach § 9 Abs 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nichts Anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach Außen berufen ist.

Nach § 9 Abs 3 VStG kann eine natürliche Person, die Inhaber eines räumlich oder sachlich gegliederten Unternehmens ist, für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche ihres Unternehmens einen verantwortlichen Beauftragten bestellen.

Nach § 9 Abs 4 VStG kann verantwortlicher Beauftragte nur eine Person mit Hauptwohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihre Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss im Spruch des Straferkenntnisses ausgeführt werden, in welcher Eigenschaft der Beschuldigte strafrechtlich verantwortlich gemacht wird; Es ist demnach auch zu unterscheiden, ob der Beschuldigte als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit als der Vertretung nach Außen Berufene verantwortlich gemacht wird oder aber als verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 Abs 2 VStG.

Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch des Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

§ 44a Z 1 VStG erfordert unter anderem, dass im Spruch des Bescheides gegebenenfalls auch die im Sinn des § 9 Abs 1 VStG maßgebliche juristische Person oder eingetragene Personengesellschaft, zu deren Vertretung nach Außen der Beschuldigte berufen ist, genannt wird. Wird ein Täter als verantwortliches Organ einer juristischen Person bestraft, so erfordert es die Bestimmung des § 44a Z 1 VStG weiters, dass im Spruch des Straferkenntnisses die Art der Organfunktion, der zufolge der Täter zur Vertretung nach Außen berufen ist, eindeutig angeführt wird (vgl VwGH 24.09.2010, 2010/02/0047).

Gegenständlich wird dem Beschwerdeführer vorgeworfen, die Tat als „Verantwortliche(r) der CC AA“ begannen zu haben. Die angeführte Umschreibung der Tätereigenschaft lässt damit die Merkmale nicht erkennen, aus denen sich die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers im Sinn des § 9 VStG ergibt; Es entspricht daher nicht dem Konkretisierungsgebot des § 44a Z 1 VStG (VwGH 27.12.2007, 2003/03/0295).

Gemäß § 31 Abs 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen einer Frist von einem Jahr keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs 2) vorgenommen worden ist. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt an zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist und das strafbare Verhalten aufgehört hat; Ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.

Gemäß § 32 Abs 2 VStG ist Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmen, Ersuchen um Vernehmung, Strafverfügung und dergleichen), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

Eine Verfolgungshandlung, die den Eintritt der Verfolgungsverjährung verhindert hat, hat sich auf sämtliche Tatbestandsmerkmale zu beziehen. Eine taugliche Verfolgungshandlung gegen einen Beschuldigten hat nämlich das ihm zur Last gelegte Handeln unter Berücksichtigung sämtlicher gemäß § 44a Z 1 VStG in den Spruch des Straferkenntnisses aufzunehmenden Tatbestandselemente der verletzen Verwaltungsvorschrift näher zu konkretisieren und zu individualisieren.

Die Berichtigung von wesentlichen Tatbestandsmerkmalen setzt voraus, dass innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist gemäß § 31 Abs 1 VStG eine entsprechende Verfolgungshandlung hinsichtlich dieses Merkmals erfolgt ist.

Es ist daher festzuhalten, dass weder in der Aufforderung zur Rechtfertigung noch im Straferkenntnis das oben angesprochene Tatbestandsmerkmal dem Beschwerdeführer richtig vorgeworfen worden ist. Die Tat erfolgte am 24.09.2021.

Die Verfolgungshandlung muss gegen eine bestimmte Person wegen einer bestimmten Tat erfolgen (vgl VwGH 29.02.2012, 2008/10/0191), sie muss sich auf alle in der Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente beziehen (vgl VwGH 27.04.2012, 2011/02/0284). Da – wie vorstehend ausgeführt – hinsichtlich der Konkretisierung der Tat während der Verfolgungsverjährungsfrist keine ordnungsgemäße Verfolgungshandlung vorgenommen wurde und zwischenzeitlich Verfolgungsverjährung eingetreten ist war – wie auch bereits im Erkenntnis *** des Landesverwaltungsgerichts Tirol zu entscheiden.

V.       Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Hinweis:

Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).

zusätzlicher Hinweis:

Gemäß § 35 Abs 2 LSD-BG wird darauf hingewiesen, dass mit der rechtskräftigen Bestrafung die Eintragung der/des Beschuldigten und jenes Unternehmens, dem die Bestrafung zuzurechnen ist, in die vom Kompetenzzentrum LSDB geführte Evidenz verbunden ist.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Rosenkranz

(Richter)

Schlagworte

Spruch
Verfolgungsverjährung
Konkretisierung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2023:LVwG.2022.27.1905.3

Zuletzt aktualisiert am

18.04.2023
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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