TE Vwgh Erkenntnis 1995/10/13 95/17/0462

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Veröffentlicht am 13.10.1995
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
38 Punzierung;

Norm

B-VG Art139 Abs6;
PunzierungsG 1954 §14 Abs2;
PunzierungsGDV 1967 §25 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der "XY"-Ges.m.b.H. & Co in L, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Hauptpunzierungs- und Probieramtes vom 19. September 1991, Zl. 116/2/91, vor dem Verwaltungsgerichtshof vertreten durch die Finanzprokuratur in 1011 Wien, Singerstraße 17-19, betreffend Feststellung der Nichtprobhältigkeit von Drittelgoldgegenständen und Anordnung der Zurückleitung über die Zollgrenze, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Finanzen) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 13.430,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Die beschwerdeführende Partei reichte am 21. März 1991 zehn Stück Goldgegenstände (Ringe) mit einem Feingehalt von 333 Tausendstel, die mit Anmeldung 501/014164/00/91 am 21. Februar 1991 zollamtlich abgefertigt worden waren, beim Punzierungsamt Linz zur Punzierung ein.

Mit seinem an die beschwerdeführende Partei gerichteten Bescheid vom 21. März 1991 sprach das Punzierungsamt Linz aus, gemäß § 14 Abs. 2 des Punzierungsgesetzes, BGBl. Nr. 68/1954 (im folgenden: PunzierungsG), in Verbindung mit § 25 Abs. 4 der Durchführungsverordnung zum PunzierungsG, BGBl. Nr. 385/1967 (im folgenden: DurchführungsV), "in der jeweils geltenden Fassung," seien die mit Anmeldung 501/014164/00/91 zollamtlich abgefertigten zehn Stück "24 Gramm Goldgegenstände" zurückzusenden. Hiefür werde der beschwerdeführenden Partei eine Frist bis 12. April 1991 gesetzt. Zur Begründung führte das Punzierungsamt Linz aus, die zur Punzierung vorgelegten Gegenstände entsprächen nicht den Bestimmungen des § 40 Abs. 2 PunzierungsG. Die gesetzwidrige Beschaffenheit könne nicht behoben werden. Die Rücksendung sei somit erforderlich.

Dagegen erhob die beschwerdeführende Partei Berufung.

1.2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies das Hauptpunzierungs- und Probieramt die Berufung ab. Die Absätze 2 und 3 des Spruches des angefochtenen Bescheides lauten:

"Die Einfuhr von 10 Ringen aus einer Goldlegierung im Feingehalt von 333 Tausendstel (Gesamtgewicht 24 g) widerspricht sowohl § 40 Abs. 2 PG (Punzierungsgesetz BGBl. Nr.: 68/1954 in der derzeit gültigen Fassung), als auch § 1 Abs. 1 und 3 PG, der den Mindestfeingehalt für über die Zollgrenze eingeführte Edelmetallgegenstände aus Gold mit 585 Tausendstel festlegt.

Die Ringe sind vom Empfänger gemäß § 14 Abs. 2 PG in Verbindung mit § 25 Abs. 4 DV (Durchführungsverordnung zum PG BGBl. Nr.: 385/1967 in der derzeit gültigen Fassung) und § 59 Abs. 2 AVG innerhalb von 2 Tagen nach der Abholung am Punzierungsamt Linz wieder über die Zollgrenze zurückzuleiten. Der Austritt der Waren ist entsprechend den zollgesetzlichen Bestimmungen entweder mit Einheitspapier/AT oder mit Anmeldung/EX zu erbringen und dem Punzierungsamt Linz nachzuweisen."

Zur Begründung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, gemäß § 40 Abs. 2 PunzierungsG seien die Herstellung und die Einfuhr von Gegenständen aus einer Goldlegierung im Feingehalt von 333 Tausendstel untersagt. Alle zehn verfahrensgegenständlichen Ringe wiesen diesen Feingehalt auf. Edelmetallgegenstände, die den Mindestfeingehalt nicht erreichten, seien im Falle der Einfuhr gemäß § 14 Abs. 2 PunzierungsG im Zusammenhang mit § 25 Abs. 4 DurchführungsV im Falle der Nichtbehebung einer gesetzwidrigen Beschaffenheit durch den Empfänger wieder über die Zollgrenze zurückzuleiten. Es sei rechtlich nicht relevant, ob (wie von der beschwerdeführenden Partei in ihrer Berufung behauptet) die Absicht bestanden habe, die in Beschwerde gezogenen Gegenstände zu verarbeiten und wieder auszuführen, da bereits deren Einfuhr untersagt sei.

1.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach dem gesamten Inhalt ihres Vorbringens erachtet sich die beschwerdeführende Partei (jedenfalls) in ihrem Recht verletzt, daß die Zurückleitung der streitgegenständlichen Ringe über die Zollgrenze nicht angeordnet werde. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

1.4. Für die belangte Behörde erstattete die Finanzprokuratur eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.

1.5. Mit Beschluß vom 11. Februar 1994 stellte der Verwaltungsgerichtshof aus Anlaß des Beschwerdefalles an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, § 25 Abs. 4 DurchführungsV als gesetzwidrig aufzuheben. Gemäß § 14 Abs. 2 PunzierungsG seien Edelmetallgegenstände, die den Mindestfeingehalt (§ 1) nicht erreichten, bei denen eine andere gesetzwidrige Eigenschaft sich nicht beheben lasse oder an denen der Einreicher die Vornahme der im Abs. 1 erwähnten Änderungen verweigere, zu zerschlagen und dem Einreicher zurückzustellen. Gemäß § 40 Abs. 2 erster Satz leg. cit. seien die Herstellung und die Einfuhr von Gegenständen aus einer Goldlegierung im Feingehalt von 333 Tausendstel untersagt. Nach § 25 Abs. 4 DurchführungsV fänden die Bestimmungen des § 14 PunzierungsG auf Edelmetallgegenstände, die über die Zollgrenze eingeführt würden, mit der Maßgabe Anwendung, daß sie im Falle der Nichtbehebung einer gesetzwidrigen Beschaffenheit durch den Empfänger wieder über die Zollgrenze zurückzuleiten seien. Der Verwaltungsgerichtshof hatte das Bedenken, daß § 25 Abs. 4 DurchführungsV im Gesetz, insbesondere in § 14 PunzierungsG, keine Deckung finde.

Aus Anlaß dieses Verordnungsprüfungsverfahrens zu V 62/94 leitete der Verfassungsgerichtshof von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Worte "zu zerschlagen und" im § 14 Abs. 2 PunzierungsG ein.

Mit Erkenntnis vom 21. Juni 1995, G 294/94, G 11/95, hob der Verfassungsgerichtshof die genannten Worte "zu zerschlagen und" in § 14 Abs. 2 PunzierungsG als verfassungswidrig auf und sprach aus, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten.

In Entsprechung des im vorliegenden Beschwerdefall vom Verwaltungsgerichtshof gestellten Verordnungsprüfungsantrages hob der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 29. Juni 1995, V 62/94, den § 25 Abs. 4 DurchführungsV als gesetzwidrig auf. Die vom Verwaltungsgerichtshof vorgebrachten Bedenken seien berechtigt; § 25 Abs. 4 DurchführungsV widerspreche dem § 14 Abs. 2 PunzierungsG (auch nach der nunmehr bereinigten Gesetzeslage). § 14 Abs. 2 leg. cit. gebiete ohne Unterschied (nach der nunmehr bereinigten Rechtslage) die Zurückstellung von unprobhältigen Edelmetallgegenständen an den Einreicher. § 25 Abs. 4 DurchführungsV finde weder in § 14 Abs. 2 noch in einer anderen Bestimmung des PunzierungsG eine gesetzliche Grundlage.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Art. 139 Abs. 6 erster und zweiter Satz B-VG lauten:

"Ist eine Verordnung wegen Gesetzwidrigkeit aufgehoben worden oder hat der Verfassungsgerichtshof gemäß Abs. 4 ausgesprochen, daß eine Verordnung gesetzwidrig war, so sind alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlaßfalles ist jedoch die Verordnung weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht."

Der Beschwerdefall bildet unbestritten den Anlaßfall für die verfassungsgerichtliche Aufhebung der angewendeten und vom Verwaltungsgerichtshof anzuwendenden Verordnungsstelle. Dadurch, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid auf diese Rechtsnorm gestützt hat und dieser auch in der bereinigten Rechtslage keine dem Gesetz entsprechende Deckung findet, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Der angefochtene Bescheid war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

2.2. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995170462.X00

Im RIS seit

07.08.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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