TE Vfgh Beschluss 1993/9/27 B2089/92

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Veröffentlicht am 27.09.1993
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Index

10 Verfassungsrecht
10/10 Grundrechte, Datenschutz, Auskunftspflicht

Norm

ZustellG §9
VfGG §82 Abs1

Leitsatz

Zurückweisung einer Beschwerde als verspätet. Der angefochtene Bescheid des UVS betreffend Abweisung einer Beschwerde gegen die Anhaltung in Schubhaft wurde dem Zustellungsbevollmächtigten des Beschwerdeführers R Ö am 10.11.92 zugestellt; damit galt er als dem Beschwerdeführer zugestellt (vgl. §9 ZustellG). Daran kann die Vollmachtsanzeige durch einen Rechtsanwalt schon deshalb nichts ändern, weil sie gar nicht im Namen des Beschwerdeführers eingebracht wurde. Darüber hinaus wäre ihr nicht zu entnehmen, daß die R Ö erteilte Vollmacht widerrufen worden wäre, geht doch §9 Abs2 zweiter Satz ZustellG ausdrücklich davon aus, daß eine Person mehrere Zustellungsbevollmächtigte haben kann. In diesem Fall ist die Zustellung bewirkt, wenn sie auch nur an einen von ihnen vorgenommen worden ist.

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1.1.1. Am 11. Oktober 1992 wurde T S, ein Staatsangehöriger Sri Lankas, im Gemeindegebiet von Tadten (Burgenland) von Angehörigen des österreichischen Bundesheeres festgenommen und der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vorgeführt, die gegen ihn - am selben Tag - zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß §3 des - mit Ablauf des 31. Dezember 1992 (vgl. §86 Abs3 Fremdengesetz, BGBl. 838/1992) außer Kraft getretenen - Fremdenpolizeigesetzes (FrPolG) einen Schubhaftbescheid gemäß §5 Abs1 FrPolG iVm §57 Abs1 AVG erließ. Am 13. Oktober 1992 verhängte die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See ein Aufenthaltsverbot gemäß §3 Abs1 und 2 Z7 FrPolG, das mit 13. Oktober 1997 befristet wurde, und ordnete gleichzeitig zur Sicherung der Abschiebung die vorläufige Verwahrung (Schubhaft) des Fremden an.

Am 2. November 1992 - bei der belangten Behörde am nächsten Tag eingelangt - ergriff der in der Folge in Wien weiterhin in Schubhaft angehaltene Fremde, vertreten durch R Ö, gemäß §5 a FrPolG das Rechtsmittel der Beschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien. Der Beschwerdeschrift beigelegt war eine Vollmacht, mit welcher der Fremde R Ö ua. die "allgemeine, uneingeschränkte Vollmacht" erteilte, ihn "vor allen österreichischen Gerichten und Behörden zu vertreten, insbesondere in asylrechtlichen und fremdenpolizeilichen Angelegenheiten". Er wurde "ermächtigt, Zustellungen aller Art - auch zu eigenen Handen (Postvollmacht) - anzunehmen".

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien wies die Beschwerde mit Bescheid vom 6. November 1992 als unbegründet ab. Dieser Bescheid wurde dem Fremden zu Handen R Ö am 10. November 1992 zugestellt.

1.1.2. Am 6. November 1992 langte beim Unabhängigen Verwaltungssenat Wien eine "Vollmachtsanzeige" eines Rechtsanwaltes ein, die im Rubrum T S ausweist, aber mit S S (nach dem Akteninhalt dem Namen der Schwester des Fremden) gezeichnet ist. Darin wird mitgeteilt, daß der Rechtsanwalt mit der rechtsfreundlichen Vertretung beauftragt worden sei, und darum ersucht, "ihn von allen ergehenden Ladungen, Schriftstücken etc." zu verständigen.

Am 11. November 1992 wurden dem einschreitenden Rechtsanwalt der erwähnte Bescheid sowie eine Note übermittelt, nach welcher der Bescheid seit 6. November 1992 (Zustellung an die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See) rechtskräftig sei.

1.2. Gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde des T S an den Verfassungsgerichtshof, die am 23. Dezember 1992 zur Post gegeben wurde.

2. Die Beschwerde ist nicht zulässig.

2.1.1. Nach §82 Abs1 VerfGG 1953 kann eine Beschwerde gemäß Art144 Abs1 B-VG nur innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung des angefochtenen Bescheides erhoben werden.

Der hier angefochtene Bescheid wurde dem Zustellungsbevollmächtigten des Beschwerdeführers am 10. November 1992 zugestellt; damit galt er als dem Beschwerdeführer zugestellt (vgl. §9 Zustellgesetz). Daran kann die Vollmachtsanzeige durch den Rechtsanwalt schon deshalb nichts ändern, weil sie gar nicht im Namen des Beschwerdeführers eingebracht wurde. Darüber hinaus wäre ihr nicht zu entnehmen, daß die R Ö erteilte Vollmacht widerrufen worden wäre, geht doch §9 Abs2 zweiter Satz Zustellgesetz ausdrücklich davon aus, daß eine Person mehrere Zustellungsbevollmächtigte haben kann. In diesem Fall ist die Zustellung bewirkt, wenn sie auch nur an einen von ihnen vorgenommen worden ist, im vorliegenden Fall also am 10. November 1992.

Bei dieser Sachlage braucht nicht untersucht zu werden, ob die Vollmachtsanzeige bei der belangten Behörde einlangte, bevor die für den Beschwerdeführer bestimmte Bescheidausfertigung an R Ö abgefertigt worden war.

2.1.2. Da der Bescheid dem Beschwerdeführer am 10. November 1992 zugestellt worden war, endete die sechswöchige Frist zur Erhebung der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof am 22. Dezember 1992.

2.2. Die am 23. Dezember 1992 zur Post gegebene Beschwerde erweist sich somit als verspätet und war daher zurückzuweisen.

2.3. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 litb VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Fristen, Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1993:B2089.1992

Dokumentnummer

JFT_10069073_92B02089_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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