TE Vwgh Beschluss 1995/10/18 95/13/0166

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Veröffentlicht am 18.10.1995
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

VwGG §33 Abs1;
VwGG §36 Abs2;
VwGG §45 Abs1 Z4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über den Antrag des AB in I, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, auf Wiederaufnahme des mit Beschluß vom 30. Mai 1995, Zl. 95/13/0019, abgeschlossenen Verfahrens, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Gemäß § 45 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

Auf Grund eines Verlassenschaftsverfahrens nach dem am 22. Juni 1992 verstorbenen MB wurde der Abgabenbehörde bekannt, daß zur Verlassenschaft Sparbücher mit einem Guthabenstand von vorerst ca. S 24 Millionen gehörten. Das Finanzamt erließ hierauf am 14. Juli 1993 einen Sicherstellungsauftrag zur Sicherung von Abgabenansprüchen in einer Gesamthöhe von S 19,750.000,--. Gleichzeitig erließ es eine Verfügung über die Pfändung des Herausgabeanspruches der (Spar-)Guthaben.

Die Verlassenschaft erhob in einem Schriftsatz Berufung gegen 1. den Sicherstellungsauftrag und 2. die Pfändungsverfügung je vom 14. Juli 1993.

Nach Einantwortung der Verlassenschaft erhob der Antragsteller als Erbe nach MB Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wegen Verletzung der Entscheidungspflicht. Nach entsprechender Aufforderung der belangten Behörde durch den Gerichtshof erließ das Finanzamt am 24. Mai 1994 eine die Berufung sowohl hinsichtlich Sicherstellungsauftrag als auch hinsichtlich Pfändungsverfügung abweisende Berufungsvorentscheidung. Mit hg. Beschluß vom 27. Juli 1994, Zl. 94/13/0079, wurde hierauf das Verfahren eingestellt.

Mit Schriftsatz vom 31. Mai 1994 beantragte der Antragsteller unter Bezugnahme auf die Berufungsvorentscheidung die "Vorlage an die Abgabenbehörde II. Instanz." In der Eingabe wurde ausgeführt, verfahrensgegenständlich sei das Sicherstellungsverfahren. Die angefochtene Berufungsvorentscheidung gebe selbst zu erkennen, daß die Sparbücher für das Sicherstellungsverfahren ohne Bedeutung seien. Es sei auch nicht erkennbar, wieso dadurch eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgaben weiterhin zu befürchten sei.

Am 19. Jänner 1995 erhob der Antragsteller neuerlich eine Säumnisbeschwerde, weil bis dahin eine Berufungsentscheidung nicht ergangen war. In der Beschwerde wurde der Antrag gestellt, die im Berufungsverfahren angefochtenen Bescheide je vom 14. Juli 1993 ersatzlos zu beheben ("Sicherstellungsauftrag und Pfändungsverfügung").

Mit Bescheid vom 28. April 1995, GZ 7-637/8/95, wies die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland die Berufung (allein) gegen den Sicherstellungsauftrag als unbegründet ab.

Mit Beschluß vom 30. Mai 1995, Zl. 95/13/0019, stellte der Verwaltungsgerichtshof hierauf das Verfahren ein.

Im vorliegenden Antrag wird nun begehrt, das mit dem letztgenannten Beschluß abgeschlossene Verfahren insoferne wieder aufzunehmen, als damit das Verfahren hinsichtlich des Rechtsmittels gegen die Pfändungsverfügung eingestellt worden ist. Als Wiederaufnahmegrund wird geltend gemacht, daß im Verfahren vor dem Gerichtshof den Vorschriften über das Parteiengehör nicht entsprochen worden sei und anzunehmen sei, daß sonst der Beschluß anders gelautet hätte.

Nach § 45 Abs. 1 Z. 4 VwGG ist der Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis oder Beschluß abgeschlossenen Verfahrens auf Antrag einer Partei zu bewilligen, wenn im Verfahren vor dem Gerichtshof den Vorschriften über das Parteiengehör nicht entsprochen wurde und anzunehmen ist, daß sonst das Erkenntnis oder der Beschluß anders gelautet hätte. Die Rechtseinrichtung der Wiederaufnahme eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bietet keine Handhabe zur Überprüfung einer im abgeschlossenen Verfahren gefällten Entscheidung und ihrer allfälligen Revision. Dabei genügt bei einem auf § 45 Abs. 1 Z. 4 VwGG gestützten Wiederaufnahmeantrag die allgemeine Behauptung, daß im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Vorschriften über das Parteiengehör nicht entsprochen worden sei, nicht; es müssen vielmehr die nicht beachteten Vorschriften bezeichnet werden (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 645 f).

Der Beschwerdeführer gesteht nun selbst zu, daß die Einstellung des Verfahrens durch den in Rede stehenden Beschluß vom 30. Mai 1995 - nicht etwa auf § 33 Abs. 1 VwGG, sondern vielmehr - auf § 36 Abs. 2 VwGG gestützt worden ist. Nach dem letzten Satz dieser Gesetzesstelle wird aber ausdrücklich bestimmt, daß das Verfahren über die Säumnisbeschwerde einzustellen ist, wenn der Bescheid fristgerecht erlassen wird. Anders als nach der Bestimmung des § 33 Abs. 1 VwGG ist im § 36 Abs. 2 VwGG eine Einvernahme und sonstige Anhörung des Beschwerdeführers nicht vorgesehen. Dafür, daß § 33 Abs. 1 VwGG insoweit "sinngemäß" auf die Fälle der fristgerechten Erlassung des versäumten Bescheides anzuwenden ist, ist aber kein Anlaß geboten, zumal die Regelungen des § 36 Abs. 2 VwGG als Spezialnorm der Beendigung eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens anzusehen sind.

Da somit der geltend gemachte Wiederaufnahmegrund, nämlich die Verletzung des Parteiengehörs durch den Gerichtshof, nicht vorliegt, konnte dem Antrag um Wiederaufnahme des Verfahrens nicht stattgegeben werden.

Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß der zur

hg. Zl. 95/13/0019 protokollierten Beschwerde insoweit, als darin eine Entscheidung in Angelegenheit der Pfändung von Sparguthaben begehrt wurde, keinesfalls ein Erfolg im Sinne des Antragstellers hätte beschieden sein können: Nach seinem klaren Wortlaut erstreckte sich der Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz vom 31. Mai 1994 allein auf das Sicherstellungsverfahren. Auch die diesem Antrag beigegebene Begründung bezog sich allein auf den Bescheid über die Sicherstellung der voraussichtlich geschuldeten Abgaben, nicht aber auf die ausgesprochene Pfändung der Sparguthaben. Die Berufungsvorentscheidung vom 24. Mai 1995 ist daher insoweit, als sie über die Berufung gegen die Pfändungsverfügung absprach, in Rechtskraft erwachsen. Folgte man somit der Auffassung des Antragstellers hinsichtlich der Voraussetzungen einer Wiederaufnahme des Verfahrens, so wäre die Beschwerde hinsichtlich der Verletzung der Entscheidungspflicht betreffend die Pfändungsverfügung im wiederaufgenommenen Verfahren im Sinne des § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen gewesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995130166.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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