TE Lvwg Erkenntnis 2023/3/2 LVwG-AV-2050/001-2021

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.03.2023
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Entscheidungsdatum

02.03.2023

Norm

AWG 2002 §74
Asfinag ErmächtigungsG 1997 §4
Asfinag ErmächtigungsG 1997 §8

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch MMag. Fally als Einzelrichterin über die Beschwerde der B GmbH in *** gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vom 12. Oktober 2021, Zl. ***, betreffend einen Behandlungsauftrag gemäß § 73 i.V.m. § 74 Abs. 1 und 2 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 – AWG 2002 nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

2.   Die Revision ist nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

zu 1.   § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG

zu 2.   Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG

§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG

Entscheidungsgründe

1.   Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren

Mit Bescheid vom 12. Oktober 2021, Zl. ***, verpflichtete die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha (in der Folge: belangte Behörde) die B GmbH (in der Folge: Beschwerdeführerin) gemäß § 73 i.V.m. § 74 Abs. 1 und 2 AWG 2002, das Abbruchmaterial auf Grundstück Nr. ***, KG ***, nach den Bestimmungen des AWG 2002 umgehend, spätestens jedoch bis 10. Dezember 2021 nachweislich von einem hierzu Befugten entsorgen zu lassen und der belangten Behörde der Entsorgungsnachweis bis längstens 17. Dezember 2021 vorzulegen. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Verursacherin die Entsorgung aufgetragen zu haben, diesen Bescheid aufgrund der Löschung dieser Firma jedoch nicht vollstrecken zu können. Bei den Lagerungen handle es sich überwiegend um Baurestmassen und sohin um Abfälle im Sinne des § 2 Abs. 1 AWG 2002. Diese dürften nach § 15 Abs. 3 AWG 2002 nur in hierfür genehmigten Anlagen bzw. nur an für die Sammlung und Behandlung von Abfällen vorgesehenen geeigneten Orten gelagert und behandelt werden. Diese Voraussetzungen lägen gegenständlich nicht vor. Der gemäß § 73 AWG 2002 Verpflichtete könne aus sonstigen Gründen nicht zur Entsorgung verhalten werden. Angesichts der Löschung des Verpflichteten aus dem Firmenbuch seien die Voraussetzungen für den Eintritt der subsidiären Liegenschaftseigentümerhaftung gegeben. Die Abfälle seien auf einer frei zugänglichen Fläche gelagert worden. Erst beim Ortsaugenschein am 2. April 2020 seien Betonleitwände wahrgenommen worden. Das Grundstück sei zum Zeitpunkt der Ablagerung der gegenständlichen Abfälle nicht durch Zäune oder Ähnliches derart abgegrenzt gewesen, dass ein Betreten bzw. Befahren dieser Grundstücke für Unbefugte verunmöglicht worden wäre. Die Grundstückseigentümerin habe daher nicht alle ihr zumutbaren und sachlich unbedingt gebotenen Maßnahmen zur Verhinderung von sonst vorhersehbaren Abfallablagerungen ergriffen. Da sie die zumutbaren Abwehrmaßnahmen unterlassen habe und nachträgliche Abwehrmaßnahmen die gegenständliche Haftung nicht ausschließen könnten, seien die Tatbestandsvoraussetzungen der Duldung der (Ab)Lagerungen und der Unterlassung zumutbarer Abwehrmaßnahmen erfüllt. Die subsidiäre Liegenschaftseigentümerhaftung sei daher gegeben.

2.   Zum Beschwerdevorbringen

In ihrer rechtzeitigen Beschwerde vom 11. November 2021 legte die Beschwerdeführerin den Sachverhalt dar und betonte insbesondere, dass sie die Verursacherin auf frischer Tat betreten und zur Anzeige gebracht habe. Sie habe wiederholt bei der belangten Behörde nachgefragt und deren Ermittlungen auch unterstützt. Die Haftung des Liegenschaftseigentümers bestehe nur dann, wenn er der Lagerung oder Ablagerung zugestimmt oder diese geduldet und ihm zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen habe. Die bloße Kenntnis einer (Ab)Lagerung stelle keine Duldung dar. Die Zustimmung oder freiwillige Duldung der Ablagerung und die Unterlassung zumutbarer Abwehrmaßnahmen müssten kumulativ vorliegen. Die Beschwerdeführerin habe der Ablagerung weder zugestimmt noch diese jemals geduldet, was sich schon daran zeige, dass sie diese selbst zur Anzeige gebracht habe. Durch ständiges Urgieren habe sie auch das Behördenverfahren am Laufen gehalten. Bereits am 30. Mai 2018 habe sie vor Ort Betonleitwände aufgestellt.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie die Entscheidung in der Sache und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Zurückverweisung der Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde.

3.   Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren

Mit Schreiben vom 23. November 2021 legte die belangte Behörde die gegenständliche Beschwerde dem Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich mit dem Ersuchen um Entscheidung vor.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich führte am 2. März 2023 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt der belangten Behörde zur Zl. *** und den Gerichtsakt.

4.   Feststellungen

Jedenfalls im Juli 2017 lagerte die A GmbH (in der Folge: Verursacherin, Verpflichtete) Bodenaushubmaterial und Baurestmassen auf dem Grundstück Nr. ***, KG *** (in der Folge: gegenständliches Grundstück) ab, und wurde dabei von Mitarbeitern der Beschwerdeführerin beobachtet und fotografiert. Die Beschwerdeführerin erstattete am 20. Juli 2017 Anzeige im Polizeikommissariat ***.

Mit Bescheiden vom 31. Juli 2018 und 17. August 2018, beide Zl. ***, trug die belangte Behörde der Verpflichteten unter anderem hinsichtlich des gegenständlichen Grundstücks auf, näher genannte Abfalllagerungen und Baurestmassen binnen gesetzter Frist nachweislich von einem hierzu Befugten entsorgen zu lassen und den Entsorgungsnachweis der belangten Behörde binnen gesetzter Frist vorzulegen.

Die Verursacherin der Ablagerungen wurde infolge Vermögenslosigkeit am 26. März 2019 amtswegig aus dem Firmenbuch gelöscht.

Im Grundbuch scheint beim gegenständlichen Grundstück, soweit hier relevant, Folgendes auf:

„1   ANTEIL: 1/1

     Republik Österreich (Bund/Bundesstraßenverwaltung)

     ADR: p.A. B GmbH, [...]“

Eigentümerin des gegenständlichen Grundstücks ist die Republik Österreich (Bund/Bundesstraßenverwaltung).

5.   Beweiswürdigung

Die Feststellungen zur Ablagerung von Bodenaushubmaterial und Baurestmassen durch die Verursacherin beruhen insbesondere auf den Schreiben der Beschwerdeführerin vom 16. Juli 2019 und den im Akt befindlichen Fotos in Verbindung mit der Auskunft aus der Zulassungsevidenz betreffend das auf den Fotos erkennbare Fahrzeug. Art bzw. Zusammensetzung der Ablagerungen ergeben sich aus einem Aktenvermerk der belangten Behörde vom 29. September 2017.

Die Ausführungen zu den der Verursacherin erteilten Behandlungsaufträgen ergeben sich aus den zitierten Bescheiden vom 31. Juli 2018 und 17. August 2018.

Dass die Verursacherin der Ablagerungen infolge Vermögenslosigkeit am 26. März 2019 amtswegig aus dem Firmenbuch gelöscht wurde, ist im entsprechenden Firmenbuchauszug vom 6. Februar 2023 dokumentiert.

Zu den Eigentumsverhältnissen wird einerseits auf den das gegenständliche Grundstück betreffenden Grundbuchauszug vom 6. Februar 2023, andererseits auf die Ausführungen unter Punkt 6.1 verwiesen.

6.   Erwägungen

6.1 Zu den Eigentumsverhältnissen an der gegenständlichen Liegenschaft

Die gegenständliche Liegenschaft steht laut Grundbuchsauszug im Eigentum der Republik Österreich (Bund/Bundesstraßenverwaltung). Die belangte Behörde geht davon aus, dass die Beschwerdeführerin Grundstückseigentümerin sei.

Abgesehen vom aktuellen Grundbuchsstand sprechen auch die maßgeblichen Bestimmungen des ASFINAG-Ermächtigungsgesetzes 1997 gegen diese Rechtsauffassung:

§ 1.

Der Bundesminister für Finanzen hat die Anteile des Bundes an der Österreichischen Autobahnen- und Schnellstraßen Aktiengesellschaft [...] und der Alpen Straßen Aktiengesellschaft [...] als Sacheinlage entsprechend den Bestimmungen des Umgründungssteuergesetzes [...] in die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft [...] ohne Gegenleistung einzubringen.

§ 2.
  1. (1) Der Bundesminister für Finanzen hat der Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft das Recht der Fruchtnießung (§§ 509 ff ABGB) an allen Bestandteilen (§ 3 Bundesstraßengesetz 1971) bestehender und künftig zu errichtender Bundesstraßen gemäß §§ 1 und 7 Abs. 1 Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 201/1996, in der jeweils geltenden Fassung zu übertragen.

    [...]

§ 3.

Das Recht der Fruchtnießung an dem im Fruchtgenußvertrag zu bezeichnenden Bundesvermögen gemäß § 2 wird von der Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft durch Unterfertigung des unter § 2 bezeichneten Vertrages mit Wirksamkeit zum 1. Jänner 1997 erworben. § 481 ABGB ist nicht anwendbar. Dieses Recht der Fruchtnießung stellt ein nicht abnutzbares Wirtschaftsgut dar.

§ 4.

Ab Inkrafttreten des Fruchtgenußvertrages gehen alle Rechte und Pflichten des Bundes betreffend die Österreichische Autobahnen- und Schnellstraßen Aktiengesellschaft und Alpen Straßen Aktiengesellschaft auf die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft über. Unberührt bleiben die gesetzlich geregelten hoheitlichen Aufgaben des Bundes.

[...]

§ 7.

Der Bundesminister für Finanzen ist ermächtigt, das für die Betriebsführung der Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft notwendige bewegliche und unbewegliche Bundesvermögen, ausgenommen das im § 2 bezeichnete unbewegliche Bundesvermögen, in die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft als Sacheinlage mit 1. Jänner 1997 ohne Gegenleistung einzubringen.

§ 8.

Die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft tritt mit dem Zeitpunkt der Kundmachung dieses Gesetzes - oder danach mit dem künftigen Erwerb des Rechtes der Fruchtnießung oder des Eigentums oder der dinglichen Nutzungsrechte an bundeseigenen Liegenschaften - von Gesetzes wegen in alle die Liegenschaften betreffenden Rechtsverhältnisse des Bundes mit Dritten ein, ohne daß es hiezu deren Zustimmung bedürfte. Der Bund haftet für die bis zu diesem Zeitpunkt von ihm eingegangenen Verpflichtungen gemäß § 1357 ABGB.

[...]

§ 11.

Die für die Errichtung neuer, dem Recht der Fruchtnießung unterliegenden Strecken oder für die Erfüllung sonstiger, der Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft übertragenen Aufgaben notwendigen Grundflächen und sonstigen dinglichen Rechte sind von der Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft im Auftrag, im Namen und auf Rechnung des Bundes (Bundesstraßenverwaltung) zu erwerben. Dies kann auch durch Tausch geschehen. Sollten die oben genannten Grundflächen oder damit in Zusammenhang stehende Rechte nicht mehr notwendig sein, sind sie zu verwerten. Zu diesem Zweck vertritt die Autobahnen- und Schnellstraßen- Finanzierungs-Aktiengesellschaft den Bund in allen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren, die Bundesstraßenstrecken gemäß § 2 betreffen. Die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft hat für den Fall des Fruchtgenußerwerbes an den von ihr im Namen des Bundes erworbenen Grundflächen und dinglichen Rechten einen Kaufpreis in Höhe aller Kosten, die dem Bund aus dem Erwerb der Grundflächen und der Straßenerrichtung auf diesen Grundflächen entstanden sind, zu entrichten. Der Erwerb des Fruchtgenußrechtes an diesen Grundflächen, insbesondere den darauf errichteten Straßen, sowie an dinglichen Rechten erfolgt durch Bezahlung des Kaufpreises. § 481 ABGB ist nicht anzuwenden.

§ 12.

Die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft ist ermächtigt zur Erfüllung ihrer Aufgaben Baurechte und Dienstbarkeiten für die gemäß § 27 Bundesstraßengesetz 1971 zulässigen Nutzungen ohne Zustimmung des Bundesministers für Finanzen einzuräumen. Die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft ist weiters ermächtigt, ohne Zustimmung des Bundesministers für Finanzen, sofern der Bestand der Bundesstraßen dadurch nicht beeinträchtigt wird, Lastenfreistellungen aller Art hinsichtlich solcher privatrechtlicher Lasten vorzunehmen, welche zugunsten der in ihrem Fruchtgenussrecht stehenden Grundstücke bestehen, sowie diese Grundstücke mit dinglichen Belastungen, außer Geldlasten, zu belasten, weiters über Dienstbarkeiten, insbesondere Bauverbote, außerdem über Vorkaufs-, Wiederkaufs- und Rückkaufsrechte, zu verfügen, soweit diese im Grundbuch zugunsten der Republik Österreich, Bundesstraßenverwaltung, unter Beifügung „A“ oder „S“ zum Verwaltungszweig, eingetragen sind.

[...]

Der ASFINAG wurde das Recht der Fruchtnießung an dem im Fruchtgenussvertrag zu bezeichnenden Bundesvermögen übertragen (vgl. z.B. § 2 ASFINAG-Ermächtigungsgesetz 1997).

Gemäß § 509 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch – ABGB ist die Fruchtnießung das Recht, eine fremde Sache, mit Schonung der Substanz, ohne alle Einschränkungen zu genießen. Da das Fruchtgenussrecht per definitionem an einer fremden Sache besteht, ist der Fruchtnießer kein Eigentümer derselben. Er ist bloßer Rechtsbesitzer (Hofmann in Rummel, ABGB3 § 509, Stand 1. Jänner 2000, rdb.at). Daran ändern weder § 4 ASFINAG-Ermächtigungsgesetz 1997, der einen Übergang aller Rechte und Pflichten des Bundes betreffend die Österreichische Autobahnen- und Schnellstraßen Aktiengesellschaft und die Alpen Straßen Aktiengesellschaft auf die ASFINAG vorsieht, noch der Eintritt der ASFINAG in alle die Liegenschaften betreffenden Rechtsverhältnisse des Bundes mit Dritten nach § 8 ASFINAG-Ermächtigungsgesetz 1997 etwas. Die in § 4 leg. cit. angesprochenen Rechte und Pflichten betreffen die Rechte und Pflichten des Bundes aus dem Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung (vgl. Regierungsvorlage NR: GP XX RV 698, Zu Art. I § 4) und sohin nicht die Eigentumsrechte. § 8 leg. cit. dient der erleichterten administrativen Abwicklung bezüglich der Rechte und Pflichten aus der Fruchtnießung (vgl. Regierungsvorlage NR: GP XX RV 698, Zu Art. I § 8). Eine Eigentumsübertragung ist damit nicht verbunden. Dass eine solche auch nicht geplant war, zeigt sich zum Beispiel an § 11 erster Satz ASFINAG-Ermächtigungsgesetz 1997, demgemäß die ASFINAG unter anderem Grundflächen im Auftrag, im Namen und auf Rechnung des Bundes (Bundesstraßenverwaltung) zu erwerben hat.

Auch wenn die ASFINAG der Beschwerdeführerin laut Firmenbuchauszug den Teilbetrieb „Liegenschaften“ übertragen hat, konnte sie damit nicht mehr Rechte übertragen, als ihr selbst zustehen.

Eigentümerin der gegenständlichen Liegenschaft ist daher die Republik Österreich.

6.2 Zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 74 Abs. 2 AWG 2002

§ 73 Abs. 1 AWG 2002 verpflichtet die Behörde, dem Verpflichteten die erforderlichen Maßnahmen mit Bescheid aufzutragen oder das rechtswidrige Handeln zu untersagen, wenn

1.   Abfälle nicht gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, nach diesem Bundesgesetz erlassenen Verordnungen, nach EG-VerbringungsV oder nach EG-POP-V gesammelt, gelagert, befördert, verbracht oder behandelt werden oder

2.   die schadlose Behandlung der Abfälle zur Vermeidung von Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) geboten ist.

§ 74 AWG 2002 sieht – soweit hier relevant – Folgendes vor:

Subsidiäre Haftung für Behandlungsaufträge
§ 74.
  1. (1) Ist der gemäß § 73 Verpflichtete nicht feststellbar, ist er zur Erfüllung des Auftrags rechtlich nicht imstande oder kann er aus sonstigen Gründen nicht beauftragt werden, so ist der Auftrag nach Maßgabe der folgenden Absätze dem Eigentümer der Liegenschaft, auf der sich die Abfälle befinden, zu erteilen. Ersatzansprüche des Liegenschaftseigentümers an den gemäß § 73 Verpflichteten bleiben unberührt.
  2. (2) Eine Haftung des Liegenschaftseigentümers besteht, wenn er der Lagerung oder Ablagerung entweder zugestimmt oder diese geduldet und ihm zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen hat. Die Rechtsnachfolger des Liegenschaftseigentümers haften, wenn sie von der Lagerung oder Ablagerung Kenntnis hatten oder bei gehöriger Aufmerksamkeit Kenntnis haben mussten. Die Haftung des Liegenschaftseigentümers und der Rechtsnachfolger besteht nicht bei gesetzlichen Duldungspflichten.
  3. (3) Erfolgte die Lagerung oder Ablagerung von Abfällen vor dem 1. Juli 1990, so ist Abs. 2 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Liegenschaftseigentümer nur dann zur umweltgerechten Behandlung herangezogen werden darf, wenn er die Ablagerungen auf eigenem Boden ausdrücklich gestattet und daraus in Form einer Vergütung für die Inanspruchnahme seines Eigentums einen Vorteil gezogen hat. Seine Leistungspflicht ist jedoch auf jenen Wert des Vorteiles begrenzt, der die übliche Vergütung für die Inanspruchnahme seines Eigentums überstieg. Lässt sich die übliche Vergütung nicht vergleichsweise feststellen, ist sie nach dem Wert des verursachten Nutzungsentgangs und der verursachten sonstigen Nachteile – ausgenommen die Leistungspflicht nach Abs. 1 – zu bemessen.

    [...]

Ein Behandlungsauftrag gemäß § 73 AWG ist dem Verpflichteten zu erteilen. Darunter ist jedenfalls derjenige anzusehen, der eine Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen im Sinne des § 1 Abs. 3 AWG 2002 zu verantworten hat, sowie derjenige, der Abfälle entgegen § 15 Abs. 3 AWG 2002 sammelt, lagert oder behandelt (z.B. VwGH vom 21. November 2012, Zl. 2009/07/0118).

Die Verursacherin der Ablagerungen wurde aus dem Firmenbuch gelöscht. Die mit Bescheiden der belangten Behörde vom 31. Juli 2018 und 17. August 2018 Verpflichtete ist daher rechtlich nicht imstande, den Behandlungsauftrag zu erfüllen (z.B. VwGH vom 29. Jänner 2015, Zl. Ro 2014/07/0105; Regierungsvorlage NR: GP XXI RV 984, Zu Art. 1 § 74, S. 41). Unabhängig davon, dass kein Rechtsnachfolger der Verursacherin bekannt ist, ist eine Nachfolge in die Verursacherposition als Verpflichteter eines abfallwirtschaftsrechtlichen Auftrages nach § 73 AWG 2002 nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht vorgesehen (z.B. VwGH vom 30. Mai 2017, Zl. Ra 2017/16/0071).

Nach § 74 AWG 2002 ist subsidiär als Adressat eines solchen Auftrages der aktuelle Liegenschaftseigentümer heranzuziehen, wobei gemäß § 74 Abs. 2 AWG 2002 je nachdem, ob es sich dabei um den Eigentümer im Ablagerungszeitpunkt handelt oder um einen Rechtsnachfolger für das Heranziehen unterschiedliche Voraussetzungen gelten (z.B. VwGH vom 20. Februar 2014, Zl. 2013/07/0164, und 30. Mai 2017, Zl. Ra 2017/16/0071).

Wer Eigentümer ist, ist nach den Bestimmungen des Zivilrechts zu bestimmen (z.B. VwGH vom 30. August 1994, Zl. 94/05/0055, zur vergleichbaren Rechtslage nach dem AWG 1990).

Liegenschaftseigentümerin ist – wie bereits dargelegt – die Republik Österreich und nicht die Beschwerdeführerin. Die belangte Behörde führt jedoch die Beschwerdeführerin selbst als Bescheidadressatin an. Von einer Vertretung für die Republik Österreich ging sie offenkundig nicht aus, zumal sie die Beschwerdeführerin mehrfach ausdrücklich als Eigentümerin der Liegenschaft bezeichnete (z.B. Seite 5 letzter Absatz des angefochtenen Bescheides). Eine Umdeutung bzw. Deutung als bloß fehlerhaft bezeichnete Bescheidadressatin ist aufgrund des eindeutigen und klaren Wortlautes, der den behördlichen Willen wiedergibt, nicht möglich.

Der Bescheid ist daher schon allein deshalb aufzuheben, weil die Bescheidadressatin nicht Eigentümerin der gegenständlichen Liegenschaft ist und daher aus dem Titel des § 74 Abs. 1 und 2 AWG 2002 nicht herangezogen werden kann.

7.   Zur nicht erfolgten Verkündung der Entscheidung

Gemäß § 29 Abs. 2 hat das Verwaltungsgericht das Erkenntnis mit den wesentlichen Entscheidungsgründen sogleich zu verkünden, wenn eine Verhandlung in Anwesenheit von Parteien stattgefunden hat.

Die Beschwerdeführerin hat in der Verhandlung vom 2. März 2023 auf die Verkündung der Entscheidung verzichtet und kann daher durch die unterbliebene Verkündung nicht in ihren Rechten verletzt sein.

8.   Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Entscheidung stützt sich auf die zitierte einheitliche Rechtsprechung bzw. die klare und eindeutige Rechtslage (zur Unzulässigkeit der Revision bei klarer Rechtslage vgl. z.B. VwGH vom 15. Mai 2019, Zl. Ro 2019/01/0006).

Die Frage, wer Eigentümer eines bestimmten Grundstücks ist, ist eine zivilrechtliche Vorfrage. Bei der Auslegung von nicht in die Kompetenz der Verwaltung fallenden Rechtsmaterien kommt dem Verwaltungsgerichtshof keine Leitfunktion zu; er ist zur Fällung grundlegender Entscheidungen auf dem Gebiet des Zivilrechts nicht berufen, sodass die Auslegung zivilrechtlicher Normen auch keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG begründen kann, solange dem Verwaltungsgericht dabei keine krasse Fehlentscheidung unterlaufen ist. Eine Unvertretbarkeit ist in der Regel dann auszuschließen, wenn das Verwaltungsgericht eine zivilrechtliche Vorfrage im Einklang mit der Rechtsprechung der Obersten Gerichtshofes gelöst hat (z.B. VwGH vom 29. Jänner 2021, Zl. Ra 2020/05/0252). Da die Entscheidung im Einklang mit dem aktuellen Grundbuchsstand getroffen wurde und auch keine Hinweise auf eine Übertragung des Eigentums durch Gesetz oder Vertrag an die Beschwerdeführerin vorliegen, liegen die Voraussetzungen für die Revisibilität der Entscheidung im gegenständlichen Fall nicht vor.

Schlagworte

Umweltrecht; Abfallwirtschaft; Behandlungsauftrag; Verpflichteter; subsidiäre Haftung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2023:LVwG.AV.2050.001.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.04.2023
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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