TE Vwgh Erkenntnis 1995/10/23 95/10/0005

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Veröffentlicht am 23.10.1995
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Index

80/02 Forstrecht;

Norm

ForstG 1975 §1 Abs4 lita;
ForstG 1975 §1;
ForstG 1975 §17 Abs2;
ForstG 1975 §17;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Veit an der Glan vom 19. Oktober 1994, Zl. 3199/5/1994-III, betreffend Rodungsbewilligung und naturschutzbehördliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: Dipl.Ing. G in L), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Veit an der Glan vom 19. Oktober 1994 wurde der mitbeteiligten Partei zum Zwecke der Auffüllung einer ehemaligen Schotterentnahmestelle die "befristete Bewilligung" zur Rodung einer Teilfläche von 800 m2 des Waldgrundstückes 1962/2, KG L, und die naturschutzbehördliche Bewilligung "für das obgenannte Vorhaben" unter im einzelnen dargelegten Bedingungen und Auflagen erteilt. Hiezu wurde im wesentlichen ausgeführt, die zur Rodung vorgesehene 800 m2 große, nahezu quadratische Teilfläche der laut Kataster als landwirtschaftliche Nutzfläche ausgewiesenen Parzelle 1962/2, KG L, sei in der Natur eine nach Ost geöffnete ehemalige Schottergrube, in der sich trotz wiederholter Ablagerung von Feldsteinen und inertem Bauabbruchmaterial eine lückige Strauch-Baumvegetation entwickelt habe. Begrenzt werde die Fläche an drei Seiten von Ackergrundstücken und an der Ostseite von ebenfalls erst in den letzten drei Jahrzehnten natürlich entstandenen Nadel- und Laubmischwaldbeständen. Wenn auch eine forstliche Nutzung bislang unterblieben sei, müsse wegen der gegebenen Überschirmung mit forstlichen Gewächsen von mehr als 3/10 und einem durchschnittlichen Alter von rund 15 Jahren von einer Waldfläche i.S.d. Forstgesetzes 1975 gesprochen werden, bzw. bedürfe es im Falle der vorgesehenen außerforstlichen Verwendung einer Rodungsbewilligung. Forstfachlicherseits werde festgestellt, daß die Nutzfunktion des Weiden-, Erlen-, Kiefern- und Lärchenmischwaldes auf dem seichtgründigen, mit Kugelsteinen und blockigem Material durchsetzten Standort als äußerst gering einzustufen sei. Schutz- und Erholungsfunktion seien ebenfalls als zweitrangig einzustufen. Nachdem an der Ostseite der Rodefläche ein Waldstreifen bestehen bliebe, wäre auch der Verlust einer allenfalls gegebenen Wohlfahrtsfunktion - Windschutzstreifen - als geringfügig zu bewerten. Nachteilige Folgen für den angrenzenden Bestand seien bei einer Realisierung des Rodungsvorhabens bzw. Rodungszweckes nicht zu erwarten. Die näher beschriebene Ersatzfläche sei im Frühjahr 1995 mit standortgerechten Holzgewächsen in ausreichender Anzahl aufzuforsten und fachgerecht weiter zu bewirtschaften. Der hinkünftige Waldrand sei u.a. mit Schlehdorn, Kreuzdorn, Weißdorn, Sieleiche, Spindelstrauch, Feldahorn, Liguster und Heckenrose in ausreichender Zahl aufzuforsten und fachgerecht weiter zu bewirtschaften. Die Waldausstattung der Gemeinde St. G. liege bei 53 % und es sei die Waldverteilung als günstig anzusprechen. Der Waldverlust werde durch die Neuaufforstung einer derzeit landwirtschaftlich genutzten Fläche, die im Eigentum der mitbeteiligten Partei liege und bonitäts- wie waldfunktionsmäßig wertvoller als die Rodefläche einzustufen sei, ausgeglichen. Diese Fläche sei technisch wie auch rechtlich im vorgegebenen Ausmaß aufforstbar. Aufgrund dieser Feststellungen erscheine das überwiegende öffentliche Interesse an der Rodung nachgewiesen und es sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sie die vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft gemäß § 170 Abs. 8 ForstG 1975 unter Anschluß des Verwaltungsaktes erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides im wesentlichen mit der Begründung, die Rodungsbewilligung sei erteilt worden, ohne daß hinreichende Feststellungen getroffen worden seien, aus denen sich das von der mitbeteiligten Partei geltend gemachte öffentliche Rodungsinteresse ableiten ließe und es stehe die ausgesprochene Befristung dieser Bewilligung im Widerspruch zum beantragten Rodungszweck sowie zum sonstigen Bescheidinhalt.

Gemäß § 17 Abs. 1 ForstG 1975 ist die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) verboten. Unbeschadet der Bestimmung des Abs. 1 kann jedoch die Behörde gemäß § 17 Abs. 2 ForstG 1975 eine Bewilligung zur Rodung erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt.

Die Bewilligung zur Rodung i.S. der zitierten Bestimmungen setzt daher u.a. voraus, daß es sich bei der zur Rodung beantragten Fläche um Waldboden handelt, d.h. um eine Grundfläche, die nach den Bestimmungen des ForstG 1975 als Wald anzusehen ist.

Gemäß § 1 Abs. 1 ForstG 1975 sind Wald i.S. dieses Bundesgesetzes mit Holzgewächsen der im Anhang angeführten Arten (forstlicher Bewuchs) bestockte Grundflächen, soweit die Bestockung mindestens eine Fläche von 1.000 m2 und eine durchschnittliche Breite von 10 m erricht.

Unbeschadet anderer, im vorliegenden Fall aber mangels entsprechender Feststellungen - etwa einer Überschirmung von 5/10 der Grundfläche durch forstliche Gewächse (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1994, Zl. 93/10/0231) - nicht in Betracht kommender Bestimmungen des ForstG 1975, gelten gemäß § 1 Abs. 4 lit. a dieses Bundesgesetzes Grundflächen, die nicht forstlich genutzt werden und deren das Hiebsunreifealter übersteigender Bewuchs eine Überschirmung von 3/10 nicht erreicht hat, nicht als Wald i.S.d. § 1 Abs. 1 ForstG.

Davon ausgehend hat die belangte Behörde festgestellt, daß eine forstliche Nutzung der verfahrensgegenständlichen Fläche zwar bislang unterblieben, eine Überschirmung mit forstlichen Gewächsen von mehr als 3/10 und einem durchschnittlichen Alter von 15 Jahren jedoch gegeben sei. Sie hat es allerdings unterlassen, festzustellen, ob diese Überschirmung durch solche forstlichen Gewächse bewirkt wird, die das Hiebsunreifealter überschritten haben. Der Hinweis auf ein durchschnittliches Alter des Bewuchses von 15 Jahren vermag diese Feststellung freilich nicht zu ersetzen, weil es sich dabei - entsprechend der Begründung des angefochtenen Bescheides - um einen Weiden-, Erlen-, Kiefern-, Lärchenmischwald, nicht aber etwa ausschließlich um eine Bestockung mit Weiden, die bereits nach zehn Jahren Hiebsreife erlangen, handelt (vgl. dazu die Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft über raschwüchsige Baumarten, BGBl. Nr. 105/1978).

Es fehlt daher an hinlänglichen Sachverhaltsfeststellungen, um beurteilen zu können, ob es sich im vorliegenden Fall um Waldboden handelt und eine Rodung i.S.d. § 17 Abs. 1 ForstG 1975 somit überhaupt in Betracht kam.

Schon aus diesem Grunde erweist sich der angefochtene Bescheid als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, belastet. Er war daher - ohne auf das Beschwerdevorbringen weiter einzugehen - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG und zwar zur Gänze aufzuheben, weil eine Trennung des Bescheidabspruches in Rodungsbewilligung einerseits und naturschutzbehördliche Bewilligung andererseits mangels entsprechender Zuordenbarkeit der Nebenbestimmungen nicht möglich ist.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995100005.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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