TE Vwgh Beschluss 2023/3/14 Ro 2020/22/0011

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Veröffentlicht am 14.03.2023
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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant sowie Hofrat Dr. Schwarz und Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, in der Revisionssache 1. des M A und 2. der M A, beide vertreten durch Dr.in Julia Ecker, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Opernring 7/18, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 13. Mai 2020, 1. VGW-151/080/799/2020-2 und 2. VGW-151/080/802/2020-2, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Das Revisionsverfahren wird bis zur Entscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union in der Rechtssache C-560/20 über das mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Wien vom 25. September 2020, VGW 151/032/6405/2020-13, VGW 151/032/6407/2020 und VGW 151/032/6409/2020, vorgelegte Vorabentscheidungsersuchen ausgesetzt.

Begründung

1        Die Revisionswerber sind syrische Staatsangehörige und die Eltern eines syrischen Staatsangehörigen, der im Alter von 16 Jahren (unbegleitet) in das Bundesgebiet einreiste und dem mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 9. November 2016 der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde; unter einem wurde festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

2        Am 19. Juni 2018 stellten die Revisionswerber - im Hinblick auf den Asylstatus ihres (zusammenführenden) Sohnes - Anträge auf Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“, die mit Bescheiden der belangten Behörde vom 4. Dezember 2019 gemäß § 46 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 9 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgewiesen wurden. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien die Beschwerde als unbegründet ab. Zudem sprach es gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

3        Das Verwaltungsgericht prüfte einen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 46 NAG und führte begründend aus, dass die gegenständlichen Anträge der Revisionswerber erst achtzehn Monate nach der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten an den Zusammenführenden gestellt worden seien, sodass die Revisionswerber auch unter Bedachtnahme auf das Urteil des EuGH vom 12. April 2018, A und S, C-550/16, nicht - über die Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Z 9 NAG hinaus - als „Familienangehörige“ anzusehen seien. In diesem Urteil habe der EuGH zwar klargestellt, dass Art.10 Abs. 3 lit. a der Familienzusammenführungsrichtlinie (RL 2003/86/EG) dahingehend auszulegen ist, dass ein Drittstaatsangehöriger, der zum Zeitpunkt seiner Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats und der Stellung seines Asylantrags in diesem Staat unter 18 Jahre alt war, aber während des Asylverfahrens volljährig wird und dem später die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, als „Minderjähriger“ im Sinne dieser Bestimmung anzusehen sei, doch müsse ein Antrag auf Familienzusammenführung in einem solchen Fall grundsätzlich innerhalb von drei Monaten ab Zuerkennung des Flüchtlingsstatus gestellt werden, wenn nicht eine spätere Antragstellung aufgrund besonderer Umstände objektiv entschuldbar wäre. Ein derartiger besonderer Umstand könne nicht in dem, nach der Zuerkennung des Asylstatus ergangenen genannten EuGH-Urteil erblickt werden.

4        Das Verwaltungsgericht gelangte somit zum Ergebnis, dass keine besonderen Umstände, die die „verspätete Antragstellung“ objektiv entschuldbar erscheinen ließen, vorlägen und die Revisionswerber als Eltern des volljährigen Zusammenführenden keine Familienangehörige (mehr) im Sinn des § 46 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 9 NAG seien. Die Anträge seien daher mangels Vorliegens der besonderen Erteilungsvoraussetzungen abzuweisen.

5        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, zu der keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde.

6        Mit Beschluss vom 25. September 2020, VGW-151/032/6405/2020-13, VGW 151/032/6407/2020 und VGW-151/032/6409/2020, hat das Verwaltungsgericht Wien dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, die sich auf die Ausführungen des EuGH im Urteil vom 12. April 2018, A und S, C-550/16, Rn. 61, beziehen; zu deren Inhalt wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz und Abs. 9 VwGG auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Dezember 2022, Ro 2019/22/0010, verwiesen.

7        Auch im vorliegenden Fall - in dem die Anträge der Revisionswerber auf Familienzusammenführung erst mehr als drei Monate nach der Asylzuerkennung, jedoch innerhalb von drei Monaten nach Erlassung des angeführten Urteiles des EuGH gestellt wurden - stellt sich die aus dem Vorabentscheidungsersuchen (zusammengefasst) ergebende Frage, unter welchen Voraussetzungen bei eingetretener Volljährigkeit des Zusammenführenden die vom EuGH insoweit für maßgeblich erachtete Frist eines auf der Grundlage von Art. 10 Abs. 3 lit. a Familienzusammenführungsrichtlinie gestellten Antrages auf Familienzusammenführung als gewahrt angesehen werden kann.

8        Da der Beantwortung der im angeführten Vorabentscheidungsersuchen genannten Fragen durch den EuGH, bei dem das Verfahren zu C-560/20 anhängig ist, für die Entscheidung über die vorliegende Revision Bedeutung zukommt, liegen die Voraussetzungen der gemäß § 62 Abs. 1 VwGG für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof anzuwendenden Bestimmung des § 38 AVG gegenständlich vor. Daher war das Verfahren - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat und in Entsprechung des dahin gehenden Ersuchens der Revisionswerber - bis zum Vorliegen der Entscheidung des EuGH im Verfahren über das Vorabentscheidungsersuchen in der Rechtssache C-560/20 im Sinne des § 38 zweiter Satz AVG auszusetzen (vgl. auch dazu VwGH 21.12.2022, Ro 2019/22/0010, Rn. 11, mwN).

Wien, am 14. März 2023

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2023:RO2020220011.J00

Im RIS seit

07.04.2023

Zuletzt aktualisiert am

07.04.2023
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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