TE Vwgh Erkenntnis 1995/10/25 94/15/0131

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Veröffentlicht am 25.10.1995
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §303 Abs1 litb;
BAO §303;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 94/15/0181

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden des K in B, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in D, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg (Berufungssenat)

1) vom 24. September 1993, Zl. 1568-2/92, betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1984 bis 1989, und 2) vom 28. März 1994, Zl. 312-2/94, betreffend Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens für die genannten Jahre, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 9.130,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen erstangefochtenen Bescheid wurde die Einkommensteuer für die Streitjahre nach amtswegiger Wiederaufnahme der bezüglichen Verfahren neu festgesetzt, weil die vom Beschwerdeführer erklärten Einkünfte nicht mit dessen höheren der Schweizer Alters- und Hinterlassenversicherungsanstalt (AHV) von der D-AG, Schweiz (Arbeitgeber des als Grenzgänger und Bootsbauer beschäftigten Beschwerdeführers) gemeldeten Bezügen übereinstimmten. Das Vorbringen des Beschwerdeführers im Abgabenverfahren, die ihm von seinem Arbeitgeber in den Streitjahren unter der Bezeichnung "Spesen" geleisteten Aufwandersätze für Reisen seien der AHV gemeldet worden, schienen aber in den Lohnausweisen deswegen nicht auf, weil dem Arbeitgeber die Steuerfreiheit dieser Aufwandersätze in Österreich bekannt gewesen sei, erscheine aus verschiedenden Gründen unglaubwürdig. Vielmehr sei als erwiesen anzusehen, daß die Bruttolöhne laut AHV-Auszug überhaupt keine Aufwandersätze beinhalteten. Nicht die der AHV, sondern die dem Finanzamt gemeldeten reduzierten Löhne stellten sohin die Berechnungsgrundlage für die AHV-Beiträge dar, die laut Bestätigung des Arbeitgebers des Beschwerdeführers geleistet worden sein sollten. Konkret habe die Erwartung bestanden, dem Finanzamt würden die der AHV gemeldeten tatsächlichen Bezüge des Beschwerdeführers nicht bekannt werden. Es sei bezweckt worden, dem Finanzamt gegenüber (rechnerisch) den Eindruck zu erwecken, die ihm bestätigten Löhne stimmten mit den der AHV gemeldeten überein. Dies sei dem Beschwerdeführer mit der ergangenen Berufungsvorentscheidung vorgehalten und im anschließenden Verfahren nicht entkräftet worden. Unzweifelhaft habe der Beschwerdeführer die Aufwandersätze auch erhalten.

II.

Mit dem zweitangefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme der zu Punkt I. genannten Einkommensteuerverfahren abgewiesen. Der Wiederaufnahmsantrag war darauf gestützt worden, daß es dem Beschwerdeführer durch nachhaltiges Betreiben nunmehr gelungen sei, die mit der Lohnkontoführung seines Arbeitgebers betraute B-AG in A, Schweiz (AG), dazu zu bewegen, den ihr unterlaufenen Fehler einzugestehen und den Sachverhalt durch Vorlage der entsprechenden Unterlagen bei der AHV-Dienststelle aufzuklären. Dem Wiederaufnahmsantrag angeschlossen waren ein Schreiben der AG vom 22. Oktober 1993 und eine Bestätigung der Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen, Schweiz, vom 11. November 1993. Beide Erklärungen weisen für die Streitjahre zusätzlich zum Brutto-Grundlohn dem Beschwerdeführer gewährte monatliche Spesenvergütungen für seine Reisetätigkeit in Höhe von insgesamt SF 34.959,-- aus.

Begründend führte die belangte Behörde im zweitangefochtenen Bescheid im wesentlichen aus, die erst nach Erlassung des erstangefochtenen Bescheides ausgestellten Beweismittel bildeten keinen tauglichen Wiederaufnahmsgrund, weil die Beweismittel neu entstanden, nicht aber neu hervorgekommen seien, und weil den Beschwerdeführer an der Vorlage der Beweismittel erst nach Abschluß des Verfahrens ein Verschulden treffe, habe er doch schon im abgeschlossenen Verfahren ausreichend Gelegenheit gehabt, alles für die Beurteilung seiner Abgabensache Zweckdienliche vorzubringen. Außerdem wäre auch bei Vorlage der Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren kein anderslautender Bescheid ergangen, weil der Glaube des Berufungssenates an die Richtigkeit der Angaben betreffend die Lohnverrechnung des Beschwerdeführers schon durch ständig differierende Angaben stark erschüttert worden sei.

In den gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihren Gegenschriften die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die Beschwerden wegen ihres engen persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden. Er hat sodann unter Bedachtnahme auf die erstatteten Repliken erwogen:

1. Zum erstangefochtenen Bescheid:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Beweiswürdigung der belangten Behörde daraufhin zu prüfen, ob der Denkvorgang zu einem den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechenden Ergebnis geführt hat, bzw. daraufhin, ob der Sachverhalt, der im Denkvorgang gewürdigt worden ist, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden ist. Die Abgabenbehörde trägt die Feststellungslast für alle Tatsachen, die vorliegen müssen, um einen Abgabenanspruch geltend machen zu können, doch befreit dies die Partei nicht von der Verpflichtung, ihrerseits zur Klärung des Sachverhaltes beizutragen und die für den Bestand und den Umfang der Abgabenpflicht bedeutsamen Umstände vollständig und wahrheitsgemäß im Sinne des § 119 Abs. 1 BAO offenzulegen (vgl. hiezu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 25. Oktober 1994, Zl. 90/14/0181, m.w.N.). Nach weiterer ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes findet die amtswegige Ermittlungspflicht dort ihre Grenzen, wo der Abgabenbehörde weitere Nachforschungen nicht mehr zugemutet werden können, wie dies insbesondere dann der Fall ist, wenn ein Sachverhalt nur im Zusammenwirken mit der Partei geklärt werden kann, die Partei aber zur Mitwirkung an der Wahrheitsfindung nicht bereit ist bzw. eine solche unterläßt. Die Grenze der amtlichen Ermittlungspflicht orientiert sich an der Zumutbarkeit, die bei Auslandsbeziehungen (und bei Inanspruchnahme abgabenrechtlicher Begünstigungen) eine mehr oder weniger starke Einschränkung erfährt. Diese Formel bringt den allgemeinen Grundsatz zum Ausdruck, daß die Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes dort ihre Grenze findet, wo nach der Lage des Falles nur die Partei Angaben zum Sachverhalt machen kann (vgl. hiezu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 1993, Zl. 92/15/0002, m.w.N.).

Im vorliegenden Fall ist der belangten Behörde weder eine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung noch eine wesentliche Verletzung von Verfahrensvorschriften anzulasten, zumal der Beschwerdeführer im abgeschlossenen Verfahren weder die von der belangten Behörde verlangten Lohnaufzeichnungen oder sonstige beweiskräftige Urkunden oder Zeugenbeweise selbst beigebracht noch auch konkrete Beweisanträge gestellt hat. Nicht durch zwischenstaatliche Vereinbarungen gedeckte Hoheitsakte von Organen der österreichischen Abgabenbehörden auf dem Gebiet der Schweiz hätten dagegen jeglicher Rechtsgrundlage entbehrt.

Auf Grund des Gesagten mußte die gegen den erstangefochtenen Bescheid erhobene Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.

2. Zur Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid:

Gemäß § 303 Abs. 1 BAO ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und

a)

...

b)

Tatsachen oder Beweismitteln neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, oder

              c)              ...

und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Im vorliegenden Fall stützte der Beschwerdeführer seinen Antrag auf Wiederaufnahme des abgeschlossenen Einkommensteuerverfahrens für die Streitjahre darauf, daß es ihm "durch nachhaltiges Betreiben nunmehr gelungen" sei, die zwei schon genannten Bestätigungen darüber zu erhalten, daß er von seinem Arbeitgeber in den Streitjahren nicht nur Lohn, sondern auch Aufwandersätze in ausgewiesener Höhe bezogen habe. Daraus geht jedoch weder hervor, weswegen der Beschwerdeführer nicht schon im abgeschlossenen Verfahren die die Bestätigung ausstellenden Personen als Zeugen namhaft gemacht bzw. ihre Zeugenaussagen beigebracht hat, noch auch, worin sein "nachhaltiges Betreiben" zu erblicken ist. Solcherart läßt sich aber nicht sagen, daß ihn kein Verschulden an der Nichtgeltendmachung einer neu hervorgekommenen Tatsache oder eines neu hervorgekommenen Beweismittels schon im abgeschlossenen Verfahren trifft. Schon im Hinblick darauf ist auch der zweitangefochtene Bescheid frei von der behaupteten Rechtswidrigkeit. Infolgedessen mußte auch die gegen den zweitangefochtenen Bescheid erhobene Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden. Die Entscheidung über die Beschwerden konnte im Hinblick auf beide Tatbestände des § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG im Dreiersenat getroffen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich jeweils auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994150131.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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