TE Vwgh Erkenntnis 2023/3/10 Ra 2021/02/0156

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Veröffentlicht am 10.03.2023
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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller als Richter und die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer-Kober und Mag. Schindler als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die Revision des Magistrats der Stadt Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 26. April 2021, 1. VGW-002/053/16172/2020, 2. VGW-002/053/16467/2020, 3. VGW-002/053/16173/2020, und 4. VGW-002/053/16468/2020, betreffend Übertretungen des Wiener Wettengesetzes und Verfall (mitbeteiligte Parteien: 1. M P und 2. A GmbH, beide in G und beide vertreten durch die SHMP Schwartz Huber-Medek Pallitsch Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Hohenstaufengasse 7), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis des revisionswerbenden Magistrats vom 29. Juli 2019 wurde die Erstmitbeteiligte als gemäß § 9 Abs. 2 VStG verantwortliche Beauftragte der zweitmitbeteiligten Partei schuldig erachtet, es zu verantworten, dass diese am 24. Oktober 2018 in einer näher genannten Betriebsstätte, in der diese Gesellschaft die Tätigkeit als Wettunternehmerin in der Art des gewerbsmäßigen Abschlusses von Wetten aus Anlass sportlicher Veranstaltungen ausgeübt habe, insofern einerseits gegen § 13 Abs. 3 lit. a Wiener Wettengesetz, wonach in Betriebsstätten ohne Wettannahmeschalter keine Wettterminals mit Einsätzen von mehr als € 50,-- pro Wette zugelassen werden dürften, verstoßen habe, als sie in dieser Betriebsstätte ohne Wettannahmeschalter an sieben näher beschriebenen Wettterminals einen Einsatz von mehr als € 50,-- pro Wette zugelassen habe, und andererseits gegen § 13 Abs. 3 lit. c Wiener Wettengesetz, wonach in Betriebsstätten ohne Wettannahmeschalter Wettterminals nicht auf andere Weise als durch Eingabe von Bargeld benutzbar gemacht werden dürften, verstoßen habe, als in dieser Betriebsstätte ohne Wettannahmeschalter drei näher beschriebene Wettterminals nicht ausschließlich mit Bargeld, sondern auch mit einer Wertkarte benutzt hätten werden können.

2        Die Erstmitbeteiligte habe dadurch § 13 Abs. 3 lit. a sowie lit. c Wiener Wettengesetz übertreten, weshalb über sie zwei Geldstrafen in der Höhe von € 800,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 1 Tag und 13 Stunden) und € 600,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 1 Tag und 3 Stunden) verhängt wurden. Weiters wurden zehn von ihr beschriebene Wettautomaten für verfallen erklärt. Die zweitmitbeteiligte Partei wurde zur Haftung für die Geldstrafen samt Kosten gemäß § 9 Abs. 7 VStG verpflichtet.

3        Der von den mitbeteiligten Parteien dagegen erhobenen Beschwerde hat das Verwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 13. Mai 2020 hinsichtlich Spruchpunkt I. des Straferkenntnisses Folge gegeben, das Straferkenntnis aufgehoben, das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt und der Erstmitbeteiligten keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens vorgeschrieben (Spruchpunkte I. und II. des Erkenntnisses). Hinsichtlich Spruchpunkt II. des Straferkenntnisses (Verfallsausspruch) wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde ab (Spruchpunkt IV. des Erkenntnisses). Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte es für nicht zulässig (Spruchpunkt III. des Erkenntnisses).

4        Mit hg. Erkenntnis vom 2. Dezember 2020, Ra 2020/02/0197, wurde dieses Erkenntnis hinsichtlich seiner Spruchpunkte I. und II. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, weil auf Basis der vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen die Bestellung der Erstmitbeteiligten zur verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 VStG nicht unwirksam war.

5        Mit dem hg. Erkenntnis ebenfalls vom 2. Dezember 2020, Ra 2020/02/0194, wurde das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom 13. Mai 2020 auch hinsichtlich seines Spruchpunkts IV. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Dies begründete der Verwaltungsgerichtshof damit, dass der Verfall als Sanktion für die Übertretung von Bestimmungen des Wiener Wettengesetzes festgelegt ist und eine Folge der strafbaren Handlung darstellt. Im Hinblick auf die vom Verwaltungsgericht im ersten Rechtsgang vorgenommene Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens wegen Übertretungen des Wiener Wettengesetzes gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG konnte auch der Verfallsausspruch keinen rechtlichen Bestand (mehr) haben.

6        Mit dem Erkenntnis vom 26. April 2021 gab das Verwaltungsgericht im zweiten Rechtsgang den Beschwerden der mitbeteiligten Parteien Folge, behob das Straferkenntnis und stellte das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG ein. Unter einem sprach es aus, dass die Erstmitbeteiligte keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten habe (Spruchpunkt II.) und erklärte die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig (Spruchpunkt III.).

7        Das Verwaltungsgericht stellte unter anderem fest, der Amtsabordnung sei anlässlich der Kontrolle mitgeteilt worden, in welchem Bereich der Betriebsstätte es Möglichkeiten einer Wettannahme gebe. Es sei auf einen abgegrenzten Raum verwiesen worden, wo Wettterminals platziert gewesen seien. Dieser Raum sei mit einer Fingerprintkontrolle gesichert gewesen. Die Mitarbeiter des Wettunternehmers hätten darauf verwiesen, dass man registriert sein müsse, um den mit Fingerprint gesicherten Raum betreten zu können und die Wetten zu platzieren. An der im Barbereich befindlichen Kassa, somit außerhalb des mit Fingerprintkontrolle gesicherten Raumes, sei keine Wettannahme möglich gewesen. Nach Betreten des gesicherten Raumes mit Wettterminals sei ein versperrter Glasschrank mit einem darin befindlichen Wettannahmeschalter wahrgenommen worden. Dieser sei im Zuge der Kontrolle aufgesperrt und das darin befindliche Gerät eingeschaltet worden. Ein von der Amtsabordnung durchgeführter Test dahingehend, ob auf diesem Gerät die Wettannahme technisch möglich wäre, habe nicht stattgefunden.

8        In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht aus, es sei im gegenständlichen Verfahren unstrittig gewesen, dass es sich bei dem im Glasschrank befindlichen Gerät um einen Wettannahmeschalter gehandelt habe. Weder aus der Aktenlage noch nach den sonst durchgeführten Beweisen sei erkennbar, dass dieser nicht benutzbar gewesen wäre. Für die Benutzbarkeit eines Wettannahmeschalters reiche es allerdings nicht aus, dass er eingeschaltet sei, sondern sei es auch notwendig, dass das Gerät nach einer mitunter mehrstündigen Prozedur für einen Zugriff auf das Internet konfiguriert sei. Dies sei jedoch anlässlich der Amtshandlung nicht überprüft worden. Auch der Umstand, dass der Glasschrank versperrt gewesen sei, spreche nicht generell für seine nicht gegebene Benutzbarkeit, sondern es hätten die mitbeteiligten Parteien darauf verwiesen, dass für den Fall eines entsprechenden Kundenwunsches auf Annahme einer Wette am Wettannahmeschalter dieser aufgesperrt und wenige Minuten später benutzbar gemacht werden hätte können. Aus dem Umstand, dass sich der Wettannahmeschalter nicht im Barbereich, sondern in dem mit einer Fingerprintkontrolle gesicherten Raum mit Wettterminals befunden habe, könne für den Standpunkt der Behörde nichts gewonnen werden. Das Vorbringen der mitbeteiligten Parteien sei insofern plausibel, als der gewählte Standort des Gerätes damit begründet worden sei, dass der Barbereich auch für Personen, die keine Wettkunden seien, zugänglich gewesen sei. Auch ergebe sich aus dem Terminus des Wettannahmeschalters nicht, dass dieser permanent mit einer von der Wettunternehmerin beauftragten Person besetzt sein müsse. Die Nichtbesetzung des Wettannahmeschalters sei auch damit begründet worden, dass tagsüber regelmäßig keine oder nur eine zu geringe Nachfrage nach der Platzierung von Wetten am Wettannahmeschalter bestünden. Im Beweisverfahren sei auch nicht hervorgekommen, dass das Personal des Wettunternehmens gegenüber den Wettkunden erklärt hätte, dass eine Wettannahme am Wettannahmeschalter nicht möglich sei und ausschließlich über Wettterminals gewettet werden könne. Im Zweifel sei daher davon auszugehen, dass ein benutzbarer Wettannahmeschalter vorgelegen sei.

9        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts.

10       Die mitbeteiligten Parteien haben eine Revisionsbeantwortung erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

11       Die Amtsrevision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das Erkenntnis weiche vom Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Jänner 2021, Ra 2020/02/0139, ab. Darüber hinaus sei die Beurteilung der Rechtsfrage, ob eine Betriebsstätte mit Wettannahmeschalter vorliege, in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen worden. Das genannte Erkenntnis sei dahingehend zu verstehen, dass ausgehend vom Gesetzeszweck eine Betriebsstätte ohne Wettannahmeschalter einer solchen ohne einen mit einer Person besetzten Wettannahmeschalter gleichzusetzen sei. Der Schutzzweck könne nur dann erreicht werden, wenn das Spielgeschehen von der Wettunternehmerin bzw. dem Wettunternehmer beaufsichtigt werden könne. Wenn Wettkunden zur Platzierung einer Wette erst nach zuständigem Personal suchen müssten, werde eine Hemmschwelle aufgebaut, die davon abhalte, mit dem Personal in Kontakt zu treten. Diese würden dann dazu verleitet, von den Wettterminals Gebrauch zu machen.

12       Die mitbeteiligten Parteien brachten in ihrer Revisionsbeantwortung vor, dass es bei einer Betriebsstätte mit Wettannahmeschalter darauf ankomme, ob Mitarbeiter des jeweiligen Unternehmers Wetten für den Kunden annehmen. Weder im Gesetz noch in den Materialien werde festgehalten, dass beim Wettannahmeschalter permanent eine Person stationiert sein müsse. Der Raum, in dem die Wettterminals und der Wettannahmeschalter stünden, werde fortwährend von den Angestellten beaufsichtigt. Sie würden den anwesenden Kunden Essen und Getränke servieren, ihnen bei allfälligen Fragen im Zusammenhang mit den Wettterminals helfen und Wetten von Kunden über den Wettannahmeschalter annehmen. Nachdem nicht zum Wetten animiert werden solle, würden Kunden auch nicht aktiv angesprochen werden, ob sie Wetten über den Wettannahmeschalter abgeben wollen, sondern es würde gewartet werden, bis der Kunde komme.

13       Die Revision ist zulässig und auch begründet.

14       Was unter einem Wettannahmeschalter zu verstehen ist, definiert das Gesetz nicht weiter und unterliegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einer Beurteilung im Einzelfall (vgl. VwGH 14.9.2020, Ra 2020/02/0103 bis 0104; VwGH 22.1.2021, Ra 2020/02/0139).

15       Im Erkenntnis vom 22. Jänner 2021, Ra 2020/02/0139, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits vor dem Hintergrund der Erläuterungen des Gesetzgebers festgehalten, dass wenn man sich den Zweck der Einschränkungen nach § 13 Abs. 3 Wiener Wettengesetz bei der Benutzung von Wettterminals in Betriebsstätten, in denen sich kein (mit einer Person besetzten) Wettannahmeschalter befindet, vor Augen führt (Schutz der Wettkunden vor einer Senkung der Hemmschwelle zur Wettteilnahme mangels persönlichen Kontakts), dieser Schutzzweck nur dann erreicht werden kann, wenn das Spielgeschehen vom Wettunternehmer beaufsichtigt werden kann. Das ist dann der Fall, wenn in den Räumen der Betriebsstätte, in der sich die Wettterminals befinden, ein Wettannahmeschalter eingerichtet ist, von dem aus die Wettkunden und das Wettgeschehen beobachtet werden können.

16       Im Weiteren hat der Verwaltungsgerichtshof in dem genannten Erkenntnis ausgeführt, dass sich die Einschränkungen des § 13 Abs. 5 Wiener Wettengesetz nicht auf einzelne Räume einer Betriebsstätte ohne Wettannahmeschalter beziehen, sondern ausdrücklich auf eine (gesamte) Betriebsstätte ohne Wettannahmeschalter. Für eine Analogie, wonach diese Einschränkung dem Zweck der Bestimmung entsprechend auch auf einzelne Räume ohne Wettannahmeschalter angewendet werden könne, bleibt im Hinblick darauf, dass im Verwaltungsstrafrecht der äußerst mögliche Wortsinn die Grenze belastender Strafrechtsgewinnung darstellt, kein Raum.

17       Damit wurde aber bereits klargestellt, dass neben dem Vorliegen einer entsprechenden technischen Einrichtung der Wettannahmeschalter von einer Person besetzt sein muss. Die Anwesenheit von (Servier)Personal, das erst auf ausdrücklichen Wunsch von Kunden auf Nachfrage den in einem Glasschrank versperrten Wettannahmeschalter aktiviert und Wetten entgegennimmt, ist nicht ausreichend, um den gesetzlichen Schutzzweck (Schutz der Wettkunden vor einer Senkung der Hemmschwelle zur Wettteilnahme mangels persönlichen Kontakts) zu erreichen.

18       Indem das Verwaltungsgericht dies verkannte, belastete es sein Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

19       Angesichts dieser Aufhebung kann auch der Ausspruch über den Verfall gemäß § 24 Wiener Wettengesetz keinen Bestand haben und war daher ebenfalls aufzuheben (vgl. zum Zusammenhang des Verfalls mit dem Vorliegen einer Verwaltungsübertretung das Vorerkenntnis vom 2.12.2020, Ra 2020/02/0194).

20       Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 10. März 2023

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2023:RA2021020156.L00

Im RIS seit

05.04.2023

Zuletzt aktualisiert am

05.04.2023
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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