TE Vwgh Erkenntnis 1995/11/6 95/04/0154

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Veröffentlicht am 06.11.1995
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Index

50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1994 §14 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 8. Juni 1995, Zl. 315.789/1-III/4/95, betreffend Verweigerung der Gleichstellung gemäß § 14 Abs. 2 GewO 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 8. Juni 1995 wurde dem Ansuchen des Beschwerdeführers um Ausspruch der Gleichstellung mit Inländern zur Ausübung des Gewerbes der Lederbekleidungserzeuger an einem näher bezeichneten Standort in W gemäß § 14 Abs. 2 GewO 1994 keine Folge gegeben. Nach Darstellung des Verfahrensganges führte der Bundesminister zur Begründung aus, den Erhebungen zufolge hätten sich zwei von insgesamt sieben in W etablierten Lederbekleidungserzeugern gegen die angestrebte Gleichstellung ausgesprochen. Einer davon habe erklärt, er müsse im Falle einer Gleichstellung des Beschwerdeführers mit nennenswerten Umsatzeinbußen sowie mit dem Verlust von Stammkunden rechnen. Nach Bilanzverlusten in den Vorjahren erfolge nunmehr die Produktion und auch der Einkauf des zu verarbeitenden Materials nicht mehr auf Vorrat, sondern nur mehr nach Auftragslage. Der andere Lederbekleidungserzeuger, der sich gegen die Gleichstellung des Beschwerdeführers ausgesprochen habe, rechne ebenfalls mit Umsatz- und Gewinneinbußen, da der Markt seiner Meinung nach gesättigt sei. Der Umsatz stagniere auch in dem von ihm geführten Betrieb in den letzten Jahren. Dies sei auf Billigimporte aus dem Ausland zurückzuführen. Die sachlich zuständige Landesinnung habe ausgeführt, es bestehe im Bereich des angegebenen Standortes kein weiterer Bedarf und die Nahversorgung sei durch die dort etablierten Betriebe durchaus gewährleistet. Der vom Beschwerdeführer namhaft gemachte Zeuge habe ausgesagt, es gebe in W seiner Auffassung nach genügend Lederbekleidungserzeuger, welche den anfallenden Bedarf decken könnten. Die Sektion Gewerbe und Handwerk der Wirtschaftskammer Österreich habe in ihrer Stellungnahme dargelegt, auf Grund der seit Jahren rückläufigen wirtschaftlichen Entwicklung im österreichischen Lederbekleidungserzeugergewerbe könne nicht angenommen werden, daß die Ausübung dieses Gewerbes durch den Beschwerdeführer im volkswirtschaftlichen Interesse gelegen sei. Die Zahl der Lehrlinge sei im Zeitraum von 1980 bis 1993 von 37 auf zwei Lehrlinge zurückgegangen, weshalb auch ein weiterer Ausbildungsbetrieb als nicht notwendig erachtet werde. Die Zahl der aktiven Betriebe seien statistisch im Vergleich ebenfalls stark rückläufig, da die Konkurrenz mit dem Ausland auf Grund der hohen Lohnkosten in Österreich nicht mehr aufrechterhalten werden könne. Auch bei der Nachfrage nach Produkten der Lederbekleidungserzeuger sei ebenfalls ein negativer Trend zu erkennen. Die Gesamteinfuhr an Lederbekleidungsartikeln sei in den letzten Jahren tendenziell angestiegen. Auf Grund dieser Ermittlungsergebnisse könne nicht davon ausgegangen werden, daß die Ausübung des gegenständlichen Gewerbes durch den Beschwerdeführer im volkswirtschaftlichen Interesse gelegen sei. Mit der Annahme, durch einen zusätzlich in Österreich etablierten Erzeugungsbetrieb würden neuen Arbeitsplätze geschaffen und die bisher am Markt tätigen Hersteller wirtschaftlich nicht geschädigt, sondern lediglich dem Import ausländischer Waren entgegengewirkt, verkenne der Beschwerdeführer, daß weitere in Österreich hinzukommende einschlägige Betriebe in Konkurrenz zu den bereits bestehenden Lederbekleidungserzeugerbetrieben stünden, welche auch dann, wenn der Beschwerdeführer mit sogenannten "Billigimporten" aus dem Ausland zu konkurrieren trachte, in ihrer Entwicklung beeinträchtigt wären. Dies würde in der Folge aber auch zu einer Gefährdung von Arbeitsplätzen bei den Lederbekleidungserzeugerbetrieben führen. Als Folge einer durch das Hinzukommen eines weiteren Mitbewerbers bedingten Verschärfung der bereits angespannten Wettbewerbssituation wäre somit insgesamt gesehen nicht die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze zu erwarten. Ein volkswirtschaftliches Interesse inkludiere auch die Interessen des örtlichen Wirtschaftszweiges. Im übrigen führe der Hinweis der Bundesinnung der Kürschner, Handschuhmacher und Gerber, daß die Gesamteinfuhr an Lederbekleidungsartikeln in den letzten Jahren angestiegen sei, im Hinblick auf die stark rückläufige Anzahl der inländischen Betriebe zum Schluß, daß hiebei offensichtlich auf Grund des kostengünstigeren ausländischen Angebots eine Verlagerung der Nachfrage zu Lasten der österreichischen Lederbekleidungserzeugungsbetriebe stattfinde. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, durch den Betritt Österreichs zur Europäischen Union, deren Ziel ein freier Warenverkehr sei und die eine Beseitigung der Marktschranken und eine Verbilligung der Produkte für den Konsumenten intendiere, sei eine größere Konkurrenz durch den Gesetzgeber "determiniert", sei zu bemerken, daß derartige Überlegungen in der anzuwendenden Gesetzesbestimmung keine Grundlage hätten. Im übrigen ließen die Zielsetzungen der Europäischen Union keinen Zusammenhang mit der Frage der Auslegung des § 14 Abs. 2 GewO 1994 in bezug auf Staatsangehörige eines nicht der EU angehörigen Staates (Türkei) erkennen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht auf Erteilung der Gleichstellung nach § 14 GewO 1994 verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes trägt er vor, die belangte Behörde habe das Vorliegen eines volkswirtschaftlichen Interesses zu Unrecht verneint. Sie habe sich dabei nämlich nur auf die Aussagen von Mitbietern und auf das Gutachten der zuständigen Kammer gestützt, wonach die Nahversorgung im konkreten Fall bereits durch die vorhandenen Erzeuger gewährleistet sei. Es sei nicht darauf Bedacht genommen worden, daß es sich bei dem vom Beschwerdeführer ausgeübten Gewerbe um ein in der Türkei traditionelles handle, welches spezifische Eigenarten aufweise und keineswegs schlichtweg den Erzeugungstechniken österreichischer Lederwarenerzeuger gleichzusetzen sei. Schon im Verwaltungsverfahren habe der Beschwerdeführer dazu ausgeführt, es handle sich bei diesem Gewerbe um ein nahezu ausgestorbenes, sodaß schon aus diesem Grund das volkswirtschaftliche Interesse gegeben sei. Im Zusammenhang mit dem Aspekt, daß der Beschwerdeführer sich auch als Ausbildungsbetrieb anbiete, ergebe sich nämlich klar das volkswirtschaftliche Interesse Österreichs an der Gleichstellung des Beschwerdeführers mit Inländern. Er sei nämlich imstande, seine Lehrlinge nicht nur schlechthin im Gewerbezweig der Lederbekleidungserzeuger auszubilden, sondern auch spezielle türkische Techniken der Lederverarbeitung zu tradieren. Österreich stehe vermehrt vor dem Problem, in Österreich geborenen Jugendlichen, welche bereits die österreichische Staatsbürgerschaft besäßen, Lehrstellen anzubieten. Damit zeige sich die Notwendigkeit von Betrieben, in denen die türkischen Jugendlichen einen Berufszweig erlernen könnten, der in Österreich wie in der Türkei ausgeübt werden könne. Diese Art der Ausbildung würde nämlich sowohl der Integration dienen als auch eine eventuelle berufliche Tätigkeit der Jugendlichen in ihrer alten Heimat ermöglichen. Diese Art der Berufsausbildung entspräche einer konsequenten Fortsetzung der österreichischen Schulpolitik hinsichtlich türkischer Kinder um sie einerseits zu integrieren, ihnen jedoch auch die Möglichkeit zu geben, ihre türkischen Traditionen und ihre Kultur zu bewahren. Man werde zugeben müssen, daß zur Kultur eines Landes auch die Bewahrung alter Handwerkstraditionen gehöre. Da es sich bei dem vom Beschwerdeführer ausgeübten Gewerbe nahezu um ein ausgestorbenes Gewerbe handle, sei auch eine Konkurrenzierung bestehender Betriebe auszuschließen. Die befragten Lederwarenerzeugungsbetriebe dürften nach europäischer Technik für den europäischen Markt produzieren. Der Beschwerdeführer habe jedoch die Absicht, Kleidungsstücke herzustellen, die in türkischer Tradition stünden bzw. türkischen Vorstellungen und türkischer Machart entsprächen. Eine echte Konkurrenzierung würde daher nicht auftreten. Wie der Beschwerdeführer bereits in seinen zahlreichen Stellungnahmen angeführt habe, beabsichtige er dem unbestritten vorhandenen Markt für türkische Billigimporte entgegenzusteuern, was doch im volkswirtschaftlichen Interesse liege, da der Erzeuger immerhin im Inland Steuern bezahlen werde und fähig sei, einige türkische Jugendliche qualitätvoll und ihrer Tradition entsprechend auszubilden. Auf die Frage, inwieweit die Gleichstellung des Beschwerdeführers geeignet sein könnte, sonstigen öffentlichen Interessen zuwiderlaufen, sei die Behörde nicht eingegangen. Aus dem Gesagten ergebe sich jedoch, daß aus bildungs- und bevölkerungspolitischen Überlegungen der Integration die Gleichstellung des Beschwerdeführers den im Gesetz zitierten österreichischen öffentlichen Interessen nicht nur keinesfalls zuwiderlaufe, sondern sogar in deren Interesse gelegen sei. Unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer geltend, die belangte Behörde habe sich in ihrem Ermittlungsverfahren nur an einen Kreis von Befragten gerichtet, der dem Ansuchen des Beschwerdeführers naturgemäß negativ gegenüberstehe. Irgendwelche weitere Überlegungen habe die Behörde nicht angestellt. Insbesondere habe sie es auch unterlassen, durch geeignete Fragestellung an die Kammer der gewerblichen Wirtschaft und an das Arbeitsmarktservice die Frage zu prüfen, inwieweit an qualifizierten Ausbildungsplätzen für türkische Jugendliche Bedarf bestehe. Auch habe die Behörde jede Ermittlung dahingehend unterlassen, inwieweit es sich bei dem fraglichen Gewerbe um ein solches türkischer Tradition handle und inwieweit eine Konkurrenzierung der bereits vorhandenen Betriebe überhaupt möglich und beabsichtigt sei.

Gemäß § 14 Abs. 2 GewO 1994 bedürfen Angehörige eines Staates, hinsichtlich dessen die Gegenseitigkeit nicht nachgewiesen werden kann, und Staatenlose für die Ausübung des Gewerbes einer Gleichstellung mit Inländern durch den Landeshauptmann. Die Gleichstellung kann ausgesprochen werden, wenn anzunehmen ist, daß die Ausübung des Gewerbes durch den Ausländer oder Staatenlosen im volkswirtschaftlichen Interesse liegt und nicht den sonstigen öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

Die belangte Behörde gelangte zur Auffassung, ein volkswirtschaftliches Interesse an der Gleichstellung des Beschwerdeführers mit Inländern bestehe deshalb nicht, weil im Falle der Gleichstellung einerseits die in W bestehenden Lederbekleidungserzeuger Einbußen an Umsatz und Gewinn hinnehmen müßten und andererseits durch die verstärkte Konkurrenzsituation bei diesen eine Gefährdung von Arbeitsplätzen eintreten könnte. Hingegen sei mit einer Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze nicht zu rechnen. Sie begründete diese Annahme auch mit der stark rückläufigen Anzahl inländischer einschlägiger Betriebe, woraus sich ergebe, daß auf Grund des kostengünstigeren ausländischen Angebotes eine Verlagerung der Nachfrage zu Lasten der österreichischen Lederbekleidungserzeugerbetriebe stattfinde.

Dieser Beurteilung der belangten Behörde vermag die Beschwerde - ausgehend von dem der belangten Behörde vorliegenden Sachverhalt - nichts entgegenzusetzen. Das bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren erstattete und auch in der Beschwerde wiederholte Vorbringen, es handle sich bei dem in Rede stehenden Gewerbe um ein aussterbendes, steht dieser Beurteilung der belangten Behörde nicht entgegen, besagt doch diese Behauptung nichts über die Ursachen, die zu dieser Entwicklung führen. Es ist daher auch nicht zu erkennen, warum durch die beantragte Gleichsstellung des Beschwerdeführers mit Inländern dieser Tendenz gegengesteuert und dadurch ein volkswirtschaftliches Interesse an der Gleichstellung begründet werden könnte. Mit dem weiteren Beschwerdevorbringen aber, der Beschwerdeführer werde das in Rede stehende Gewerbe unter Anwendung spezieller türkischer Techniken ausüben und damit einerseits den sogenannten Billigimporten entgegenwirken und andererseits einen Beitrag zur Integration türkischer Jugendlicher in Österreich leisten, vermag der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides schon deshalb nicht darzutun, weil dieses Vorbringen gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot verstößt. Es ist daher darauf nicht weiter einzugehen.

Der Beschwerdeführer irrt aber auch, wenn er meint, es wäre Sache der belangten Behörde gewesen, von sich aus Ermittlungen in diese Richtung zu pflegen. Denn die der belangten Behörde vorliegende Aktengrundlage bot keinen Anlaß zur Annahme, der Beschwerdeführer werde das in Rede stehende Gewerbe unter Anwendung anderer Techniken ausüben, als sie in Österreich üblich sind.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995040154.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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