TE Lvwg Erkenntnis 2023/1/3 VGW-123/077/13025/2022, VGW-123/077/13680/2022

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.01.2023
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Entscheidungsdatum

03.01.2023

Index

97 Öffentliches Auftragswesen
L72009 Beschaffung Vergabe Wien

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch die Richterin Dr.in Lettner als Vorsitzende, den Richter Dr. Oppel und die Richterin Mag.a Mandl über die Anträge der A. GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt,

I. auf Nichtigerklärung betreffend das Vergabeverfahren "Linienverkehr Südraum" Bezirk B. Los 1 und 3, Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung nach erfolgter "Notvergabe“ (Übergangsverkehr) der Verkehrsverbund Ost Region (VOR) GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt,

II. auf Nichtigerklärung bzw. auf Feststellung der Vergaberechtswidrigkeit der Notvergabe betreffend das Vergabeverfahren "Linienverkehr Südraum" Bezirk B. Los 1 und 3, im Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung, der Verkehrsverbund Ost Region (VOR) GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt,

zu Recht e r k a n n t :

I.     Die Anträge (Schriftsätze vom 08.11.2022 und vom 21.11.2022 (Einbringungsdatum, ebenfalls datiert mit 08.11.2022) betreffend das Vergabeverfahren "Linienverkehr Südraum" Bezirk B. Los 1 und 3, Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung nach erfolgter "Notvergabe“ („Übergangsverkehr“) auf Nichtigerklärung der gesondert anfechtbaren Entscheidungen der Wahl des Vergabeverfahrens, der Wahl des Anbieterkreises, der Aufforderung zur Angebotsabgabe und der Ausschreibungsunterlagen werden abgewiesen.

II.    Die Anträge betreffend die beiden obgenannten Vergabeverfahren (Schriftsätze vom 08.11.2022 und vom 21.11.2022 (Einbringungsdatum), ebenfalls datiert mit 08.11.2022) betreffend "Linienverkehr Südraum" Bezirk B. Los 1 und 3, Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung („Übergangsverkehr“ und „Notvergabe“) auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Vergabeverfahrens unter Anwendung des BVergG und Berücksichtigung der Grundsätze der Transparenz, Gleichbehandlung und Diskriminierungsfreiheit, auf Ausschluss des Bieters C. GmbH sowie auf Nichtigerklärung der Genehmigung des Subunternehmers D. Verkehrsunternehmung werden als unzulässig zurückgewiesen.

III.   Der Antrag (Schriftsatz vom 29./30.11.2022 (Einbringungsdatum), datiert mit 08.11.2022) auf Feststellung, dass die Durchführung des Vergabeverfahrens "Linienverkehr Südraum" Bezirk B. Los 1 und 3, Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung, "Notvergabe“, wegen Verstoßes gegen das BVergG 2018, die hierzu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares Unionsrecht rechtswidrig war, wird abgewiesen.

IV.    Die Anträge (Schriftsatz vom 23.10.2022 in der Fassung der Präzisierung durch die Schriftsätze vom 08.11.2022 und vom 21.11.2022 (Einbringungsdatum) betreffend das Vergabeverfahren "Linienverkehr Südraum" Bezirk B. Los 1 und 3, Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung, "Notvergabe“ auf Nichtigerklärung der gesondert anfechtbaren Entscheidungen der Wahl des Vergabeverfahrens, der Wahl des Anbieterkreises, der Aufforderung zur Angebotsabgabe, der Ausschreibungsunterlagen, auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Vergabeverfahrens, auf Ausschluss des Bieters C. GmbH sowie auf Nichtigerklärung der Genehmigung des Subunternehmers D. Verkehrsunternehmung werden als unzulässig zurückgewiesen.

V.     Den Anträgen vom 23.10.2022 betreffend die „Notvergabe Linienverkehr Südraum Bezirk B., Los 1 und Los 3“, auf Nichtigerklärung der Notvergabe, auf Prüfung der Rechtmäßigkeit der Vergabe mittels „Notvergabe“, auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens betreffend die Rechtmäßigkeit der Zuschlagsentscheidung im Rahmen der Notvergabe sowie auf Nichtigerklärung der außerordentlichen Kündigung und weiters den Anträgen vom 08.11.2022, der Antragstellerin eine uneingeschränkte Einsicht in das Angebot und die Kalkulationsgrundlagen der Antragsgegnerin und der Mitbewerber zu ermöglichen sowie in eventu das aufrechte Vertragsverhältnis zwischen Antragsgegnerin und Antragstellerin festzustellen, das im Zuge einer vorangegangenen Ausschreibung rechtswirksam erlangt wurde, wird keine Folge gegeben.

VI.    Die Antragstellerin hat die von ihr entrichteten Pauschalgebühren selbst zu tragen.

VII.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die Antragstellerin hat aus Medienberichten entnommen, dass offenbar eine Vergabe betreffend "Linienverkehr Südraum" Bezirk B. Los 1 und 3, entweder bereits erfolgt oder noch im Gange war, und hat diesbezüglich am 24.10.2022 einen Antrag eingebracht, der auf die Nichtigerklärung der Notvergabe, auf Nachprüfung, auf Nichtigerklärung der außerordentlichen Kündigung des früheren Auftragsverhältnisses der Antragsgegnerin mit der Antragstellerin und auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gerichtet war. In diesem Schriftsatz hat die Antragstellerin ausdrücklich die Anträge gestellt, die Rechtmäßigkeit der Vergabe mittels „Notvergabe“ zu prüfen, ein Nachprüfungsverfahren betreffend die Rechtmäßigkeit der Zuschlagsentscheidung im Rahmen der Notvergabe einzuleiten, die Notvergabe für nichtig zu erklären und die Antragsgegnerin zum Ersatz der Pauschalgebühren zu verpflichten. Die Antragstellerin ist in diesem Verfahrensstadium vom Vorliegen einer Direktvergabe ausgegangen.

Die Antragsgegnerin hat daraufhin in ihrer Stellungnahme offengelegt, dass es sich gegenständlich um zwei Verhandlungsverfahren jeweils ohne vorherige Bekanntmachung handelt, von denen des erste Verhandlungsverfahren bereits abgeschlossen und das zweite Verhandlungsverfahren noch im Gange ist.

Die Antragstellerin hat daraufhin ihre Anträge durch zwei jeweils mit 08.11.2022 datierte Schriftsätze präzisiert und ausgeweitet.

Mit dem am 08.11.2022 eingebrachten Schriftsatz vom 08.11.2022 hat die Antragstellerin beantragt, die „Notvergabe“ im Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung nichtig zu erklären, ein Nachprüfungsverfahren betreffend Los 1 und 3 zu den Verhandlungsverfahren nach erfolgter „Notvergabe“ durchzuführen, wobei die gesondert anfechtbaren Entscheidungen der Wahl des Vergabeverfahrens, der Wahl des Anbieterkreises und die Ausschreibungsunterlagen angefochten wurden, sowie den Antrag auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Vergabeverfahrens unter Anwendung des BVergG und (unter) Berücksichtigung der Grundsätze der Transparenz, Gleichbehandlung und Diskriminierungsfreiheit gestellt, sowie die Erlassung einer einstweiligen Verfügung beantragt. Auf Seite 20 des genannten Schriftsatzes hat die Antragstellerin beantragt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, der Antragstellerin uneingeschränkte Einsicht in das Angebot und die Kalkulationsgrundlagen der Antragsgegnerin und der Mitbewerber zu ermöglichen, die Rechtmäßigkeit bzw. Notwendigkeit der „Notvergabe“ zu prüfen, die Wahl des Ausschreibungsverfahrens zu prüfen, die Notvergabe für nichtig zu erklären, die Wahl des Ausschreibungsverfahrens für nichtig zu erklären, die Wahl des Teilnehmerkreises zu prüfen, die Ausschreibungsunterlagen zu prüfen, unter anderem im Hinblick auf die Notvergabe und die Abänderung der Fahrpläne, in eventu das aufrechte Vertragsverhältnis zwischen Antragsgegnerin und Antragstellerin festzustellen, das im Zuge einer vorangegangenen Ausschreibung rechtswirksam erlangt „wurde“, sowie die Antragsgegnerin zum Ersatz der Pauschalgebühren zu verpflichten.

Am 21.11.2022 brachte die Antragstellerin eine ergänzende Stellungnahme zu ihren bisherigen Anträgen ein, wobei das Datum dieses Schriftsatzes mit 08.11.2022 unverändert blieb. Es handelt sich um einen neuen Schriftsatz mit offensichtlich nicht erfolgter Aktualisierung des Datums. In diesem Schriftsatz erfolgte insoweit eine Ausweitung der bisherigen Anträge, als die Antragstellerin auf Seite 19 des genannten Schriftsatzes einerseits ihre bisherigen Anträge vollinhaltlich aufrechterhält, andererseits aber ausdrücklich auch die Anträge stellt, die Aufforderung zur Angebotsabgabe sowie die Ausschreibungsunterlagen wegen Rechtswidrigkeit für nichtig zu erklären. Darüber hinaus umfasst dieser Schriftsatz auf seinen vorangehenden Seiten (1 bis 18) die Anträge „I. Feststellungsantrag auf Nichtigerklärung der Notvergabe im Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung“, „II. Nachprüfungsantrag Los 1 + 3 zu den Verhandlungsverfahren mit einem geschlossenen Teilnehmerkreis ohne Bekanntmachung nach erfolgter Notvergabe a. Anfechtung der gesondert anfechtbaren Entscheidung der Wahl der Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit, Antrag auf Nichtigerklärung, b. Anfechtung der gesondert anfechtbaren Entscheidung der Wahl des Anbieterkreises wegen Rechtswidrigkeit, Antrag auf Nichtigerklärung, c. Anfechtung der gesondert anfechtbaren Entscheidung der Ausschreibungsunterlage wegen Rechtswidrigkeit, Antrag auf Nichtigerklärung, d. Anfechtung der gesondert anfechtbaren Entscheidung der Aufforderung zur Angebotsabgabe wegen Rechtswidrigkeit, Antrag auf Nichtigerklärung“, „III. Antrag auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Vergabeverfahrens unter Anwendung des BVergG und Berücksichtigung der Grundsätze der Transparenz, Gleichbehandlung und Diskriminierungsfreiheit“, „IV. Antrag auf Ausschluss des Bieters C. GmbH“ sowie „V. Antrag auf Nichtigerklärung der Genehmigung des Subunternehmers D. Verkehrsunternehmung“.

Auf Grund des Vorhaltes des Verwaltungsgerichtes vom 24.11.2022 gemäß § 20 Abs. 3 WVRG 2020 ergänzte und präzisierte die Antragstellerin mit ihrem am Abend des 29.11.2022 übermittelten und somit am 30.11.2022 eingelangten Schriftsatz, datiert mit 08.11.2022, ihre Anträge dahingehend, dass sie „gemäß § 28 Abs. 1 Z 2 WVRG 2020 ausdrücklich auch den Antrag auf Feststellung“ stellt, „dass die Durchführung des Vergabeverfahrens zur Notvergabe ohne vorherige Bekanntmachung wegen eines Verstoßes gegen das BVergG 2018, die hiezu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares Unionsrecht rechtswidrig war“.

Zu der bereits abgeschlossenen Notvergabe hat das Gericht dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung mit Beschluss vom 16.11.2022, Zl. VGW-124/077/13026/2022, nicht stattgegeben. Zu dem noch anhängigen Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 16.11.2022, Zl. VGW-124/077/13681/2022, eine einstweilige Verfügung erlassen.

Es wurde am 07.12.2022 eine mündliche Verhandlung durchgeführt.

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens geht das Verwaltungsgericht von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus:

Die Antragstellerin ist im Jahr 2021 in einer Ausschreibung, welche in einem offenen Verfahren erfolgt ist, als Bestbieterin für den durch die Lose 1 und 3 abgedeckten öffentlichen Personennahverkehr mit Bussen (Kraftfahrlinienverkehr) hervorgegangen, hat im Jahr 2021 den Zuschlag erhalten und hat mit der Ausführung des Auftrages begonnen.

Bei der Ausführung des Auftrages kam es zu Mängeln in der Leistungserbringung und Beschwerden durch Fahrgäste. Aus diesem Grunde kam es unter anderem zu einem regen E-Mail-Verkehr zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin. Die Schwierigkeiten lagen nach den Angaben der Antragstellerin unter anderem in einem allgemeinen Mangel an qualifiziertem Fahrpersonal (Busfahrerinnen und Busfahrer) begründet, welcher das Unternehmen der Antragstellerin stark belastete.

Die Antragsgegnerin hat im Einvernehmen mit der Antragstellerin in den Wochen vor der vorzeitigen Beendigung des Vertrages durch die Antragsgegnerin zweimal das Auftragsvolumen reduziert. Eine solche Reduktion ist insbesondere auch für die Antragstellerin mit erheblichem Aufwand verbunden, weil damit die Fahrpläne und die Dienstpläne jeweils neu erstellt werden müssen. Allerdings kann durch eine solche Reduktion der Fahrpläne erforderlichenfalls ein Mangel an Busfahrerinnen und Busfahrern berücksichtigt werden.

In weiterer Folge kam es nach den insoweit glaubwürdig erscheinenden Ausführungen der Antragstellerin zu massiven Abwerbungen von Busfahrerinnen und Busfahrern durch andere Unternehmen, wodurch sich die Antragstellerin nicht mehr in der Lage sah, den Auftrag zu den vereinbarten Konditionen weiter auszuführen. Nach den Vorstellungen der Antragstellerin hätten die vertraglichen Konditionen noch einmal „angepasst“ werden müssen, um die Schwierigkeiten der Antragstellerin, die sich unter anderem aus ihrem Mangel an geeigneten Busfahrerinnen und Busfahrern ergeben haben, zu berücksichtigen. Insbesondere stellte die Verpflichtung, bei Schlechterfüllung Pönale zahlen zu müssen, die Antragstellerin ihren eigenen Angaben zufolge vor erhebliche Probleme.

Die Antragsgegnerin entschied sich vor diesem Hintergrund dazu, den bestehenden Vertrag mit der Antragstellerin aus wichtigem Grund vorzeitig aufzulösen. Die Antragstellerin sollte den Auftrag gemäß der vorzeitigen Vertragsauflösung bis einschließlich 28.10.2022 erfüllen.

In diesem Stadium stellte sich die Vergabeabsicht der Antragsgegnerin wie folgt dar:

Es sollte eine neue Ausschreibung mit vorheriger Bekanntmachung in einem offenen Verfahren vorbereitet werden. Dabei sollte von der Auftraggeberin insbesondere der Umstand berücksichtigt werden, dass bei Aufträgen der gegenständlichen Art zwischen der Zuschlagserteilung und dem Beginn der Ausführungsfrist eine ausreichende Vorbereitungszeit von mehreren Monaten liegen muss, welche unter anderem für ein anschließendes Konzessionserteilungsverfahren nach dem Kraftfahrliniengesetz sowie für allfällige Ausschreibungen durch Bieter, die selbst öffentliche Auftraggeber sind, benötigt wird.

Die Übergangsphase sollte mit Hilfe eines Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung überbrückt werden. Dieses Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung sollte innerhalb von wenigen Tagen abgeschlossen werden. Das Verhandlungsverfahren wurde Mitte Oktober 2022 gestartet, indem die Antragsgegnerin Unternehmer, die ihr als geeignet bekannt waren, zu Verhandlungen eingeladen hat. Das Verhandlungsverfahren sollte innerhalb von wenigen Tagen abgeschlossen sein, damit die beauftragten Unternehmer bereits mit 29.10.2022 den Fahrbetrieb anstelle der Antragstellerin übernehmen könnten. Die Einladung der ausgewählten Unternehmer datiert mit 17.10.2022. Ziel dieses Vergabeverfahrens ist es, die Kraftfahrlinien mit einem erforderlichenfalls reduzierten Umfang über die Übergangsphase zwischen dem 29.10.2022 und der beabsichtigten Neuvergabe in einem künftigen offenen Verfahren aufrecht zu erhalten. Nach ihren insoweit glaubwürdig erscheinenden Angaben hat die Antragsgegnerin dieses Vergabeverfahren am 12.10.2022 „gestartet“, wobei damit offenbar die interne Festlegung für diese Vorgangsweise gemeint ist. Die erste nach außen in Erscheinung tretende Handlung in diesem Vergabeverfahren ist die Kontaktierung der ausgewählten Unternehmer mittels E-Mails vom 17.10.2022.

In weiterer Folge hat die Antragstellerin mit E-Mail vom 14.10.2022 - ihren glaubwürdig erscheinenden Angaben nach wegen weiterer Abwerbung von Busfahrerinnen und Busfahrern - der Antragsgegnerin ausdrücklich erklärt, den Fahrbetrieb zu den vereinbarten Konditionen nicht bis einschließlich 28.10.2022, sondern nur bis einschließlich 24.10.2022, aufrecht erhalten zu können. Diese Erklärung der Antragstellerin lautet auszugsweise:

„(…) Weiters merken wir, dass offensichtlich bereits unser Fahrerteam abgeworben wird, weil einige Kündigungen schon am Tisch liegen, das führt uns wieder in eine Personalknappheit, die wir keinesfalls über den 24.10. hinaus tragen möchten. Daher ist uns voraussichtlich schon der 24.10. schwierig, wir werden also möglicherweise noch kurzfristig die Arbeit bereits am 23.10. einstellen müssen. Falls eine Betriebsübernahme mit 24.10. für VOR nicht möglich ist, werden wir nach besten Wissen und Gewissen den Betrieb bis 25.10. weiterführen, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass Pönalen wegen Kursausfälle (die Fahrer werden uns jetzt schon aktiv abgeworben) ausgesetzt werden. (…).“

Die Antragsgegnerin hat daraufhin die ausgewählten Unternehmer auch dahingehend kontaktiert, inwieweit diese den Fahrbetrieb ab dem 25.10.2022 übernehmen können.

Aus dieser Situation heraus hat die Antragsgegnerin in einem Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung einen Auftrag vergeben, der die Aufrechterhaltung des Fahrbetriebs auf den betroffenen Kraftfahrlinien beginnend mit 25.10.2022 bis zum Abschluss des erstgenannten Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung (Übergangsverkehr) umfasst („Notbetrieb“). Nach der ursprünglichen Intention der Antragsgegnerin sollte die Laufzeit dieses Auftrages nur bis 28.10.2022 betragen und ab dem 29.10.2022 die Notvergabe für den Übergangsverkehr greifen. Diese Vorgangsweise war jedoch auf Grund der von der Antragstellerin eingebrachten Nachprüfungs- und Feststellungsanträge einschließlich der Anträge auf Erlassung einstweiliger Verfügungen nicht möglich.

Zum Entscheidungszeitpunkt stellt sich die Situation so dar, dass der laufende Fahrbetrieb weiterhin auf der Grundlage der bereits abgeschlossenen Vergabe („Notbetrieb“) erfolgt und insoweit ein Provisorium fortbesteht, bis die Vergabe für den Übergangsverkehr erfolgen kann. Die Vergabe für den Übergangsverkehr soll daran anschließend den Zeitraum überbrücken, bis der Auftrag in einem offenen Verfahren neu vergeben werden und der künftige Zuschlagsempfänger die Ausführung übernehmen kann.

In beiden Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung hat die Antragsgegnerin die Antragstellerin nicht zu einer Teilnahme eingeladen.

Bei der Beweiswürdigung wurde erwogen:

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen gründen auf dem zum weitaus überwiegenden Teil übereinstimmenden, schriftlichen und mündlichen Vorbringen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin, dem vorgelegten E-Mail-Verkehr zwischen Antragstellerin und Antragsgegnerin, den sonstigen vorgelegten Bescheinigungsmittel, dem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung und der Dokumentation im Vergabeakt. Die Übereinstimmung des Vorbringens der Antragstellerin und der Antragsgegnerin liegt insbesondere darin, dass es bei der Ausführung des Auftrages durch die Antragstellerin infolge eines Mangels an geeigneten Busfahrerinnen und Busfahrern zu einer vorzeitigen Auflösung des Vertragsverhältnisses mit der Antragstellerin gekommen ist, wodurch sich für die Antragsgegnerin die Notwendigkeit ergeben hat, kurzfristig den Fortbetrieb der von der Vertragsauflösung betroffenen Kraftfahrlinien sicherzustellen. Die Divergenzen in den Ansichten der Antragstellerin und der Antragsgegnerin liegen nicht in diesen Sachverhaltsfragen, sondern darin, inwieweit die Antragstellerin ihren Mangel an Busfahrerinnen und Busfahrern zu vertreten hat, inwieweit die vorzeitige Beendigung des Auftragsverhältnisses mit der Antragstellerin berechtigt war und inwieweit die Antragstellerin als Bieterin in die beiden Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung hätte eingebunden werden müssen. Diese Unterschiede in den Standpunkten der Antragstellerin und der Antragsgegnerin betreffen jedoch nicht Fragen des oben festgestellten entscheidungswesentlichen Sachverhalts, sondern in erster Linie rechtliche Fragen der aus diesem Sachverhalt zu ziehenden Konsequenzen.

In rechtlicher Hinsicht hat das Verwaltungsgericht erwogen:

Zunächst ist festzuhalten, dass die Antragsgegnerin selbst keine Sektorentätigkeit ausübt und klassischer öffentliche Auftraggeber ist. Materiell-rechtlich unterliegen die beiden Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung daher dem 2. Teil des BVergG 2018 (Vergabeverfahren für öffentliche Auftraggeber).

Betreffend das noch anhängige Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung („Übergangsverkehr“) ist auszuführen:

Gemäß § 2 Z 15 lit a sublit ee BVergG 2018 sind im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung folgende Entscheidungen gesondert anfechtbar: die Aufforderung zur Angebotsabgabe; die Ausschreibungsunterlagen; sonstige Entscheidungen während der Verhandlungsphase bzw. während der Angebotsfrist; das Ausscheiden des Angebotes; die Widerrufsentscheidung; die Zuschlagsentscheidung.

Die Antragstellerin ist an dem noch anhängigen Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung nicht beteiligt.

Wie der VwGH im Erkenntnis vom 09.09.2015, 2013/04/0111, unter Punkt 4.4. ausgeführt hat, muss angesichts des umfassenden Gebotes eines effektiven Rechtsschutzes auch die fehlerhafte Wahl eines Vergabeverfahrens ohne Bekanntmachung bekämpft werden können, und zwar gerade auch von jenen Unternehmen, die nicht eingeladen wurden, an dem betreffenden Vergabeverfahren teilzunehmen.

Gemäß § 19 Abs. 1 WVRG 2020 sind Anträge auf Nichtigerklärung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung bei einer Übermittlung bzw. Bereitstellung der Entscheidung auf elektronischem Weg sowie bei einer Bekanntmachung der Entscheidung binnen 10 Tagen einzubringen, bei einer Übermittlung über den Postweg oder einem anderen geeigneten Weg binnen 15 Tagen. Die Frist beginnt mit der Übermittlung bzw. Bereitstellung der Entscheidung bzw. der erstmaligen Verfügbarkeit der Bekanntmachung.

Die Antragsgegnerin hat eingewandt, dass die Nichtigerklärungsanträge der Antragstellerin verfristet seien. Dazu ist auszuführen, dass die Antragstellerin bei Einbringung ihres Nachprüfungsantrages noch keine gesicherte Kenntnis darüber hatte, welche Vergabeverfahren die Antragsgegnerin durchführt oder durchgeführt hat, und zu diesem Zeitpunkt weder eine Bekanntmachung des anhängigen Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung noch eine Übermittlung von Entscheidungen an die Antragstellerin erfolgt ist. Die Antragstellerin war insoweit auf Vermutungen und auf Berichte in den Medien angewiesen. Erst durch die erste Replik der Antragsgegnerin wurde die Antragstellerin vom anhängigen Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung und von dessen Stand in Kenntnis gesetzt.

Die Frist zur Einbringung der Nichtigerklärungsanträge betreffend das noch anhängige Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung wurde daher von der Antragstellerin gewahrt. Mangels Bekanntmachung dieses Verhandlungsverfahrens sowie mangels Einbeziehung der Antragstellerin in dieses Verhandlungsverfahren kann die zehntägige Frist zur Einbringung eines Nichtigerklärungsantrags erst ab gesicherter Kenntnis der Antragstellerin betreffend die Durchführung dieses Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung zu laufen beginnen. Vermutungen aufgrund von Medienberichten sind einer gesicherten Kenntnis in diesem Sinne nicht gleichzuhalten. Eine Fristversäumnis der Antragstellerin liegt nicht vor.

Die Antragstellerin hat weiters ihr Interesse am Erhalt des Auftrages sowie einen ihr für den Fall, dass sie den Auftrag nicht erhalten sollte, drohenden Schaden dargelegt.

Wenn die Antragsgegnerin darlegt, der Antragstellerin würde die Antragslegitimation deswegen fehlen, weil die Antragstellerin die erforderliche Eignung nicht aufweisen würde und die Leistung nicht erbringen könne, dann ist dazu auszuführen:

Die nach Ansicht der Antragsgegnerin fehlende Eignung der Antragstellerin wurde im anhängigen Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung nicht geprüft und folglich im Vergabeakt auch nicht dokumentiert. Ein gesichertes Beweisergebnis dahingehend, dass die Antragstellerin mangels Eignung für eine Teilnahme am Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung nicht in Betracht kommt, liegt insoweit nicht vor, sondern wäre diese Frage erforderlichenfalls erst Gegenstand einer inhaltlichen Prüfung. Die Antragslegitimation der Antragstellerin im gegenständlichen Nachprüfungsverfahren liegt insoweit vor.

Gemäß § 37 Abs. 1 Z 4 BVergG 2018 können Dienstleistungsaufträge im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung vergeben werden, wenn äußerst dringliche, zwingende Gründe, die nicht dem Verhalten des öffentlichen Auftraggebers zuzuschreiben sind, im Zusammenhang mit Ereignissen, die der öffentliche Auftraggeber nicht voraussehen konnte, es nicht zulassen, die im offenen Verfahren, im nicht offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung oder in einem gemäß § 34 BVergG 2018 durchzuführenden Verhandlungsverfahren vorgeschriebenen Fristen einzuhalten.

Im Anlassfall ist es zu einer vorzeitigen Beendigung des Auftragsverhältnisses mit der Antragstellerin wegen Mängeln bei der Ausführung des Auftrags gekommen. Bei Einleitung des Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung musste die Antragsgegnerin davon ausgehen, dass für die Durchführung des Vergabeverfahrens eine Zeitspanne von weniger als drei Wochen zur Verfügung stünde und der aus dem Vergabeverfahren hervorgehende Auftragnehmer bereits mit 29.10.2022 den Fahrbetrieb von der Antragstellerin zu übernehmen hat.

An der Aufrechterhaltung des Fahrbetriebes und damit des öffentlichen Personennahverkehrs mit Bussen im Kraftfahrlinienverkehr in den beiden gegenständlichen Losen besteht ein hohes öffentliches Interesse. Eine Einstellung des Fahrbetriebes konnte die Antragsgegnerin nicht zulassen. Dringende, zwingende Gründe lagen somit unzweifelhaft vor. Die für das Vergabeverfahren zur Verfügung stehende Zeitspanne von insgesamt weniger als drei Wochen lässt nicht einmal eine reguläre Ausarbeitung von Angeboten einschließlich der Angebotskalkulation zu. Ein Vergabeverfahren mit vorheriger Bekanntmachung sowie mit einer regulären Ausarbeitung von Angeboten einschließlich der dazu gehörenden Kalkulation kam daher nicht in Betracht.

Die Tatsache, dass die Antragstellerin den laufenden Fahrbetrieb nicht bis einschließlich 28.10.2022, sondern nur bis 24.10.2022 zu den vereinbarten Bedingungen aufrechterhalten kann, war bei Einleitung des noch anhängigen Verhandlungsverfahrens ohne vorige Bekanntmachung für die Antragsgegnerin nicht absehbar. Somit ist das Erfordernis, ein weiteres Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung einzuleiten, um die Zeit ab 24.10.2022 überbrücken zu können, erst später hinzugekommen und stand somit den äußerst dringlichen, zwingenden Gründen für das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung, das eine Übernahme des Busverkehrs ab dem 29.10.2022 zum Gegenstand haben sollte, nicht entgegen.

Der Mangel an Busfahrerinnen und Busfahrern, der die Antragstellerin an der ordnungsgemäßen Erfüllung ihres Auftrages gehindert hat und im Ergebnis zur vorzeitigen Auflösung des Auftragsverhältnisses geführt hat, ist nicht dem Verhalten des öffentlichen Auftraggebers zuzuschreiben. Selbst wenn es zutreffen sollte, dass die Mitbewerber der Antragstellerin (wie von dieser in der mündlichen Verhandlung vorgebracht) gezielt Busfahrerinnen und Busfahrer von der Antragstellerin abgeworben und diesen mitgeteilt hätten, dass die Antragstellerin den Auftrag „ohnedies verlieren“ werde, so könnte auch dies nicht der Antragsgegnerin zugerechnet werden. Vielmehr entspricht es den Denkgesetzen und der Logik, dass ein Busunternehmen den bestehenden Auftrag verlieren wird, falls es durch etwaige Abwerbungen nicht mehr über genügend Busfahrerinnen und Busfahrer verfügen sollte und das Auftragsverhältnis deswegen beendet werden muss.

Das Nachprüfungsverfahren hat keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme ergeben, dass die Antragsgegnerin das von der Antragstellerin beschriebene Abwerben von Busfahrerinnen und Busfahrern der Antragstellerin und die Beendigung des Vertragsverhältnisses auf Grund der damit verbundenen mangelhaften Auftragserfüllung vorhersehen hätte können. Die Antragstellerin ist vielmehr in dem erst kurz davor durchgeführten offenen Verfahren als Zuschlagsempfängerin hervorgegangen.

Festzuhalten ist weiters, dass die Antragsgegnerin mit dem anhängigen Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung lediglich einen „Übergangsverkehr“ für den Zeitraum vergeben will, der endet, sobald der Betrieb der betreffenden Kraftfahrlinien mit Bussen in einem offenen Verfahren vergeben und der daraus hervorgehende Zuschlagsempfänger den Fahrbetrieb aufnehmen kann. Der Leistungsgegenstand ist somit auf den Zeitraum eingeschränkt, der überbrückt werden muss, bis ein Vergabeverfahren mit voriger Bekanntmachung durchgeführt und abgeschlossen werden kann.

Die Voraussetzungen für die Durchführung des gegenständlichen Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung für den „Übergangsverkehr“ lagen daher vor.

Wenn die Antragsgegnerin für dieses Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung nur Unternehmer einlädt, von deren Leistungsfähigkeit und Eignung sie gesicherte Kenntnis hat, so ist dies vor dem Hintergrund der außerordentlichen Dringlichkeit gerechtfertigt und nicht zu beanstanden.

Die Antragstellerin hat zuvor als Auftragnehmerin den Auftrag nicht ordnungsgemäß ausführen können und insoweit Anlass für die vorzeitige Beendigung des Auftragsverhältnisses gegeben. Die Antragstellerin hat somit jedenfalls nicht zu den Unternehmen gezählt, von dessen Leistungsfähigkeit und Eignung die Antragsgegnerin gesichert ausgehen konnte. Eines Nachweises dahingehend, dass die Antragstellerin nicht leistungsfähig und folglich nicht geeignet ist, bedarf es insoweit nicht. Das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung aus äußerst dringlichen, zwingenden Gründen würde gleichsam ad absurdum geführt, wenn sich an einem solchen Vergabeverfahren auch Bieter beteiligen könnten, an deren Leistungsfähigkeit und Eignung begründete Zweifel (vorherige Auflösung des bestehenden Vertrages) bestehen, und wenn gegenüber solchen Bietern nach eingehender Prüfung ihrer Eignung erst eine Ausscheidensentscheidung erlassen werden müsste, die ihrerseits Gegenstand eines verwaltungsgerichtlichen Nachprüfungsverfahrens sein könnte.

Die Antragsgegnerin hat die Antragstellerin daher zu Recht nicht an dem gegenständlichen Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung betreffend den „Übergangsverkehr“ beteiligt.

Soweit daher die Antragstellerin geltend macht, das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung hätte nicht gewählt werden dürfen, die Wahl des Vergabeverfahrens sei daher vergaberechtswidrig, die Antragstellerin hätte in den Kreis der Anbieter aufgenommen und zur Angebotsabgabe aufgefordert werden müssen und es seien somit die Wahl des Anbieterkreises und die Aufforderung zur Angebotsabgabe vergaberechtswidrig, so ist ihr Nichtigerklärungsantrag unbegründet und daher spruchgemäß abzuweisen.

Betreffend die Ausschreibungsunterlagen hat die Antragstellerin im Wesentlichen vorgebracht, die Ausschreibungsunterlagen hätten so erstellt werden müssen, dass der Auftrag in einem Vergabeverfahren mit vorheriger Bekanntmachung ausgeschrieben werden und die Antragstellerin ein Angebot ablegen kann.

Dazu ist festzuhalten, dass derartige Ausschreibungsunterlagen in Anbetracht der gegebenen äußerst dringlichen, zwingenden Gründe gerade nicht erstellt werden können. Der Antrag war insoweit unbegründet und spruchgemäß abzuweisen.

Soweit die Antragstellerin die Durchführung eines „ordnungsgemäßen“ Vergabeverfahrens bzw. eines Vergabeverfahrens mit vorheriger Bekanntmachung beantragt, ist auszuführen, dass ein derartiger Antrag im WVRG 2020 nicht vorgesehen ist. Der Antrag ist daher unzulässig und war folglich spruchgemäß zurückzuweisen.

Soweit die Antragstellerin den Ausschluss des Bieters C. GmbH sowie die Nichtigerklärung der Genehmigung des Subunternehmers D. beantragt, ist festzuhalten, dass die Antragstellerin nicht Teilnehmerin des anhängigen Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung ist. Bereits deswegen kommt ihr diesbezüglich keine Antragslegitimation zu. Feststellungen dahingehend, ob der genannte Bieter an dem betreffenden Vergabeverfahren teilnimmt bzw. ob der genannte Subunternehmer im betreffenden Vergabeverfahren genehmigt wurde, konnten daher ebenso unterbleiben wie Feststellungen betreffend die von der Antragstellerin relevierte Frage der Eignung des genannten Bieters bzw. des genannten Subunternehmers.

Betreffend das bereits abgeschlossene Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung („Notvergabe“) ist auszuführen:

Die Antragstellerin hat fristgerecht einen Antrag auf Nichtigerklärung eingebracht und ihr Interesse am Auftrag sowie den ihr drohenden bzw. bereits eingetretenen Schaden dargelegt.

Gemäß § 20 Abs. 3 WVRG 2020 hat das Verwaltungsgericht Wien, wenn ein Antrag gemäß § 18 Abs. 1 WVRG 2020 erst nach Zuschlagserteilung oder nach dem Widerruf des Vergabeverfahrens gestellt wird, den Antrag als Antrag auf Feststellung gemäß § 28 Abs. 1 WVRG 2020 zu behandeln, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller von der Zuschlagserteilung oder vom Widerruf nicht wissen konnte und der Antrag innerhalb der in § 29 Abs. 2 WVRG 2020 genannten Frist eingebracht wurde. Die Antragstellerin oder der Antragsteller hat auf Aufforderung des Verwaltungsgerichts Wien binnen einer von diesem angemessen gesetzten Frist näher zu bezeichnen, welche Feststellung § 28 Abs. 1 sie oder er beantragt.

Das Verwaltungsgericht hat die Antragstellerin mit Vorhalt gemäß § 20 Abs. 3 WVRG 2020 vom 24.11.2022 diesbezüglich aufgefordert. Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom 30.11.2022, datiert mit 8.11.2022, ausdrücklich „auch“ den Antrag auf Feststellung gestellt, dass die Durchführung des Vergabeverfahrens zur Notvergabe ohne vorherige Bekanntmachung wegen eines Verstoßes gegen das BVergG 2018, die hierzu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares Unionsrecht rechtswidrig war.

Mit diesem Schriftsatz hält die Antragstellerin ihre bisherigen Anträge betreffend dieses Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung aufrecht. Der objektive Erklärungswert, wonach sie „auch“ die vorhin ausgeführte Feststellung beantrage, bringt zum Ausdruck, dass die bisherigen Anträge aufrecht bleiben.

Mangels diesbezüglicher Differenzierung hat daher die Antragstellerin auch hinsichtlich des bereits abgeschlossenen Verhandlungsverfahrens mit voriger Bekanntmachung die Nichtigerklärung der gesondert anfechtbaren Entscheidung der Wahl des Vergabeverfahrens, der Wahl des Anbieterkreises, der Aufforderung zur Angebotsabgabe und der Ausschreibungsunterlagen, sowie weiters die Durchführung eines ordnungsgemäßen Vergabeverfahrens, den Ausschluss des Bieters C. GmbH sowie die Nichtigerklärung des Subunternehmers D. Verkehrsunternehmung beantragt.

Bei einem bereits abgeschlossenen Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung sind jedoch die oben angeführten Nichtigerklärungsanträge betreffend gesondert anfechtbare Entscheidungen im Vergabeverfahren nicht mehr zulässig. Darüber hinaus ist ein Antrag „auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Vergabeverfahrens“ im WVRG 2020 nicht vorgesehen und aus diesem Grund unzulässig. Die Anträge auf Ausschluss des Bieters C. GmbH sowie auf Nichtigerklärung des Subunternehmers D. Verkehrsunternehmung sind einerseits deswegen unzulässig, weil das betreffende Vergabeverfahren bereits abgeschlossen ist, und andererseits deswegen, weil die Antragstellerin am Vergabeverfahren nicht beteiligt war. Die angeführten Anträge waren daher spruchgemäß als unzulässig zurückzuweisen.

Gemäß § 37 Abs. 1 Z 4 BVergG 2018 können Dienstleistungsaufträge im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung vergeben werden, wenn äußerst dringliche, zwingende Gründe, die nicht dem Verhalten des öffentlichen Auftraggebers zuzuschreiben sind, im Zusammenhang mit Ereignissen, die der öffentliche Auftraggeber nicht voraussehen konnte, es nicht zulassen, die im offenen Verfahren, im nicht offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung oder in einem gemäß § 34 BVergG 2018 durchzuführenden Verhandlungsverfahren vorgeschriebenen Fristen einzuhalten.

Im Anlassfall hat sich die Notwendigkeit, ein zweites Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung durchzuführen, für die Antragsgegnerin sehr kurzfristig und nicht absehbar dadurch ergeben, dass die Antragstellerin der Antragsgegnerin mit E-Mail vom 14.10.2022 erklärt hat, den Fahrbetrieb nicht, wie eigentlich vorgesehen, bis einschließlich 28.10.2022 aufrecht erhalten zu können, sondern möglicher Weise bereits mit Ablauf des 23.10.2022 einstellen zu müssen. Aus diesem Grund ergab sich daher die Notwendigkeit für das gegenständliche zweite Verhandlungsverfahren („Notvergabe“).

Die äußerst dringlichen, zwingenden Gründe für die Durchführung auch dieses zweiten Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung lagen vor, zumal der Fahrbetrieb auf Grund dieser Erklärung der Antragstellerin bereits mit 24.10.2022 übernommen werden musste. Diese äußerst dringlichen, zwingenden Gründe sind nicht dem Verhalten der Antragsgegnerin zuzuschreiben, weil es in der Sphäre und Disposition der Antragstellerin lag, ob sie den Fahrbetrieb bis zum 28.10.2022 aufrecht erhält oder, wie erfolgt, nur bis 24.10.2022. Die Antragsgegnerin ist zunächst davon ausgegangen, dass die Antragstellerin den Fahrbetrieb bis 28.10.2022 aufrechterhalten kann, weshalb zunächst nur das Erfordernis für das noch anhängige Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung („Übergangsverkehr“) ersichtlich war. Das Erfordernis, den Fahrbetrieb bereits mit 24.10.2022 an andere Unternehmer übertragen zu müssen, war insoweit für die Antragsgegnerin nicht absehbar. Die rechtlichen Voraussetzungen für dieses zweite Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung lagen daher vor.

Wenn die Antragsgegnerin für dieses Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung nur Unternehmer eingeladen hat, von deren Leistungsfähigkeit und Eignung sie gesicherte Kenntnis hatte, so ist dies vor dem Hintergrund der außerordentlichen Dringlichkeit nicht zu beanstanden.

Das abgeschlossene Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung ist nur deswegen erforderlich geworden, weil die Antragstellerin der Antragsgegnerin gegenüber erklärt hat, den Fahrbetrieb zu den vereinbarten Bedingungen nicht über den 23.10.2022 hinaus ausführen zu können. Auch wenn die Antragstellerin allenfalls im Stande gewesen sein mag, einen Teil dieser Leistungen zu erbringen, so ist dennoch nicht davon auszugehen, dass die Antragstellerin der Antragsgegnerin als leistungsfähig und geeignet bekannt gewesen wäre. Vielmehr lässt die Tatsache, dass die Antragstellerin als Auftragnehmerin die Leistung im vereinbarten vollen Leistungsumfang nicht mehr erbringen konnte, zumindest begründete Zweifel darüber aufkommen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Antragstellerin für einen Teil dieser Leistung noch ausreichend leistungsfähig und geeignet gewesen wäre. Die Antragstellerin ist damit zumindest kein Unternehmen, bei dem auf gesicherter Grundlage vom Bestehen der Leistungsfähigkeit und Eignung zum Zeitpunkt der „Notvergabe“ auch für eine inhaltsmäßig reduzierte Leistung ausgegangen werden konnte. Derartige begründete Zweifel an der Leistungsfähigkeit und Eignung der Antragstellerin reichen jedoch rechtlich vollkommen aus, um die Antragstellerin an dem gegenständlichen Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung nicht zu beteiligen und nicht zu den Verhandlungen einzuladen. Die Antragsgegnerin hat die Antragstellerin daher zu Recht nicht an dem gegenständlichen Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung („Notvergabe“) beteiligt.

Die von der Antragstellerin geltend gemachten Vergaberechtswidrigkeiten lagen daher nicht vor.

Über die in den obigen Ausführungen behandelten Anträge hinausgehend hat die Antragstellerin noch eine Reihe von Anträgen gestellt, zu denen Folgendes auszuführen ist:

Die Nachprüfungsanträge betreffend das anhängige Vergabeverfahren „Übergangsverkehr“ wurden mangels ausreichender Differenzierung so formuliert, dass diese Nachprüfungsanträge auch auf das bereits abgeschlossene Vergabeverfahren „Notvergabe“ bezogen werden mussten. Zwar hat die Antragstellerin mit ihrem am 30.11.2022 eingebrachten (mit 08.11.2022 datierten) Schriftsatz klargestellt, dass sie betreffend die „Notvergabe“ auch einen Feststellungsantrag stelle. Dabei hat sie jedoch, wie sich unter anderem ausdrücklich aus dem Wort „auch“ ergibt, ihre Nachprüfungsanträge auch bezüglich die zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossene „Notvergabe“ aufrechterhalten.

Gemäß § 20 Abs. 3 WVRG 2020 ist nach erfolgter Zuschlagserteilung (bzw. nach erfolgtem Widerruf des Vergabeverfahrens) lediglich ein Feststellungsantrag zulässig, ein Nachprüfungsantrag hingegen unzulässig. Einer ausschließlichen Behandlung der Anträge betreffend die „Notvergabe“ als Feststellungsanträge stand die ausdrückliche Erklärung der Antragstellerin entgegen, wonach sie ihre diesbezüglichen Nachprüfungsanträge „auch“ als Feststellungsanträge stelle. Es war daher davon auszugehen, dass die Antragstellerin ihre Anträge betreffend die „Notvergabe“ unzulässiger Weise auch als Nachprüfungsanträge aufrechterhalten hat, weshalb über diese Nachprüfungsanträge abzusprechen und sie spruchgemäß als unzulässig zurückzuweisen waren bzw. keine Folge zu geben war.

Dem Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde entsprochen.

Dem Antrag, der Antragstellerin uneingeschränkte Einsicht in das Angebot und die Kalkulationsgrundlagen der Antragsgegnerin und der Mitbewerber zu gewähren, war bereits deswegen nicht zu entsprechen, weil sowohl die Angebote der Mitbewerber als auch die Kalkulationsgrundlagen der Mitbewerber und der Antragsgegnerin Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse darstellen und daher von der Einsichtnahme durch die Antragstellerin auszunehmen sind.

Die Anträge auf Nichtigerklärung der außerordentlichen Kündigung des Vertrags zwischen Antragsgegnerin und Antragstellerin sowie auf Feststellung eines aufrechten Vertragsverhältnisses zwischen Antragsgegnerin und Antragstellerin sind im Vergaberechtsschutz nach dem WVRG 2020 nicht vorgesehen. Bei den Fragen, ob ein Vertragsverhältnis aufrecht ist und ob eine außerordentliche Kündigung zu Recht erfolgt ist, handelt es sich vielmehr um zivilrechtliche Fragen, die gemäß § 1 JN („Die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen wird, soweit dieselben nicht durch besondere Gesetze vor andere Behörden oder Organe verwiesen sind, durch Bezirksgerichte, Bezirksgerichte für Handelssachen, Landesgerichte, Handelsgerichte, durch Oberlandesgerichte und durch den Obersten Gerichtshof (ordentliche Gerichte) ausgeübt.“) in die Zuständigkeit der Zivilgerichte fällt. Diese beiden Anträge waren daher im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren vor dem Verwaltungsgericht unzulässig.

Zu den Pauschalgebühren ist auszuführen, dass diese durch die Antragstellerin in der gesetzlich vorgesehenen Höhe entrichtet wurden. Da die Antragstellerin mit ihren Anträgen weder zur Gänze noch zum Teil obsiegt hat und auch nicht klaglos gestellt wurde, kam ein Gebührenersatz gemäß § 15 WVRG 2020 nicht in Betracht und hatte die Antragstellerin die Pauschalgebühren selbst zu tragen.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Vergabeverfahren; ohne vorherige Bekanntmachung; Antrag auf Nichtigerklärung; Nachprüfungsantrag; Dienstleistungsauftrag; Notvergabe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2023:VGW.123.077.13025.2022

Zuletzt aktualisiert am

30.03.2023
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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