TE Lvwg Erkenntnis 2023/2/22 LVwG-S-412/001-2023

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Veröffentlicht am 22.02.2023
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Entscheidungsdatum

22.02.2023

Norm

WRG 1959 §32
WRG 1959 §137
VStG 1991 §44a
  1. WRG 1959 § 32 heute
  2. WRG 1959 § 32 gültig ab 31.03.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 14/2011
  3. WRG 1959 § 32 gültig von 27.07.2006 bis 30.03.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 123/2006
  4. WRG 1959 § 32 gültig von 11.08.2005 bis 26.07.2006 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/2005
  5. WRG 1959 § 32 gültig von 22.12.2003 bis 10.08.2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 82/2003
  6. WRG 1959 § 32 gültig von 11.08.2001 bis 21.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 109/2001
  7. WRG 1959 § 32 gültig von 08.07.2000 bis 10.08.2001 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 39/2000
  8. WRG 1959 § 32 gültig von 01.01.2000 bis 07.07.2000 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 155/1999
  9. WRG 1959 § 32 gültig von 01.10.1997 bis 31.12.1999 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 74/1997
  10. WRG 1959 § 32 gültig von 12.07.1997 bis 30.09.1997 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 74/1997
  11. WRG 1959 § 32 gültig von 01.07.1990 bis 11.07.1997 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 252/1990
  1. WRG 1959 § 137 heute
  2. WRG 1959 § 137 gültig ab 26.04.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 58/2017
  3. WRG 1959 § 137 gültig von 19.06.2013 bis 25.04.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 98/2013
  4. WRG 1959 § 137 gültig von 31.03.2011 bis 18.06.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 14/2011
  5. WRG 1959 § 137 gültig von 27.07.2006 bis 30.03.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 123/2006
  6. WRG 1959 § 137 gültig von 22.12.2003 bis 26.07.2006 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 82/2003
  7. WRG 1959 § 137 gültig von 01.01.2002 bis 21.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 108/2001
  8. WRG 1959 § 137 gültig von 01.01.2001 bis 31.12.2001 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 142/2000
  9. WRG 1959 § 137 gültig von 01.01.2001 bis 31.12.2000 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 90/2000
  10. WRG 1959 § 137 gültig von 30.12.2000 bis 31.12.2000 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 142/2000
  11. WRG 1959 § 137 gültig von 08.07.2000 bis 29.12.2000 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 39/2000
  12. WRG 1959 § 137 gültig von 01.01.2000 bis 07.07.2000 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 155/1999
  13. WRG 1959 § 137 gültig von 01.10.1997 bis 31.12.1999 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 74/1997
  14. WRG 1959 § 137 gültig von 20.06.1997 bis 30.09.1997 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 59/1997
  15. WRG 1959 § 137 gültig von 01.07.1990 bis 19.06.1997 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 252/1990

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Hofrat Mag. Franz Kramer über die Beschwerde der A, vertreten durch die B rechtsanwälte og, ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 16. Jänner 2023, ***, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Wasserrechtsgesetzes 1959, zu Recht erkannt:

I.  Das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Strafverfahren hinsichtlich des darin enthaltenen Tatvorwurfs eingestellt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§§ 32 Abs. 1 und 2, 137 Abs. 2 Z 5 WRG 1959 (Wasserrechtsgesetz 1959, BGBl. Nr. 215/1959 i.d.g.F.)

§§ 27, 44 Abs. 1 und 2, 50 VwGVG (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 i.d.g.F.)

§§ 25 Abs. 2, 44a, 45 Abs. 1 Z 1 VStG (Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991 i.d.g.F.)

§ 25a Abs. 1 VwGG (Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 i.d.g.F.)

Art. 133 Abs. 4 B-VG (Bundesverfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 i.d.g.F.)

Entscheidungsgründe

1.   Sachverhalt

Dem Strafakt der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten (in der Folge: die belangte Behörde), wie er dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich vorgelegt wurde, ist folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt zu entnehmen:

1.1. Aufgrund einer behördeninternen Anzeige forderte die belangte Behörde A (in der Folge: die Beschwerdeführerin) mit Schreiben vom 06. Dezember 2022 auf, sich zu folgendem Vorwurf zu rechtfertigen:

„Es wird Ihnen zur Last gelegt, folgende Verwaltungsübertretung begangen zu haben:

Zeit:   jedenfalls seit 05.05.2022 bis zumindest 28.11.2022 (Datum der Anzeige)

Ort:    ***, KG ***, im Bereich des Grundstückes ***

Tatbeschreibung:

Sie haben zu verantworten, dass ohne Bewilligung eine gemäß § 32 WRG 1959 bewilligungspflichtige Einwirkung auf Gewässer vorgenommen wurde, indem ein mobiler Schweinestall errichtet und betrieben wurde, wodurch eine mehr als geringfügige Einwirkung auf Boden und Gewässer verursacht wurde.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 137 Abs. 2 Zif. 5 iVm § 32 Abs. 1 Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG), BGBl. Nr. 215/1959 idF. BGBl. I Nr. 58/2017 bzw. BGBl. I Nr. 14/2011

1.2. In der Folge erließ die belangte Behörde das Straferkenntnis vom 16. Jänner 2023, ***,, mit dem die Beschwerdeführerin wie folgt bestraft wurde:

„Sie haben folgende Verwaltungsübertretung begangen:

Zeit:    jedenfalls seit 05.05.2022 bis zumindest 28.11.2022 (Datum der Anzeige)

Ort:    ***, KG ***, im Bereich des Grundstückes ***

Tatbeschreibung:

Sie haben zu verantworten, dass ohne Bewilligung eine gemäß § 32 WRG 1959 bewilligungspflichtige Einwirkung auf Gewässer vorgenommen wurde, indem ein mobiler Schweinestall errichtet und betrieben wurde, wodurch eine mehr als geringfügige Einwirkung auf Boden und Gewässer verursacht wurde.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 137 Abs. 2 Zif. 5 iVm § 32 Abs. 1 Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG), BGBl. Nr. 215/1959 idF. BGBl. I Nr. 58/2017 bzw. BGBl. I Nr. 14/2011

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen werden über Sie folgende Strafen verhängt:

Geldstrafe von  falls diese uneinbringlich  Gemäß

ist, Ersatzfreiheitsstrafe

von

€ 1.500,00   70 Stunden    § 137 Abs. 2 Wasserrechtsgesetz

1959 (WRG), BGBl. Nr. 215/1959 idF. BGBl. I Nr. 58/2017

Vorgeschriebener Kostenbeitrag gemäß § 64 Abs.2

Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), das sind 10% der

Strafe, mindestens jedoch 10 Euro      €        150,00

                                                        Gesamtbetrag:  €        1.650,00“

Begründend verwies die belangte Behörde auf das „Ergebnis des durchgeführten Ermittlungsverfahrens“ sowie auf eine Anzeige des Fachgebietes Anlagenrecht, und hielt fest, dass sich die Beschwerdeführerin trotz Aufforderung zur Rechtfertigung nicht geäußert hätte, sodass die Behörde berechtigt wäre, das Verwaltungsstraf-verfahren ohne weitere Anhörung durchzuführen und nach der ihr (aus dem Akteninhalt zugänglichen) Sachlage, die „trotz genauer Kenntnis der Ihnen zur Last gelegten Tat“ unwidersprochen geblieben sei, zu entscheiden. In weiterer Folge zitierte die belangte Behörde für maßgeblich erachtete Vorschriften des WRG 1959 und stellte fest, dass aus dem Akteninhalt hervorgehe, dass durch den von der Beschwerdeführerin errichteten und betriebenen Schweinestall eine mehr als geringfügige Einwirkung auf Boden und Gewässer verursacht würde.

Weiters folgen Überlegungen zur Strafbemessung.

1.3. Weder zum betroffenen Gewässer noch zu den angenommenen Einwirkungen finden sich im Straferkenntnis (oder in einer sonstigen Verfolgungshandlung) konkrete Feststellungen.

1.4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde der nunmehr anwaltlich vertretenen Rechtsmittelwerberin, mit der sie die gänzliche Aufhebung des Straferkenntnisses anstrebt. Geltend gemacht werden die Verletzung des Parteiengehörs sowie eine mangelhafte Sachverhaltsfeststellung, wobei mit näherer Begründung dargelegt wird, dass keine Einwirkung auf Gewässer über das geringfügige Ausmaß hinaus vorgenommen worden sei. Weiters wird vorgebracht, dass die Täterschaft der Beschwerdeführerin nicht hinreichend ermittelt worden wäre. Schließlich wird auf einen gewässerpolizeilichen Auftrag mit noch nicht abgelaufener Leistungsfrist verwiesen; der vorgeworfene Tatzeitraum „kollidiere“ mit der Leistungsfrist, weshalb die Bestrafung rechtswidrig wäre. Außerdem verstoße im Hinblick auf den Sanktionscharakter des Beseitigungsauftrages die gegenständliche Bestrafung gegen das Doppelbestrafungsverbot. Weiters wird Verjährung geltend gemacht, weil die Behörde bereits seit dem 13. Februar 2020 über den Betrieb einer Schweinehaltung in Kenntnis sei und am 10. Juni 2021 ein Lokalaugenschein durch die Behörde stattgefunden hätte. Mangels in der Folge binnen Jahresfrist gesetzter Verfolgungshandlung sei Verjährung eingetreten.

1.5. Die belangte Behörde legte dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde samt Verwaltungsakt unter gleichzeitigem Verzicht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor.

2.   Erwägungen des Gerichts

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat sich bei seiner Entscheidung von folgenden Erwägungen leiten lassen:

2.1.     Feststellungen und Beweiswürdigung

Der unter Punkt 1. wiedergegebene Verfahrensverlauf und Inhalt von Schriftstücken ergibt sich aus den unbedenklichen Akten der belangten Behörde und ist unbestritten; das Gericht kann dies seiner Entscheidung zugrunde legen.

2.2.     Anzuwendende Rechtsvorschriften

WRG 1959

§ 32. (1) Einwirkungen auf Gewässer, die unmittelbar oder mittelbar deren Beschaffenheit (§ 30 Abs. 3) beeinträchtigen, sind nur nach wasserrechtlicher Bewilligung zulässig. Bloß geringfügige Einwirkungen, insbesondere der Gemeingebrauch (§ 8) sowie die ordnungsgemäße land- und forstwirtschaftliche Bodennutzung (Abs. 8), gelten bis zum Beweis des Gegenteils nicht als Beeinträchtigung.

(2) Nach Maßgabe des Abs. 1 bedürfen einer Bewilligung insbesondere

  1. a)
    die Einbringung von Stoffen in festem, flüssigem oder gasförmigem Zustand in Gewässer (Einbringungen) mit den dafür erforderlichen Anlagen,
  2. b)
    Einwirkungen auf Gewässer durch ionisierende Strahlung oder Temperaturänderung,
  3. c)
    Maßnahmen, die zur Folge haben, daß durch Eindringen (Versickern) von Stoffen in den Boden das Grundwasser verunreinigt wird,
  4. d)
    die Reinigung von gewerblichen oder städtischen Abwässern durch Verrieselung oder Verregnung,
  5. e)
    eine erhebliche Änderung von Menge oder Beschaffenheit der bewilligten Einwirkung.
  6. f)
    das Ausbringen von Handelsdünger, Klärschlamm, Kompost oder anderen zur Düngung ausgebrachten Abfällen, ausgenommen auf Gartenbauflächen, soweit die Düngergabe auf landwirtschaftlichen Nutzflächen ohne Gründeckung 175 kg Stickstoff je Hektar und Jahr, auf landwirtschaftlichen Nutzflächen mit Gründeckung einschließlich Dauergrünland oder mit stickstoffzehrenden Fruchtfolgen 210 kg Stickstoff je Hektar und Jahr übersteigt. Dabei ist jene Menge an Stickstoff in feldfallender Wirkung anzurechnen, die gemäß einer Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über das Aktionsprogramm zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen § 55p) in zulässiger Weise durch Wirtschaftsdünger ausgebracht wird.

(…)

§ 137. (…)

(2) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist, sofern die Tat nicht nach Abs. 3 oder 4 einer strengeren Strafe unterliegt, mit einer Geldstrafe bis zu 14 530 €, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu vier Wochen, zu bestrafen, wer

        (…)

  1. 5.
    ohne Bewilligung oder entgegen einer solchen eine gemäß § 32 bewilligungspflichtige Einwirkung auf Gewässer oder eine gemäß § 32b bewilligungspflichtige Indirekteinleitung vornimmt;

        (…)

(…)

VwGVG

§ 27. Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den

angefochtenen Bescheid und die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt

auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3)

zu überprüfen.

§ 44. (1) Das Verwaltungsgericht hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung entfällt, wenn der Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der

Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

(…)

§ 50. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht über

Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden.

(2) Die gekürzte Ausfertigung des Erkenntnisses hat überdies zu enthalten:

1.   im Fall der Verhängung einer Strafe die vom Verwaltungsgericht als erwiesen angenommenen Tatsachen in gedrängter Darstellung sowie die für die Strafbemessung maßgebenden Umstände in Schlagworten;

2.   im Fall des § 45 Abs. 1 VStG eine gedrängte Darstellung der dafür maßgebenden Gründe.

(3) Jedes Erkenntnis hat einen Hinweis auf die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe im Verfahren vor dem

Verfassungsgerichtshof und im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu enthalten.

VStG

§ 25. (…)

(2) Die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände sind in gleicher Weise zu berücksichtigen wie die belastenden.

(…)

§ 44a. Der Spruch hat, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

1.   die als erwiesen angenommene Tat;

2.   die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;

3.   die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung;

4.   den etwaigen Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche;

5.   im Fall eines Straferkenntnisses die Entscheidung über die Kosten

§ 45. (1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu

verfügen, wenn

1. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;

2. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die

die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;

(…)

VwGG

§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision

gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

(…)

B-VG

Artikel 133. (…)

(4) Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage

abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des

Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen

Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Hat das Erkenntnis nur eine geringe

Geldstrafe zum Gegenstand, kann durch Bundesgesetz vorgesehen werden, dass die Revision unzulässig ist.

(…)

2.3.     Rechtliche Beurteilung

2.3.1. Im vorliegenden Fall wurde die Beschwerdeführerin wegen einer Übertretung des Wasserrechtsgesetz 1959 bestraft.

Die angewendete Bestimmung des § 137 Abs. 2 Z 5 WRG 1959 pönalisiert, soweit für den vorliegenden Fall von Interesse, die ohne Bewilligung erfolgte Vornahme einer gemäß § 32 leg. cit. bewilligungspflichtigen Einwirkung auf Gewässer. Die in Rede stehende Strafnorm knüpft also am Regelungsinhalt des § 32 leg. cit. an (vgl. VwGH 20.12.1994, 94/07/0116).

Die Bewilligungspflicht nach § 32 WRG 1959 setzt eine mehr als geringfügige Einwirkung auf ein Gewässer voraus, die geeignet ist, dessen Beschaffenheit unmittelbar oder mittelbar zu beeinträchtigen (zB VwGH 30.06.2011, 2009/07/0151). Nach ständiger Rechtsprechung (zB VwGH 23.11.2000, 98/07/173; 14.12.2017, Ra 2015/07/0126) ist die Bewilligungspflicht nach dieser Gesetzesbestimmung immer dann gegeben, wenn nach dem natürlichen Lauf der Dinge mit nachteiligen Einwirkungen auf die Beschaffenheit der Gewässer zu rechnen ist. Eine Maßnahme, die an sich geeignet ist, eine Gewässerbeeinträchtigung herbeizuführen, bedarf auch dann einer wasserrechtlichen Bewilligung, wenn jene Vorkehrungen geplant bzw. getroffen wurden, welche die schädlichen Auswirkungen auf ein Gewässer ausschließen. Denn nur die wasserrechtliche Bewilligung ermöglicht es der Behörde, die ordnungsgemäße Herstellung der Anlage und deren Erhaltung in diesem Zustand durchzusetzen (VwGH 30.01.1964, 1907/63; 22.11.1976, 643/76).

2.3.2. Angesichts der Formulierung des Spruches, wie sie oben wörtlich wieder-gegeben ist, stellt sich die Frage, ob im vorliegenden Fall eine ausreichende und hinreichend konkrete Umschreibung der Tat vorliegt.

§ 44a Z 1 VStG stellt an den Spruch eines Straferkenntnisses die Anforderung, dass die als erwiesen angenommene Tat konkret umschrieben wird. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wenigstens seit dem grundlegenden Erkenntnis vom 03.10.1985, 85/02/0053, VwSlg 11894 A/1985, ist dieser Bestimmung dann entsprochen, wenn

?    im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um diesen Tatvorwurf zu wiederlegen und

?    der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, muss die Tat nach Ort und Zeit, aber auch hinsichtlich der Umschreibung der anderen nach dem Tatbestand der übertretenen Rechtsvorschriften maßgeblichen Umständen konkret umschrieben sein. Diese Anforderungen müssen auch an die Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG gestellt werden (vgl. VwGH 26.06.2003, 2002/09/0005).

Der Spruch des Straferkenntnisses muss so gefasst sein, dass die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die verletzte Verwaltungsvorschrift eindeutig und vollständig erfolgt, also aus der Tathandlung sogleich auf das Vorliegen der bestimmten Übertretung geschlossen werden kann (z.B. VwGH 17.09.2014, 2011/17/0210).

Einen allenfalls fehlerhaften Abspruch der Verwaltungsstrafbehörde kann (und muss) das mittels Beschwerde angerufene Gericht (wie vormals die Berufungsbehörde) richtigstellen oder ergänzen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn (innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist) eine alle der Bestrafung zugrundeliegende Sachverhaltselemente enthaltende Verfolgungshandlung durch die Behörde gesetzt wurde (zB VwGH 23.10.2014, 2011/07/0205 zur Rechtslage vor Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, wobei diese Rechtsprechung jedoch ohne weiteres auf die derzeit geltende Rechtslage übertragbar ist). Wesentlich ist also, dass Mängel in der Tatumschreibung durch die Verwaltungsstrafbehörde im gerichtlichen Beschwerdeverfahren nur dann bzw. nur insoweit saniert werden können, wenn bzw. soweit es im Rahmen des verwaltungsstrafbehördlichen Verfahrens zu einer Verfolgungshandlung gekommen ist, die den oben beschriebenen Konkretisierungserfordernissen entspricht.

Freilich darf es im Zuge der Richtigstellung nicht zu einer Auswechslung der Tat kommen; d.h. der Beschuldigte darf im Beschwerdeverfahren nicht für eine andere Tat bestraft werden als jene, die Inhalt des Straferkenntnisses war.

2.3.3. Im vorliegenden Fall entspricht der Tatvorwurf diesen Anforderungen nicht.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur nunmehrigen Strafnorm des § 137 Abs. 2 Z 4 WRG 1959, die ohne weiteres auf das Delikt nach § 137 Abs. 2 Z 5 leg. cit. übertragbar ist, gehört die Benennung des Gewässers, hinsichtlich dessen der zum Tatbild gehörende Erfolg herbeigeführt wurde, zu den wesentlichen Tatbestandsmerkmalen der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung, deren Konkreti-sierung im Spruch des verurteilenden Erkenntnisses zu fordern ist. Der Austausch eines solchen Elements ist der Berufungsbehörde bzw. nunmehr dem Verwaltungs-gericht verwehrt (vgl. VwGH 15.11.1994, 92/07/0137).

Im angefochtenen Straferkenntnis (wie auch schon in der nicht darüber hinaus gehenden Verfolgungshandlung) ist lediglich unbestimmt vom „Gewässer“ die Rede, sodass schon dieser Mangel zu einer Behebung des angefochtenen Straferkenntnis-ses führen muss. Es kann auch nicht gesagt werden, dass aus der Wendung „Einwirkung auf Boden und Gewässer“ eindeutig hervorginge, dass damit nur das Grundwasser gemeint sein kann, ist doch auch die Fallkonstellation denkbar, dass die Einwirkungen zunächst auf den Boden und sodann durch Abschwemmen in ein Oberflächengewässer stattfinden (vgl. dazu der dem Erkenntnis des LVwG NÖ vom 28.07.2022, LVwG-S-2029/001-2022 zugrundeliegenden Fall, ebenfalls betreffend einen Bescheid der belangten Behörde).

Abgesehen vom Mangel der hinreichenden Bezeichnung des Gewässers (die sich im Übrigen auch nicht aus der – in gleicher Weise unkonkreten - Begründung des Bescheides entnehmen lässt), ist auch im Übrigen die Tatumschreibung derart unbestimmt, sodass den Konkretisierungserfordernissen dahingehend, dass aus dem Tatvorwurf unmittelbar auf die begangene Übertretung geschlossen werden kann, nicht entsprochen wird. Weder wird deutlich, inwiefern es durch die „Errichtung“ eines Schweinestalls zu mehr als geringfügigen Einwirkungen auf ein Gewässer gekommen werden soll, noch ist der „Betrieb“ des Stalles derart spezifiziert, sodass man erkennen könnte, wodurch nun konkret eine Einwirkung bewirkt wurde (etwa durch die Ableitung von Jauche, Ausbringung des Mistes etc.).

Das Gericht übersieht durchaus nicht, dass betreffend die Beschwerdeführerin ein gewässerpolizeiliches Verfahren wegen der Haltung einer größeren Anzahl von Schweinen im Freien auf unbefestigten Flächen durchgeführt wurde und dass dies auch der Auslöser für das gegenständliche Strafverfahren war. Aus dem für die Beurteilung des Gegenstands des in Rede stehenden Strafverfahrens maßgeblichen Spruch des angefochtenen Bescheides geht dies jedoch in keiner Weise hervor und lässt sich aus der in gleicher Weise unbestimmten Begründung das Straferkenntnis-ses hierfür nichts gewinnen. Die Beschwerdeführerin ist daher nicht davor geschützt, wegen dieser Angelegenheit (zB mehr als geringfügige Einwirkungen auf das Grundwasser durch Versickerung der Stoffwechselprodukte einer bestimmten, größeren Anzahl auf unbefestigten, näher anzugebenden Flächen im Freien gehaltenen Schweine) ein weiteres Mal bestraft zu werden.

2.3.4. Zusammenfassend ergibt sich also, dass die Spruchgestaltung des vorliegenden Straferkenntnisses gegen das Konkretisierungsgebot des § 44a Z 1 VStG verstößt, sodass die der Beschwerdeführerin vorgeworfene Tat (im Sinne der Formulierung des Tatvorwurfes!) keine Verwaltungsübertretung bildet.

Daher war das angefochtene Straferkenntnis einschließlich der Kostenentscheidung aufzuheben und das Strafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z 1 (zweiter Fall) VStG einzustellen.

2.3.5. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass diese Entscheidung nicht der Einleitung eines neuerlichen Strafverfahrens innerhalb der Verfolgungsverjährungs-frist und der Bestrafung der Beschwerdeführerin in Bezug auf eine hinreichend konkretisierte Tat entgegenstünde. Auf die oben dargestellten Kriterien für das Vorliegen einer Bewilligungspflicht nach § 32 WRG 1959 sei hingewiesen. Freilich ist die ausreichende Bestimmtheit des Tatvorwurfes nur ein Element der Anforderungen an ein rechtmäßiges Straferkenntnis; insbesondere bedarf es auch einer nachvollziehbaren Beweisführung und Begründung, die einer Überprüfung durch das Gericht standhält. Der bloße Verweis auf nicht näher genannte „Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens“ oder „den Akteninhalt“ genügt dafür nicht.

Weiters sei – zur Vermeidung von Missverständnissen – angemerkt, dass es sich bei einem gewässerpolizeilichen Auftrag um keine Strafe handelt, sondern dieser – wie schon aus dem Einleitungssatz des § 138 Abs. 1 WRG 1959 ausdrücklich hervorgeht - unabhängig von Bestrafung (und Schadenersatzpflicht) ist; Erlassung eines gewässerpolizeilichen Auftrags nach § 138 WRG 1959 und Bestrafung nach § 137 WRG 1959 sind daher voneinander unabhängig; auch steht eine noch nicht abgelaufene Leistungsfrist des Auftrages einer Bestrafung wegen Vornahme einer konsenslosen Neuerung nicht entgegen. Was die Verjährung anbelangt, kann die entsprechende Frist für Verfolgungs- und Strafbarkeitsverjährung erst mit Beendi-gung des strafbaren Verhaltens zu laufen beginnen.

2.3.6. Der Durchführung einer mündlichen Verhandlung bedurfte es aus dem Grunde des § 44 Abs. 2 letzter Fall VwGVG nicht.

2.3.7. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung war im gegenständlichen Fall nicht zu lösen, da es um die Anwendung einer eindeutigen bzw. durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die zitierten Belege) hinreichend geklärten Rechtslage auf den Einzelfall ging. Die ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis (Art. 133 Abs. 4 B-VG) ist daher nicht zulässig.

Schlagworte

Umweltrecht; Wasserrecht; Verwaltungsstrafe; Gewässerverunreinigung; gewässerpolizeilicher Auftrag; Konkretisierungsgebot;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2023:LVwG.S.412.001.2023

Zuletzt aktualisiert am

30.03.2023
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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