TE Vwgh Erkenntnis 1995/11/7 93/05/0134

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Veröffentlicht am 07.11.1995
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

AVG §33 Abs4;
AVG §46;
AVG §69 Abs1 litb;
AWG 1990 §32;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des P in E, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 4. Mai 1993, Zl. UR - 301114/22 - 1993 Ha/Kl, betreffend Wiederaufnahme eines Behandlungsauftragsverfahrens gemäß § 32 des Abfallwirtschaftsgesetz (AWG), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer betreibt einen Ablagerungsplatz für Altautos, Autowracks, Motorteile udgl. auf dem Grundstück Nr. 744, EZ 21, KG M. Ein Bewohner dieser Ortschaft zeigte mit Schreiben vom 8. August 1991 der OÖ Umweltanwaltschaft u.a. an, daß die Umzäunung des Ablagerungsplatzes mit Altöl gegen Witterungseinflüsse imprägniert worden sei. Der von der belangten Behörde beigezogene Amtssachverständige stellte fest, daß die Imprägnierung des Holzzaunes mit einer Mischung aus Bitumen und Altöl erfolgt sei. Diese Verwendung von Altöl i.S. einer Verwertung gemäß § 22 Abs. 1 AWG sei nicht als zulässig anzusehen.

Mit Schreiben vom 7. November 1991 forderte die belangte Behörde den Beschwerdeführer u.a. dazu auf, die ölkontaminierten Holzlatten ordnungsgemäß zu entfernen, weil die Imprägnierung des Holzzaunes den Bestimmungen der §§ 22 Abs. 1 und 17 Abs. 1 AWG widerspreche. Der Beschwerdeführer gab im Schreiben vom 4. Dezember 1991 an, das verwendete Altöl sei ein ca. 18 Jahre altes, nicht mit Additiven versetztes Öl, welches noch nicht verwendet worden sei. Daher liege kein Altöl i. S.d. AWG vor.

Mit Bescheid vom 18. Dezember 1991 trug die Bezirkshauptmannschaft Freistadt dem Beschwerdeführer gemäß § 32 Abs. 1 AWG u.a. auf, bis 15. März 1992 die Holzeinzäunung des Ablagerungsplatzes zu entfernen und einem befugten Abfallsammler oder -behandler zu übergeben. Aufgrund der Berufung des Beschwerdeführers gegen diesen Bescheid führte die belangte Behörde am 5. Februar 1992 einen Lokalaugenschein durch. Der abfalltechnisch-chemische Amtssachverständige schlug dem Beschwerdeführer vor, eine Analyse betreffend die Schwermetalle Blei, Molybdän, Zink und Vanadium vorzulegen. Der Vertreter der belangten Behörde empfahl in dieser Verhandlung die Vorlage eines derartigen Attestes. Dabei sollte eine Probeentnahme durch das untersuchende Institut erfolgen. Als Frist für die Vorlage eines Attests wurden sechs Wochen ab dem Tag der Verhandlung festgelegt und es wurde in Aussicht gestellt, daß ansonsten aufgrund der bestehenden Aktenlage und der Ausführungen des Amtssachverständigen entschieden werde.

Mit Schreiben vom 3. März 1992 übermittelte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer ein Protokoll über den Lokalaugenschein vom 5. Februar 1992 und erinnerte ihn an die sechswöchige First zur Vorlage des Attestes hinsichtlich der Zaunimprägnierung. Mit Schreiben vom 23. März 1992 erklärte der Beschwerdeführer: "Wie bereits telefonisch am 19.2.1992 besprochen, teilte mir Professor Dr. St. ... mit, daß er eine Nachuntersuchung zur genauen Bestimmung benötige..."

Mit Bescheid vom 12. Mai 1992 gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 18. Dezember 1991 keine Folge. Unter einem wurde die Erfüllungsfrist mit zwei Wochen festgelegt. Begründend wurde ausgeführt, daß Altöl gemäß § 21 Abs. 3 AWG entstehe, sobald das Vorprodukt des Altöls nicht mehr für den ursprünglichen Zweck entsprechend verwendet werde und verwendet werden könne. Der damit behandelte Holzzaun gelte demnach als gefährlicher Abfall i.S.d. AWG und sei zu entfernen. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Mit Schreiben vom 10. Juli 1992 beantragte der Beschwerdeführer die Wiederaufnahme des nach § 32 Abs. 1 AWG durchgeführten Verfahrens, soweit davon der Holzzaun betroffen war. Er habe nun das Überprüfungsergebnis des Zivilingenieurs für technische Chemie, Prof. Dipl. Ing. Dr. tech. B.St. erhalten, aus dem eindeutig hervorgehe, daß der gegenständliche Holzzaun als umwelttauglich einzustufen sei. Der Beschwerdeführer schloß seinem Schreiben einen Laboratoriumsbefund vom 26. Juni 1992 bei.

Der von der belangten Behörde zu einer Stellungnahme beauftragte Amtssachverständige führte aus, der Laboratoriumsbefund enthalte kein Gutachten, nach dem die vorgenommene Imprägnierung als umwelttauglich einzustufen sei. Altöl könne je nach Gebrauch mit Zusätzen versetzt sein, die durch Reaktionen Crack-, Polymerisations- und Polykondensationsprodukte bildeten, die teilweise kanzerogen oder giftig seien. Deshalb sei eine Verwendung von Bitumen- und Altölmischungen als Zaunimprägnierungsmittel unzulässig.

Anläßlich eines Lokalaugenscheines am 23. März 1993 legte der Beschwerdeführer die Befunde und das Gutachten des Prof. Dipl. Ing. Dr. B.St. vor. Dort heißt es:

"Wie aus dem Ergebnis der Laboratoriumsuntersuchung ersichtlich, entspricht der Analysewert für Kohlenwasserstoff aus dem Eluat des Lattenzaunes der Eluatklasse IIIa, doch können am Boden unterhalb des Zaunes gegenüber dem sonstigen Gelände keine meßbaren Veränderungen, welche auf Auswaschungen aus dem Zaun zurückzuführen wären, festgestellt werden."

Der beigezogene Amtssachverständige erklärte bei der Verhandlung, Materialien der Eluatklasse IIIa seien, falls es sich um Abfälle handle, nicht zur Ablagerung ohne besondere Sicherheitsmaßnahmen geeignet, da von ihnen eine Gefährdung von Boden und Wasser ausgehen könnte.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Wiederaufnahmeantrag des Beschwerdeführers keine Folge. Aus dem vorgelegten Laboratoriumsbefund gehe hervor, daß bei einer Probe einer Holzlatte des Zaunes ein Bleigehalt von 22,1 mg/l festgestellt worden sei. Dies lasse den Schluß zu, daß das Altöl einen bleihältigen Hochdruckzusatz enthalte. Das vorgelegte Gutachten des Prof. Dipl. Ing. Dr. B.St. treffe keine Aussage über die vom Amtssachverständigen in Altölen allenfalls enthaltenen Zusätze. Daher habe dem Wiederaufnahmeantrag nicht Folge gegeben werden können.

Mit der vorliegenden Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Stattgebung seines Wiederaufnahmeantrages verletzt und macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften des angefochtenen Bescheides geltend.

Die belangte Behörde erstattete unter Aktenvorlage eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist oder neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten.

Die Beschwerde stützt sich hauptsächlich darauf, daß die belangte Behörde das Gutachten des Prof. Dipl. Ing. Dr. B.St. infolge eines Lesefehlers nicht richtig interpretiert habe und daher unzutreffenderweise davon ausgegangen sei, daß die Verwendung des Zaunimprägnierungsmittels dem AWG widerspreche und deswegen unzulässig sei. Abgesehen davon, daß unabhängig von der Maßeinheit "Milligramm" oder "Mikrogramm" auch der Beschwerdeführer die Bleihältigkeit des Imprägniermittels nicht bestreiten kann, waren die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens aus folgenden Erwägungen nicht gegeben:

Wurde in einem Verfahren trotz gegebener Möglichkeit ein Gutachten nicht eingeholt, dann kann das später eingeholte Gutachten mangels des Tatbestandsmerkmales "ohne Verschulden der Partei" keinen Wiederaufnahmegrund nach § 69 Abs. 1 lit. b (nunmehr Z. 2) AVG bilden (hg. Erkenntnis vom 22. März 1983, Slg. Nr. 11013 A). Im vorliegenden Fall kann nicht davon ausgegangen werden, der Beschwerdeführer hätte ohne sein Verschulden das von ihm vorgelegte Beweismittel nicht noch im abgeschlossenen Verfahren vorlegen können. Beim Lokalaugenschein vom 5. Februar 1992 wurde er vom Vertreter der belangten Behörde aufgefordert, binnen sechs Wochen ab diesem Datum ein Attest "hinsichtlich der Imprägnierung" des Zaunes beizubringen; gleichzeitig wurde dargelegt, mit welchen Folgen das ungenützte Verstreichen der ihm gesetzten Frist verbunden wäre. Wie dem Schreiben des Beschwerdeführers vom 23. März 1992 zu entnhmen ist, erklärte dieser erst am 19. März 1992, somit erst zu Ende der ihm beim Lokalaugenschein vom 5. Februar 1992 eingeräumten Frist, Prof. Dipl. Ing. Dr. B. St. habe ihm mitgeteilt, "daß er eine Nachuntersuchung zur genauen Bestimmung benötige". Abgesehen davon, daß eine stillschweigende Zustimmung zu einer beantragten Fristverlängerung dem Verfahrensrecht fremd ist (siehe das hg. Erkenntnis vom 2. Oktober 1987, Zl. 87/18/0084), hat der Beschwerdeführer im Wiederaufnahmeverfahren nicht dargelegt, daß er alles in seiner Macht stehende unternommen habe, um das Privatgutachten der Behörde rechtzeitig vorlegen zu können. Auch gehen aus dem Akteninhalt keinerlei Umstände hervor, die den Beschwerdeführer an der Beweiserbringung gehindert hätten. Dazu kommt, daß die Behörde in Wahrheit eine wesentlich längere als die gesetzte Frist gewährt hat. Es ist jedenfalls nicht zu erkennen, was den Beschwerdeführer daran gehindert haben sollte, rechtzeitig ein Gutachten über die Zusammensetzung seines Imprägniermittels vorzulegen; es kann daher keine Rede davon sein, daß er bei gehöriger Verfolgung seiner Interessen dieses Beweismittel ohne sein Verschulden nicht hätte geltend machen können. Sache des Wiederaufnahmewerbers ist es ja, darzutun, daß die von ihm behaupteten neuen Tatsachen oder Beweismittel im Verwaltungsverfahren ohne sein Verschulden nicht geltend gemacht werden konnten (siehe die Nachweise bei Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 714 f).

Da somit das Wiederaufnahmebegehren des Beschwerdeführers schon deshalb unberechtigt war, weil er nicht einmal behauptet hat, ohne seine Verschulden an der rechtzeitigen Geltendmachung eines Beweismittel gehindert gewesen zu sein, konnte der Beschwerdeführer dadurch, daß die belangte Behörde das verspätet vorgelegte Beweismittel würdigte, in keinem Recht verletzt worden sein. Die belangte Behörde hat somit im Ergebnis zu Recht den Wiederaufnahmeantrag abgewiesen.

Da somit die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gem. § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

Schlagworte

rechtswidrig gewonnener Beweis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1993050134.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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