TE Vwgh Beschluss 2023/3/7 Ra 2023/03/0002

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Veröffentlicht am 07.03.2023
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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofräte Mag. Samm und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der K W in O, vertreten durch Dr. Johannes Buchmayr, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Altstadt 15, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 7. November 2022, Zl. LVwG-752705/8/MB/NIF, betreffend Waffenverbot (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht über die Revisionswerberin - in Bestätigung eines Bescheides der belangten Behörde vom 7. Juli 2022 - gemäß § 12 Abs. 1 Waffengesetz 1996 (WaffG) ein Waffenverbot verhängt. Die ordentliche Revision wurde für nicht zulässig erklärt.

2        Dazu stellte es als Sachverhalt (zusammengefasst) fest, dass die Revisionswerberin Berufssoldatin im österreichischen Bundesheer sei. Am 31. Dezember 2021 sei es zwischen ihr und ihrem Lebensgefährten - ebenfalls ein Berufssoldat - zu einem Beziehungsstreit gekommen, der mehrere Stunden angedauert habe. Die Revisionswerberin habe zuvor eine Flasche Met getrunken und sei alkoholisiert gewesen, während ihr Lebensgefährte nüchtern gewesen sei. Der Beziehungsstreit habe sich zunächst auf eine verbale Auseinandersetzung beschränkt, in weiterer Folge habe die Revisionswerberin ihrem Lebensgefährten mehrmals mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen. Dieser habe ihre Arme festgehalten, um sich vor ihren Angriffen zu schützen und ebenfalls eine „Watsche“ ausgeteilt. Er habe schließlich die Beziehung zu ihr beenden wollen, sie habe jedoch seine Wohnung nicht ohne ihre, in seinem im Safe befindliche Faustfeuerwaffe verlassen wollen. Der Lebensgefährte habe der Revisionswerberin die Faustfeuerwaffe aufgrund ihrer Alkoholisierung nicht aushändigen wollen, was neuerlich zu heftigen Diskussionen geführt habe. Da der Lebensgefährte eine weitere Eskalation bzw. beiderseitige Verletzungen vermeiden habe wollen und er sich selbst nicht mehr zu helfen gewusst habe, habe er schließlich die Polizei gerufen.

Nach Eintreffen der Polizeibeamten sei die Revisionswerberin sehr aufgebracht und laut gewesen und habe wild gestikuliert. Sie habe auch gegenüber den Polizeibeamten darauf bestanden, ihre Waffe bei Verlassen der Wohnung mitzunehmen. Da sie sich zunächst nicht beruhigt habe, sei sie von einem Polizeibeamten mittels Armstreckhebel an der Wand fixiert worden, sodass sie ihr renitentes Verhalten in weiterer Folge eingestellt habe. Ihr sei von Seiten eines Polizeibeamten mitgeteilt worden, dass es aufgrund der Attacke gegen ihren Lebensgefährten zu einer Wegweisung kommen würde, sie die Wohnung verlassen müsse und sie aufgrund ihrer Alkoholisierung die Waffe nicht mitnehmen dürfe. In der Folge sei die Revisionswerberin auf die Polizeistation mitgenommen worden, wo sie wieder aufbrausend und laut geworden sei, als gegen sie ein vorläufiges Waffenverbot ausgesprochen worden sei.

3        In rechtlicher Hinsicht erwog das Verwaltungsgericht, dass der festgestellte Sachverhalt klare Anhaltspunkte dafür biete, dass bestimmte Tatsachen vorlägen, die die Annahme rechtfertigten, dass die Revisionswerberin durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte. Bereits der Umstand, dass sie am 31. Dezember 2021 trotz starker Alkoholisierung darauf bestanden habe, Zugang zu ihrer Waffe zu erhalten, berechtige zu einer solchen Annahme. Hätte ihr Lebensgefährte sie nicht daran gehindert, die Waffe an sich zu nehmen, so hätte sie die Wohnung unter Alkoholeinfluss und in einer dem Beziehungsstreit geschuldeten, emotional aufgewühlten Stimmung mit einer Schusswaffe verlassen. Dass sie auch nach Eintreffen der Polizeibeamten nicht erkannt habe, mit welchen Gefahren das Tragen einer Waffe unter Alkoholeinfluss verbunden sei, und sie auch von den Polizeibeamten unaufhörlich Zugang zu ihrer Waffe eingefordert habe, indiziere eine zukünftige missbräuchliche Verwendung von Waffen durch die Revisionswerberin. Dieses Verhalten empfinde sie offensichtlich auch rückblickend als völlig unproblematisch, wenn sie vor dem Verwaltungsgericht ihr damaliges Handeln dahingehend verteidige, dass sie ansonsten zu einem anderen Zeitpunkt wieder in die Wohnung ihres (dann ehemaligen) Lebensgefährten zurückkehren hätte müssen, um ihre Waffe zu holen.

In der Prognose des zukünftigen Verhaltens der Revisionswerberin sei überdies zu berücksichtigen, dass sie in einen Beziehungsstreit verwickelt gewesen sei, der derart eskaliert sei, dass die Einsatzkräfte gerufen haben werden müssen. Ihr Lebensgefährte habe sich aufgrund ihrer Attacken im Endergebnis - auch um weitere Schritte durch ihn zu verhindern - nur durch einen Anruf bei der Polizei zu helfen gewusst. Die Rechtfertigung und Verharmlosung dieser Umstände durch die Revisionswerberin vor dem Verwaltungsgericht sei im Hinblick auf die zu treffende Prognoseentscheidung als bedenklich einzustufen. Auch das Vorbringen, wonach die Revisionswerberin ihrem Lebensgefährten körperlich weit unterlegen gewesen sei, übersehe das Kernproblem des verfahrensgegenständlichen Sachverhaltes. Weder die Auslösung der körperlichen Attacken durch Bemerkungen des Lebensgefährten noch die Alkoholisierung der Revisionswerberin berechtigte zu gewaltsamem Vorgehen gegen andere Personen.

Die Revisionswerberin habe durch ihr Verhalten am Vorfallstag gezeigt, dass sie im Falle einer Kombination verschiedener Umstände (psychische Belastung, Alkoholkonsum etc.) nicht in der Lage sei, ihre Emotionen entsprechend zu kontrollieren und Konfliktsituationen auf diplomatischem Weg zu lösen. Sie scheine sich der Problematik ihres Verhaltens auch nicht bewusst zu sein und zeige diesbezüglich wenig Selbstreflexion. Es sei daher jedenfalls zu befürchten, dass sie zukünftig durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte.

4        Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die ihre Zulässigkeit mit der Abweichung von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Waffenverboten auf Grund von Vorfällen häuslicher Gewalt begründet.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6        Die Revision bringt dazu vor, nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei die Erlassung eines Waffenverbotes bei Straftaten im familiären Umfeld, bei wiederholten tätlichen Angriffen auf die Ehefrau, bei Würgen und Schlagen der Gattin, bei familiärer Gewalt mit Verletzungsfolgen, bei wiederholten Gewaltakten, insbesondere in alkoholisiertem Zustand und im familiären Umfeld, bei einer Drohung mit „einem Abgang mit Bomben und Granaten“ und seine Ehefrau „fertig zu machen“ sowie der Ankündigung, die ersten beiden einschreitenden Polizisten, die das Haus betreten würden, müssten „fallen“, gerechtfertigt. All dies liege nicht vor. Insbesondere sei der Lebensgefährte nicht verletzt worden, sodass auch kein Straftatbestand verwirklicht worden sei. Das Vorgehen der Revisionswerberin liege unterhalb der Erblichkeitsschwelle, die ein Waffenverbot rechtfertigen könne.

7        Die vom Verwaltungsgericht in seiner rechtlichen Beurteilung (zu den bei Verhängung eines Waffenverbotes zu beachtenden Grundsätzen) zitierten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes hätten keine vergleichbaren Sachverhalte betroffen, da diese deutlich erheblicher gewesen seien.

8        Das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil dieser die Verhängung eines Waffenverbotes nach einmaligen Vorfällen in Situationen familiärer Gewalt nur bei Verletzungsfolgen unter dem Gesichtspunkt eines „einmaligen Gewaltexzesses“ als gerechtfertigt angesehen habe (Hinweis auf VwGH 8.9.2020, Ra 2020/03/0117; 19.3.2013, 2012/03/0180; 24.3.2010, 2009/03/0049; 20.3.2003, 2000/20/0047; 26.2.2002, 2000/20/0076, und 11.12.1997, 96/20/0142). Erst in einem nächsten Schritt sei dann eine Gefährdungsprognose anzustellen. Mangels Verletzungsfolgen sei die aus den zitierten Entscheidungen ersichtliche Erheblichkeitsschwelle nicht erreicht. Überdies hätten entlastende Umstände wie die bisherige Unbescholtenheit und der Umgang der Revisionswerberin im sozialen Umfeld und im Dienst mit der Waffe berücksichtigt werden müssen.

9        Allerdings hat das Verwaltungsgericht als „bestimmte Tatsachen“ im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG, die die Verhängung eines Waffenverbotes erfordern, nicht die festgestellte familiäre Gewalt gegen ihren Lebensgefährten (die nach der Aktenlage immerhin zum Ausspruch eines Betretungs- und Annäherungsverbotes nach § 38a Sicherheitspolizeigesetz geführt hat) oder einen dabei aufgetretenen Gewaltexzess angesehen. Es hat seine Entscheidung vielmehr ausdrücklich primär darauf gestützt, dass die Revisionswerberin trotz Alkoholisierung und emotional aufgewühlter Stimmung vehement Zugang zu ihrer Schusswaffe gefordert, die Gefahren des Führens von Schusswaffen unter Alkoholeinfluss selbst nach Einschreiten durch die Polizeibeamten nicht erkannt und all dies auch in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht zu rechtfertigen versucht habe. Überdies zeige die Auseinandersetzung mit ihrem Lebensgefährten, dass sie bei Zusammentreffen mehrerer Faktoren nicht in der Lage sei, ihre Emotionen entsprechend zu kontrollieren und Konfliktsituationen gewaltfrei zu klären. Diese Umstände waren es, die nach der Beurteilung des Verwaltungsgerichts die Annahme rechtfertigten, dass die Revisionswerberin durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte.

10       Die Revision, die sich allein darauf stützt, dass die ausgeübte Gewalt niederschwellig gewesen sei, blendet all dies komplett aus. Sie geht damit einerseits nicht vom (gesamten) unbekämpft festgestellten Sachverhalt aus. Entfernt sich jedoch der Revisionswerber bei der Zulässigkeitsbegründung vom - mängelfrei - festgestellten Sachverhalt, kann schon deshalb keine fallbezogene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegen (vgl. VwGH 14.10.2022, Ra 2022/10/0122, mwN). Andererseits betreffen aus diesem Grund die von der Revision zitierten Entscheidungen, die ausschließlich Fälle familiärer Gewalt behandeln, keine vergleichbaren Sachverhalte, sodass insofern auch keine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dargelegt wird.

11       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 7. März 2023

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023030002.L00

Im RIS seit

30.03.2023

Zuletzt aktualisiert am

30.03.2023
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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