TE Lvwg Erkenntnis 2022/4/22 VGW-101/092/3249/2022

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Veröffentlicht am 22.04.2022
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Entscheidungsdatum

22.04.2022

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
41/03 Personenstandsrecht
L00019 Landesverfassung Wien
L10109 Stadtrecht Wien

Norm

AVG §18 Abs4
AVG §58 Abs3
B-VG Art. 119 Abs2
PStG 2013 §3 Abs1
WStV 1968 §79 Abs1
  1. AVG § 18 heute
  2. AVG § 18 gültig ab 01.01.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008
  3. AVG § 18 gültig von 01.03.2004 bis 31.12.2007 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004
  4. AVG § 18 gültig von 01.01.2002 bis 29.02.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 137/2001
  5. AVG § 18 gültig von 01.01.1999 bis 31.12.2001 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 158/1998
  6. AVG § 18 gültig von 01.07.1995 bis 31.12.1998 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 471/1995
  7. AVG § 18 gültig von 01.02.1991 bis 30.06.1995

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seinen Richter Mag. Dr. Gerhard Kienast über die Beschwerde des Herrn mj. A. B. C. D., vertreten durch E. F. G. D., gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien (Magistratsabteilung 63, Gewerberecht, Datenschutz u. Personenstand, Standesamt H.) vom 22.2.2022, Zl. ..., betreffend Personenstandsgesetz (PStG)

zu Recht:

I. Der bekämpfte Bescheid wird wegen Unzuständigkeit des belangten Magistrats aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang:

Mit E-Mail vom 10.10.2021 beantragten die Eltern des Beschwerdeführers die Beurkundung der Geburt des gemeinsamen Sohnes; sie erklärten, dass dieser die Vornamen „A. I. B. C.“ tragen solle.

Mit E-Mail vom 13.10.2021 informierte das Standesamt Wien H. die Eltern des Beschwerdeführers, dass der zweite Vorname „I.“ in Österreich nicht gebräuchlich sei.

Mit E-Mail vom selben Tag replizierten die Eltern und wiesen das Standesamt Wien H. darauf hin, dass der Name „I.“ nicht sehr gebräuchlich sei.

Nach telefonischen Hinweisen des Standesamts, dass der Vornahme „I.“ nicht gebräuchlich und auch dem Kindeswohl abträglich sei, ersuchten die Eltern des Beschwerdeführers um bescheidmäßige Erledigung.

Mit Bescheid vom 22.2.2022 wies der belangte Magistrat den Antrag auf Eintragung des zweiten Vornamens „I.“ für den minderjährigen Beschwerdeführer ab.

Mit Schriftsatz vom 11.3.2022 zog der Beschwerdeführer den bekämpften Bescheid (frist- und formgerecht) in Beschwerde und beantragte die Aufhebung des Bescheids.

Mit Note vom 14.3.2022 legte der belangte Magistrat dem erkennenden Verwaltungsgericht die Beschwerde „gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Standesamt Wien-H.“ zur Entscheidung vor und richtete dem erkennenden Verwaltungsgericht einen lesenden Zugriff zum bezughabenden ELAK ein.

II. Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

1. Im Kopf des bekämpften Bescheides ist (in Fettdruck) der „Magistrat der Stadt Wien – Standesamt Wien H.“ angeführt. Gefertigt wurde der Bescheid „für den Abteilungsleiter“. Der Spruch des Bescheides enthält keinen Hinweis auf die bescheiderlassende Behörde; seine Begründung und seine Rechtsmittelbelehrung gleichfalls nicht.

2. Diese Feststellungen gründen in einer im Verwaltungsakt einliegenden Kopie des bekämpften Bescheids.

3.1. Nach § 3 Abs. 1 PStG 2013 sind „die in diesem Bundesgesetz geregelten Personenstandsangelegenheiten […] von den Gemeinden im übertragenen Wirkungsbereich zu besorgen.“ Gemäß Art. 119 Abs. 2 B-VG werden die Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereichs der Gemeinde vom Bürgermeister besorgt. In Übereinstimmung damit normiert auch § 79 Abs. 1 Wiener Stadtverfassung (WStV), dass der übertragene Wirkungsbereich vom Bürgermeister ausgeübt wird.

Somit ist gemäß § 3 Abs. 1 PStG 2013 iVm Art. 119 Abs. 2 B-VG und § 79 Abs. 1 WStV der Bürgermeister der Stadt Wien zuständig, über den vorliegenden, vom Beschwerdeführer gestellten Antrag abzusprechen.

3.2. Nach § 18 Abs. 4 AVG, der gemäß § 58 Abs. 3 AVG auch für Bescheide gilt, hat jede schriftliche Ausfertigung unter anderem die Bezeichnung der Behörde, von welcher die Erledigung stammt, zu enthalten.

Welcher Behörde die Erledigung zuzurechnen ist, ist anhand des äußeren Erscheinungsbildes, also insbesondere anhand des Kopfs, des Spruchs, der Begründung, der Fertigungsklausel und der Rechtsmittelbelehrung, also noch objektiven Gesichtspunkten, zu beurteilen. Die Behörde, der die Erledigung zuzurechnen ist, muss aus der Erledigung selbst hervorgehen. An welcher Stelle des Bescheids die Behörde genannt ist, ist für die rechtliche Qualifikation der Erledigung als Bescheid irrelevant (vgl. VwGH 19.5.2020, Ra 2019/14/0317, Rn 12).

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem äußeren Erscheinungsbild der behördlichen Erledigung, insbesondere aus der ausdrücklichen Anführung im Kopf, dass diese dem Magistrat der Stadt Wien zuzurechnen ist. Aus dem gesamten Inhalt der Erledigung gibt es keinen Hinweis darauf, dass sie von einer anderen Behörde stammen könnte.

(Nur) wenn ein möglicher „Widerspruch“ aus dem äußeren Erscheinungsbild der Erledigung selbst ohne weiteres hinreichend erkennbar ist, kann er in gesetzeskonformer Auslegung aufgelöst werden, indem zum Beispiel aufgrund der in Betracht kommenden Verwaltungsvorschriften eine der angeführten Stellen als Hilfsapparat der gleichfalls in der Erledigung angeführten Behörde gedeutet wird (vgl. VwGH 15.6.2020, Ra 2019/10/0183, Rn 20). Ein derartiger „Widerspruch“ ist in casu dem bekämpften Bescheid nicht zu entnehmen.

Der bekämpfte Bescheid ist daher dem Magistrat der Stadt Wien zuzurechnen; er ist die bescheiderlassende Behörde.

3.3. Hat eine unzuständige Behörde entschieden, so hat das mit Beschwerde angerufene Verwaltungsgericht (von Amts wegen) diese Unzuständigkeit wahrzunehmen und die Entscheidung der Behörde zu beheben. Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts in der Sache wäre mit Rechtswidrigkeit des Inhalts belastet (vgl. VwGH 2.11.2020, Ra 2020/09/0057, Rn 12).

3.4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid mangels Zuständigkeit der Behörde aufzuheben ist.

3.5. Die ordentliche Revision ist unzulässig, weil keine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere dazu, welcher Behörde ein Bescheid zuzurechnen ist, ab (vgl. die zitierte Judikatur), noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Personenstandsangelegenheiten; übertragener Wirkungsbereich; Bürgermeister; Bezeichnung der Behörde; äußeres Erscheinungsbild; Magistrat der Stadt Wien; unzuständige Behörde

Anmerkung

VwGH v. 7.7.2022, Ra 2022/01/0163; Einstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2022:VGW.101.092.3249.2022

Zuletzt aktualisiert am

29.03.2023
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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