TE Vwgh Erkenntnis 1995/11/7 94/20/0828

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Veröffentlicht am 07.11.1995
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des A in S, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. Oktober 1994, Zl. 4.336.053/1-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Türkei, der am 30. September 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 9. Oktober 1991 einen Asylantrag gestellt hat, hat zunächst bei seiner niederschriftlichen Befragung durch die Bundespolizeidirektion St. Pölten am 15. Oktober 1991 angegeben, er sei auf Grund seiner kurdischen Abstammung in allen Bereichen des Lebens (in der Schule, am Arbeitsplatz usw.) ständig benachteiligt worden. Seine Großeltern seien im Jahre 1983 ausgewiesen worden und hätten nach Istanbul gehen müssen. Wenn er nunmehr zum Militär einrücken müsse, würde er sofort an die Grenze geschickt, wo er gegen sein eigenes Volk kämpfen müßte. Eine direkte persönliche Verfolgung liege nicht vor. Bei seiner Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 5. März 1992 führte der Beschwerdeführer aus, er gehöre keiner politischen Partei oder Organisation an, er sei aber als alevitischer Kurde in seinem Heimatland unterdrückt worden. Die Aleviten würden von der sunnitischen Bevölkerungsmehrheit diskriminiert und als Gottlose betrachtet, weil sie nicht in die Moschee gingen und im Ramadan nicht fasteten. Als Grund für die Ausreise aus seinem Heimatland machte der Beschwerdeführer geltend, er wolle den Militärdienst in der Türkei nicht ableisten. Kurdische Präsenzdiener würden gegen kurdische Aufständische eingesetzt, und er wolle auf keinen Fall auf Kurden schießen und diese bekämpfen. Im Fall seiner Rückkehr in die Türkei müßte er einrücken. Andere Gründe könne er nicht angeben.

Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich hat mit Bescheid vom 11. März 1992 festgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei.

In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, seinem ausgewiesenen Vertreter sei das Parteiengehör und eine Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme verweigert worden. Die Behörde erster Instanz habe nicht darauf Bedacht genommen, daß in der engeren kurdischen Heimat des Beschwerdeführers die Menschenrechtskonvention außer Kraft gesetzt worden sei und daß gegen seine Volksgenossen mit militärischer Gewalt vorgegangen würde. Weiters leide der erstinstanzliche Bescheid an Begründungsmängeln.

Mit Bescheid vom 14. Oktober 1994 wies die belangte Behörde die gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhoben Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und versagte die Gewährung von Asyl.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die belangte Behörde hat die Auffassung vertreten, es sei dem Beschwerdeführer nicht gelungen, konkrete gegen ihn selbst gerichtete Verfolgungshandlungen glaubhaft zu machen. Diese Beurteilung seines Vorbringens entspricht der Rechtslage, weil seinen Aussagen vor der Behörde erster Instanz - diese sind gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 der Entscheidung der belangten Behörde zugrunde zu legen - keinerlei gegen ihn selbst gerichtete staatlichen Aktivitäten zu entnehmen sind. Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Diskriminierungen durch die sunnitische Bevölkerungsmehrheit hat die belangte Behörde schon deshalb, weil sie nicht vom Staat ausgingen und der Beschwerdeführer auch nicht dargetan hat, daß sie vom Staat geduldet würden, zu Recht als zur Glaubhaftmachung von Verfolgung nicht geeignet angesehen.

Die Einberufung zum Wehrdienst hat die belangte Behörde deshalb nicht als asylrelevante Verfolgung gewertet, weil der Beschwerdeführer nicht dargetan habe, daß diese Einberufung aus ethnischen Gründen diskriminierend erfolgen würde. Dieser Argumentation der belangten Behörde ist beizupflichten. So hat der Verwaltungsgerichtshof bereits zu wiederholten Malen ausgesprochen, daß die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes bzw. vor der dann drohenden Bestrafung grundsätzlich nicht als für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geeigneter Umstand angesehen werden kann. Die Flucht wegen Einberufung zum Militärdienst könnte nur dann asylrechtlich relevant sein, wenn die Einberufung aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Gründe erfolgt wäre oder aus solchen Gründen eine drohende allfällige Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung schwerer als gegenüber anderen Staatsangehörigen gewesen wäre (vgl. hiezu insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377). Daß der Beschwerdeführer ausschließlich wegen seiner ethnischen Abstammung zum Militär einberufen würde oder daß ihm aus in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Gründen eine härtere Bestrafung als anderen Staatsangehörigen gedroht hätte, hat er aber weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde vorgebracht. Für seine Befürchtung, im Fall der Ableistung des Präsenzdienstes wegen seiner ethnischen Abstammung an der Grenze gegen Kurden eingesetzt zu werden, hat der Beschwerdeführer außer Vermutungen keine näheren, diese Auffassung untermauernden Umstände vorgebracht, sodaß auch insoweit die belangte Behörde zu Recht das Vorliegen eines Asylgrundes verneint hat.

Soweit sich der Beschwerdeführer in der Beschwerde auf ein nicht näher bezeichnetes hg. Erkenntnis bezieht, in dem "auch im Zusammenhang mit Desertion aus achtenswerten Beweggründen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt" worden sei, ist ihm zu entgegnen, daß - sofern er damit das oa. Erkenntnis eines verstärkten Senates meinen sollte - mit diesem Erkenntnis keineswegs "Flüchtlingseigenschaft zuerkannt" worden ist. Vielmehr wurde in diesem Erkenntnis unter Bedachtnahme auf die im Gebiet der früheren "SFRJ" herrschenden Verhältnisse die belangte Behörde verpflichtet, die Praxis der dortigen Militärbehörden in bezug auf zum Militärdienst eingezogene Angehörige albanischer Nationalität zu ermitteln. Dafür, daß die im Zeitpunkt seiner Flucht in der Türkei herrschenden Verhältnisse für ihn mit der Situation von Wehrpflichtigen im Kosovo im Zusammenhang mit der Jugoslawienkrise vergleichbar wären, hat er weder Anhaltspunkte dargetan noch ergeben sich solche aus der Aktenlage oder aus notorischen Tatsachen.

Entgegen der Auffasung des Beschwerdeführers hat es die belangte Behörde auch nicht unterlassen, im angefochtenen Bescheid auf sein Berufungsvorbringen einzugehen. Vielmehr findet sich in der Begründung des angefochtenen Bescheides jedenfalls die Aussage, daß die belangte Behörde ihrer Entscheidung das Ergebnis des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens zugrunde zu legen habe, weshalb ein allfälliger Begründungsmangel des erstinstanzlichen Bescheides - solche wurden vom Beschwerdeführer in seiner Berufung geltend gemacht - nicht zu dessen Behebung führen könne. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die belangte Behörde habe ihm keinerlei Möglichkeit zur Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme geboten, ist ihm entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde ein eigenes Ermittlungsverfahren nicht durchgeführt hat. Hinsichtlich des erstinstanzlichen Verfahrens hatte der Beschwerdeführer aber bereits bei Erhebung der Berufung Gelegenheit zu Wort zu kommen.

Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994200828.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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